Beinahe Mainstream - für mich

  • Natürlich gibt es keinen "persönlichen Mainstream" - das widerspräche ja dem Begriff an sich. "Mainstream" ist ja jener bereich der Klassik der am weitesten verbreitet ist. Allerdings kann man persönlich der Meinung sein, Komponist X oder Y wäre ein idealer Kandidat, dem Mainstream in Zukunft anzugehören. Eine reine Spekulation - ein "Sommerthread" sozusagen. Interessierte Mitspieler werden hiermit aufgefordert bis maximal 5 Komponisten aufzuzählen, die das Zeug hätten dereinst dem "Mainstream" zugezählt zu werden . auch wenn dies mit hoher Wahrscheinlichkeit nie passieren wird. Die Komponisten sollten in Einzelbeiträgen - nach und nach vorgestellt werden, vielleicht mit einem Klangbeispiel und einer kurz gehaltenen Begründung, weshalb ein Aufstieg in den "Olymp" gerecht wäre.
    Interessant ob es hier Doppelnennungen gibt.
    Zugelassen sind alle Bereiche, mit Ausnahme der Oper, welche eine Spezies für sich ist.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mein erster Kandidat ist - wie könnte es auch anders sein - Ferdinand Ries. 1997, als die erste CD mit Sinfonien von ihm erschien, war er so gut wie vergessen. Allmählich brachte cpo Sinfonie um Sinfonie auf den Markt. Naxos sprang auf diesen Zug auf und veröffentlichte - keine Sinfonien, sondern - Klavierkonzerte und später Klaviersonaten, Cpo konterte mit Kammermusik, Es folgten Werke aus andern Bereichen, zudem gabe es vereinzelt Veröffentlichun bei anderen Labeln. Das Angebot hat inzwischen 25 CDs überschritten, was darauf schliessen lässt, daß Ries heut in einschlägigen Klreisen kein unbekannter mehr ist. Wie sollte es auch anders sein? Die Sinfonien sind ("Schuberts Große C-dur Sinfonie D944 vielleicht ausgenommen) das Ähnlichste, was je in Bezug auf Beethovens Sinfonien geschrieben wurde, sogar Beethoven selbst schätzte Ferdinand Ries.DAbei kopiert er dien Meister nicht , sondern erfindet eigene Themen, die indes oft an Beethovens Tonsprache erinnern. Dazwischen steht ureigenster Ries. Die Beethovennähe ist eigentlich lediglich bei den Sinfonien auffällig. Klavierkonzerte und Kammermusik sind indes eigenständiger. Aber das alles ist bedeutungslos für unseren Thread, wo es ja um den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad beim HEUTIGEN Publikum geht. Aus meiner Sicht hat es Ries noch nicht ganz in den Mainstream-Bereich geschafft - aber beinahe.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Meine Beobachtungen im forum haben mich dazu gebracht, dass für die meisten hier Bach als Grenze gilt; er ist ohne jeden Zweifel Mainstream, oft aber sicher mehr gelobt als gehört. Der bedeutendste deutsche Komponist vor Bach ist Heinrich Schütz. Er ist wohl den meisten dem Namen nach bekannt, wird aber sicher selten gehört, wobei sich nach meiner Einschätzung die Kenntnis teilt: da Schütz so gut wie nur Chormusik geschrieben hat, dazu diese noch dezidiert evangelisch ist, fällt der Teil des Publikums aus, der mehr instrumentale Musik liebt (Sinfonien, Konzerte) und auch die Oper (von Schützens "Dafne" ist nur der Text erhalten). Jeder evangelische Chorsänger allerdings kennt meist mehr von Schütz als von Bach und Händel. Schützens Hauptwerke sind diese (ich nenne jetzt keine Aufnahmen, daran ist kein Mangel): "Geistliche Chormusik von 1648" und sein opus ultimum, der "Schwanengesang", dazu noch die "Musikalischen Exequien" von 1636. Diese Hauptwerke haben meiner Meinung nach den gleichen kompositorischen Rang wie Monteverdis geistliche Werke, vor allem die "Marienvesper" von 1610. Aber auch seine kleineren Werke lohnen sich, wie etwa die "Weihnachtshistorie", die "Auferstehungshistorie", die "Sieben Worte Jesu", die "Johannespassion", die "Matthäuspassion", dazu eine große Anzahl von Psalmvertonungen.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Mein zweiter Kandidat wäre Joachim Raff. Das ist nicht schwer, denn warum Raff heute nicht zum Mainstream zählt ist eigentlich unverständlich, notbene, da seine Werke nicht sperrig oder akademisch sind - im Gegenteil: Sie sind durchwegs eingängig, teilweise herrscht ein volkstümlicher gefälliger Unterton vor . Dass die Instrumentierung meisterlich ist, darüber herrscht ja weitgehend Einigkeit.


    Wie vergänglich Ruhm ist kann man hier ebenfalls erfahren, denn Raff war nie ein Komponist der 2. Reihe oder ein "Kleinmeister"
    Ich zitiere hier wikipedia:

    Zitat

    Er galt zu Lebzeiten als einer der gefragtesten Komponisten des deutschen Kulturraums und wurde von zeitgenössischen Kommentatoren in eine Reihe mit Wagner und Brahms gestellt.


