Die Hochzeit des Figaro (Mozart), Hamburgische Staatsoper, B-Premiere, 17.11.2015

  • Mozarts Figaro gehört nicht zu meinen Lieblingsopern, mir wird zuviel parliert, zu wenig gesungen. Die Arien sind auch nicht so tiefsinnig, so seelisch fundiert (abgesehen von den eineinhalb Arien der Gräfin) wie etwa bei Cosi fan tutte oder Don Giovanni. Die Oper ist zudem mit gut drei Stunden Spieldauer recht lang. Stefan Herheim hat sie aber ganz gut in den Griff bekommen. Vor allem ab dem 3. Akt führten Bühnenbild (Christof Hetzer), Lichtregie (Andreas Hofer), Kostüme (Gesine Völlm) und die Personenführung durch den Regisseur zu einem poetischen Gesamtbild mit genügend Kraft, um die Handlung in den Hintergrund treten zu lassen. Musik (Ottavio Dantone leitete das Philharmonische Staatsorchester), Bühne und Ensemble verschmolzen zu einer Einheit, wie ich es bisher bei Figaroaufführungen nicht gesehen habe. Der erste und zweite Akt gerieten dagegen eher langweilig. Die Bühne bestand aus einem sich nach hinten verengenden Guckkasten mit sich in der Tiefe (fast) treffenden Notenlinien, was die Sänger im Hintergrund optisch größer werden ließ (Ähnliches hatte bereits das hiesige Aida-Bühnenbild von Johannes Leiacker aufgewiesen). Die Wände und die Decke waren mit weißen Notenblättern bedeckt, die am Ende des zweiten Aktes auf das Ensemble herabsegelten und ein wüstes Papierchaos hinterließen. In der Mitte stand ein großes Bett, welches als Versteck diente, aber aus dem auch der Gärtner Antonio (gut gesungen und gespielt von Franz Mayer) aus dem Unterboden hervorkriechen konnte. Die Kostüme (überwiegend Rokoko) von Figaro (Wilhelm Schwinghammer) und Susanna (Katerina Tretyakova) waren farblich auf die hellen Wände abgestimmt und mit Noten bedruckt. Durch die Einheitsfarbe bei weitgehend allen Beteiligten und nur einem einzigen Requisit (dem Bett) war es schwer, der Handlung (die man natürlich kennt) zu folgen.


    Wie wurde gesungen? Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich überzeugend. Vor allem die beiden weiblichen Hauptpartien hätten besser sein können. Katerina Tretyakovas heller Sopran wirkte anfangs recht flach, später, in der Rosenarie gelangen ihr auch noch berührendere Töne. Die von neuen Direktion des Hauses engagierte Prima Donna (zwei Premieren, vier weitere Hauptpartien in dieser Saison), die erst 28jährige Julia Maria Dan (in Münchner zuletzt u.a. als Frasquita besetzt), schien mir mit der Gräfin überfordert. Ihre eher dunkel grundierte, tragfähige Stimme klingt durchaus schön, das seelische Befinden der Gräfin vermag sie aber (noch) nicht auszudrücken. Am schönszen sang die als Barbarina eingesetzte Maria Chabounia, sie verfügte über eine weiche, groß aufblühende und modulationsfähige Stimme. Nie habe ich die kleine Nadel-Arie so schön und intensiv gehört wie heute von dieser jungen Sängerin. Gesanglich überdurchschnittlich und dem Niveau des Hauses angemessen sangen Katja Pieweck die Marcellina und Tigran Martirossian den Don Bartolo. Schade, dass Mozart der Marcellina nicht mehr Noten auf die Stimmbänder geschrieben hat. Der Cherubino wurde, ebenfalls schönstimmig, von Dorottya Lang gesungen. Wilhelm Schwinghammer und Kartal Karagedik (Almaviva) zeigten sich spielfreudig mit insgesamt guter gesanglicher Leistung. Für das Vor- und das Nachspiel hatte die Regie sich eine nette Videoüberraschung ausgedacht. Die auf eine Leinwand projizierten Noten des Komponisten verselbständigten sich u.a. zu Strichmenschen, die, über das Blatt laufend, sich einzufangen versuchten. Abschließend bleibt die intensive Ensembleleistung hervorzuhen, für die der Regisseur zu loben ist. Mit gewissen gesanglichen Abstrichen war es ingesamt eine gelungen Aufführung.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Mozarts Figaro gehört nicht zu meinen Lieblingsopern, mir wird zuviel parliert, zu wenig gesungen. Die Arien sind auch nicht so tiefsinnig, so seelisch fundiert (abgesehen von den eineinhalb Arien der Gräfin) wie etwa bei Cosi fan tutte oder Don Giovanni.

