Ein Meisterwerk ist sie vielleicht nicht, aber ich mag sie sehr.

  • "Ein Meisterwerk ist sie vielleicht nicht, aber ich mag sie sehr." Das schrieb Bertarido im Thread über die Sinfonie Nr 1 von Franz Schubert. - Sofort habe ich das Potential für einen Thread in diesem Satz erkannt - und voila - hier ist er.


    Man kann die nun sich entwickelnde Frage mit einem Satz abtun - oder aber dieser Frage - die eigentlich aus mehreren Fragen besteht - auf den Grund gegen - ohne daß eine zufriedenstellende Antwort je erreicht werden kann. Aber auch hier gilt - wiein vielen Bereichen; "Der Weg ist das Ziel"


    Die eigentliche Frage ist: "Was ist eigentlich ein Meisterwerk" - oder anders gefragt "Was sind die typischen Attribute eines Meisterwerks?"
    Schon das ist ziemlich tückisch formuliert.
    Die nächste Frage die daraus folgt ist natürlich: "Wer bestimmt, was ein Meisterwerk ist - und was nicht ?" - und mit welchem Recht tut er das ......????
    Und weiter gehts: Ist der Begriff "Meisterwerk" von "ewiger Gültigkeit" - soll heissen behält ein "Meisterwerk" den ihm verliehenen Titel für immer oder ist er mit Ablaufdatum versehen ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da ich noch nicht schlafen kann, will ich mal eine erste Antwort wagen. Bertarido hat in seiner Meinung über diese Sinfonie klugerweise das einschränkende "vielleicht" eingefügt.


    Und das Beispiel, die Erste Schubert, führt in der Beurteilung der Frage: "Was ist eigentlich ein Meisterwerk?" m. E. sogleich zu der Feststellung, dass dies eine Frage der Perspektive sei.


    Wenn ich die Erste mit der Neunten vergleiche, neige ich dazu zu sagen, dass die Neunte mehr ein Meisterwerk sei.


    Wenn ich jedoch die Erste Schuberts mit der Ersten seines Zeitgenossen Franz Lachner vergleiche, der diese Symphonie im Alter von 25 Jahren schrieb, während Schubert seine Erste mit 16 Jahren schrieb, und wenn ich weiter betrachte, welche Einflüsse schon in die Thematik und den Satzaufbau einwirken, dass nämlich Schubert in der Reprise nicht nur die Exposition wiederholte, sondern auch die langsame Einleitung (Adagio), was vorher in ähnlicher Weise in Mozarts Posthornserenade KV 320, in Haydn Symphonie Nr. 103 "Mit dem Paukenwirbel" oder in Beethovens Klaviersonate Nr. 8 c-moll op. 13 vorkam, dann scheint mir, dass ein solches Genie wie Schubert eigentlich fast ausschließlich Meisterwerke komponiert hat, und das rund tausendfach in nahezu allen Werkgattungen der klassischen Musik während einer Zeitspanne von gut zwanzig Jahren,. Äußerst rätselhaft finde ich es, dass er nicht ein einziges Klavierkonzert komponiert hat, was aber seinen Rang nicht um das Geringste schmälern dürfte.


    Ähnliches kann man sicherlich von Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Schumann und manchem anderen sagen, aber nicht von jedem.
    Es ist m. E. immer auch eine Frage der Synthese von Tempo, Rhythmik und Dynamik, die neben den Themen eines Werkes dessen Meisterschaft mit bestimmen.
    So viel für heute!


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Es freut mich, dass meine unvorsichtige Bemerkung Anlass zu einem neuen Thema gegeben hat. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass ich mir damit keineswegs anmaßen wollte, über den Meisterwerk-Status einer Symphonie ein abschließendes Urteil fällen zu können. Hintergrund meiner Bemerkung waren zwei andere Beiträge. So schrieb Melante vorher in dem Thread, welcher der 1. Symphonie von Schubert gewidmet ist: "Eigentlich ist diese Sinfonie rotzfrech, weiß alles besser, ist altklug und herrlich naiv. Mehr nicht - aber weniger auch nicht. Was also ist sie: ein Abhörmanöver bei Mozart, ein Abklatsch Haydns, eine Idee Beethovens. Viel mehr hat Schubert eigentlich nie komponiert." Und weiter: "Schubert starb kurz nachdem er begriff, Unterricht nehmen zu müssen. Bis dahin allerdings hatte er schon mehr als 500 Lieder geschrieben; acht Sinfonien und sogar eine wirklich geniale dabei." Ich nehme an, damit ist die große C-Dur-Symphonie gemeint, woraus man folgern kann, dass die 1. nicht "genial" ist. Und Stimmenliebhaber schrieb in dem Thread über die Gesamtaufnahmen der Schubert-Symphonien: "als sein sinfonisches Meisterwerk wird heute doch allgemein seine vollendete große C-Dur-Sinfonie wahrgenommen." (Ich würde übrigens die "Unvollendete" als ebenso meisterhaft bezeichnen.)