    Allerdings ist es nicht das, was mich an ihm fasziniert, sondern generell seine Sinfonien, bei denen einige sehr interessante dabei sind, wobei ich persönlich hohen Wert auf Eingängigkeit lege. Spröde Werke, da mag der Komponist noch so berühmt sein - lehne ich ab.
    Leider ist die Bewertung von Raff nur partiell möglich, da derzeit keine einzige seiner Opern auf Tonträger oder Video erhältlich ist,
    ja im Augenblich sind nicht mal alle Sinfonien verfügbar, da Naxos seine Serie nicht komplett auf Naxos übertragen hat, CHANDOS seine Serie (war eigentlich eine geplant ?) nach der 2. Folge eingestellt hat und TUDOR seine Aufnahmen succzessive gestrichen hat.
    Freudioge Mitteilung am Ende des Beitrags: TUDOR wird die Gesamtaufnahme aller Sinfonien wieder auflegen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich war es op.6 Nummer 8, das ich von Erzengel Corelli zuerst kennen lernte - was wohl jedem Musikfreund so geht oder gegangen ist. Aber weiteres? Früher musste man ja lange suchen, ohne fündig zu werden. Die Manie (?) der Vollständigkeit hat auch bei Corelli vieles ans Licht geholt, was lange gesucht und nicht gefunden wurde. Jetzt kann es gehört werden. Und Arcangelo Corelli ist für mich so ein Barock-Komponist im Sinne des Threads. Man kennt, schon wegen des op.6,8, seinen Namen, aber bei den übrigen elf Concerti grossi wird es schon eng, ganz zu schweigen von der Kammermusik.
    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Der dritte Kandidat in meiner Sammlung ist Ignaz Josef Pleyel (1757-1831) Ein Jahr nach Mozart geboren, hat er diesen um beinahe 40 Jahre überlebt. Aber Pleyel ist im Stil näher bei Haydn als bei Mozart, wenngleich das gerne überbewertet wird, woran eine immer wieder zitierte Bemerkung Mozarts nicht ganz unschuldig sein dürfte. Ich würde Pleyel Musik als "volkstümlicher und weniger gelehrt bezeichnen als jene von Haydn, was ihn in weiten Bereichen des Publikms beinahe beliebter machte, was sein Londoner Agent Cramer gerne werbetechnisch ausgenutzt hätte. Haydn selbst hatte damals in London Angst davor, daß ihn sein einstiger Schüler übertreffen könnte, was ihn zu Meisterleistungen anspornte, derne Resultat die "Londononer Sinfonien " waren. Pleyel erwies sich indes als umgänglich und bescheiden, seinem alten Lehrer in Dankbarkeit verbunden, und so kam es zu jenem Agreement, welche beiden Herren - wie vom merkantil begabten Haydn vorausgesagt - ein Vermögen einbrachte. Pleyel war, es sei an dieser Stelle daran erinnert, nicht nur Schüler von Joseph Haydn, sondern auch von Johann Baptist Vanhal (1739-1813)
    Die internationale Ignaz Josef Pleyel Gesellschaft ist äusserst rührig und organisiert auch immer wieder Konzerte und Aufnahmen auf CD.
    Das Gesamtwerk Pleyels kann sich sehen (und hören) lassen:
    http://www.pleyel.at/pleyel/seite2.php?spr=de&PHPSESSID=
    Es gibt noch eine Menge an Werken, die noch auf eine Aufführung, bzw Aufnahme warten.... Gut Ding braucht Weile


    mfg aus Wien
    Alfred


    clck 371

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich verstehe nicht so recht den Unterschied zwischen "beinahe Mainstream - für mich" und "Mein persönlicher Geheimtip".


    Schütz und Corelli sind m.E. keine Exoten; selbst wenn typische "Mozart bis Mahler" Hörer sie vielleicht nur dem Namen nach kennen mögen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Ich verstehe nicht so recht den Unterschied zwischen "beinahe Mainstream - für mich" und "Mein persönlicher Geheimtip".


    Das möchte ich gerne erläutern, wenngeleicch ich einräume, daß man über Definitionen streiten kann:


    "Mein persönlicher Geheimtip" - da würde ich Komponisten darunter verstehen, die mir persönlich sehr gut gefallen, die aber keine Chance hätten sich je durchzusetzen (In meinem Fall könnte ich Franz Clement nennen, dessen Violinkonzert (er schrieb, wie ich sehe noch ein zweites) mich begeistert hat, und das ich als "persönlichen Geheimtip" weiterempfehlen könnte. Er hätte allerdings nich die geringste Chance in den Mainstream Bereich zu kommen, die Anzahl seiner Werke ist zu gering UND es gibt derzeit nur eine einzige Aufnahme eines Werks von im - wer weiß wie lange nich)


    "Beinahe Mainstream- für mich" sollte sagen, daß ein Komponist meiner Meinung nach relativ nahe beim Mainstream ist und eines Tage wieder dazugezählt werden könnte, also "meiner Einschätzung nach", das hat eigentlich nichts damit zu tun ob ich den Komponisten persönlich schätze oder nicht. In meinem Falle ist es in der Tat ZUFÄLLIG so, daß die Bisher genannten Lieblinge von mir sind UND wie ich meine "Mainstream Kandidaten. Ries ist hier ein Sonderfall, sein Bekanntheitsgrad ist seit 1997 - zumindest auf Platte rasant angestiegen. Die beiden anderen waren zumindest zu Lebzeiten "Mainstream"
    Ich will hier gerne - ausser Konkurrenz zwei Komponisten nennen, zu denen ich kaum Zugang habe, wo ich aber meine, sie hätten bei entsprechenden Bemühungen der Plattenproduzenten* und Konzertveranstalter eine gute Chance mit ganz vorne dabei zu sein: Max Reger und Hans Pfitzner. Hier würde beispielsweise "Beinahe mainstream - für mich" zutreffen, aber kein "Geheimtip von meiner Seite.


    "Schütz und Corelli sind keine Exoten" - das habe ich mir im ersten Augenblich auch gedacht, als ich die Nennungen hörte.
    Aber genau betrachtet wird hier etwas zur Sprache gebracht, das wir vielleicht noch nicht wahrgenommen haben - weil wir es nicht wahrnehmen wollten: Sie sind auf dem besten Wege es zu werden oder sind es bereits, nur haben wir es noch nicht bemerkt.
    Es ist immerhin interessant und vielleicht sogar ein Warnsignal, wenn man sieht, daß das jemand so sieht und auch begründet.


    mfg aus Wien
    Alfred


    * über "Werbeaktivitäten" von Schallplattenfirmen einst und jetzt folgt demnächst ein Thread.....


    clck449

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie Musikwanderer selbst schreibt, war das "Weihnachtskonzert" schon in den 1950ern auf Barock-Auswahlplatten zu hören. Da 5/6 der Werke Corellis Kammermusik für Streicher sind ist kaum zu erwarten, dass die Stücke zu populär sind wie Vivaldis "Programmkonzert" oder die Wassermusik. Aber der einzelne Stücke und der Name des Komponisten sind bekannt und alle Werke liegen seit Jahrzehnten problemlos greifbar auf Tonträgern vor, Corelli ist als einer der zentralen und einflussreichsten Komponisten seiner Generation klar in jeder Musikgeschichte und jedem Lexikon herausgestellt. Das ist ÜBERHAUPT kein Vergleich zu Ries oder Pleyel.


