Mozart vs. Haydn - wer ist der interessantere Komponist ?

  • Die Frage ist natürlich falsch gestellt, denn es müsste heissen: "Mozart vd. Haydn - welchen der beiden bevorzugt ihr persönlich - und warum" Es liegt jedoch auf der Hand daß solch ein Threadtitel viel zu sperrig wäre, also vleiben wir beim "Eyecatcher", der Interesse und Widerspruch hervorrufen wird, den es ist ja eigentlich ein Sakrikeg die beiden Klassikgötter gegeneinander auszuspielen. Und natürlich ist mir auch bewusst, daß die Frage nicht beantwortet werden kann - sehr wohl aber kann man darüber nachdenken und diskutieren.
    Anlass für diesen Thread war die Bemerkung eines Mitglieds, das da sinngemäß meinte, Mozart sei das Zentrum seines Universums, Haydn käme erst danach. Die Bemerkung hat mich interessiert, weil ich es in meiner Jugend genaus gesehen habe.
    Zwar hat Mozart immer wieder behauptet, Haydn sei der bedeutendere Komponist, ich hield die indes für eine höfliche Floskel, eine Geste dem Altmeister gegenüber. Schon Robert Schumann, meinte ca 1840/50 Haydn sei ein Komponist, der der (damaligen !!) Gegenwart nicht mehr viel zu sagen habe.
    Und nun die Frage an Euch: Wie seht ihr das persönlich ?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Für mich ist das ganz klar. Sinfonien und geistliche Werke: Haydn. Oper: Mozart.

    Canada is the US running by the Swiss (Richard Ford)

  • Haydn ist für mich interessanter, allein weil ich, wie wohl fast jeder, mehr der relevanten Musik Mozarts schon viel länger und besser kenne. Und weil ich kein allzu großer Opernfan bin (obwohl Mozarts zu denen gehören, die ich sehr schätze).


    Bei beiden Komponisten gibt es größere Gruppen von Werken, auf die ich vermutlich ganz gut verzichten könnte:
    Mozart: nahezu die gesamte Salzburger Kirchenmusik, Sinfonien 1-24 (und noch ein paar mehr), Opern vor "Idomeneo" (die ich zugegeben aber auch kaum kenne), frühe Streichquartette (1-13, weitgehend), das Meiste mit Solo-Flöte... und die Klaviersonaten höre ich auch fast nie (obwohl dabei natürlich sehr bedeutende Stücke sind)
    Haydn: Opern, fast alle Konzerte :untertauch: , Teile der Kirchenmusik, Barytontrios...


    Aufgrund der Berühmtheit Mozarts sind fast alle auch der Jugend- und Nebenwerke zumindest auf Tonträgern ziemlich präsent. Natürlich gibt es unter den ersten 250 oder so Köchelnummern auch einige Perlen, aber es ist kein Wunder, dass der extrem anpassungsfähige Teenager Mozart auch ziemlich oft mehr oder minder im "Standardstil" der Zeit komponiert; z.B. die frühen Sinfonien orientieren sich praktisch durchweg am "kantablen" Stil Joh. Chr. Bachs - kaum etwas von den Experimenten mit konzertanten Einlagen, Kirchensonatenform, Polyphonie etc., die man in den gleichzeitigen Sinfonien Haydns der 1760er und 70er findet.


    Dagegen sind von Haydn dutzender reifer Werke praktisch unbekannt, einfach weil es so viele davon gibt (z.B. mehr als ein Dutzend Klaviertrios aus der Zeit der "Londoner Sinfonien", von denen nur 3-4 halbwegs bekannt sind, darunter das m.E. nicht einmal herausragende "Zigeunertrio"). Und noch bis um 1770 musste Haydn sich, obwohl schon ein erfahrener Komponist, gleichsam mehrmals "erfinden," ist stilistisch weit experimentierfreudiger, deckt natürlich einfach aufgrund seiner Lebensdaten ein anderes Spektrum ab. Die zentralen Werke Mozarts stammen im wesentlichen aus seinen letzten 10-12 Lebensjahren (mit ganz wenigen Ausnahmen wie KV 271 von 1777). Von Haydn gibt es "reife" Werke von 1761 (Tageszeitensinfonien 6-8) bis ins frühe 19. Jhd. ("Die Jahreszeiten" und letzte Messen).

