Für mich ist Ferdinand Ries neben Beethoven und Schubert der bedeutendste Komponist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

  • Ein gewagter, ja geradezu provokanter Titel. der aber Stoff für Diskussionen bieten wird. Theoretisch hätte man das Thema auch im allgemeienen Ries Thread unterbringen können, aber ich habe die aus praktischen Gründen vermieden, weil vermutlich hier mehr über Ries Zeirgenossen geschrieben werden wird als über Ries selbst.


    und hier habe ich schon den ersten, IMO teilweise berechtigten Widerspruch von William BA - welcher mich übrigens zu diesem Thread inspiriert hat.


    Zitat

    Zitat Alfred Schmidt: Für mich ist Ries neben Beethoven und Schubert der größte Komponist der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.


    Zitat


    Zitat WilliamBA Das möchte ich allerdings so nicht stehen lassen, lieber Alfred, denn neben Ries waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowohl Mendelssohn als auch Chopin und größtenteils auch Schumann sowie Carl Maria von Weber, der allerdings noch nach Ries geboren wurde, aber vor diesem starb, am Start.
    Also, ich glaube nicht, dass du an Schumanns und Mendslssohns Symphonien sowie an Chopins und Schumanns Klavierwerken und letztlich auch nicht an Mendelssohns Vokalwerken sowie an Schumanns Liedern und Vokalwerken vorbeikommst, wenn du Ries richtig einordnen willst. Auch Weber hat ja außer dem Freischütz noch Einges von Rang geschaffen.


    Das Verdienst von Ries - auch wenn einige das nicht so sehen werden - ist, daß er - unter Wahrung seiner eigenen individuellen Tonsprache - jene von Beethoven quasi parallel gepflegt hat - teilweise (bei manchen Sinfonischen Werken) bis zur Ununterscheidbarkeit. Er hat also BEWUSST etwas geschafft, das zahlreichen Nachfolgern verwehrt blieb: Werke zu schaffen, die Beethovenschen Geist atmen und dennoch eigene Themen sind. Diese Leistung muß man sich mal vergegenwärtigen.


    Ich beginne nun vorerst den genannten Frederik Chopin näher zu betrachten: Er blieb hauptsächlich auf sein eigentliches Hauptinstrument beschränkt, wurde oder als Komponist von "Salonmusik" gesehen und der Komponist John Field bezeichnete ihn spöttisch sogar als "Krankenstubentalent" - Dies nur am Rande - kann hier auch kurz kommentiert werden, weitergehende ausführliche Statements aber bitte in den Spezialthreads der jeweiligen Komponisten.


    Ich lasse hier Luft für andere potentielle Mitschreiber, melde mich aber im Verlauf des Threads mit Anmerkungen zu den anderen genannten Komponisten....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Komponisten, die ich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für bedeutender halte als Ferdinand Ries:
    (Ausrufezeichen hinter dem Namen = wesentlich bedeutender, was aber herlich gesagt eigentlich für alle aufgelisteten Namen gilt, also auch die ohne Ausrufezeichen dahinter)


    - Beethoven (!)
    - Schubert (!)
    - Schumann (!)
    - Mendelssohn (!)
    - Carl Maria von Weber (!)
    - Rossini (!)
    - Donizetti
    - Bellini
    - ja, auch der frühe Verdi vor "Rigoletto"
    - natürlich auch Richard Wagner bis "Lohengrin"
    - Meyerbeer
    - Auber
    - Marschner
    - Lortzing
    - Berlioz


    Vielleicht reichen diese 15 Namen ja erst einmal, um zu verdeutlichen, was ich von dieser These des Rubriktitels halte...
    (Sollte deren Aussagekraft nicht ausreichen, steuere ich gerne noch ein paar weitere bei.)


    Natürlich ist mir als "Stimmenliebhaber" Vokalmusik mindestens ebenso wichtig wie Instrumentalmusik, und da muss ich gestehen, dass ich diesbezüglich GAR NICHTS Vorzeigbares von Herrn Ries kenne. Sollten die großen Ries-Experten jetzt aufschreien und mich zu überzeugen versuchen, wie großartig seine bei Wikipedia aufgelisteten drei Opern, zwei Opratorien (alle Titel habe ich noch nie gehört!) und sonstigen Vokalwerke doch seien, lasse ich mich gerne eines Besseren belehren, allerdings im Gegensatz zu Wagners Siegfried nicht mit dem Aug, sondern nur mit dem Ohr...