    Schütz ist eher noch bekannter, zumindest in Gegenden mit starker protestantischer Tradition, wenn auch kein einzelnes Werk annähernd so bekannt ist wie die bekannten Chorwerke Bachs.
    Aber natürlich ist das beides keine Musik für Sinfonieorchester und keine Oper und allein deswegen nicht so populär wie Mozart oder Dvorak. Das kann und wird sich aus offensichtlichen Gründen auch nicht ändern.
    Wenn man jedoch (barocke) Chormusik oder (barocke) Kammer/Konzertmusik als Bezugsrahmen nimmt, sind Corelli und Schütz außerordentlich bekannte, regelmäßig (ein-)gespielte Komponisten.

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  • Mainstream heißt nach meinem Verständnis: die Hauptwerke sind allgemein bekannt (auch über Hardcore-Klassikliebhaber hinaus), werden oft gehört, regelmäßig aufgeführt, sind zahlreich auf Tonträgern vertreten (auch auf Major-Labeln mit bekannten Interpreten). Das heißt aber, dass zwischen Mainstream und Geheimtipps noch viel Platz ist. Schütz ist meiner Meinung nach kein Mainstream, bei Corelli kann man streiten (sichere Kandidaten sind Bach, Händel und Vivaldi), aber beide sind jedem Klassik-Hörer zumindest dem Namen nach ein Begriff. Von Exoten kann hier also keine Rede sein. Mit Pleyel, Ries und Raff sieht es da schon anders aus.


    Dass Pleyel, Ries und Raff jemals Mainstream werden könnten, halte ich ehrlich gesagt für abwegig, das gleiche gilt für Reger und Pfitzner :untertauch:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Dass einzelne Sinfonien Raffs nicht gerade Mainstream, aber doch etwas bekanntere Stücke am "Rand des Repertoires" werden könnten, halte ich nicht für ausgeschlossen. Sagen wir in etwa so wie die Sinfonien Borodins, Glasunovs oder die ersten drei von Dvorak usw. Es ist aber unwahrscheinlich, denn die erste "Welle" der Raff-Aufnahmen fand schon in den 1970ern statt, soviel ich weiß, ohne dass etwa die "Lenore"-Sinfonie, die kein geringerer als der Filmkomponist Bernard Herrmann aufgenommen hatte, oder eine der "Jahreszeiten", es "geschafft hätte... (s.u.)


    Ries, Pleyel u.a. aus der Zeit ca. 1780-1830 werden es m.E. nie schaffen und immer nur auf Tonträger (und hier auf eine Nische) beschränkt bleiben. Es gibt einfach zu viel Musik der bekannten Komponisten der Zeit. Wie schon wiederholt gesagt: Wenn von ca. 105 Haydn-Sinfonien nur 20 halbwegs bekannt sind, warum sollte eine Sinfonie von Pleyel oder Michael Haydn oder Rosetti oder... eine ernsthafte Chance haben?


    Die meisten Komponisten und Werke, die es in den letzten 40-50 Jahren geschafft haben, sich zu etablieren, dürften aus dem Barock stammen. Das lag daran, dass diese Epoche von beinahe 150 Jahren vorher nur mit sehr wenigen Werken weniger Komponisten und beinahe ausschließlich aus dem Spätbarock repräsentiert war. Daher konnten Stücke wie Monteverdis Marienvesper oder Bibers Rosenkranzsonaten echte Lücken füllen. Die sind ausreichend anders als z.B. Bach oder Händel, sehr originell und Meisterwerke ihrer Art. Sie liegen inzwischen in dutzenden von Einspielungen vor (während ich mich noch erinnern kann, dass Goebels Anfang der 1990er die einzige leicht erhältliche (wenn auch nicht die erste, eher die dritte oder vierte) Einspielung der Rosenkranzsonaten war.


    Dagegen wird nur der dezidierte Fan der Epoche nach 100+ Sinfonien Haydns und 40+ Mozarts nun auch noch ein dutzend von Michael Haydn oder Myslivecek hören wollen.


    Da gibt es eher noch Lücken in der Spätromantik und frühen Moderne. Die Rott-Sinfonie ist ein Beispiel, bei dem ich mich noch daran erinnern kann, wie es Mitte der 1990er ein Geheimtipp mit einer oder zwei Einspielungen gewesen ist. Inzwischen dürfte es an die 10 geben und ich habe das Stück live mit den Berliner Philharmonikern gehört.


    Ein Komponist, für den ähnliches gilt, ist Zemlinsky. Die Pionieraufnahmen des LaSalle Quartetts stammen aus den frühen 1970ern, inzwischen dürfte es 4 oder mehr GA der Quartette geben, von den meisten Orchesterwerken mindestens eine, von der Lyrischen Sinfonie ein dutzend oder mehr. Die Opern wurden ab ca. 1980 wiederbelebt; es ist zwar vermutlich noch keine einzige fest etabliert, aber sie wurden/werden an großen Häusern und Festspielen immerhin schon gegeben und liegen in (meist mehreren) Aufnahmen, teils mit recht angesehenen Interpreten vor.

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  • Dass einzelne Sinfonien Raffs nicht gerade Mainstream, aber doch etwas bekanntere Stücke am "Rand des Repertoires" werden könnten, halte ich nicht für ausgeschlossen. Sagen wir in etwa so wie die Sinfonien Borodins, Glasunovs oder die ersten drei von Dvorak usw.


    Das ist sicher möglich, wobei Borodin und Glasunow m.E. eben auch weit davon entfernt sind, Mainstream zu sein. "Rand des Repertoires" trifft es hingegen gut.


