"Finlandia" ist eine sinfonische Dichtung von Jean Sibelius. Sie gehört zu seinen bekanntesten Schöpfungen und trägt die Opuszahl 26. Mitunter wird sie gar als sein berühmtestes Stück bezeichnet. Ob es auch eines seiner besten ist, darüber darf gestritten werden. Die Geschichte des Werkes ist eng verknüpft mit den Bestrebungen der Finnen, innerhalb des russischen Reiches, zu dem sie seit 1809 gehörten, mehr nationale Eigenständigkeit zu erlangen. Sibelius war Teil dieser Bewegung. 1899 gelangte in Helsingfors – das ist die schwedische Form von Helsinki - ein neues Werk zur Aufführung, das aus einer Ouvertüre und sechs Orchesterstücken bestand, zu denen Szenen aus dem finnischen Leben dargestellt wurden. Die Form war etwas störrisch und kantig, doch ungewöhnlich und neu. Aus dem sechsten Tableau ging in überarbeiteter Form "Finlandia" hervor. Die übrigen Teile haben gekürzt als „Scènes Historiques" Eingang ins Gesamtwerk gefunden. Hier eine Aufnahme:
Sibelius soll sich zunächst dagegen gewehrt haben, „Finlandia" einen Text beizugeben. Er ließ sich aber umstimmen. Anlass dafür war 1939 der Überfall der Sowjetunion auf Finnland. Dieser Krieg endete mit der Einverleibung finnischen Territoriums in die Sowjetunion, darunter Teile Kareliens. In einer besonderen Fassung ist also dem hymnischen Teil der Musik ein Gedicht des Finnen Veikko Antero Koskenniemi untergelegt. Eine Übersetzung ins Deutsche lautet:
O Finnland, sieh, nun endlich will es tagen,
die Nacht vergeht, ist sie auch schwarz und lang.
Hör, wie die Lerche, die noch schluchzt in Klagen,
bald alle Himmel füllt mit dem Gesang.
Und alle werden frei zu atmen wagen.
Dein Morgen naht, geliebtes Vaterland!
Finnland, erhebe dich aus dunkler Stunde,
den neuen Tag begrüß' offen und frei.
Die alte Kraft, von der wir haben Kunde,
zerbreche auch die jüngste Sklaverei.
Kein Herr schlug je dir tödlich eine Wunde.
Dein Tag bricht an, geliebtes Vaterland.
Der Dirigent Leopold Stokowski soll dafür geworben haben, diesen Gesang zur Nationalhymne aller Länder zu küren. Ein Gedanke, der mir so faszinierend wie naiv erscheint. Die Idee wäre spätestens am Einspruch der Russen gescheitert. Schließlich brauchte ja nur „Finnland", das in dem Vers zweimal vorkommt, durch das jeweilige andere Land ersetzt zu werden. Lediglich Biafra, das sich in den 1960er Jahren kurzzeitig von Nigeria abspaltete und keine Anerkennung fand, folgte dem Vorschlag.
Wie kaum ein anderes Werk ist „Finlandia" in verschiedenster Form verarbeitet, zitiert und verhackstückt worden. Die Liste der Einspielungen ist lang. Kaum ein Dirigent hat sie ausgelassen.
Als wichtigste Quelle meines Beitrag nenne ich die Sibelius-Biographie von Volker Tarnow, die 2015 zum 150. Geburtstag des Komponisten bei Henschel/Bärenreiter herausgekommen ist:
Im Laufe der Zeit ist "Finlandia" in einigen Threads behandelt worden, so auch in "Sibelius - Die Tondichtungen und Orchestersuiten" von teleton. Meist ging es um die Aufnahmen, ihre Einordnung und Bewertung. Ein Thema über das Werk selbst habe ich nicht gefunden. Seine Besonderheit schien mir ein eigenen Thema wert.
Gruß Rheingold