    Das hier zum Beispiel reicht vorne und hinten nicht, um auch nur irgendeinen von meiner Liste zu nehmen, eher würde ich sie noch um Leute wie Friedrich Schneider und Friedrich Kuhlau erweitern wollen:



    Um wie viel aufregender ist das zum Beispiel Haydns "Schöpfung"!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lassen wir mal, obwohl Ries auch Opern komponiert hat, die Opernkomponisten aus Gründen der Übersichtlichkeit weg (außerdem hat Stimmenliebhaber die ja gerade schon aufgezählt), ebenso Beethoven und Schubert.


    Aus der Generation Spohrs haben wir, außer Ries an Komponisten mit signifikanter Instrumentalmusik in den 1810er-30er Jahren z.B.:


    Rejcha (1770)
    J. N. Hummel (1778)
    C.M. v. Weber (1784)
    Spohr (1784)
    Onslow (1784)


    Dass Ries verglichen mit denen, besonders Hummel, Weber (hier nur als Instrumentalkomponist betrachtet!) und Spohr lange unterschätzt wurde und einigermaßen mithalten kann, kann man vertreten. Dass er (klar) der bedeutendste von denen sein sollte, scheint mir aber stark überzogen, wobei ich auch zugeben muss, weder Ries' noch die Musik der genannten (außer Weber) wirklich gut zu kennen; ich habe aber von allen mehrere Werke mehrfach gehört und auf CD im Regal.


    Deutlich jüngere, die aber noch zeitgleich mit Ries aktiv gewesen sind (d.h. im wesentlichen in den 1830ern, ich nenne nur Werke bis Ende der 1830er, was mit Ries' Lebenszeit (1784-1838) etwa zusammenfällt)


    Berlioz (*1803): Symphonie Fantastique 1830, Harold en Italie 1834, Requiem 1837, Romeo & Juliette 1839)
    Mendelssohn (*1809): Sinfonie Nr. 1 (1824), Oktett (1825) Reformationssinfonie (1832), Sinfonie Nr. 4 (1833), Paulus (1835), Klavierkonzerte 1831 und 1837 u.v.a., kann man nicht alles aufzählen
    Chopin (*1810): 2 Klavierkonzerte, Trio, beide Etüdensammlungen opp.10 und 25, Balladen 1-2, Scherzi 1-3, 2. Klaviersonate, Preludes...
    Schumann (*1810) schrieb seine Orchesterwerke erst ab 1841, aber weitgehend bis 1850, nur aus den 1830ern z.B. Davidsbündlertänze, Carnaval, Kreisleriana, Fantasie, Kinderszenen etc.


    So eine Übersicht macht m.E. deutlich, dass Ries klar zur "Übergangsgeneration" zählt.
    Von den 4 jüngeren bleibt nur Mendelssohn ähnlich eng klassischen Formen treu (aber der ist auch ein viel besserer Komponist, allein von der melodischen Erfindungsgabe, was auch ohne "Analyse" hörbar ist).
    Auch bei den anderen dreien muss man schon eine sehr spezifische Abneigung haben, um entgegen 170 Jahren Musikgeschichte Ries auch nur in dieselbe Gewichtsklasse einzuordnen. Zwar ist nicht so klar, wie man eine Sinfonie von Ries überhaupt sinnvoll mit Chopins Etüden vergleichen soll, außer dass innerhalb der Gattungsgeschichte die Ries-Sinfonie als Fußnote (gegenüber Mendelssohns oder gar Beethovens), die Chopin-Etüden als Gipfelwerk (gegenüber Czerny und Moscheles eben eine Transformation eines Übungsstücks zur poetischen Miniatur) herausgekommen sind.

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was bedeutet denn eigentlich "bedeutend"?
    Daß Ries (dessen Werke ich, soweit sie mir bekannt sind, sehr schätze!) in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit nicht gerade in besonderem Maße 'bedeutend' ist, steht angesichts der von Willi und Stimmenliebhaber angeführten Namen, auf die das viel eher zutrifft, vermutlich außer Frage.


    Der Threadtitel hätte womöglich eher lauten sollen "Für mich müsste Ferdinand Ries als bedeutendster Komponist [...] gelten."
    Aber reicht dafür aus musikgeschichtlicher Hinsicht (und in diesen Kategorien ist 'Bedeutung' doch im Endeffekt angesiedelt) ein Kompositionswerk - ich verkürze um des Argumentes willen - der Marke 'Beethoven II'? Ich bezweifle das.