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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Natürlich ist Mozart für mich der interessantere Komponist, nicht nur, weil er die weit genialeren Opern geschrieben hat, auch auf dem Gebiet der Instrumentalmusik hat er für mich wesentlich Spannenderes zu bieten. Sicher ist die letzte aydn-Sinfonie interessant, aber eine Jupiter-Sinfonie mit ihrem fulinanten Auftakt und grandiosen Finale ist sie nicht. Und so könnte ich viele weitere Beispiele anführen. Mozart ist für mich einer der interessantesten Komponisten und wird es wohl immer bleiben, während mein Interesse an Haydn schon seit Jahren abnehmend ist. Früher haben mich seinen Sinfonien mehr interessiert, gerade die mittleren in Moll, aber inzwischen langweilen mich die "Überraschungen" in seinen reifen Londoner Sinfonien fast nur noch, da sind f+ür mich einige vordergründige Effekte dabei, währen dmir die Emotion dort häufig abgeht - bei Mozart finde ich diese hingegen fast immer.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Keine Frage: Mozart! Ich kenne kein Werk von Mozart, das mich kalt lässt, auch in seinen Jugendwerken hört man den göttlichen Funken des Genies, keines ist für mich verzichtbar. Bei Haydn dagegen ist vieles brav und langweilt mich. Natürlich hat auch Haydn erstrangige Werke geschrieben, aber die Meisterwerke Mozarts stehen dann wiederum meilenweit darüber. Gibt es bei Haydn irgendein Werk, das den späten Mozart-Symphonien, seinen großen geistlichen Werken (Requiem, c-moll Messe), den reifen Klavierkonzerten auch nur nahe käme? Eine rhetorische Frage. Von den Opern ganz zu schweigen, wo Mozart gleich eine ganze Reihe von "Giganten" der Musikgeschichte hinterlassen hat.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Das ist ja kein Wettbewerb. Beide gehören zu meinen Lieblingskomponisten.
    Aber selbst wenn man einräumen würde, dass z.B. die Jupitersinfonie "besser" wäre als jegliche Haydn-Sinfonie (was ich nicht tue, die Jupiter ist höchstens meine drittliebste Mozartsinfonie...), dann gäbe es dennoch 30 Haydn-Sinfonien, die meinetwegen etwa so gut wären wie Mozarts "Linzer", aber eine weit größere stilistische Vielfalt bieten, allein aufgrund der Tatsache, dass Haydn viel länger auf höchstem Niveau komponiert hat. Dagegen stammen fast alle relevanten Werke Mozarts aus seiner Reifezeit und es sind eben weit weniger und weniger abwechslungsreich.
    Ebenso für Streichquartette, Klaviersonaten usw. Selbst mit dieser Einschränkung wäre Haydn für mich tendenziell interessanter. Daher interessieren mich durchaus nicht "perfekte" frühe und mittlere Werke Haydns auch sehr.
    Diese Einschränkung mache ich für die Meisterwerke aber nicht, für mich gibt es wirklich zahlreiche Werke Haydns, die ich für so ebenso gelungen und hörenswert halte wie die berühmtesten Mozarts in den entsprechenden Gattungen. Für mich ist keine Frage, dass z.B. die letzten drei Haydn-Sinfonien (oder auch 82, 83, 86, um Stücke zu nennen, die vor Mozarts späten geschrieben wurden) nicht schlechter sind als die letzten drei Mozart-Sinfonien; die Quartette op.76 würde ich sogar klar den Haydn gewidmeten Quartetten Mozarts vorziehen, sie sind nicht schwächer, nur eben anders.
    [Zu behaupten, die einen stünden "turmhoch" über den anderen, erschiene mir ähnlich überzogen, wie zu sagen, dass z.B. Brahms 4. turmhoch über Bruckners 7. (oder umgekehrt) stünde.]


    Es gibt von Mozart auch überhaupt nichts vergleichbares zu Stücken wie Haydns "Sturm-und-Drang-Sinfonien" oder den Sieben letzten Worten oder den späten Oratorien. Genauso wie es von Haydn keine reifen Klavierkonzerte gibt und seine Opern (auch wenn die besser sind als ihr Ruf) nicht mit Mozarts mithalten können.

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  • Wenn ich mich richtig erinnere, so war in meiner Jugend Mozart das unumstrittene Genie, vermutlich auch deswegen, weil sich seine - teilweise verfälschte - Lebensgeschichte so gut erzählen ließ. Haydn war natürlich auch berühmt, aber ich konne damals nicht verstehen, wieso Mozart Haydn als den bedeutenderen Komponisten einstufte - als ich das das erste Mal gelesen hatte. Ich kann mich auch nicht erinnern, damals etwas von Haydns "Witz" oder "Spritzigkeit" gehört zu haben. Das kam IMO erst mit der HIP Bewegung ins Spiel, von der IMO vor allem DREI Komponisten profitierten: Bach, Haydn und Vivaldi. Mozart verträgt INO sowohl die Wiedergabe auf modernem als auch auf historischem Instrumentarium ohne daß hier wesentliche Vorteile oder Nachteile zutage treten, Vor allem Haydns frühe Sinfonien brauchen geradezu den silbrigen Klang alter Instrumente. Wir können uns im Verlauf des Threads auch darüber unterhalten welchen Stellenwert Mozarts Klaviersonaten heute wirklich haben, und was an Haydn eigentlich "brav" oder "verstaubt" sein soll.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt von Mozart auch überhaupt nichts vergleichbares zu Stücken wie Haydns "Sturm-und-Drang-Sinfonien" oder den Sieben letzten Worten oder den späten Oratorien. Genauso wie es von Haydn keine reifen Klavierkonzerte gibt und seine Opern (auch wenn die besser sind als ihr Ruf) nicht mit Mozarts mithalten können.


    Das unterschreibe ich hundertprozentig!

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  • Also "brav" finde ich eine der groteskesten Fehlcharakterisierungen Haydns überhaupt!
    Es gibt sehr wenige Komponisten, die über nahezu 50 Jahre über alle Musikgattungen immer wieder Neues ausprobiert haben, schier unerschöpfliche Fantasie gezeigt und Experimentierlust bewahrt haben.
    Und damit meine ich nicht vergleichsweise oberflächliche "Gags" wie in der Militärsinfonie, sondern z.B. ein Stück wie die 7 letzten Worte, zu dem man erst wieder in Schostakowitschs letztem Quartett eine Art Parallele finden kann, oder die ganz ungewöhnlichen Kopfsätze in op.76,5+6, das Chaos aus der Schöpfung.. u.v.a.


    Ich habe den Verdacht, dass hier zwei Faktoren eine Rolle spielen: Das nach außen hin "brave" Leben Haydns und die Tatsache, dass beinahe sämtliche Musik des 18. Jhds. "brav" klingen kann, wenn man Beethoven im Ohr hat und wenn sie entsprechend bieder gespielt wird.


    (Freilich spielen bei der Mozart-Rezeption ähnlich oberflächliche Faktoren eine Rolle, leider.)

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  • Es gibt von Mozart auch überhaupt nichts vergleichbares zu Stücken wie Haydns "Sturm-und-Drang-Sinfonien" oder den Sieben letzten Worten oder den späten Oratorien.


    Bei den Oratorien stimme ich zu. Das ist allerdings ein Genre, das mir ohnehin wenig bis nichts gibt (mit Ausnahme einiger der recht opernhaften Oratorien Händels). Interessieren würde mich, was Haydns "Sturm-und-Drang-Sinfonien" so unvergleichbar macht.


