Giuseppe Sammartini – der ältere Bruder

  • Während sich Giovanni Battista Sammartini schon eines Threads erfreut, steht ein solcher für seinen fünf Jahre älteren Bruder Giuseppe noch aus – Zeit, dass sich das ändert. (Giovanni Battista wurde unter "Klassik und Romantik" einsortiert, Giuseppe scheint mir aber klar dem Barock zugehörig.) Giuseppe Sammartini, geboren am 6. Januar 1695 in Mailand, gestorben zwischen 17. und 23. November 1750 in London, genoss zu Lebzeiten einen internationalen Ruf als Oboenvirtuose, sehr gelobt zum Beispiel von Quantz. Diese Kunst hatte er wohl vom Vater gelernt, dem aus Frankreich stammenden Oboisten Alexis Saint-Martin, der sich in Mailand niedergelassen hatte. Giuseppe verließ Mailand 1728 und reiste über Brüssel nach London, wo er bis zu seinem Tode lebte (daher später auch der „Londoner“ Sammartini genannt). Zunächst als Oboist erfolgreich in verschiedenen Orchestern tätig, u.a. in Händels Opernorchester des King‘s Theatre, trat er 1736 in den Dienst des Prince of Wales, vor allem als Musiklehrer für die Fürstin und deren Töchter. Daneben übernahm er bis zu seinem Tod im Jahr 1750 das Amt des Kammermusikdirektors. Die neue Position wirkte sich positiv auf seine Kompositionstätigkeit aus. Sein Oeuvre umfasst eine ganze Reihe von Sonaten und Concerti, die von seinen Zeitgenossen sehr gerühmt und mit Corelli und Geminiani verglichen wurden. Einige der Werke wurden erst posthum veröffentlicht.


    Heute ist Giuseppe Sammartini als Komponist weniger bekannt als sein Bruder. Ich muss gestehen, dass ich auch erst vor kurzem auf ihn aufmerksam wurde, und zwar durch diese CD:



    Diese Einspielung der Concerti op. 9 für Orgel (oder Cembalo) durch Fabio Bonizzoni und sein Ensemble La Risonanza ist eine überzeugende Werbung für den Komponisten. Die Konzerte, für kleinere Besetzung geschrieben als die berühmten Händelschen Orgelkonzerte, sind abwechslungsreich und voller melodischer Einfälle: Hörspaß pur. Als Tasteninstrument wird die 1802 gebaute Orgel von Isera in der Nähe von Rovereto im Trentino verwendet, die trotz ihres späteren Baujahrs nach Bonizzoni klanglich und mechanisch ganz der Ästhetik des 18. Jahrhunderts entspricht und somit ideal für die Aufnahme gewesen sei. Dies mögen unsere Orgelexperten beurteilen, das Ergebnis hat mir jedenfalls sehr gefallen, und mich verlangt es nun, mehr von diesem Komponisten zu hören.


    Gibt es weitere Tamimos, die den „Londoner“ Sammartini kennen und schätzen (oder auch nicht)? Welche Werke sollte man kennen, welche Einspielungen sind empfehlenswert? Ich würde mich freuen, mehr über diesen Komponisten zu erfahren. :hello:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • 12 Trio-Sonaten für 2 Flöten, Fagott, Cembalo sind auf dieser Doppel-CD.

    In der vorliegenden Aufnahme spielen Claudio Ferrarini und Annalisa Pisanu moderne Böhmflöten. Andrea Corsi begleitet einfühlsam mit dem Fagott. Francesco Tasini setzt mit dem Cembalo die Akzente.

    Giuseppe Sammartini (1695-1750) hat die Trio-Sonaten 1738 in London herausgegeben und, wie es zu jener Zeit üblich war, es freigestellt, ob zwei Travers-Flöten oder Violinen spielen. So konnte er die Absatzmöglichkeiten der Notendrucke erhöhen. Die Sonaten sind drei- bis viersätzig. Die Trio-Sonaten haben Witz und Feuer. Langeweile ist bei mir keine aufgekommen.

    Guiseppe Sammartini war als Oboist in Händels Orchester vertraut, was er den Holzbläsern zumuten konnte. Er nutzt die Spielmöglichkeiten der Travers-Flöten-Register und Zungentechnik gekonnt.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928