Sind wir Klassiksammler suggestibel?

  • Heute hat unser Mitglied "kalli" verkündet, daß er durch meine Beschreibung zweier Aufnahmen von Schuberts Streichquartett D94, so neugierig gemacht worden sei, dass er BEIDE gekauft hat. So was freut einen einerseits natürlich, aber andrerseits fühlt man auch eine gewisse Verantwortung. Was - wenn ihm die Aufnahmen gar nicht gefallen?
    Da ist mir plötzlich ein Phänomen eingefallen (eigentlich sind es zwei), welches ich vor Jahren erstmals erlebt habe, und welches sich seither oftmals wiederholt hat:
    Ich besitze eine CD, die mir gar nicht gefällt. Plötzlich schreiben ein oder zwei User im Forum, dass sie ebenfalls diese CD besäßen. Und dann folgt eine lange Liste aller Vorzüge dieser Aufnahme.
    Ich krame das ungeliebte Stück aus dem Plattenschrank und höre die Aufnahme erneut, und zwar achte ich auf die beanstandeten Details aber auch auf die Einzelheiten, die unser Mitglied so begeistert hatten. Meist, aber nicht immer höre ich dann Einzelheiten des Stücks oder der Interpretation, die ich zuvor "überhört" hatte, und beurteilte das Gehörte dann meist positiv. Als Erklärung mag hier dienen, dass ich mich vieleicht mit der Aufnahme näher befasst habe als beim Ersthören,
    oder aber man ist doch suggestibel ??


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • »Es begegnete und geschieht mir noch, daß ein Werk bildender Kunst mir bei’m ersten Anblick mißfällt, weil ich ihm nicht gewachsen bin; ahnd’ ich aber ein Verdienst daran, so such’ ich ihm beizukommen, und dann fehlt es nicht an den erfreulichsten Entdeckungen: an den Dingen werd’ ich neue Eigenschaften und an mir neue Fähigkeiten gewahr.« (Goethe)

  • Lieber Alfred, das muss man nicht suggestibel nennen. Es geht doch eher um Lernprozesse im Austausch mit anderen.


    Dazu haben wir doch früher schon diskutiert. Ich zumindest erinnere mich, dass ich wiederholt dafür gestritten habe.
    Zum Beispiel in dem Thread in dem es um vergleichendes Hören ging!


    Musikkritik - Vergleichendes Hören - und ähnliche Unarten


    Ich erlaube mir, einen Satz davon hier zu zitieren



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich glaube schon, dass man einer gewissen Beeinflussung unterliegt. Das sieht man schon bei der Covergestaltung. In der Vergangenheit sah man oft den Dirigenten in eleganter Aufmachung, der elegant dämonisch den Taktstock schwingt, auf den Covers diverser Plattenfirmen. Heute wird der Interpret gern in Jeans und T-Shirt photographiert frei nach dem Motto: seht her, ich bin Einer von Euch. Ich gehe davon aus, daß diese Posen mehr sind, als solche, sondern dass hier stets das Lebensgefühl des Künstlers eine gewisse Rolle spielt, die sich dann aber auch in der Interpretation niederschlägt. Man bekommt "Jugend" oder "moderne Sachlichkeit", vierliert aber den Nimbus des "Unerreichbaren" und des "Pseudogöttlichen".


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich glaube schon, dass man einer gewissen Beeinflussung unterliegt.


    Ja, unbedingt. Warum solltet das bei Klassikhörern/-sammlern oder Tamino-Mitgliedern auch anders sein, als beim eher unwesentlichen Menschheitsrest?
    Wir alle sind beeinflußbar und werden laufend beeinflußt, durch alle möglichen Einwirkungen.


    Bei mir z. B. ist seltsamerweise in den letzten Tagen der Wunsch gereift (worden :angel: ), doch mal wieder die Tschaikowsky-Sinfonien zu hören... :)


    Viele Grüße
    Frank

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  • Ich finde an der Beeinflussung nichts Negatives. Bevor ich hier eintrat, hatte sich mein Musikgeschmack schon sehr genau entwickelt, hin zu Janacek, der Renaissance und der Polyphonie und weg von Klassik und italienischer Oper. Aber in ganz vielen Fragen habe ich sehr viel gelernt, und zwar häufig durch einzelne Personen. Ich will mal Caruso nennen, der "meine" Musik auch kennt und dem ich dann, wenn er mir fremde Sachen vorschlägt, auch vertraue. Für bertarido gilt das auch.
    Ich bin in der theoretischen Seite der Musik, aber auch in den Biographien und Schriften der Musiker ziemlich unbewandert, weil diese Lektüre mir die Zeit raubt, die ich zum Musikhören brauche. Daher bin ich froh, dass wir hier einige Theoretiker haben, die diese Lücke füllen, z.B. Helmut Hofmann (Mahler!) und Holger, der einfach eine Menge Fachliteratur kennt, die ich nicht selbst zu lesen brauche (die RT-threads lassen wir außen vor, die haben sich ja auch sehr beruhigt).
    Hinzufügen möchte ich noch die Literaturtipps und die Bilder-Threads. Was dieses Forum von anderen Blogs unterscheidet, ist auch der sorgfältige Umgang mit der Sprache.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)