    Bei der Kammermusik habe ich mich eines Urteils bewusst enthalten, weil ich da inbesondere von Haydn noch viel zu wenig kenne, um seriös einen Vergleicht mit Mozart anstellen zu können. Dasjenige, was ich gehört habe (z.B. die Klaviertrios) bestätigt allerdings meinen sonstigen Eindruck.


    Wie man zu den beiden Komponisten steht, ist am Ende des Tages wohl auch eine Geschmacksfrage. Ich bin ja bereit, die Qualität der Werke Haydns anzuerkennen, aber für mich sind sie dann doch immer nur "witzig", "geistreich", "nett", im besten Falle angenehm und schön anzuhören, aber vom Hocker reißt mich da nichts. Bei Mozart ist es ganz anders, auch bei seinen Jugendwerken, die bei vielen hier schlecht wegkommen.

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  • Ich will mich mal kurz einmischen.


    Verglichen mit Bertarido und Johannes Roehl dürfte ich die längere Musikerfahrung haben - ich werde mich hüten, von einer größeren zu sprechen - der Grund liegt auf der Hand und ist gar nicht immer lustig.


    Auf Mozart bin ich mit zwölf gestoßen - irgendwie haben mich die Klavierkonzerte sofort in Beschlag genommen - und das, obwohl man in diesem Alter eigentlich keine Lust hat, Analoges zu dem zu hören, was man sich selbst am Klavier erarbeitet, auch wenn es viel schwerer zu bewältigen ist. Es dürfte die Genialität der Farbmischung zwischen mir nahestehendem Soloinstrument und noch weitgehend unerschlossenem Orchester gewesen sein, die Selbstverständlichkeit der Erfindung, die absolute Transparenz, der Umgang mit den Holzbläsern, der mich, herzhaft naiv wahrnehmend, in den Bann geschlagen hat. Bis heute hat sich daran nichts geändert, nur mit der Naivität war es schleichend irgendwann vorbei - ein zwielichtiges Phänomen, das weiß ich längst.


    Für Haydn habe ich wesentlich länger gebraucht. Heute höre ich beide Komponisten beinahe gleich oft und ich höre natürlich (beinahe) das ganze Repertoire. Oper kommt immer zu kurz, von Haydn kenne ich sowieso keine. Ich weiß nicht, ob ich das ändern muss oder vorher lieber doch meine Kenntnisse der Avantgarde und Postmoderne und des riesigen romantischen Repertoires (besondere Vorliebe sind schon lange auch hier die Klavierkonzerte) noch erweitern möchte.


    Alter und Vervollständigungsdrang nötigen mich, auch Haydns Konzerte komplett zu besitzen (längst der Fall) und zu hören (zur Zeit des Öfteren); bekanntermaßen gibt es da, im Gegensatz zu Mozart, diverse philologisch interessante Fragestellungen, mit denen ich mich nach weit über vierzig Jahren Hörerfahrung eben auch beschäftigen möchte.


    Aber es stimmt schon: Haydn ist das Opfer seiner scheinbar so konventionellen Laufbahn, ich möchte sagen, seines zu langen Lebens. Er ist auf eine völlig andere Art genial als Mozart. Ich will nicht all das wiederholen, was hier bereits gesagt wurde - ich kann Johannes quasi faktisch zustimmen und Bertarido quasi emotional und ich möchte nichts von beiden Komponisten missen. Gewiss werde ich mir die Baryton-Trios kaum mehr komplett zu Gemüte führen - vielleicht noch nicht einmal kaufen :untertauch::thumbsup:. Die Streichquartette hingegen, die ich zwar alle gehört habe, aber die wenigsten ein zweites Mal, müssen sicherlich noch in irgendwelchen Ferien intensiv dran glauben - und das scheint mir auch wichtiger als bei den Mozart-Quartetten, die ich alle und viel, viel öfter wahrgenommen habe und mehr oder minder gut kenne.


    Ein weites Feld von lebenslanger Relevanz und immerwährender Freude!


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  • Es gibt ja auch nicht wenige Hörer, die fast alles von Mozart als "nur ganz nett" finden. (Einem Hörer, der nur Mozarts Requiem schätzt und den Rest weitgehend für Rokokogeklingel hält, traue ich nicht über den Weg. ;) Tovey schreibt mal, dass man keinen Hörer ernst nehmen sollte, der Beethovens 4. ggü. der 5. Sinfonie als irrelevant abtut, denn wer so hört, der nimmt eben auch bei der 5. nur das "Gedonner" wahr und nicht die musikalische Substanz.)


    Klar, ist da auch viel persönliche Geschmackssache dabei. Aber ich tue mich tatsächlich schwer, bei Mozart (z.B. in den Sinfonien) Sätze einer "Tiefe" zu finden, die ich schon in den langsamen Sätzen von Haydns Sinfonien 44 und 45, erst recht in 86, 88, 92, 99, 102, oder in vielen Streichquartetten finde. Ich habe mal einen Ausschnitt aus dem langsamen Satz von op.76/4 als Rätsel gestellt und einige Rater tippten zuerst auf späten Beethoven... Vielleicht im Klarinettenquintett, im g-moll- und D-Dur-Streichquintett und einigen Klavierkonzerten, aber sicher nicht in der Haffner-Sinfonie.