  • Aber reicht dafür aus musikgeschichtlicher Hinsicht (und in diesen Kategorien ist 'Bedeutung' doch im Endeffekt angesiedelt) ein Kompositionswerk - ich verkürze um des Argumentes willen - der Marke 'Beethoven II'? Ich bezweifle das.

    Ich auch. Hätte Beethoven die "Fähigkeit" gehabt, genauso zu komponieren wie ein anderer Komponist, wäre er heute vermutlich vergessen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • V.a. wird man ja niemals "Beethoven II", wenn man sich zeitlebens an ein Vorbild klammert. Eine wesentliche Pointe bei Beethoven (der als "Mozart II" vermarktet wurde und sich tatsächlich viele Jahre lang Mozart als (ein) Vorbild nahm) war doch gerade, dass er sowohl an Mozart anknüpfte, als auch auf manchmal zuerst bestürzende Weise originell anders gewesen ist als Mozart.


    Vom Gestus und der Originalität her war aus der Nachfolge-Generation daher am ehesten Berlioz eine Art "Beethoven II". Natürlich total einseitig auf den Aspekt überwältigender großer Orchesterwerke mit poetischen Ideen dahinter (und mit einer großen Portion auch literarischer Romantik) fixiert.


    Ein Unterschied zwischen großen Komponisten wie Beethoven oder Berlioz zu solchen wie Ries (oder Hummel oder Spohr) ist u.a., dass sie zwar bei den Vorbildern anknüpfen, aber in außerordentlich origineller Weise, die sehr schnell die Vorbilder völlig vergessen lässt, oft sogar deutlich in den Schatten stellt. (Letzteres ist freilich keinem Beethoven-Nachfolger gelungen, was sowohl den Rang Beethovens zeigt, als auch in welchem Maße Beethoven den übernommenen Stil "ausgereizt", auf die Spitze getrieben hatte. Auch daher liegen viele der wichtigsten Werke der 1830er bis 50er "quer" zu Beethoven, etwa Chopins und Schumanns Klaviermusik.)
    Ein "Querschläger" wie Chopin knüpft sogar an relativ unbedeutenden (Moscheles, Field etc.) oder genre-fremden (Bellini) Komponisten an und transformiert solche Einflüsse in origineller Weise.

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  • Die Wirkung von Threads lässt sich schwer einschätzen, wenn man sie eröffnet. Diesen hier habe ich genau richtig eingeschätzt. Natürlich kann man über den Wahrheitshehalt streiten, aber eigentlich wurde die Subjektivität der Behauptung ohnedies eindeutig formulier - ist aber offenbar im Sturm der Entrüstung untergegangen.


    Fangen wir mal mit dem "Entschärfen" an. Man mag es mir anlasten, daß ich von der Voraussetzung ausging, Opernkomponisten seien eine eigene Sparte, die extra abzuhandeln sei. Auch wenn Ries Opern geschrieben hat, so pflichte ich bei, dass das was ich von ihm bisher kenne, nicht wirklich konkurrenzfähig ist. Aber das trift auch auf Webers meiste Opern zu, etwa "Peter Schmoll und seine Nachbarn", Mendelssohns Opern und Schauspielmusiken (die Musik zum "Sommernachtstraum" ausgenommen) findet man auch eher in Archiven als auf der Bühne


    Johannes Röhl schrieb:

    Zitat

    Reicha (1770)
    J. N. Hummel (1778)
    C.M. v. Weber (1784)
    Spohr (1784)
    Onslow (1784)


    Dass Ries verglichen mit denen, besonders Hummel, Weber (hier nur als Instrumentalkomponist betrachtet!) und Spohr lange unterschätzt wurde und einigermaßen mithalten kann, kann man vertreten. Dass er (klar) der bedeutendste von denen sein sollte, scheint mir aber stark überzogen, wobei ich auch zugeben muss, weder Ries' noch die Musik der genannten (außer Weber) wirklich gut zu kennen; ich habe aber von allen mehrere Werke mehrfach gehört und auf CD im Regal.