    Dazu ließe sich jetzt EINIGES erwidern, aber da dein zweiter Satz - im Gegensatz zu Stimmbeurteilungen, die nach deiner Sigatur ja immer subjektiv sind - wie eine objektive, unerschütterlich feststehende Wahrheit formuliert ist, hat das wohl wenig Sinn...


    Gesanglich überdurchschnittlich und dem Niveau des Hauses angemessen sangen Katja Pieweck die Marcellina und Tigran Martirossian den Don Bartolo. Schade, dass Mozart der Marcellina nicht mehr Noten auf die Stimmbänder geschrieben hat.

    Dass du ein großer Pieweck-Fan bist, ist wohl mittlerweile jedem hier klar geworden. Allerdings hat Mozart der Marcellina im 4. Akt sogar eine Arie geschrieben, die ist aber in Hamburg gestrichen, wie ich aus anderer Quelle weiß. Diese Arie ist nun meines Erachtens tatsächlich "nicht so tiefsinnig, so seelisch fundiert", dass (mich) das wirklich schmerzen würde - also zumindest bei dieser Arie stimme ich dir in deiner Werkeinschätzung zu, sonst überhaupt nicht. Und es verwundert mich etwas, dass du die Streichung dieser Arie (und der anschließenden des Basilio) nicht erwähnt hast.


    Aber obwohl ich den "Figaro" im Gegensatz zu dir für eine der allerbesten Opern halte, die je geschrieben wurden, danke ich dir - bei allem Widerspruch in der Werkeinschätzung - für deine Rezension!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Figaro ist "auf der Bühne" m.E. die beste der drei DaPonte-Opern. Cosi ist tendenziell zu "künstlich" und Don Giovanni hat nahezu in jeder Fassung eine Art dramatisches "Loch" Anfang/Mitte des 2. Akts. Ich sehe (außer Cosi) keine Buffa-Oper (Don Giovanni zähle ich nicht zu diesen), die musikalisch (gerade auch was Vielfalt und "Tiefe" betrifft) in die Nähe dieser Qualität käme... :untertauch:

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich reihe mich in die Schar die Figaro-Freunde ein, ich halte sie für die beste Oper, die Mozart geschrieben hat. Den Vorwurf gewisser Längen würde ich eher Cosi fan tutte machen, zumal die Handlung dort ziemlich albern und vorhersehbar ist. Und Vielfalt und Tiefe sind gerade im Figaro in besonderem Maße vorhanden, da stimme ich Johannes vollauf zu.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich finde alle drei Mozartschen da-Ponte-Opern so genial, dass ich sie nur ganz schlecht gegeneinander aufwiegen oder gar ausspielen kann.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Zitat von Stimmenliebhaber: Ich finde alle drei Mozartschen da-Ponte-Opern so genial, dass ich sie nur ganz schlecht gegeneinander aufwiegen oder gar ausspielen kann.

    Da stimme ich voll zu. Allerdings sehe und höre ich persönlich am liebsten den Don Giovanni, was aber nicht bedeutet, dass ich die beiden anderen geringfügiger einschätze.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da stimme ich voll zu. Allerdings sehe und höre ich persönlich am liebsten den Don Giovanni, was aber nicht bedeutet, dass ich die beiden anderen geringfügiger einschätze.


    Liebe Grüße
    Gerhard


    Völlige Übereinstimmung, welch Wunder! :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Zitat von Siegfried: Völlige Übereinstimmung, welch Wunder!