    Insofern schätze ich zwar natürlich auch das Geistreiche, Witzige, Spritzige, die feinen Details usw. bei Haydn sehr (und das ist eben nicht einfach identisch mit gutmütigem Humor oder Rokoko-Unterhaltung), aber ich halte ihn tatsächlich auch für einen ebenso tiefen und ernsthaften Komponisten wie Mozart.
    Mozart ist opernhafter, dramatischer und es gibt wohl eher einzelne Werke, die durch außerordentlichen Ehrgeiz besonders herausragen (z.B. KV 271 und auch einige spätere Konzerte, oder die Haydn gewidmeten Quartette), dafür manchmal aber auch eine tendenziell "glatte" Verbindlichkeit, die für mich den Reiz schneller verliert, während man bei Haydn manchmal zunächst irritierende Kombinationen findet. So hat z.B. das Quartett op.76/5 einen ganz eigenartigen originellen Kopfsatz, der sich in kein Schema pressen lässt und einen langsamen Satz von einer einzigartigen Stimmung und Tiefe, auf die dann recht knappe, brillante Menuett und Finale folgen, die zwar fraglos kompositorisch-musikalisch das Niveau halten, aber von der Stimmung "zu leicht" wirken können (ein wenig wie vielleicht bei Schuberts späten Sonaten).
    Andererseits finde ich aber gerade solche Überraschungen, dass man sogar in einem frühen Divertimento plötzlich einen erstaunlichen langsamen Satz oder ein besonders raffiniertes Menuett o.ä. finden kann, faszinierend. Klar, das gibt es bei Mozart vielleicht auch, aber ich habe in den letzten Monaten immer mal wieder einige seiner frühen Sinfonien gehört und fand vieles doch eher vernachlässigenswert.
    Ich würde auch nie behaupten, dass die reifen Werke Mozarts Haydns unterlegen wären, nur dass es insgesamt bei Haydns Instrumentalmusik eine größere Vielfalt auf einem ähnlich hohen Niveau gibt.

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  • Auch ich tue mir, gerade bei diesen beiden Komponisten schwer, gehören sie doch beide zu meinen Favoriten, einem den Vorzug zu geben. Beide haben sicherlich auch Werke geschaffen, die man eher beiläufig hört und nicht auf der allerhöchsten Schaffenshöhe verorten würde; bei beiden jedoch gibt es Werke, die so persönlich gefärbt und bezwingend sind, dass ich nicht sagen könnte, was da nun "besser" oder vorzuziehen sei.


    Ich teile zwar auch die ein- oder andere Wertung dessen, was vorher gesagt wurde; Mozarts Opern stehen mir näher als Haydns; aber bei den Symphonien wird es schon schwierig; und auch bei Konzerten finde ich bei beiden Wundervolles.


    Summa Summarum: beide sind für mich, mit all ihren Meriten, unverzichtbar, befinden sich für mich auf künstlerischer Augenhöhe und stellen in vielen Werke Gipfelpunkte der klassischen Musik dar.

  • Es hängt natürlich auch von den persönlichen Programmvorlieben ab. Mozarts Klavierkonzerte sind schon ein starkes Argument, hier hat Haydn nur wenig vergleichbares zubieten - die letzten Klavierkonzerte einmal ausgenommen. Bei den opern ist es ähnlich. Wenn ich Haydns Opern als "provinziell" bezeichnete, so wäre das keine Herabsetzung, sondern schlicht und einfach Realität. Sein Dienstplatz war eben Provinz, was sich speziell im Fall der Oper bemerkbar macht. Für ein großes Haus - sei das nun Wien, Prag oder Paris, hätte Haydn anders geschrieben, weil ers weder finanzielle, personelle, noch Restriktionen in Sachen Ausstattung gegeben hätte - von der Qualität des Librettos ganz zu schweigen. Haydn har immerhin aus der gegebenen Situation das Allerbeste gemacht.
    Auch die Violinkonzerte von Mozart - oft geschmäht - sind IMO eine Klasse für sich. Damit die Übersichtlichkeit gewahrt bleibt, folgen meine Statements zu den Klaviersonaten und Sinfonien zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Thread.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    wie schon zuvor gepostet, sind Haydn und Mozart wertend nicht zu vergleichen, zu unterschiedlich ist ihr Charakter, ihr Lebenslauf und daraus folgend ihre Werke (ähnlich wie F. Kafka und Th. Bernhard).

    Mozart ist opernhafter, dramatischer


    Ich spreche nun nicht nur Johannes Roehl an, obwohl ich ihn zitiere.


    Man höre sich z. B. bitte intensiv (mehrmals) die Sätze 3, 4 und 5 der Haffner-Serenade KV 249 und die Sinfonia Concertante KV 364 an und beachte dabei den Anlass zur Komposition und die Lebensumstände Mozarts – auch die Es-Dur-Sinfonie KV 534 und diverse „Deutsche Tänze“ sind in diesem Zusammenhang aufschlussreich/ergänzend. Mozart ist für mich eine sehr lebensnahe Persönlichkeit, die Opernhaftes und Dramatik dahin tun kann, wo es hingehört (abgesehen von seinen kirchl. Werken der Salzburger Zeit bzw. allgemein dem Zeitgeschmack folgend).


    Viele Grüße
    zweiterbass


    clck371

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe gerade noch einmal zwei CDs gehört, die Kantaten von Joseph Haydn für Esterhazy präsentieren. Es sind zwei CDs, bei denen die Cappella Coloniensis das Orchester bildet; dazu kommen dann Solisten. Besonders die "Scena di Berenice", hinreißend gesungen von Marilyn Schmiege, steht den Mozartschen Konzertarien nicht nach, etwa die Arie der Konstanze aus der Entführung. Diese Arie passt eigentlich gar nicht in die Oper, sondern ist eine sogenannte "Kofferarie", die so heißt, weil die reisenden Sopranistinnen sie im Gepäck mitführten.



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  • Ich möchte an dieser Stelle einen anderen Aspekt der Frage behandeln:
    Die Beurteilung der beiden im Titel genannten Komponisten war immer Fragen des Zeitgeschmacks, bzw der Mode unterworfen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Verdikt von Robert Schumann, der Haydns Musik - freundlich umschrieben - aber immerhin - als überholt bezeichnete. Aber auch das war schon gute 35 Jahre nach Haydns Tod (über Bach oder Mozart hat er eigenartigerweise nicht dergleichen geschrieben - na ja vielleicht fehlte nur die Gelegenheit, oder ich kenne die diesbezügliche Aussage nur nicht....