    Ein Komponist, der es vielleicht vom Rand weiter ins Zentrum des Repertoires schaffen könnte, ist Boccherini. Er erfüllt eigentlich alle Voraussetzungen, um ein Publikumsliebling zu werden: die Musik ist eingängig und angenehm, stellt keine großen Anforderungen an die Hörer, ist aber trotzdem originell und mit keinem Zeitgenossen zu verwechseln (man könnte nicht sagen: wer schon die Kammermusik von Haydn und Mozart kennt, wird sich nicht auch noch Boccherini anhören wollen, weil dieser eben ganz anders klingt). Zudem gibt es etliche Werke mit programmatischen Titeln, mit Elementen der spanischen Volksmusik und mit besonderen Effekten, was der Popularität immer gut tut. Und als Filmmusik ist er auch schon mehrfach verwendet worden (nicht nur das berühmte Minuetto aus Op. 11, No. 5). Es gibt eine Vielzahl von neueren Aufnahmen auf unterschiedlichen Labels, und einige der Cellokonzerte wurden von berühmten Cellisten eingespielt (von Jacqueline du Pré und Mstislav Rostropovich bis Mischa Maisky). Einzig die Tatsache, dass er nicht so viele großformatige Werke geschrieben hat (Konzerte, Sinfonien), könnte einer weiter wachsenden Popularität im Wege stehen - Quintette und Quartette sind eben leider beim Massenpublikum nicht so beliebt.

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  • Wie gesagt, die Begriffe sind natürlich unscharf. Ich meine mit Mainstream NICHT, dass ein Stück auch von "Gelegenheitsklassikhörern" gekannt wird, was kurioserweise auf Boccherinis Ladykillers-Menuett sogar zutrifft. Das war schon vorher so bekannt, dass es meiner Erinnerung nach eine Aufnahme der Comedian Harmonists gibt...


    Insofern würde ich heute z.B. Zemlinskys Lyrische Sinfonie oder Borodins 2. Sinfonie zwar nicht unbedingt zum Mainstream, aber zum nicht allzu exotischen Repertoire rechnen. Dito Boccherini als Komponisten insgesamt. Er hat hauptsächlich das Problem, dass es nicht ein bis drei so zündende Werke gibt wie z.B. Vivaldis Jahreszeiten und dass Kammermusik eh eine Nische ist. Daher zerstreut sich das mäßige Interesse auf dutzende oder hunderte von Werken. So ähnlich wie bei Telemann


    Z. Zt. sind aber die Raff-Sinfonien in der Diskographie m.E. deutlich von der Rott-Sinfonie, von Zemlinskys Lyrischer Sinfonie oder den ersten drei Dvorak-Sinfonien entfernt (weil es letztere natürlich im Rahmen etlicher GA gibt), von Live-Aufführungen gar nicht zu reden.

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  • Eigentlich ist die Rede vom Mainstream in der klassischen Musik fragwürdig, denn Mainstream bezeichnet den in einer Kultur dominierenden Massengeschmack, der durch Massenmedien verbreitet wird. So die Definition in der englischen Wikipedia:


    Mainstream is current thought that is widespread. It includes all popular culture and media culture, typically disseminated by mass media. It is to be distinguished from subcultures and countercultures [...]


    Klassik ist demnach nun ganz klar eine Subkultur und kein Mainstream.


    Wenn man den Begriff im Sinne von "Mehrheitsgeschmack innerhalb der (zahlenmäßig sehr begrenzten) Menge der Klassikhörer" versteht, dann bleibe ich dabei: Raff oder Borodin sind kein Mainstream, im Gegensatz zu Vivaldi, Bach und Händel, Haydn, Mozart und Beethoven, Schubert, Schumann und Mendelssohn, Dvorak und Tschaikowski, Brahms und Bruckner und - inzwischen - auch Mahler und Sibelius und vielleicht noch ein paar andere.


    Ich finde den Begriff allerdings insgesamt wenig hilfreich.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich freu mich, daß der Thread - nach kurzer Anlaufzeit - doch auf Interesse gestoßen ist, und sogar über das ursprüngliche Ziel hinausgeschossen ist. Auch die Mitleser dürfte das Thema interessiern: 634 Seitenaufrufe in wenigen Tagen mitten im Sommer bei Gluthitze - das ist schon beachtlich. Auch ich verschiebe die zwei von meiner Seite noch ausständigen Nominierungen und gehe auf einige angeschnittene Punkte ein.
    Zu recht wurde klassische Musik als ein Nischenprodukt bezeichnet. Daher muß das Wort MAINSTREAM innerhalb dieser Nische gesehen werden. Ich spreche hier also nicht "Otto Normalverbraucher" als relevanten Teil der sogenannten "Gesellschaft" an, sondern den typischen Klassikhörer, Klassiksammler Opern- und Konzertgeher sei er Abonnent oder Käufer a la Carte - ungeachtet seines persönlichen Wissensstandes


    Ich kannte übrigens die Namen Raff und Pleyel schon lange, bevor ich mich ernstlich mit Nischenrepertoire befasste - hatte allerdings noch nie etwas von ihnen gehört. Pleyel sollte schon wegen seiner Klavierfabrik irgendwie im öffentlichen Bewußtsein der Klassikgemeinde sein. Im Falle Ries liegt die Sache anders: Mir war er bis 1997 nicht bekannt, aber Czerny war mir als Satelit Beethovens im Hinterkopf - Auch von ihm hatte ich nicht wirklich etwas gehört.
    Vivaldi - Bertrarido bezeichnet ihn als Mainstream - ich pflichte hier bei. Allerdings ist er genau genommen ein "Newcomer" 1965 waren seine Werke noch nicht mal katalogisiert und bekannt waren eigentlich nur "Die 4 Jahreszeiten", die - neben Tschaikowskys Klavierkonzert Nr 1 - vorzugsweise dazu benützt wurden als DEMO -Aufnahmen für die Markteinführung von der neuen STEREO-Technik zu dienen.
    Auch Boccherini würde ich heute bereits zum "Mainstream" (im von mir weiter oben definierten Sinne) sehen, Und natürllich hat er auch Sinfonien geschrieben. Hier gibt es in der Tat noch ein PR-Problem.
    Telemann ist IMO - nach langem Anlauf - selbstverständlich schon (wieder) im Mainstream angekommen.


    mfg aus Wien
    Alfred


    PS: "Rand des Repertoires" und "Beinahe Mainstream" sind IMO sehr ähnliche Sichtweisen.....


    Clck642

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Eigentlich ist die Rede vom Mainstream in der klassischen Musik fragwürdig, denn Mainstream bezeichnet den in einer Kultur dominierenden Massengeschmack, der durch Massenmedien verbreitet wird. So die Definition in der englischen Wikipedia:


    Mainstream is current thought that is widespread. It includes all popular culture and media culture, typically disseminated by mass media. It is to be distinguished from subcultures and countercultures [...]