    Ich gestehe, daß ich (derzeit) Spohr und Onslow für ausgesprochen Langweiler halte - und selbst, sollte ich dieses Urteil einst revidieren (Ich werde mich mit beiden noch heuer ERNEUT befassen) werde ich an der Meinung festhalten, daß Riess eindeutig die eingängigeren Themen erfunden hat und daß seine Musik einfach effektvoller ist. Bei Ries habe ich immer den Eindruck "Beethoven aus zweiter Hand" zu hören - als hätte der Meister länger gelebt, Bei Spohr habe ich immer den Eindruck, sobald das Stück vorbei ist, habe ich es vergessen, ähnlich wie bei Onslows Sinfonien.


    Hummel - Mag ihn sehr, allerdings fehlt in seinem Euvre die Sinfonie - Und gerade sie war es, die einem Komponisten des 19, Jahrhunderts Profil verschaffte. Ich erinnere mich, daß ich einst im Forum einen tread startete der sich mit Hummel befasste:


    Was muß man kennen - von: ... Johann Nepomuk HUMMEL?


    Joannes Roehl schrieb dort damals am 14. Oktober 2013 in Beitrag Nr 3:


    Zitat

    Spontan hätte ich jetzt gesagt: Von Hummel *muss* man gar nichts kennen, oder? Daher ist mir auch nicht recht klar, wie das Paradox in klingsors Text oben aufzulösen ist....


    Ich besitze 3-4 CDs von Hummel, eine mit Klavierkonzerten, dann 3 Trios, zwei Kammermusikwerke mit Bläsern und das es-moll-Klavierquintett. Ich habe das alles als einigermaßen hörenswert in Erinnerung, aber kein Werk ist mir so präsent, dass ich sagen würde, das müsse man kennen.


    und Ex-Mitglied Felix Meritis ergänzte in Beitrag 4:


    Zitat

    Bei Hummel habe ich das Gefühl, dass das Niveau insgesamt gut ist, aber dass kein Werk wirklich herausragend ist.


    Kurzstückmeister schlug in der einschlägigien Literatur nach:


    Zitat

    Lustigerweise habe ich am Wochenende unabhängig von tamino in einem Komponistenlexikon nach Hummel geschlagen ;) und dort gelesen, dass nur das Klavierwerk von Belang sei, am meisten die Klavierkonzerte.


    In Beitrag 13 zog ich damals Resumé:


    Zitat

    Überhaupt ist die Anzahl der "ungeliebten" oder "kaum beachteten" Komponisten in letzter Zeit erschreckend angestiegen:


    Man findet Dvorak als "böhmischen Musikanten", Schumann als fade (ausnahmsweise geht es mir in diesem Falle leider auch so), Weber wird fast nicht wahrgenommen - wie es um Mendelssohn bestellt ist soll besser der Spezialist in unserem Forum beurteilen.


    Fehlen noch Reicha und Weber:


    Reicha wird eigenartigerweise nirgends als besonders bedeutend gesehen - was durchaus ein Fehler sein kann - ich werde so es meine Zeit erlaubt hier mal recherchieren.


    Im Gegensatz dazu Carl Maria von Weber: Eigentlich eine unbetrittene Ikone deutscher Romantik hat er voll allem durch seine Opern, allen voran der Freischütz "Der Freischütz" dauerhaften Ruhm erwerben können. Aber um Opern geht es hier gar nicht:


    Es ist verwunderlich, daß Weber, dessen Werkverzeichnis quantitativ und qualitativ beachtlich ist. zudem noch vielseitig orientiert (Streichquartette fehlen indes völlig) nicht mehr Aufmerksamkeit bekommt.


    Ich bin sicher daß dieser Thread nicht nur auf Ries, sondern auf viele seiner ebenfalls vernachlässigten Zeitgenossen aufmerksam machen wird.
    Oder wie wir Lateiner sagen: Schau'n mer mal........ ;)


    mfg aus Wien
    Alfred





    Anton Reicha
    WEBER Carl Maria von - Nichts als Freischütz? - Carl Maria von Weber und seine Kompositionen
    WEBER Carl Maria von - Klaviersonaten-ritterliche Eleganz und romantische Seele
    WEBER Carl Maria von - Flaggschiff der deutschen Romantik oder Nischenrepertoire?
    SPOHR Louis - Die Sinfonien
    SPOHR Louis - Kammermusik
    SPOHR Louis - Kassels berühmter Musiker
    André George Louis Onslow (1784-1853)

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aber das trifft auch auf Webers meiste Opern zu