    Die Frage ist, wie ZEITGENOSSEN das künstlerische Schwergewicht Haydn-vs Mozart beurteilten - gibt es da schriftlich oder mündlich Überliefertes darüber ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der grundsätzliche Fehler ist hier davon auszugehen, dass es 1840 normal gewesen sein könnte, Haydns Musik nicht als überholt zu betrachten. Tatsächlich gibt es weit mehr respektvolle Äußerungen; auch die Schumanns ist nicht respektlos, sondern stellt eine weitgehende Selbstverständlichkeit fest, nämlich dass für einen 1840 "modernen" Komponisten Haydn von eher akademischem Interesse gewesen ist. Und man sollte bei all dem nicht vergessen, dass sowohl die großen Oratorien als auch die Kammermusik (zumindest als Hausmusik) Haydns im ganzen 19. Jhd. sehr verbreitet gewesen ist und Stücke wie die Streichquartette eben durchaus von angehenden Komponisten studiert wurden. Ebenso sollte das scheinbar höhere Ansehen, das Bach, Mozart, Händel genossen, nicht darüber täuschen, dass auch von denen nur sehr wenige Werke (und bei Bach und Händel in Bearbeitungen, die wir als entstellend bezeichnen würden) aufgeführt wurden. (Schließlich ist auch kaum eine Schande oder eine grobe Unterschätzung, ein wenig im Schatten Mozarts zu stehen.)


    Auch wenn es ins Reich der Legende gehört, dass Mozart verkannt verstorben sei, so war er als relativ junger Mann natürlich um 1790 nicht so berühmt wie Haydn, der der bekannteste Komponist Europas gewesen sein dürfte. Gleichwohl war Mozart bekannt genug, dass schon der Teenager Beethoven zahlreiche seiner Werke Anfang/Mitte der 1780er in Bonn kennenlernen konnte und wir kennen die Phrase von "Mozarts Geist aus Haydns Händen", die Graf Waldstein Anfang der 1790er Beethoven auf seinen Weg nach Wien mitgegeben hat. Man kann wohl davon ausgehen, dass in den 20 Jahren nach Mozarts Tod seine Musik ähnliche Verbreitung erreichte wie Haydns.


    An Äußerungen bekannter Zeitgenossen gibt es zum einen das (möglicherweise fiktive) Gespräch Dittersdorfs mit Kaiser Joseph


    "Dittersdorf hat eine Unterredung aufgezeichnet, die er über Mozart mit Kaiser Joseph hatte. Hören Sie, sagte der Kaiser, ich habe zwischen Haydn und Mozart eine Parallele gezogen, ziehen sie auch eine, damit ich sehe, ob sie mit meiner übereinstimmt. Dittersdorf. Wenn es sein muß, bitte ich Eure Majestät, mir eine Urfrage zu erlauben. Kaiser. Auch das. Dittersdorf. Was ziehen Euer Majestät für eine Parallele zwischen Klopstock's[217] und Gellert's Werken? Kaiser. Hm – daß Beide große Dichter sind – daß man Klopstock's Gedichte öfter als ein Mal lesen müsse, um alle Schönheiten zu entschleiern – daß Gellert's Schönheiten schon beim ersten Anblicke ganz enthüllt sind. Dittersdorf. Nun haben Ihre Majestät Ihre Frage selbst beantwortet. Kaiser. Mozart wäre also Klopstock, – Haydn Gellert. Dittersdorf. So halte ich dafür. Kaiser. Ich kann nichts einwenden. Dittersdorf. Darf ich so kühn sein, um die Parallele Euer Majestät zu fragen? Kaiser. Ich vergleiche Mozart's Compositionen mit einer goldenen Tabatiere, die in Paris gearbeitet, und Haydn's mit einer, die in London gearbeitet! Beide schön, die erste ihrer vielen geschmackvollen Verzierungen, die zweite ihrer Simplicität und ausnehmend schönen Politur wegen. Auch hierin sind wir fast einerlei Meinung."
    http://www.zeno.org/Musik/M/Wu…r+Joseph+%C3%BCber+Mozart


    Und natürlich Hoffmann, der freilich ein "Programm" hat, nämlich dass Haydn und Mozart beide gleichsam Vorstufen zur Beethovenschen Instrumentalmusik sind


    "Mozart und Haydn, die Schöpfer der jetzigen Instrumentalmusik, zeigten uns zuerst die Kunst in ihrer vollen Glorie; wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven! – Die Instrumentalkompositionen aller drei Meister atmen einen gleichen romantischen Geist, welches in dem gleichen innigen Ergreifen des eigentümlichen Wesens der Kunst liegt; der Charakter ihrer Kompositionen unterscheidet sich jedoch merklich. – Der Ausdruck eines kindlichen, heitern Gemüts herrscht in Haydns Kompositionen. . Seine Sinfonien führen uns in unabsehbare grüne Haine, in ein lustiges buntes Gewühl glücklicher Menschen. Jünglinge und Mädchen schweben in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder, hinter Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen. Ein Leben voll Liebe, voll Seligkeit wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein Schmerz, nur ein süßes, wehmütiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die in der Ferne im Glanz des Abendrotes daherschwebt, nicht näher kommt, nicht verschwindet, und solange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das Abendrot, von dem Berg und Hain erglühen. – In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns, aber ohne Marter ist sie mehr Ahnung des Unendlichen.
    Liebe und Wehmut tönen in holden Geisterstimmen; die Nacht geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir nach den Gestalten, die, freundlich uns in ihre Reihen winkend, in ewigem Sphärentanze durch die Wolken fliegen. (Mozarts Sinfonie in Es-Dur, unter dem Namen des Schwanengesanges bekannt.)"
    http://gutenberg.spiegel.de/bu…-instrumentalmusik-3078/1


    Meiner Ansicht nach gilt für heutige Hörer aber eher das Gegenteil dessen, was Dittersdorf meint. Weil Mozarts Musik durch die größere Melodiebetontheit (und oft auch Regelmäßigkeit) näher an vieler Musik des 19. Jhds. steht, muss man heute eher Haydns mehrfach anhören, um auf die raffinierten Details aufmerksam zu werden.