    Klassik ist demnach nun ganz klar eine Subkultur und kein Mainstream.


    Nein. Klassik ist als offizielle, öffentlich geförderte und institutionell verankerte "Hochkultur" natürlich keine Subkultur im üblichen Sinne. Dabei ist nahezu egal, wie viele Leute de facto Klassik hören.


    Der Ausdruck Mainstream mag problematisch sein, aber in unserem Kontext war ja eh klar, dass es sich um "Klassik-Mainstream" handelt. Ich bevorzuge auch den Ausdruck "Repertoire" mit entsprechenden Abstufungen für besonders zentrale, besonders populäre bzw. eher randständige Stücke. Dabei ist das keine lineare Anordnung, sondern man kommt eher mit überlappenden Kreisen den Phänomenen näher.


    z.B. Hummel ist als Komponist und mit dem Gesamtwerk (oder mit wesentlichen Anteilen davon) sicher kein gängiges Repertoire. Aber sein Trompetenkonzert ist ein Standardstück für Trompeter. Dito Spohrs Klarinettenkonzerte. Daher haben konzertante oder ungewöhnlich besetzte Kammermusikwerke eine weit bessere Chance, sich eine Nische zu erobern.


    Beethovens späte Quartette sind zentrale Werke, aber nicht so populär wie Schuberts "Der Tod und das Mädchen" oder Haydns "Kaiserquartett. Oder gar wie "Die Moldau".


    Hugo Wolfs Streichquartett ist eher ein Exot, aber viele seine Lieder gehören zumindest zum erweiterten Kernrepertoire des Kunstlieds.


    Regers Orchestermusik ist am Rand des Repertoires, oder nicht einmal das, aber etliche seiner Orgelwerke sind für Organisten "Standard" und als Orgel- und Acappella-Chormusikkomponist ist Reger offensichtlich zentraler als Mozart oder Beethoven.


    Pfitzners Palestrina (sowie einige andere Opern) stehen in jedem Opernführer verzeichnet und zumindest Palestrina wird relativ hoch angesehen. Das trifft vermutlich auf kein einziges Orchester- oder Kammermusikwerk Pfitzners zu; das sind alles eher Nischenwerke.


    Was meine beiden Beispiele oben betrifft: Zemlinskys Lyrische Sinfonie oder Rotts Sinfonie würde ich inzwischen als gängiger (d.h. häufiger (ein)gespielt) einstufen als alle Orchesterwerke Pfitzners und fast alle (evtl. Ausnahme Mozart-Variationen und Böcklin-Suite) Regers. Aber natürlich ist da noch ein deutlicher Abstand zu Sinfonien von Bruckner oder Mahler, erst Recht Beethoven und Brahms. Bei der Lyrischen Sinfonie hat man obendrein zwar eine "Nische" (Sinfonie als Liederzyklus), die aber aufwendig zu besetzen ist.


    Wenn nun ein Komponist mit keinem einzigen Werk in irgendeiner Sparte zum Repertoire gehört, dann kann man ihn einen Exoten oder randständig nennen. Das trifft m.E. auf Raff, Pleyel und Ries zu. Wobei Raff in einem typischen Konzertführer eher mal einen Absatz kriegt, als die beiden anderen, die bis vor kurzem, wenn überhaupt nur namentlich als Klavierverkäufer bzw. Beethovenschüler bekannt waren, nicht mit irgendwelchen musikalischen Werken.


    Was die "Aussichten" betrifft, habe ich schon oft geäußert, dass Pleyel und Ries m.E. nahezu vollständig von Haydn, Mozart, Beethoven "abgeschirmt" werden und keine wirklich relevanten Nischen besetzen können. Wobei es entsprechende Bläserkonzerte Pleyels und gemischte Kammermusik Ries' gibt, die das durchaus schaffen könnte, aber wir reden hier von einem "Aufstieg" von "völlig unbekannt" zu "so bekannt wie Carl Stamitz Klarinettenkonzerte oder Spohrs Nonett", nicht zu "so bekannt wie Webers Klarinettenkonzerte und Schuberts Oktett".


    Raff wäre mit seinen Sinfonien im Prinzip in einer nicht uninteressanten Lücke zwischen "absoluter" und Programmmusik. Aber "geschafft" hat er es meinem Eindruck nach nicht, woran auch immer das liegen mag.

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    (Bob Dylan)


  • Franz Berwald - ein Komponist, dessen Musikscheiben bei mir häufig im Player rotieren. Ich mag seine Musik, ohne das in tiefschürfenden Erklärungen verorten zu können, weiß aber, dass beispielsweise seine Sinfonien, wenn überhaupt, nur selten in den Programmen berühmter Orchester auftauchen werden.


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Raff wäre mit seinen Sinfonien im Prinzip in einer nicht uninteressanten Lücke zwischen "absoluter" und Programmmusik. Aber "geschafft" hat er es meinem Eindruck nach nicht, woran auch immer das liegen mag.


    Raff ist in der Tat ein interessanter Fall. Gegenwärtig befindet er sich IMO in einer Art "Schwebzustand"
    Seinem Image haftet (siehe auch Spohr und einige andere) irgendwie etwas "biedermeierlicherliches" an, das der momentane Zeitgeist gerne verdrängen möchte, eine Mischung aus "heiler Welt" und "Gruselromantik" , vermischt mit nationalen Elementen. Die Deutschen mögen das nicht. Raff gilt ja als "deutscher Komponist" mit "Schweizer Wurzeln" - Aber ich meine, dahinter steckt eine Menge Potential. Die Gesellschaft ist - eimal mehr im Wandel begriffen, eine neokonservative, nostalgische Welle rollt auf uns zu. Da sehe ich durchaus auch Chancen für Raff. Siehe auch meinen heute zu eröffnenden Thread "Die Tonträgerindustrie als Meinungsbildner" (vielleicht feile ich noch ein wenig am Titel)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Berwald hat den kleinen Vorteil (ggü. Raff oder Ries), dass er, selbst wenn ein folkloristischer Tonfall weitgehend fehlt, als "Nationalkomponist" wahrgenommen werden kann, so dass man sich eher um ihn kümmert. Es sind auch nur vier Sinfonien, mithin gibt/gab es schon lange Gesamtaufnahmen bei Major Labels (Blomstedt/Decca, Järvi/DG, dann noch Björlin/EMI, Goodman/Hyperion, Dausgaard/Chandos (Brilliant), Kamu/Naxos...)