    Immerhin hat Weber "Der Freischütz", "Euryanthe" und "Oberon" geschrieben, jedes auf seine Weise ein absolutes Meisterwerk!
    (Wobei ich mich bei der "Euryanthe" auch an einigen Stellen langweile, zugeben, aber es gibt eben auch die anderen - und bei "Freischütz" und "Oberon" langweile ich mich nicht wirklich.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es lag und liegt mir in keiner Weise daran. Weber abzuqualifizieren. Ich wollte nur die Relationen betonen. Ich lege nicht unbedingt Wert darauf (wie so viele andere im Forum) ausschliesslich "Meisterwerke" oder "Geniestreiche " zu hören, dann das war ja nie die ursprüngliche Absicht der Komponisten (von wenigen Ausnahmen mal abgesehen) Wenn ich beispielsweise "Peter Schmoll und seine Nachbarn" vor allem seines biedermeielich -einfältigen Librettos "tadle", so soll das nicht heissen, daß ich Webers Musik nicht genossen habe. Und ich habe das Stück sehr lange sehr oft gehört - nämlch als ich die Inhaltsingabe zum Tamino-Opernführer schrieb. "Silvana" - ebenfalls kein ausgesprochens Flaggschiff der Operngeschichte hat mir nicht nur gut, sondern sogar ausgezeichnet gefallen.
    Aber es geht hier eigentlich um Orchestermusik - auch wenn ich das im ohnedies viel zu langen Threadtitel nicht vermerkt habe


    Beste Grüße aus Wien
    sendet Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ....wird eigenartigerweise nirgends als besonders bedeutend gesehen


    Wenn man seine These aufgrund einer gewissen Bedeutung stützt dann müßtest du aber deine Behauptung wieder revidieren, da schon mal auf jeden Fall Mendelssohn (sicher auch Schumann, Chopin,...) wesentlich öfter auf
    Konzertprogrammen zu finden ist. ;) Man kann natürlich darüber streiten inwiefern es gerecht ist, dass ein gewisser Komponist von der Fachwelt (Dirigenten, Interpreten,...) nicht so wahrgenommen wird wie er es - vielleicht - verdienen würde.
    Vielleicht kann man damit argumentieren dass seine Zeit (ähnlich wie zB bei Mahler) noch kommen wird, aber ich bin der Ansicht dass sich Qualität früher oder später immer durchsetzen wird...Qualität in dem Sinne, dass es von einer gewissen bedeutenden Anzahl an Klassikhörern und Interpreten so empfunden wird, und es reichen nur wenige bedeutende Dirigenten die sich für das Werk einsetzen um es auf den Programmen der wichtigsten Konzertsäle der Welt zu etablieren (so wie es zB mal mit der Entdeckung Schuberts durch Mendelssohn einst begann) Der jeweilige subjektive Geschmack kann natürlich immer mal vom Klassik-"Mainstream" abweichen und dann etwas für bedeutender halten als es eigentlich ist. Das möchte ich nur als generell verstanden wissen, nicht jetzt direkt auf Ries bezogen. Da möchte ich mir noch kein Urteil anmaßen sondern nur feststellen dass sein Durchbruch noch kommen müßte, falls das Potential dazu vorhanden wäre. Im Moment ist die allgemeine Wahrnehmung seiner Musik nicht so, dass man ihn zwangsläufig bedeutender als Mendelssohn oder Schumann einstufen könnte. Ich schätze Mendelssohn und Schumann sehr aber um jetzt einen persönlichen Vergleich zu Ries ziehen zu können müßte ich fairerweise noch in mehr Werke hineinhören, es gibt aber durchaus ein paar Ries-CD´s in meiner Sammlung die ich sehr gerne höre und ein durchaus hohes Niveau aufweisen. Vielleicht wird es auch immer eine Problematik für ihn sein, dass er Beethoven zu ähnlich klingt und darin aber oftmals nicht ganz sein Niveau erreicht (Ausnahmen mal aussen vor gelassen wie zB seine Klavierquartette die ich sogar besser als das von Beethoven finde)
    gruß

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • "Silvana" - ebenfalls kein ausgesprochens Flaggschiff der Operngeschichte hat mir nicht nur gut, sondern sogar ausgezeichnet gefallen.

