"Der Dritte im Bunde" - so bezeichnet eine CD-Besprechung den Dirigenten und Komponisten Albert Dietrich, der mit Robert und Clara Schumann, Joseph Joachim und vor allem mit Johannes Brahms eng befreundet war und fast dreißig Jahre lang als Hofkapellmeister in Oldenburg wirkte. Der 'Dritte Mann' ist vielleicht zutreffender, denn er ist der eher unbekannte Mitkomponist der berühmten F.A.E. Sonate, die Robert Schumann und Johannes Brahms gemeinsam mit Albert Dietrich für ihren Freund Joseph Joachim komponiert haben, und der sie bei dem Empfang sogleich nach Empfang der Noten mit Clara Schumann am Klavier aufführte und die einzelnen Sätze den richtigen Komponisten zuordnete.
Zu seinen Wirkungszeiten war Albert Dietrich ein angesehener Orchesterleiter und gehörte zu den gern aufgeführten Komponisten.
Albert Hermann Dietrich wurde 1829 in der Nähe von Meißen geboren. Er besuchte die Kreuzschule in Dresden und nahm während seines Jura-Studiums Privatunterricht am Leipziger Konservatorium. Danach wurde er Schüler bei Robert Schumann und freundete sich mit dessen Kreis an, z.B. mit Joseph Joachim. Besonders prägend wurde die lebenslange Freundschaft mit Johannes Brahms.
Ein Zeichen dieser freundschaftlichen Verbundenheit war die gegenseitige Widmung von Werken. So hat Schumann seinem Freund Albert Dietrich seine ‚Märchenerzählungen‘ op. 132 gewidmet, und Brahms widmete dem Freund seine „Sechs Gesänge“ op.7. Albert Dietrich wiederum widmete sein erstes Klaviertrio Robert Schumann und seine Symphonie Brahms. In seinem berühmten Aufsatz „Neue Bahnen“ drückt Schumann seine besondere Wertschätzung von Albert Dietrich aus und nennt ihn einen „hochaufstrebenden Künstler der jüngsten Zeit“.
Ein besonderes Zeugnis der Freundschaft war 1853 die gemeinschaftliche Komposition der Joseph Joachim zugeeigneten Sonate F.A.E. nach Joachims Leitspruch ‚Frei aber einsam‘. Durch dieses Werk, zu dem Dietrich immerhin den Kopfsatz beitrug, ist sein Name heute noch bekannt.
Albert Dietrich wurde Musikdirektor in Bonn und amtierte dann von 1861 bis 1890 als Hofkapellmeister am großherzoglichen Theater in Oldenburg. Er prägte für lange das Musikleben in der Residenzstadt. Clara Schumann und Joseph Joachim konzertierten in Oldenburg, und Johannes Brahms kam mehrere Male zu Konzerten nach Oldenburg, in denen er als Pianist oder als Dirigent auftrat. Später hat Albert Dietrich seine „Erinnerungen an Johannes Brahms“ als Buch veröffentlicht.
Während seiner Tätigkeit war Albert Dietrich auch ein sehr geschätzter und oft aufgeführter Komponist von kammermusikalischen Werken, Chormusik, Bühnenwerken, Instrumentalkonzerten und der groß angelegten Symphonie, die er seinem Freund Brahms widmete. Auch eine Oper mit dem Titel ‚Robin Hood‘ hat er hinterlassen.
Albert Dietrich zog in seinem Ruhestand zunächst nach Leipzig und dann nach Berlin. Dort verlieh die Akademie der Künste ihm in Anerkennung seines Schaffens den Titel eines Professors. Er starb 1908 in Berlin. Seine Werke sind später in Vergessenheit geraten. Das Staatsorchester Oldenburg unter der Leitung von Alexander Rumpf hat seine Symphonie, sein Violinkonzert und sein Konzertstück für Horn und Orchester auf zwei CDs eingespielt, die 2007 bei CPO erschienen sind. Zurzeit sind diese wunderschönen Aufnahmen in einer Sonderaktion erhältlich.
Albert Dietrich (1829-1908)
Symphonie d-moll op.20
+Violinkonzert d-moll op. 30; Introduktion & Romanze op. 27 für Horn & Orchester
Elisabeth Kufferath (Violine),Marie Luise Neunecker (Horn), Oldenburgisches Staatsorchester, Alexander Rumpf
Label: CPO, DDD, 2007
In Oldenburg gibt es eine Albert Dietrich Gesellschaft. Klickt man die Homepage an, so wird man um Geduld gebeten. Ich bin gespannt, was uns da erwartet.
Von der F.A.E. Sonate gibt es ja mehrere interessante Einspielungen, zuletzt die von Isabelle Faust (Violine) und Alexander Melnikov (piano) auf historischen Instrumenten. Vielleicht lohnt sich hier auch ein eigener Thread, möglicherweise ist aber auch dieser Thread ein geeigneter Ort, um diese schöne Sonate zu thematisieren. Immerhin hat Albert Dietrich den ausdrucksstarken und umfangreichen ersten Satz verfasst und damit käme er auch noch einmal zu Ehren.
Freundliche Grüße, aus ca. 75 km Entfernung von Albert Dietrichs langjähriger Wirkungsstätte,
Andrew