    Abgesehen davon sind seine Sinfonien ziemlich originell, u.a. gibt es da die vermutlich erste, die ein Scherzando als Mittelteil eines langsamen Satzes verwendet. Oder die mit dem obsessiven Quartenmotiv, die mich sogar an Sibelius erinnert. Insgesamt daher ein Komponist, der relativ stabil in seiner Nische präsent und diskographisch ordentlich vertreten ist, m.E. völlig zu recht.


    Gade ist ein ähnlicher Fall. Wobei der sich m.E. weit enger an Mendelssohn orientiert als Berwald an irgendjemandem. Gades Sinfonien sind zwar alle gut gemacht, flüssig und hörenswert, aber doch oft ein recht verbindlicher "Mendelssohn-Klon". Am originellsten ist er wohl mit seinem Debut (Ouverture: Nachklänge aus Ossian) und auch die erste Sinfonie hat noch mehr "nordische" Stimmung.
    Originell, aber mich nicht so recht überzeugend ist dann noch der Einsatz eines Soloklaviers in der 5.? Sinfonie Gades.


    Es ist halt immer auch die Frage, was man sich von einer "Ausgrabung" verspricht. Möglichst Ähnliches zu dem, was man schon kennt, oder etwas anderes. Im Idealfall, wie bei der Rott-Sinfonie, findet man ein erstaunlich originelles Stück, dass aber doch eng genug an bekannten (und anerkannt großen) Komponisten (hier hauptsächlich Bruckner und Mahler als Antizipation) liegt, um als relevante Zwischenstufe zu erscheinen.
    Zemlinskys Lyrische Sinfonie hat kaum bekannte Parallelen, an einigermaßen bekannten "Liedersinfonien" gibt es sonst nur noch Mahlers Lied von der Erde" und Schostakowitschs 14. Sinfonie, von denen sich aber der Zemlinsky sehr deutlich unterscheidet.


    Dagegen finde ich z.B. bei Gade den eigenen Ton eher vereinzelt ausgeprägt. Wer gerne Sinfonien in ähnlicher Art wie Mendelssohns, nur melodisch nicht so einprägsam etc. hören mag, soll jedenfalls Gade hören. Aber man sollte nicht erwarten, originelle, "zu Unrecht vergessene" Meisterwerke zu finden und für einen Eindruck würde auch eine CD mit Sinfonien und/oder die "Ossian"-Ouverture reichen.


    Mit "Zeitgeist" als Erklärung kommt man nicht allzu weit. Denn anscheinend ist der "Zeitgeist" schon seit etwa 40 Jahren (daher stammen wohl die ersten Tudor-Aufnahmen einiger Sinfonien, ein unvollständiger Zyklus, deutlich vor dem späteren mit Stadlmair eingespielt) gegen Raff. Und nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den sehr regen Nischenlabels anderer Länder wie BIS, Chandos, Hyperion...


    clck846

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    (Bob Dylan)

  • Abgesehen davon sind seine Sinfonien ziemlich originell, u.a. gibt es da die vermutlich erste, die ein Scherzando als Mittelteil eines langsamen Satzes verwendet. Oder die mit dem obsessiven Quartenmotiv, die mich sogar an Sibelius erinnert.

    Mit dem Scherzando im Mittelteil (das ist doch eh die mit dem Quartenmotiv, oder?) ist Schumann früher dran.
    Aber die Kombination sehr originell und Skandinavier mit möglichen Vorausassoziationen zu Sibelius setzt ihn natürlich in eine ganz andere Position als Raff.
    Allerdings hat in letzter Zeit ein vergleichsweise auch als blässlicher Epigone eines Landsmannes kategorisierbarer Weinberg den Sprung in die Nähe des Mainstreams geschafft (Schostakowitsch light sozusagen).

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  • Weiß nicht auswendig, welche welche ist ;) Schumann's "Zwickauer" ist m.E. nicht publiziert gewesen, daher konnte es Berwald eigentlich nicht haben.
    Ich vermute, er hat es eher aus der Kammermusik. Z.B. Beethovens op.18/2 2. Satz mit Allegro-Einschub oder die Fantasiesonate op.27/1, 1. Satz auch die (beinahe) scherzando-Abschnitte in langsamen Sätzen mancher später Quartette. In der Romantik gibt es jedenfalls schon vorher bei dreiteiligen Klavierstücken u.ä. die "Umkehrung" des früheren Scherzo-Trio-Charakters, also lyrischer Hauptteil und bewegter Mittelteil, etwa in einigen Chopin-Nocturnes. Oder Schuberts Streichquintett, langsamer Satz (kein scherzando und keine neue Tempovorschrift, aber viel bewegter und meistens deutlich schneller gespielt).


    Von Raff habe ich bisher nur drei Sinfonien 7, 8, 10) gehört, vielleicht nicht die überzeugendsten und nicht in den überzeugendsten Interpretationen. Im Prinzip bietet er schon eine nicht uninteressante Kombination von programmatischer und absoluter Musik, so dass das fortdauernde Nischendasein schon ein wenig wundert. Aber von den programmatischen Werken berühmter Komponisten haben es letztlich ja auch nicht so viele geschafft. Schon der Rest von Ma Vlast nach der Moldau ist nicht allzu bekannt, von Liszts zahlreichen Tondichtungen nur wenige, die ca. 5 Dvoraks stehen auch weit hinter dessen späten Sinfonien in der Bekanntheit usw. D.h. der Raff hat vermutlich gar keinen Vorteil von dieser Zwischenstellung.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Alfred!


    Deine Eingangsbehauptung hat mich nach einigem Nachdenken ziemlich irritiert.


    Zitat

    Natürlich gibt es keinen "persönlichen Mainstream" - das widerspräche ja dem Begriff an sich. "Mainstream" ist ja jener bereich der Klassik der am weitesten verbreitet ist. Allerdings kann man persönlich der Meinung sein, Komponist X oder Y wäre ein idealer Kandidat, dem Mainstream in Zukunft anzugehören.