    Lieber Siegfried,


    wenn ich in der Beurteilung des Werks voll mit Stimmenliebhaber oder jemand anderem übereinstimme, bedeutet das nicht, dass ich auch mit ihm über dessen Inszenierung übereinstimme. Gerade, weil ich das Werk schätze, bin ich mit einer Entstellung (egal welcher Art) nicht einverstanden.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die Hochzeit des Figaros scheint ja zur Zeit häufig inszeniert und aufgeführt zu werden. Ich muss gestehen, daß ich mit Cosi Fan tutte am wenigsten anfangen kann.

  • Ich muss gestehen, daß ich mit Cosi Fan tutte am wenigsten anfangen kann.


    So geht es mir auch, wobei "am wenigsten" bei mir immer noch viel ist. Im Vergleich mit "Figaro" und "Don Giovanni" fällt "Cosi" aber doch etwas ab.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • So sind die Geschmacksnerven - was die Musik betrifft - doch bei jedem Musikfreund anders: Für mich ist die COSÌ ein musikalisches Wunderwerk, das mich jede - nach heutigen Maßstäben - Unwahrscheinlichkeit des Plots total vergessen lässt. Ein herrliches Werk, mit einer genialen Musik...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lieber Stimmenliebhaber
    Nichts liegt mir ferner, als eine unerschütterliche Wahrheit zu vertreten oder die Qualität des Mozartschen Figaro auch nur im mindesten anzuzweifeln. Wenn wir aber nur bei Mozart bleiben, also auf dem allerhöchsten Niveau der Opernliteratur, ist meine Affinität unter seinen Opern zu Cosi fan tutte im Laufe der Jahrzehnte immer höher geworden, nicht dagegen zum Figaro. Cosi fan tutte war die erste Oper, die ich als Jugendlicher gesehen habe. Ich fand sie abschreckend, nur 5 Mitwirkende, kaum Chor und dazu eine hahnebüchene Geschichte. Mit zunehmender Lebenserfahrung trat für mich aber die (fehlende) Realität immer mehr in den Hintergrund, es wurde klar, dass es um etwas Anderes, Tieferes geht. Auch Verdi und Wagner sind in dem Sinne unrealistisch, Gilda singt noch lange nach ihrem Tod, Siegfried dürfte nach Hagens Stoß auch keine Kraft mehr zum Singen haben. Insoweit finde ich es egal, ob die Verwandlung der Cosi-Männer glaubhaft ist oder nicht, es geht um die Wechselhaftigkeit der Liebe, um ein ganz grundsätzlich menschliches Thema. Das ist das das Schöne bei Mozart, seine Themen sind nicht zeitgebunden, sondern befassen sich, wenn man so will, mit dem "Menschsein" an sich. Deshalb finde ich es auch richtig, dass sich Herheim für seine Figaro-Inszenierung nicht auf das (in der professionellen Kritik zum Teil geforderte, meiner Meinung nach immer zeitlich gebundene) politische Parkett begeben hat, sondern sich auf das allgegenwärtige Thema Herz, Schmerz und, wenn man so will, Libido etc. beschränkt. Das ist schon mehr als genug und von Herheim mit seinen auf der Bühne allgegegenwärtigen Notenblättern und Notenvideos schön in Szene gesetzt worden. Er folgt mit seiner Inszenierung faktisch dem Prinzip "prima la Musica" und unterlässt alles pseudointellektuelle Geschwafel. Ich glaube, Mozart hätte seine Freude daran gehabt.
    Was die Empfindung von Stimmen betrifft, habe ich mich schon manchmal gefragt, ob wir, d.h. die Zuhörer, denselben Stimmklang nicht nur emotional, sondern auch physikalisch, also objektiv, unterschiedlich wahrnehmen. Leute wie Jürgen Kesting haben sich mit diesem Thema ja lange beschäftigt Man wird bei ihm schlauer, aber nicht wirklich schlau. Vielleicht ist das auch richtig so, worüber sollte man sich sonst noch streiten, wenn es bezüglich der Stimmpemfindung einen objektiven physikalischen Messapparat gäbe? Ich war etwas erstaunt, mich als Pieweck-Fan bezeichnet zu sehen. Sollte ich mich mäßigen?. Deshalb noch einen Satz aus der FAZ-Kritik vom 18.11.15: "Die vorwiegend jungen Sänger gehören sämtlich zum Ensemble der Hamburgischen Staatsoper. Sie werden von den gewaltig vielen Herheim-Noten erdrückt. Sind aber auch fast alle, ausgenommen nur Katja Pieweck (als Marcellina) und Tigran Martirossian (als Bartolo), den sängerischen Anforderungen ihrer Partien nicht gewachsen". Dazugelernt habe ich aber auch, so gut kenne ich den Figaro nicht, um mich an eine (gestrichene) Arie Marzellinas im 4. Akt zu erinnern.
    Mit den allergherzlichsten Grüßem und auch Dank an alle für die interessante Diskussion.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Wenn ich mich recht erinnere, die von Don Alfonso (nicht ernst gement)