    Dann sind wir uns in diesem Punkte ja mal völlig einig! :yes:


    Vielleicht kann man damit argumentieren dass seine Zeit (ähnlich wie zB bei Mahler) noch kommen wird


    Kann man, wird sie aber trotzdem nicht! :D


    Mahler war mit seinem symphonischen Werk nun wirklich ein Künstler, der weit über seine eigene Zeit hinausdachte und in die Zukunft wies. Tut Ries das mit irgendwelchen Werken auch? Ich denke nicht...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Rejcha ist der (Mit-)erfinder und vielleicht bedeutendste Komponist des Bläserquintetts (wovon er über 20 komponiert hat). Er hat außerdem zwei (?) Sinfonien und mindestens eine konzertante Sinfonie komponiert und war jedenfalls bis vor 15 Jahren oder so weitaus geläufiger als Ries, was allerdings hauptsächlich auf besagte Bläserkammermusik zurückzuführen war.


    Hummel und Spohr waren zu Ries' Lebzeiten die berühmtesten deutschsprachigen Komponisten (außer Beethoven, solange der noch lebte).
    Hummel schätze ich (auch wenn ich immer noch keine Klaviersonate kenne) inzwischen etwas höher ein als 2013. Ich müsste die beiden Klavierkonzerte mit Hough, die ich besitze, noch mal hören. Vor etwa zwei Monaten hatte ich mir endlich eine GA der Klaviertrios gekauft und die haben mir ziemlich gut gefallen. Diese Werke sind allerdings eher eine virtuose Fortspinnung von Mozart und Haydn als von Beethoven.


    Etwas vereinfacht formuliert, haben meinem Eindruck nach Hummel und Spohr schon beim mittleren Beethoven "sich verabschiedet", da er ihnen zu wild war und mozartnah (Hummel) bzw. auf eigene Art klassizistisch-frühromantisch weiterkomponiert.
    Schubert (der ist eben zu früh gestorben), teilweise Weber, jedenfalls Ries und vermutlich auch Onslow gehen immerhin noch halbwegs bis zum "mittleren Beethoven" mit. Was nicht heißt, dass sie da mitkämen.
    Ries ist, selbst in seinen besseren Werken (wie dem f-moll-Klavierquartett), eher ein zweiter Beethoven-Aufguss (gestern habe ich ein Klavierkonzert g-moll gehört, das ist nicht einmal das, fürchte ich) als eine eigenständige Fortspinnung. Wir wissen nicht, wie Beethoven komponiert hätte, wenn er länger gelebt hätte, aber sicher nicht wie eine schwächere Version des Beethoven von ca. 1808.


    Die besten Werke Beethovens haben die jeweiligen Gattungen entweder so erschöpfend "erledigt", dass die Nachfolger sich, "andere Wege" suchen mussten. Ein Beispiel dafür ist, dass "symphonische Konzerte" wie Beethovens 4. u. 5. Klavier- und das Violinkonzert erst einmal kaum mehr komponiert wurden. Entweder hielt man sich an das "Virtuosenkonzert" oder man nahm fantasieartige einsätzige Werke zum Vorbild (im Anschluss an Webers f-moll-Konzertstück und Schuberts Wandererfantasie) .
    Oder sie waren zu ungewöhnlich und eigentümlich, dass man hätte anknüpfen können (Spätwerk). Nur der junge Mendelssohn hat sich das getraut, besonders in den Quartetten opp.12 und 13, ist aber wieder davon abgekommen. Wie eine geniale Fortspinnung Beethovenscher Vorbilder aussehen kann, zeigen diese beiden Quartette.


    Ich meinte oben nicht, dass Hummel oder Spohr deutlich besser seien als Ries. Tatsächlich habe ich hier keine klare Meinung und bevorzuge persönlich vermutlich ebenfalls Ries (allerdings waren diese beiden seinerzeit meines Wissens deutlich höher angesehen). Aber der qualitative und stilistische Abstand zwischen Ries und Spohr oder Hummel ist m.E. deutlich kleiner als der zwischen Ries und Schumann.

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  • Man kann getrost davon ausgehen, dass außer Alfred die Anzahl der Hörer, die Ries für einen wichtigeren/bedeutenderen/interessanteren/was auch immer Komponisten als Mendelssohn, Chopin, Schumann, Berlioz, Liszt halten, sehr überschaubar ist. :D
    (So weit ich Alfreds Vorlieben kenne, war von denen, außer Mendelssohn, aber keiner je ein Favorit, ganz unabhängig von Ries, d.h. die Hochschätzung Ries' ist nicht der einzige Faktor im Spiel.)