    Was wäre denn nötig, dass der p.p. Komponist in der Zukunft dem dann herrschenden "Mainstream" angehört?
    Mainstream hat doch etwas mit kultureller Hegemonie zu tun.
    In der Gesellschaft der Massenkommunikation und Massenmedien wird kulturelle Hegemonie - oder wenn Du so willst Mainstreaming - nicht allein durch Manipulation oder Zwang erzeugt. Die Menschen werden überzeugt, dass der und der Komponist zur „besten aller möglichen Klassikwelten“ gehört - und andere eben nicht. Das geschieht durch Hegemonieapparate, wie Erziehungs-, Integrations- und Bildungssysteme. Dabei spielen Schulen und Massenmedien, Konzertveranstalter, Plattenproduzenten und ... und ... und ... eine Rolle. Das ist eine Frage der Überzeugungskraft von Argumenten - aber nicht nur!


    Aber was braucht es also, dass ein Komponist Mainstream wird?
    Der Mainstream spiegelt den kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit wider.


    Du wünschst ja eine

    Zitat

    ... kurz gehaltene Begründung, weshalb ein Aufstieg in den "Olymp" gerecht wäre.


    Gerecht? Ist das stimmig?
    Olymp??? Ist das stimmig???
    Willst Du nicht gerade, dass der p.p. Komponist vom kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit akzeptiert wird??
    Da geht es nur sehr begrenzt um Qualitätsbehauptungen, um Exzellenz.


    Das sind Fragen, die Deinen "Sommerthread" jetzt nicht belasten sollen, aber unterdrücken wollte ich sie doch nicht einfach!


    Vielleicht ist nur einfach der Begriff des Mainstreams unglücklich gewählt. Vielleicht willst Du ja ganz was anderes ?
    Wolltest Du vielleicht einfach nur fragen, welche Werke von bislang "geringgeschätzten" Komponisten in den Kanon der musikalischen Kunstwerke aufgommen werden könnten, denen in der Gesellschaft allgemein ein herausgehobener Wert bzw. eine wesentliche, normsetzende und zeitüberdauernde Stellung zugeschrieben wird?


    Aber das ist eine Frage in einem anderen Kathegoriensystem.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat

    Was wäre denn nötig, dass der p.p. Komponist in der Zukunft dem dann herrschenden "Mainstream" angehört?


    Das wissen wir nicht wirklich. Immerhin haben viele Komponisten des 20. Jahrhunderts versucht ins Repertoire aufgenommen zu werden - Einige haben es sogar - mit Hilfe befreundeter Medien - geschafft. Beliebt sind sie bis heute nicht.


    Zitat

    Aber was braucht es also, dass ein Komponist Mainstream wird?
    Der Mainstream spiegelt den kulturellen Geschmack einer großen Mehrheit wider.


    Deshalb wuerden auch in der Vergangenheit sehr oft "Volkslieddthemen", historische Märsche und nationale Hymnen etc in klassische Werke eingebaut. Heute aber ist vieles davon "verpönt". Nationalismus (spreziell wenn er deutschen Ursprungsd ist) "Kriegerische Themen (Mozart Haydn, Beethoven, Schubert und zahlreiche andere Komponisten bedienten sich des öfteren solcher Vorlagen) man hat diesen Bereich tabuisiert - wenngleich diese Phase ihrem Ende entgegengeht.


    Zitat

    Das sind Fragen, die Deinen "Sommerthread" jetzt nicht belasten sollen, aber unterdrücken wollte ich sie doch nicht einfach!


    Es ist eine Eigenart von Threads in Internetforen, dass ihr Verlauf unvorhersehbar ist. Dieser "leichte Sommerthread" hat sich überraschenderweise ganz anders entwickelt als angedacht - und im speziellen Fall bin ich ausnahmsweise recht glücklich darüber


    Zitat

    Wolltest Du vielleicht einfach nur fragen, welche Werke von bislang "geringgeschätzten" Komponisten in den Kanon der musikalischen Kunstwerke aufgommen werden könnten, denen in der Gesellschaft allgemein ein herausgehobener Wert bzw. eine wesentliche, normsetzende und zeitüberdauernde Stellung zugeschrieben wird?


    Prinzipiell Ja. Allerdings handelt es zumindest sich im Falle von Raff um einen Komponistenm der zu Lezeiten zu den "Bedeutensdsten" gezählt wurde, wogegen Mahler (und auch in vermindertem Maße Sibelius) eher geringschätzig gesehen wurden.
    Reger ist beispielsweise "berühmt" - wird aber kam gehört. Wie soll man den einschätzen ? Auch Carl Maria von Weber ist IMO heute unterschätzt. Liszt - wird hoch gehandelt - Aber wer hört heute noch Liszt ?


    Ich habe den Eindruck, dass das allgemein geschätzte und als unsterblich betrachtete Repertoire immer kleiner wird....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ich habe den Eindruck, dass das allgemein geschätzte und als unsterblich betrachtete Repertoire immer kleiner wird....


    Das ist ganz sicher falsch. Sicher ändert sich (ein wenig), was als "unsterblich" betrachtet wird. Man muss bei alledem bedenken, dass Musik eine sehr flüchtige Kunst ist (sie ist eben nicht "dauerhafter als Erz"). Die ursprünglichen "Klassiker" in Skulptur, Baukunst und Dichtung stammen alle aus der Antike und gelten (teilweise) seit über 2000 Jahren als "Klassiker" (Homers Dichtungen waren schon für die "klassischen" Griechen um 400 v. Chr. "klassisch".) Verglichen damit oder auch mit "Klassikern" der bildenden Kunst und Architektur aus Mittelalter und Renaissance ist die "klassische Musik" größtenteils neumodisches Zeugs...


    Aber kleiner wird das Repertoire ganz sicher nicht. Es helfen ja schon die Medien, mehr Werke über Radio und Tonträger zu verbreiten. Wenn man sich Konzertführer aus der ersten Hälfte, sogar noch aus der Mitte des 20. Jhds. anschaut, wird man dort oft etwa von den Mahler-Sinfonien nur die meistgespielten (1,2,4,5) herausgehoben finden, ebenso bei Bruckner besonders die 4.,7.,8. Von Mozart und Haydn nur sehr wenige Spätwerke. Weil es eben um die wirklich häufig live gespielten Stücke ging, während heute von nahezu allen bekannten Komponisten enzyklopädische Werkzyklen vorliegen. Einschließlich der Erst- oder Alternativfassungen von Brucknersinfonien u.ä., die teils erst in den 1980ern zum ersten Mal eingespielt wurden.