    Da kommt mir die - ebenfalls nicht ganz ernst gemeinte - Idee, lieber Ralf, doch mal die eine oder andere Rolle einer Oper einfach zu eliminieren. Welche Rollen wären am ehesten verzichtbar? Womöglich fiele es manchen Besuchern gar nicht auf, wenn eine Partie Urlaub machte :untertauch:
    Taminos natürlich ausgenommen!!!


    Wie gesagt: Nicht ernst gemeint 8-)

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Bei Mozart natürlich niemand, auch nicht bei Wagner oder Verdi (bei dem die kleinen Nebenpartien auch nur unbedeutend mit Noten bedacht wurden). Ich würde die Strauss-Tenöre wählen, mit Ausnahme des Rosenkavalier-Sängers. Den habe ich einmal hier in Hamburg von Pavarotti gesungen gehört (er hatte damals, wenn ich mich richtig erinnere, für den Liebestrank probte), das war schon ganz schön :thumbup:

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Und auch der Kaiser in Fr-o-Sch - aber auch dieser Vorschlag mit den Strauss-Tenören war sicherlich nicht ganz ernst gemeint...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Mozarts Figaro gehört nicht zu meinen Lieblingsopern, mir wird zuviel parliert, zu wenig gesungen. Die Arien sind auch nicht so tiefsinnig, so seelisch fundiert (abgesehen von den eineinhalb Arien der Gräfin) wie etwa bei Cosi fan tutte oder Don Giovanni. Die Oper ist zudem mit gut drei Stunden Spieldauer recht lang.

    Hatte nicht Theodor Wiesengrund A. einmal gesagt, eine Lebenszeit reiche nicht aus, allein den zweiten Akt dieser Oper wirklich zu verstehen!? Auch könnte ich keine irgend geartetet Reihenfolge der drei da Ponte-Opern angeben. - Jedenfalls habe ich mir die dritte Vorstellung der Hamburger Neuinszenierung am 20.11.2015 angesehen und will zu spät, aber wenigstens kurz meine Eindrücke schildern:


    Ich kann mich nur noch dunkel an die vorherige Johannes Schaaf-Inszenierung erinnern, die m.W. zwar noch in der letzten Saison lief, welche ich selbst aber nur einmal vor ca. 20 Jahren gesehen habe. Da ich auch Jürgen Flimms aktuelle Produktion aus Berlin zwar "auf Halde", aber noch nicht gesehen habe, komme ich kaum in die Bredouille, einen Vergleich anstellen zu müssen. Wie man nachlesen kann, ist das Presseurteil zu Stefan Herheims Le nozze di Figaro-Neuinterpretation durchaus geteilt. Der wesentliche Vorwurf lautet, dass Herheim sich "nur" auf die musikalische, und nicht auf die politische bzw. sozialkritische Ebene des Stückes eingelassen hat. Dagegen könnte man einwenden, dass sich auch Mozart und sein Librettist da Ponte insbesondere im Vergleich zu Beaumarchais Theaterkomödie fast ebensowenig auf diese Ebenen begeben haben. - Für meinen Teil kann ich lediglich sagen, dass mir hier nichts gefehlt hat und ich mit der Inszenierung zufrieden bin. Wie immer bei Herheim gibt es eine Unmenge an Details (auch in der Personenführung) zu entdecken und die für mich stimmigste Deutung lieferte ein Freund, der in der Pause meinte, wir sähen die Figaro gewissermaßen in Mozarts Kopf. Sehr schön z.B. die kleine Idee, wenn nach der Pause zu Beginn des dritten Aktes der Graf eines der vielen Notenblätter aufnimmt und dazu die Melodie im umgekehrten Krebs ertönt - der Graf hält das Blat verkehrt herum. Ebenfalls sinnfällig, dass im zweiten Teil (3ter und 4ter Akt) praktisch alle Figuren ständig auf der Bühne sind und diese anscheinend auch nicht verlassen können. Sie sind Gefangenen ihrer Ränke und dürfen dem Kopf des Komponisten nicht entfliehen; er muss sozusagen die einzelnen Fäden im Blick behalten.