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  • Vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag, Johannes Roehl, es ist interessant wie verschieden man Szenerien beleuchten kann - und wie sie immer wieder - aus anderem Blickwinkel betrachtet - zu neuem Leben erwachen.


    Zitat

    Weil Mozarts Musik durch die größere Melodiebetontheit (und oft auch Regelmäßigkeit) näher an vieler Musik des 19. Jhds. steht, muss man heute eher Haydns mehrfach anhören, um auf die raffinierten Details aufmerksam zu werden.


    Ich beziehe mich hier auf die "raffinierten Details"; Meiner Meinung wurden sie um 1960/70 (und vermutlich früher ebenso) so gut wie nicht wahrgenommen, Ich kann mich nicht erinnern, daß jemand Haydn als "witzig" oder "raffiniert" bezeichnet hätte - hier hat doch das berühmt-berüchtigte Cliché vom "Papa Haydn" - auch musikalisch - überwogen. Das gilt vor allem für die frühen und mittleren Sinfonien, die eigentlich erst in den letzten Jahren in ihrem Wert voll erkannt wurden.....


    Wer allerdings den Fehler begeht, sie "nebenbei" zu hören - der hört am Wesentlichen vorbeil


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    WolfganZ: Die Streichquartette hingegen, die ich zwar alle gehört habe, aber die wenigsten ein zweites Mal, müssen sicherlich noch in irgendwelchen Ferien intensiv dran glauben...


    Ich habe auch alle Streichquartette, lieber Wolfgang, un sie auch alle schon einmal gehört, habe sogar begonnen, hier im Forum über die Streichquartette in chronologischer Reihenfolge Hörberichte abzufassen, bevor allerdings meine Erinnerungstätigkeit einsetzte. Um für mich allerdings mit den Streichquartetten weiter zu kommen, habe ich jetzt für die neue Saison zwei Konzerte des Hagen-Quartetts in der Kölner Philharmonie gebucht bzw. vorgemerkt,die im Abstand von 6 Monaten stattfinden und in denen einmal die drei ungeraden und beim zweiten Mal die drei geraden Quartette op. 76 dargeboten werden, u. a. das "Kaiserquartett".
    Ohne jetzt hier alle Postings durchgelesen zu haben, möchte ich noch kurz auf Mozart und Haydn als Mess-Komponisten eingehen, schon aus eigener Anschauung, und da halte ich Haydn als Messkomponisten für bedeutender. Von ihm habe ich bereits die Nelson-Messe und die Harmoniemesse gesungen, von Mozart die Messen KV 140, 194 und 317 sowie das Requiem. Mozart halte ich natürlich als Klavierkomponist, Violinkonzert-Komponist sowie als Holzbläser-Konzert-Komponist für bedeutender, sowie als Opernkomponist. Haydn kann dann natürlich mit seinen Oratorien punkten, sowie, wie weiter oben auch schon gesagt, mit der Fülle und Verschiedenartigkeit seiner Sinfonien. Bei den Streichqurtetten müsste ich erstmal Mozart hören, bevor ich dazu etwas sagen könnte.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auf die eingangs gestellte Frage komme ich - Leben und Werk jeweils getrennt voneinander betrachtet - zu unterschiedlichen Ergebnissen.


    Haydns Leben ist im Vergleich zu jenem von Mozart für mich eher unauffällig, nennen wir es langweilig (mit Ausnahme natürlich einiger Anekdoten - oder kennt jemand eine oder mehrere Verfilmungen seines Lebens oder Teilen davon? - Ich bin schon froh, daß er so, wie ich ihn mir vorstelle, im Eroica-Film (BBC) wenigstens kurz auftaucht).


    Musikalisch empfinde ich eher Mozarts Frühwerk als weniger interessant, da es sich häufig um Nachahmung (keine Frage: eine besonders gute) berühmter Vorbilder (u.a. Joh. Chr. Bach) handelt, da ist keine wirkliche Eigeninitiative zu erkennen, die kommt bei Mozart erst später zum tragen (schwer exakt zu verorten; vllt. ab Idomeneo, um den ich einen undefiniert großen Kreis ziehe). Die frühen Opern, sinfonien und Konzertchen stechen m. E. nicht besonders aus seinem Umfeld heraus (wenn man das Alter des Komponisten einmal eliminiert) - so oder so ist das als Wertschätzung und Kompliment zu verstehen.


    Bei Haydn hingegen zeigt sich für mich quasi ab der ersten Note eine Bestimmtheit, ein eigener Stil, der sich sehr wohl natürlich auch verändert hat. Haydn hat in jedem Falle mehr als Mozart das Streichquartett und die Sinfonie (mit)entwickelt, bei den Clavierwerken bin ich mir da nicht so sicher.


    Wie oben schon erwähnt, fallen bei Haydn die Instrumentalkonzerte und Opern heraus; bei letzteren wissen wir, warum. Bei den Instrumentalkonzerten (abgesehen vielleicht von den Finalsätzen der beiden berühmten Cello- und Clavierkonzerte und dem Trompetenkonzert als Sonderstellung) mag es daran liegen, daß Haydn - im Gegensatz zu Mozart - nicht als Instrumentalsolist gewirkt hat - er mußte sich damit nicht profilieren. Sein Violinkonzert G-Dur gilt gemeinhin als Schülerkonzert - ist also auch nicht die „große Nummer“ (und ich mag es auch nicht; Violinkonzerte generell nicht).