    Man wird sicher auch ein paar Stücke finden, die in den letzten 50 bis 60 Jahren an den Rand gedrängt worden sind. Spontan fällt mir da aber sehr wenig ein, am ehesten vielleicht noch, was damals als modern (oder auch gemäßigt modern) galt. So ist meinem Eindruck Hindemith in den 1950ern einer der meistgespielten lebenden Komponisten gewesen und man kriegt natürlich auch heute die meisten seiner Werke auf Tonträger, aber ich sehe hier schon einen gewissen "Abstieg".
    Bei der Instrumentalmusik des 19. Jhds. fällt mir überhaupt nichts Gewichtiges ein, was in der ersten Hälfte des 20. Jhds. ein Repertoirestück gewesen wäre, seither aber herausgefallen ist. (In der Oper könnte man, wie schon mehrfach angesprochen, einiges aus der franz. u. dt. komischen Oper, evtl. auch etliche Verismo-Stücke (wie d'Alberts "Tiefland" o.ä.) nennen.)


    Aber gerade um die hier im Thread genannten Komponisten wie etwa Raff hat man sich vor 50 Jahren doch noch viel weniger gekümmert! Zemlinsky, Schreker u.a. zwischen Spätromantik und Moderne der 1910er bis 30er Jahre waren völlig vergessen worden. Klar, die sind immer noch nicht so populär wie Strauss oder Mahler. Aber eben auch nicht mehr bloße Namen im Lexikon.

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  • Aber was braucht es also, dass ein Komponist Mainstream wird?


    Das ist eine interessante, sicher nur fallweise zu beantwortende Frage. Ich halte es z.B. für ziemlich wahrscheinlich, dass der schon in den 1950ern einsetzende "Barockboom" bzw. das sich in der Folge immer noch verstärkende Interesse an Musik vor 1750 und eben auch vor 1600, auch eine Reaktion auf die Avantgarde-Musik des 20. Jhds. gewesen ist. Man findet das so ähnlich ja schon in Reaktionen auf die Spätromantik, sowohl im neoklassischen Komponieren als auch im großen Interesse an älterer Musik (Orgelbewegung, Blockflötenbauen usw.) im ersten Drittel des 20. Jhds.


    Und für die Hörer, die mit Barock oder Mittelalter nicht so viel anfangen konnten, hat man dann in den 60ern zuerst die Sinfoniker um 1900-1920 (Mahler, Nielsen, Sibelius...) entdeckt, danach Schostakowitsch und jetzt ist vielleicht Weinberg dran.


    Wie ich oben schon andeutete, vermute ich, dass ein wichtiger Punkt ist, dass die Musik eine gewisse Originalität aufweisen muss, sie darf nicht bereits etablierten Werken zu ähnlich sein, da sie dann meistens (oft nicht zu Unrecht) diesen als unterlegen wahrgenommen werden dürfte. Sie darf aber auch nicht zu "abgedreht" sein, keine zu starke Umstellung gegenüber dem Bekannten verlangen.
    Am leichtesten ist das m.E. in bestimmten Nischen, auch daher dürfte die Lyrische Sinfonie das meisteingespielte Werk Zemlinskys geworden sein (ob das meistgespielte weiß ich nicht), weil es nur eine weitere etablierte "Liedersinfonie" gibt.


    Über die Geschichte der Verbreitung/Etablierung der Rott-Sinfonie könnte man vermutlich eine musiksoziologische Studie verfassen. Die erste Aufnahme bei Hyperion enstand 1989 mit einem Studentenorchester. Inzwischen gibt es ca. 10 Einspielungen, teils mit recht bekannten Interpreten (Segerstam, Järvi, Russell Davies...). 1996 gab es einen Beitrag zu Rott in einem Mahler-Band der (von hardcore-Modernskys Riehn und Metzger hrsg.) Musikkonzepte (91), 1999 erschien ein entsprechender Band (103/104) nur zu Rott!

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  • Lieber Johannes!

    Das ist eine interessante, sicher nur fallweise zu beantwortende Frage.


    Wie ich oben schon andeutete, vermute ich, dass ein wichtiger Punkt ist, dass die Musik eine gewisse Originalität aufweisen muss, sie darf nicht bereits etablierten Werken zu ähnlich sein, da sie dann meistens (oft nicht zu Unrecht) diesen als unterlegen wahrgenommen werden dürfte. Sie darf aber auch nicht zu "abgedreht" sein, keine zu starke Umstellung gegenüber dem Bekannten verlangen.


    Das scheint plausibel. Du machst offensichtlich einen Unterschied zwischen "Kanon "beziehunsweise "Olymp" und "Mainstream". Bei Alfred ist mal von diesem und mal von jenem die Rede und man weiss nicht recht, was jeweils gemeint ist.
    Deine Kriterien zielen ja wohl primär auf Mainstream. Und ich finde sie durchaus überzeugend.


    Lieber Alfred,
    ich habe ja schon in der Antwort an Johannes geschrieben, welche Probleme ich mit Deinem Beitrag habe.
    Also nur noch soviel:


    Zitat Was wäre denn nötig, dass der p.p. Komponist in der Zukunft dem dann herrschenden "Mainstream" angehört?



    Das wissen wir nicht wirklich. Immerhin haben viele Komponisten des 20. Jahrhunderts versucht ins Repertoire aufgenommen zu werden - Einige haben es sogar - mit Hilfe befreundeter Medien - geschafft. Beliebt sind sie bis heute nicht.


    Stravinski und Strauss, Puccini und Janacek wären nicht beliebt? Prokofieff und Ravel? Schostakovitsch und Poulenc? Bartok, Gershwin, Britten? Und Debussy und Berg?
    Vielleicht nicht in Wien, aber auch Messiaen, Ives, Walton, Henze, Pintscher und Saariaho haben ihre Liebhaber.


    Man muss vielleicht noch mal genauer schauen, was heute in den Konzertsälen gespielt wird und was beim Publikum geschätzt, vielleicht sogar geliebt wird.


    Euch beiden eine schönen heißen Sommertag
    wünscht


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!