    Was an diesem Abend leider nicht gut zum durchaus temporeichen Bühnengeschehen passte, war die musikalische Interpretation des Dirigenten (und ausgewiesenen Barockspezialisten) Ottavio Dantone. Das klang mir über weite Strecken zu uninspiriert, nicht quick und ohne Akzente. Das Orchester, welches aus meiner Erfahrung ohnehin nie ein wirklich gutes Mozart-Orchester gewesen ist (allerdings im Barocken z.B. mit Telemann, Händel oder etwas später Gluck durchaus zu reüssieren vermag), produzierte so einen eher langweiligen Klang. Zu leiden hatte entsprechend auch das sangliche Geschehen, bei welchem ich häufiger den Eindruck hatte, die Sänger wollten da mehr und teilweise auch geschwinder, als Dantone. - Wie gesagt schade, da m.E. durch mehr Engagement im Graben auch die eben auf das musikalische ausgelegte Inszenierung nochmals gewonnen hätte.
    So waren auch die sängerischen Leistung zwar gut, aber nicht unbedingt hervorragend zu bezeichnen. Voll überzeugt hat die junge Christina Gansch als Barbarina. Gut die Gräfin gesungen von Iulia Maria Dan und Katerina Tretyakova als Susanna. Gewohnt solide Schwinghammers Figaro, sowie Jürgen Sacher und Peter Galliard in den "komischen Rollen" (Don Basilio u. Don Curzio). Ärgerlich für Katja Pieweck als Marcellina (und die Zuschauer), dass ihr die Arie zu Beginn des 4ten Aktes "Il capro e la capretta" gestrichen wurde.


    Insgesamt also ein durchwachsener Abend mit guter Inszenierung, adäquaten Sänger, aber leider wenig Unterstützung aus dem Graben. - Wie schon oben angedeutet, scheint Hamburg eben keine Mozart-Stadt zu sein (jedenfalls, was die Oper angeht), aber trotzdem wid man sich doch irgendwann mal überlegen, ob die Qualitäten, die z.B. bei Wagner und Verdi, aber auch im modernen (z.B. mit dem Lear) erreicht werden können, alleine ausreichend sind. Und immerhin hätte man ja mit Thomas Hengelbrock, aber auch Jeffrey Tate Dirigenten in der Stadt, die ihren Mozart sicherlich auch kennen ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Der wesentliche Vorwurf lautet, dass Herheim sich "nur" auf die musikalische, und nicht auf die politische bzw. sozialkritische Ebene des Stückes eingelassen hat. Dagegen könnte man einwenden, dass sich auch Mozart und sein Librettist da Ponte insbesondere im Vergleich zu Beaumarchais Theaterkomödie fast ebensowenig auf diese Ebenen begeben haben.


    Zumindest nicht in Worten, aber durchaus in der Musik!


    Schon in der Ouvertüre gibt es einige Motive, die etwa zeigen, wie Untergebene aufbegehren, zum Sturm blasen. Bei Interesse kann ich darauf näher eingehen, inkl. Notenbeispiele.




    LG,
    Hosenrolle1