    Mozart steht natürlich für die Entwicklung der Clavierkonzerte an erster Stelle, vielleicht auch bei den Violinkonzerten (da wäre mal ein Spätwerk interessant gewesen), sicherlich bei den Bläserkonzerten, bei den Opern ganz klar. Bei den Sinfonien und Quartetten hat Mozart Gleichwertiges zu bieten, allerdings in der Unterzahl (BTW finde ich die Preußischen Quartette (mit Ausnahme vllt. des A-Dur) + das sog. Hoffmeister als qualitativ den Haydn gewidmeten überlegen).


    Bei Messvertonungen und Oratorien hält Haydn die Fahne hoch; Mozart vllt. mit der Krönungsmesse, dem unvollendeten Requiem und der unvollendeten c-moll-Messe, die später von Mozart selbst zum Oratorium Davidde penitente umgearbeitet wurde, aber das vollendete Oratorium ist heute weniger bekannt als die bruchteilhafte Messe, die unendlich viele Ergänzungs- und Rekonstruktionsversuche über sich ergehen lassen muss(te), dabei ist das Werk als Oratorium vollendet und gibt es so schöne Zusatzarien im Davidde.


    Bei den geistlichen Werken erkenne ich für mich, daß Mozart hier stilistisch nicht zuhause ist; es wirkt fremd, nicht mozartisch. Er scheint sich hier an die alten Meister Bach und Händel anzulehenen; die Textur wird aber für mich erst interessant, wenn sie auf andere Werke (z.B. Jupiter-Finale) übertragen werden - dann werden sie zu Mozart. Haydn hingegen bleibt immer Haydn.


    Objektiv fällt mir auf, daß bei Mozarts Fragmenten viel mehr Wert auf eine Ergänzung/Vollendung gelegt wurde und wird als bei Haydn - da ist mir eigentlich gar nichts bekannt. Hat Haydn keine Fragmente hinterlassen (von den letzten unvollendeten Quartetten mal abgesehen)?

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Bei den Sinfonien und Quartetten hat Mozart Gleichwertiges zu bieten, allerdings in der Unterzahl (BTW finde ich die Preußischen Quartette (mit Ausnahme vllt. des A-Dur) + das sog. Hoffmeister als qualitativ den Haydn gewidmeten überlegen).

    Für mich sind die Haydn-Quartette unübertroffen, den preußischen Quartetten hört man doch den Wunsch an, mit der Cello-Partie dem Preußenkönig zu gefallen. Trotzdem sind sie sehr gelungen, wenn auch etwas konzertant. Ein Quartett wie das Dissonanzenquartett hat Mozart für meine Ohren nie mehr geschrieben. Hier wird der Anspruch an sich selbst sehr deutlich .... und Haydn hat das erkannt!

  • Ein Quartett wie das Dissonanzenquartett hat Mozart für meine Ohren nie mehr geschrieben.

    Von der Einleitung abgesehen, die ich natürlich sehr liebe - mir gefällt 590, das letzte, am besten - es ist das am wenigsten seichte, vielleicht etwas aggressiv. Von den seichten schätze ich die beiden lyrischen D-Dur 499 und 575. Das Preußische B-Dur und Haydnsche G-Dur zusammen mit dem „Jagd“ am wenigsten.


    Allerdings: die Adagio-Einleitung zur KV 546 (Adagio und Fuge c-moll) steht der Einleitung des Dissonanzen-Quartetts nicht fern; zwar weniger dissonant, allerdings nicht weniger kühn: man könnte spaßeshalber die Einleitungen mal austauschen und als Finalsatz Mozarts „große Fuge“ spielen. :stumm:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Musikalisch empfinde ich eher Mozarts Frühwerk als weniger interessant, da es sich häufig um Nachahmung (keine Frage: eine besonders gute) berühmter Vorbilder (u.a. Joh. Chr. Bach) handelt,

    Er konnte IMO nicht selbständig komponieren mit seinem konrollsüchtigen Vater iM Hintergrund. Dessen Einfluß war ja lange Zeit prägend für Mozart. Man sollte das aber nicht verurteilen, denn andrerseits hat er dafür gesorg, daß Mozart Karriere machte, er hat Spannungen mit dem Erzbischof geglättet wo er konnte. Letztlich war er es, der "Wolferl" geraten hatte, sich an Johann Christian Bach ein Beispiel zu nehemen, da dieser erfolgreich sei. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert, weil die beiden sich auf Anhieb gut verstanden.


    Zur Lebensgeschichte Mozarts Vs. Haydn. Haydns Leben verlief deshalb "langweilig", weil er ein Pragmatiker war, der Konflikten aus dem Weg gin. Wenn der Fürst befahl, Haydn möge sich mehr der Musik für Baryton widmen, dann folgte Haydn - soweit uns bekannt ist - widerspruchslos. Eine Affaire mit der 28 Jahre jüngeren Sängerin Luigia Polzelli ist zwar bekannt - wurde aber nirgendwo groß erwähnt oder aufgebauscht. Auch seine unglückliche Ehe wird in üblichen Biographien nur am Rande erwähnt. Nicht mal der strenge Leopold Mozart fand ein böses Wort über Joseph Haydn.

    Haydn war ein Mann des Ausgleichs. Eigentlich hätte Mozart sein Hauptkonkurrent sein müssen - aber er befreundete sich mit ihm.Als man ihn in London gegen seinen Schüler Pleyel ausspielen wollte, verstand er es sich dieser Gefahr zu entziehen. Solch ein Verhalten ist für einen Film in Hollywood kein Stoff für eine Story....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Letztlich war er es, der "Wolferl" geraten hatte, sich an Johann Christian Bach ein Beispiel zu nehemen, da dieser erfolgreich sei. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert, weil die beiden sich auf Anhieb gut verstanden.

    Das sehe ich auch so; JCB war natürlich ein extrem gutes Vorbild, was aber nichts daran ändert, daß diese Frühwerke mit JCB durchaus verwechselbar, wenn nicht gar: austauschbar, sind (früher sah man das anders herum und stufte JCB als mozartähnlich ein). Es war ein gutes Übungsfeld für Mozart, wobei ich die Ergebnisse - mit Ausnahme vllt. der drei Konzerte KV 107 - keinesfalls als Übungen herabwürdigen möchte: es sind absolut ebenbürtige Werke.