    Weber als Instrumentalkomponist betrachtet, ist natürlich problematisch, da heute sein Ansehen beinahe vollständig von einer einzigen Oper geprägt wird (d.h. sogar sein Opernschaffen wird sehr einseitig wahrgenommen).
    Nichtsdestoweniger waren einige Instrumentalwerke, besonders die Klarinettenkonzerte, das Konzertstück f-moll usw. im 20. Jhd. durchaus präsent. Einige Einzelsätze aus den Klaviersonaten waren bis ins frühe 20. Jhd. als Virtuosenstücke sehr populär, und natürlich die "Aufforderung zum Tanz". Denn seinerzeit war Weber zuerst als Pianist berühmt und ähnlich angesehen wie Hummel.
    Obwohl ich ein Faible für seine Musik habe (das f-moll-Klarinettenkonzert ist vermutlich mein drittliebstes der Gattung... ich kenne es aber auch schon viel länger als z.B. Spohrs und Crusells), halte ich jedoch die meisten seiner Instrumentalwerke für nicht erstklassig. Sie leiden an schwachen Durchführungen und virtuosem Leerlauf (und sind melodisch nicht immer attraktiv genug (wie Schubert fast immer, der aber selbst bei seinen Versuchen als Teenager meistens besseren Formsinn hat) um das ausgleichen zu können). Sie sind Beispiele dafür, dass man "Formen" nicht einfach als Gefäße für Melodien behandeln kann.


    Das beste (und eben auch einflussreichste) ist das f-moll-Konzertstück, das diese Schwächen durch die ungewöhnliche Form und ein angedeutetes Programm umgeht.
    Die drei großen Opernouverturen "kriegen ebenfalls die Kurve" und lassen auch in der Melodik und Klangfantasie Ries, Spohr &Co weit hinter sich.

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  • Ich habe die beiden letzten Beiträge von Jojannes Röhl erst jetzt geleden, antworte daher dem entsprechend spät - und werde mich kurz fassen. Die Zitaze sins allesamt von Johannes Roehl


    Zitat

    Hummel schätze ich (auch wenn ich immer noch keine Klaviersonate kenne) inzwischen etwas höher ein als 2013


    Hummels Klavierkonzerte sind fantastisch. Und sein Kammermusik Repertoire ist kaum Überschaubar. Indes Sinfonien hat er keine geschrieben- und das wäre IMO gerade das was seine Reputation verbessert hätte.


    Zitat

    Man kann getrost davon ausgehen, dass außer Alfred die Anzahl der Hörer, die Ries für einen wichtigeren/bedeutenderen/interessanteren/was auch immer Komponisten als Mendelssohn, Chopin, Schumann, Berlioz, Liszt halten, sehr überschaubar ist. :D


    Ich halte Ries sicher nicht für besser als Mendelssohn.
    Chopin war ein sehr klavierorientierter Komponist, es unwejte ihn stets die Aura der Salonmusik, Field nannte ihn ein "Krankenstubentalent" - Soweit würde ich nicht gehen. Seine Werke für Klavier solo sind sicher konkurrenzlos - aner als einen "allgemein bedeutenden" Komponisten würde ich ihn nicht sehen.


    Schumann - hier bin ich leider parteiisch. Ich fand Schumann immer ein wenig überschätzt, aber er deckt eine breite Palette an Werktypen ab - und im Laufe der Jahre bin ich ihm näher gekommen....
    Im Tamino Forum stieß er übrigens eher auf wenig Interesse




    (So weit ich Alfreds Vorlieben kenne, war von denen, außer Mendelssohn, aber keiner je ein Favorit, ganz unabhängig von Ries, d.h. die Hochschätzung Ries' ist nicht der einzige Faktor im Spiel.)


    Berlioz ist ein Spezialfall - man hört einige Werke gern (die Opern seien hier ausgeklammert) - aber eigentlich sind es wenige..


    Liszt - Ein - folgt man zeitgenössischen Berichten - geradezu legendärer Pianist und Klaviermörder.
    Große Werke indes konnte ich für mich nicht finden - das Meiste sind Paraphrasen über Opern anderer Komponistern etc.
    Die Symphonischen Dichtungen stiessen eher auf wenig Anklang, und sind hauftsächlich wegen "Les Preludes" und seiner Verwendung als Kennung in der Deutschen Wochenschau, bzw Kriegsberichterstattung noch im Gedächtnis geblieben....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !