Hallo,
die Chöre von Mahler und Wagner habe ich in die dortigen Threads eingestellt.
Bei den Chören von Strauss handelt es sich um Original-Kompositionen, also keine Transkriptionen.
Der Abend, op. 34/1,Text Fr. Schiller
Für 16-stimmig gem. Chor, a cappella
Senke, strahlender Gott – die Fluren dürsten
Nach erquickendem Thau, der Mensch verschmachtet,
Matter ziehen die Rosse –
Senke den Wagen hinab!
Wie ein „Orgelpunkt“ schwebt der 1. Sopran, als strahlender Gott, sphärisch über dieser Strophe und die Bässe stellen mit absteigenden Melodiebögen den Erdenbezug her.
Siehe, wer aus des Meers kristallner Woge
Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?
Rascher fliegen die Rosse,
Tethys, die göttliche, winkt.
Der Sopran ist nun in die Textvertonung (ohne Orgelpunkt und sphärische Klänge) mit einbezogen. Alle Stimmen fühlen sich von Tethys, der göttlichen, angesprochen - und wieder nutzt Strauss die (diesmal aufsteigenden) Bassstimmen, die Wirklichkeitsnähe auszudrücken.
Schnell vom Wagen herab in ihre Arme
Springt der Führer, den Zaum ergreift Cupido,
Stille halten die Rosse,
Trinken die kühlende Flut.
Die Männerstimmen übernehmen erstmals von Anfang die Melodieführung und bei „den Zaum ergreift Cupido“ ändert Strauss Harmonik, Tempo, Stimmlage des Gesamtchores. Mit dim.rall. und bis zu pp wird die Musik zur umgreifenden „Stille“ und zugleich die letzte Strophe vorbereitend.
An den Himmel herauf mit leisen Schritten
Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße
Liebe. Ruhet und liebet!
Phöbus, der Liebende, ruht.
Aufsteigende Männerstimmen in p übernehmen die leisen Schritte himmelwärts. Die Textzeilen ab „ihr folgt…“ wechseln zwischen homophonen und polyphonen Passagen, wobei die Polyphonie (dem Text folgend) die Oberhand gewinnt. „Ruhet…“ und „Phöbus…“ verschmilzt nun Strauss polyphon, dabei wird der Text für Phöbus um „strahlend“ aus der 1. Strophe erweitert. Mit ruhigen, abgeklärten Chorklängen senkt sich die Nacht über/in die Musik.
Hymne, op. 34/2, Text Fr. Rückert
Für 16-stimmig gem. Chor, a cappella
Jakob! dein verlorner Sohn
Kehret wieder,
O gräme dich nicht.
Die Erhörung von Gottes Thron
Steigt hernieder,
O gräme dich nicht!
Dieses traurige Herz wird einst
Ruh' genießen,
O sei nicht betrübt.
Jede Thräne, welche du weinst,
Wird zerfließen,
O gräme dich nicht!
Wann zur harrenden Erdenbraut
Mit Liebkosen
Der Frühling kehrt,
Wird der Nachtigall Nest gebaut
Unter Rosen,
O gräme dich nicht!
(Wenn des Himmels kreisendes Rad
Dir zu Zeiten
nicht geht nach Lust,
Denk, nothwendig ein Kreislauf hat
Ungleichheiten,
O gräme dich nicht.) Nicht vertont
Daß du der Sterne heimliches Thun
Siehst nicht freier,
O hadre nicht:
Weltgeheimnisse wollen ruhn
Unterm Schleier,
O gräme dich nicht!
Wenn der Strom des Verderbens braust
Über's Gemäuer
Irdischer Lust:
Du, von der Arche des Herrn behaust,
Trau dem Steuer,
O gräme dich nicht!
Zwar bedenklich ist unser Gang,
Wo wir uns wenden,
Kein Ziel zu sehn;
Aber ein jeder Weg, wie lang,
Muß einst enden,
O gräme dich nicht!
Ich habe nicht herausgefunden, wann Rückert diese Strophen (und die folgenden Strophen) verfasst hat. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass dies lange (?) nach dem Tod seiner zwei Lieblingskinder geschah (das Ostinato „ O gräme dich nicht“ spricht dafür). Einen langen Kampf und den daraus gewonnene Trost lese ich heraus. Wenn meine unbewiesene Annahme stimmt, dann hat Strauss die einzelnen Strophen individuell und treffend vertont (das gilt auch für andere durchlebte sehr schwere Schicksalsschläge).
(Wer die Wuste durchpilgern will,
anzubeten
im Heiligthum:
Schweigt, wenn Disteln ihn stechen, still;
Dom zu treten,
o gräme dich nicht.