    Erst später mußte auch Leopold Mozart sich eingestehen, daß sein Sohn „mehr populaire“ (hoffentlich richtig zitiert) schreiben sollte; das muß dann schon im letzen Drittel der 1770er gewesen sein oder Anfang der 80er, ich denke, die Mahnung muss während der Parisreise erfolgt sein. Da bildet sich dann der mozarteigene Stil heraus (wie gesagt: vielleicht ca. Idomeneo).

    Solch ein Verhalten ist für einen Film in Hollywood kein Stoff für eine Story....

    Eben. Dennoch hat man es (imo zweimal) geschafft, aus Luft etwas zu machen: die Filme über den sog. Mozart noire. Komischerweise weiß ich von Händel auch nur um einen Film, der ist etwas extrem, vllt. Richtung Trash ... dabei gäbe es da sicher viel Potential: fliegende Sängerinnen und Instrumente, Pleiten, Pech und Pannen usw. - God Rot Turnbrigde Wells sollte man sich anschauen.

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • (früher sah man das anders herum und stufte JCB als mozartähnlich ein).

    Du hast mich ja "früher" gar nicht gekannt. In der Tat war es so, daß ich in meiner Jugend irgendwie darunter litt, daß Mozart so jung gestorben war - und die Anzahl seiner Werke begrenzt. Ich hatte damals noch nicht viel Ahnung, suchte aber - und fand zuerst Johann Christian Bach als "Ersatz". Später dann noch Hummel. Ich habe letzteres später als Unsinn abgetan, aber gar so falsch war es offenbar doch nicht, immerhin hat ja Mozart dieses Ausnahmetalent nicht nur unterrichtet, sondern sogar bei sich wohnen lassen. Kozeluch , Cannnabich, Wölfl, Rosetti und wie sie sinst noch alle heissen mögen lernte ich erst im Laufe der Zeit nach und nach kennen, einige erst relativ spät, da es ja angangs gar keine Aufnhamen ihrer Kompositionen gab. Man kann mit Fug und Recht behaupten, daß hier ein Teil der Wurzeln für das spätere Tamino-Klassikforum begraben liegt......:yes:

    Zur Fragestellung. Ich kam bei der Beantwortung im Laufe meines Lebens immer wieder zu unterschiedlichen Antworten in Bezug auf diese Frage.

    Das hat natürlich auch mit sonstigen Präferenzen. Es ist vermutlich ausser Zweifel, daß Mozart die "bedeutenderen" Opern geschrieben hat. Bei den Sinfonien, abgesehen von den "Spätwerken" - wenn man im Falle Mozarts überhaupt von solchen reden kann ist es genau umgekehrt . Und für Streichquartette interessierte ich mich in meine frühen Jugend überghaupt nicht. Genau genommen nicht nur in meine "frühen" Jugen , ich war 54, als ich dieses Forum gründete und Kammermusik wurde von mir noch damals gemieden (mit Ausnahme Schuberts "Forellenquintett"^^)Zur Kammermusik kam ich einerseits durch das Kennenlernen eines Werkes von Brahms (op 8) - Es gab eine Film der im Milieu von Musikstudenten spielte - ich war durch zappen hineingeraten - wo das Hauptthema sich den ganzen Film hindurchzog. Das war übrigens auch der entscheidende Schritt Brahms zu mögen (zuvor hörte ich ausschliesslich Wiener Klassik -und Vivaldi) Der entscheidende Durchbruch kam dann durch ein Tamino Weihnachtsrätsel, das ein Mitglied (Klingsor ?) in Eigenregie startete...Da war dann der Bann gebrochen. Ab hier waren die Karten neu gemischt: Mozart Vs. Haydn - Aber ich möchte die Fragen nicht entscheiden müssen - und ich muß es ja auch nicht:jubel:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Du hast mich ja "früher" gar nicht gekannt.

    Du bist ja auch nicht man. Im Allgemeinen kannst Du sogar noch heute bei diversen Youtube-Videos in den Kommentaren zu JCB-Werken lesen „Sounds like a mix of Handel and Mozart“, „No puedo dejar de pensar en Mozart“, oder diese schöne Diskussion:


    „Sounds very classical to me.. You can definitely hear his influence on Mozart.“

    „probably the other way around.“

    „I doubt it. Johann Christian Bach actually taught Mozart composition for five months in 1764. Later in life, Mozart himself often acknowledged the artistic debt he owed to J.C. Bach.“

    You're right. And since we're already at it let's not forget to mention the fact that his father Johann Sebastian is the most overrated and boring composer of all time.“

    :hahahaha:


    Aber wir weichen ab ... Haydn-ähnliche Komponisten zu finden, ist hingegen weitaus schwieriger. Ich schlage Carolus Antonius Fodor vor, den ich bereits irgendwo erwähnt hatte. Seine G-Dur-Sinfonie könnte man; ohne mit der Wimper zu zucken; als echten Haydn verkaufen:






    Nota bene: die Sinfonie datiert von 1802 und ist somit eine Dekade nach Haydns letzter Sinfonie - wohl in Kenntnis des damals bekannten sinfonischen Œuvre Haydns - entstanden; man beachte den Variationensatz (2) in Bezug auf Haydns #94, oder das markante Trio des Menuetts. Die ebenfalls enthaltene c-moll-Sinfonie (deren Einleitung = Mozarts Prager+Linzer) hingegen hat in Teilen noch Sturm-und-Drang-Anklänge mit „aufgesetzter Dramatik“ à la Schuberts Vierter. Beim Menuett komme ich gerade nicht darauf, von wem ich das kenne ... (Mozart Jagdsonate (allerdings in moll) oder Schumanns „wilder Reiter“?)

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)