Samstag, 16. April 2016, 19.30 Uhr
Julia Kleiter, Sopran
Bernarda Fink, Alt
Michael Schade, Tenor
Gerald Finley, Bass
Arnold Schoenberg Chor
Concentus Musicus Wien
Stefan Gottfried
Programm:
Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 40 g-Moll KV 550
-------- Pause --------
Wolfgang Amadeus Mozart
Requiem d-Moll KV 626
Dass es kein gewöhnlicher Konzertabend werden würde, konnte man bereits erahnen. Es sollte der Mann, der zum letzten Mal am 10. Mai 2015 im Wiener Musikverein dirigiert hatte, im Mittelpunkt stehen. Leider anders, als man dies ursprünglich geplant hatte. Es waren bei der Saisonplanung Beethovens 7. und 8. Symphonie unter Nikolaus Harnoncourt angesetzt gewesen, die gleichsam als Präludium dienen sollten für die Vollendung seines letzten Beethoven-Zyklus. Dazu ist es nicht mehr gekommen; es bleibt bei einem Rumpfzyklus, der immerhin bis zur Nr. 5 kam. Ob und wann die ersten drei Symphonien erscheinen werden, konnte und wollte Sony bislang nicht verraten. Jedenfalls kamen der Rückzug und wenig später das Ableben des Maestros, der sich vermutlich nie so bezeichnet hätte, bedauerlicherweise dazwischen. Zuerst waren als Ersatzprogramm Bachs Ouvertüre Nr. 3 und Telemann-Ouvertüren angesetzt gewesen. Im letzten Moment disponierte man dann noch einmal um zu einem, wie ich meine, den Anlass ideal würdigenden Programm: Mozarts große g-Moll Symphonie Nr. 40 KV 550 sowie nach der Pause das Requiem in der Süßmayr-Vervollständigung.
Am Pult stand Stefan Gottfried, von 2004 an Assistent Harnoncourts. Man wird ihm ein spektakulär unspektakuläres Dirigat bescheinigen dürfen, da er sich gänzlich in den Hintergrund stellte und man hie und da den Eindruck hatte, als dirigiere der Geist des Verblichenen. Der Concentus Musicus Wien, über ein halbes Jahrhundert auf Harnoncourt eingespielt, brachte seinem Gründer die wohl bestmögliche Würdigung dar. Deutlich hörbar war die Schule Harnoncourts bereits in der Symphonie, die als Prolog einen idealen Beginn darstellte. Schroffer als üblich erklang die große g-Moll, deftig akzentuiert und alles andere als nette Begleitmusik für ein Kaffekränzchen. Im Trio wurde dies besonders deutlich. Der Streicherklang wirkte anfangs beinahe dünn, doch gewöhnte man sich rasch an die drängende Interpretation, der KV 550 als einen inneren Existenzkampf erscheinen ließ. Man durfte einfach nicht die romantisierten Aufnahmen im Kopf haben, die sicherlich weniger dem entsprechen, wie es 1788 wirklich geklungen haben mag als das, was gestern zu hören war.
Nach der Pause dann der Höhepunkt, der den Charakter eines Gedenkkonzerts unterstrich. Welches Werk wäre auch adäquater gewesen als das Mozart'sche Requiem? Hochkarätig das Solistenquartett: Julia Kleiter als Sopran, Bernarda Fink als Alt, Michael Schade als Tenor und Gerald Finley als Bass. Schön, dass man solche Weltstars so kurzfristig hatte organisieren können. Sie blieben ihrem Ruf nichts schuldig. Kleiter machte den Anfang und fügte sich homogen in den Gesamtklang ein wie die markante Altstimme von Fink, der strahlende Tenor von Schade und der sonore Bass des Briten Finley. Exzellent auch die Darbietung des Arnold Schoenberg Chors. Dirigent Gottfried nahm sich auch hier zurück und verzichtete auf in diesem Zusammenhang unpassende Profilierungsversuche. Zum Höhepunkt geriet wohl das Lacrimosa, aber auch das Kyrie, das Dies irae und das abschließende Lux aeterna wussten zu begeistern. Der Concentus Musicus mit schneidigem Blech und sehr präsenten Pauken überzeugte von der ersten bis zur letzten Sekunde und stellte sich noch ein letztes Mal ganz unter die imaginäre Stabführung Harnoncourts.
Nach dem letzten Takt Totenstille. Eine Schweigeminute, die von der Vorbildlichkeit des Publikums zeugte, das sich an diesem Abend im ausverkauften Goldenen Saal des Musikvereins dem Anlass entsprechend verhielt. Keine unpassenden Kleidungsauswüchse, so gut wie keine Huster während des Konzerts. Orchester und Chor traten komplett in schwarz auf, was sicherlich dem Anlass geschuldet war. Nach den bewegenden Momenten des Innehaltens grenzenloser Applaus. Stefan Gottfried nahm sich auch hier zurück und überließ den Solisten das Feld. Viel Beifall für das Orchester, den man als Applaus für das Lebenwerk Harnoncourts begreifen konnte. Es gab wohl niemanden im Saal, der am Ende ungerührt blieb.
Es bestand die Möglichkeit, sich in ein Kondolenzbuch einzutragen, von der auch eifrig Gebrauch gemacht wurde. Freundlicherweise wurden nach dem Konzert zudem Programmhefte mit sämtlichen Auftritten Nikolaus Harnoncourts im Musikverein verteilt. Diese umfassten die Jahre 1962 bis 2015. Ein würdevolles Gedenkkonzert, das gewiss auch das Wohlwollen des großen Dirigenten und Musikwissenschaftlers gefunden hätte. Ein Konzertabend, den man noch lange in Erinnerung behalten wird.