Meine Armuth, mein Wehgeschick,
was mich kränket,
und was mich drängt:
Alles schaut mit einem Blick
Gott, der's lenket,
o gräme dich nicht.
Und so lang in finsterer Nacht
in Derwischen-
Zellen Hafis
Liest den Koran und Gottes Macht
preist dazwischen,
o gräme dich nicht.) Nicht vertont
Vor den Türen, AV 123, Text Fr. Rückert
Für (4-stimmigen?) Männerchor (1935)
Ich habe geklopft an des Reichtums Haus;
Man reicht mir 'nen Pfennig zum Fenster heraus.
Ich habe geklopft an der Liebe Tür;
Da standen schon fünfzehn andre dafür.
Ich klopfte leis' an der Ehre Schloß;
Hier tut man nur auf den Ritter zu Roß.
Ich habe gesucht der Arbeit Dach;
Da hört' ich drinnen nur Weh und Ach!
Ich suchte das Haus der Zufriedenheit;
Es kannt' es niemand weit und breit.
Nun weiß ich noch ein Häuslein still,
Wo ich zuletzt anklopfen will.
Zwar wohnt darin schon mancher Gast,
Doch ist für viele im Grab noch Rast.
Auch eine Fassung einer (Winter-)reise, zumindest ein punktuell vergleichbarer Lebenslauf. Die einzelnen Lebensstationen vertont Strauss z. T. mit sehr viel musikalischer/m Ironie Sarkasmus. Den letzten vier Verszeilen (sie haben bei Müller einen anderen Verlauf) gibt Strauss sehr viel in den Tex hinein gehörten musikalischen Raum. (Es zählt zu seinen chorischen Spätwerken.)
(Wie aktuell doch der Text ist!)
Traumlicht, AV 123, Text Fr. Rückert
Für (4-stimmigen?) Männerchor
Ein Licht im Traum hat mich besucht,
Es nahte kaum und nahm die Flucht.
Der Blick ist tief hier eingesenkt,
Den, als ich schlief, du mir geschenkt.
Hell dämmert mild am Tage wach,
O Nachtgebild', dein Glanz mir nach.
Komm oft, o Stern, in meiner Ruh'!
Dir schließ' ich gern die Augen zu.
Hell dämmert mild ein Licht im Traum am Tage mir nach.
Komm oft, o Stern, in meiner Ruh'!
Dir schließ' ich gern die Augen zu.
Das Unrealistische eines Traumbildes durch um fixierte Töne hin und her schwankende Melodiebögen musikalisch zu vermitteln ist ein geeignetes Mittel, aber dies über das ganze Chorstück weitgehend unverändert beizubehalten und auf die weiteren Gegebenheiten nur durch Stimmlage, Tempo, Dynamik einzugehen, ist für mich unbefriedigend, wenig textverdeutlichend (um nicht zu sagen einfallslos).
Fröhlich im Maien, AV 123, Text Fr. Rückert
Für (4-stimmigen?) Männerchor
1. Blühende Frauen
Lasset euch schauen
Fröhlich im Tanze
Unter dem Kranze!
Refrain:
Tanzet zu zweien
Unter Schalmeien,
Tanzet am Reihen
Fröhlich im Maien!
2. Prüfende Kenner
Kommet, ihr Mäner,
Sehet die klaren
Bilder sich paaren,
Refrain:
3. Freut euch, ihr Alten,
Junger Gestalten!
Wie ihr gesprungen,
Springen die Jungen,
Refrain:
4. Junge und schöne
Töchter und Söhne,
Enkel nicht minder
Reizend als Kinder;
Refrain:
5. Junges Gelichter,
Ihr seid nicht Richter;
Jünglinge, wählet,
Eh' es euch fehlet;
Refrain:
Die Strophen des Gedichts werden einschl. der Refrains individuell vertont, dabei bleibt aber der Gesamtcharakter der Vertonung erhalten – man kann auch sagen. die einzelnen Strophen und Refrains werden als Variationen vertont. Es ist keine simple Komposition, Rhythmik, Textverteilung, -behandlung, Harmonik, Dynamik stellen Anforderungen an die Ausführung – dennoch, ein kleiner Beigeschmack an den Klang, die Art von “Liedertafeln“ bleibt bei mir hängen.
Über die Qualitäten des Chors des Bayerischen Rundfunks muss kein Wort verloren werden – er dürfte der beste professionelle Chor in der BRD sein (ob er „Polyphony“ erreicht?).
Viele Grüße
zweiterbass