    Kann ein genialer Komponist wie Schubert auch Werke komponieren, die nicht allerersten Ranges sind? Ich denke schon. Schauen wir auf Mozart, dessen frühe Symphonien wunderschön sind und bei denen das Genie dieses Komponisten immer wieder durchblitzt, aber sind es Meisterwerke? Doch wohl nicht. Ist Beethovens "Fidelio" als Oper ein Meisterwerk? Da hätte ich doch meine Zweifel.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • (Ich würde übrigens die "Unvollendete" als ebenso meisterhaft bezeichnen.)

    Ich würde die ersten beiden vorhandenen Sätze als Meisterwerke bezeichnen, würde aber eine unvollendete Sinfonie ebenso als Meisterwerk bezeichnen wollen wie ein unvollendet errichtetes Haus oder eine nicht vollendete Wasserhahnreparatur als "Meisterleistung".



    Ist Beethovens "Fidelio" als Oper ein Meisterwerk?

    Natürlich ist sie das! Die Geringschätzung einiger dieser Oper gegenüber macht mich immer wieder fassungslos angesichts der Tatsache, welchen Siegeszug sie seit ca. 200 Jahren über die Opernbühnen dieser Welt angetreteten hat, angsichts der Tatsache, dass sie vor einigen Jahren vom Publikum(!) im Telefonvoting (3Sat, arte und andere Sender waren damals dabei) zu einer der drei(!) beliebtesten Opern aller Zeiten gewählt wurde, angesichts der Tatsache, die diese Oper noch immer das Publikum zu elektriseren vermag und am Ende von den Sitzen reißt (wenn man sie nicht szenisch hinrichtet). Ich bin es auch Leid, immer wieder die zweifellos vorhandenen gewaltigen Vorzüge dieses Werkes herauszuheben, die das Werk in seiner Zeit weit über alle anderen Bühnenwerke jener Jahre (als ca. 1800 bis ca. 1820) stellt. Wenn du also ehrlich an deinen Vorurteilen arbeiten willst, empfehle ich den rororo-Band zu FIDELIO in der Reihe von Csampai und Holland zur Lektüre - da ist sehr schön analysiert und herausgearbeitet, wie nahezu JEDE Nummer dieser Oper ein kostbares Juwel ist, musikalisch und zur Verdeutlichung der Handlung. Es gibt ja gute Gründe, warum heute von allen (mindestens) vier Veroperungen des Leonore-Stoffs nur noch diese gespielt wird.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Also bei Fidelio habe ich da überhaupt keine Zweifel. (Und anders als frühe Schubert-Sinfonien u.ä. hat dieses Stück auch eine ununterbrochene Aufführungstradition seit knapp 200 Jahren, der Status war in der Praxis kaum im Zweifel.)
    EDIT: Sehe gerade, dass Stimmenliebhaber das schon weit deutlicher zum Ausdruck gebracht hat. Völlig d'accord. Ich bin es auch leid...


    Dagegen ist wohl kaum zu bestreiten, dass frühe Werke sehr bekannter Komponisten sehr häufig einen Bonus in der Rezeption genießen. Ich behaupte mal, dass es vermutlich hunderte von Sinfonien zwischen 1760 und 1780 gibt, die so gut wie oder besser als ersten 20 Mozart-Sinfonien sind, aber selbst von bekannteren Komponisten wie Michael Haydn oder Joh. Chr. Bach kennt man sie nicht oder sie liegen vielleicht in einer einzigen Aufnahme vor, dagegen hat man 5 oder mehr Alternativen für die frühen Mozart-Sinfonien.


    Bei Schuberts Frühwerken (wobei die Streichquartette hier experimenteller und deutlicher "auf der Suche" sind als die Sinfonien) findet sich ja in wikipedia die Andeutung, dass Brahms, der immerhin an der Notenausgabe mitgewirkt hat, sie für nur historisch-biographisch relevant hielt.
    Brahms' Zeit war zwar schon sehr historisch interessiert (was die umfangreichen Notenausgaben, zB auch von Händel zeigen), aber aufgeführt wurde eben größtenteils einigermaßen aktuelle Musik. Gegenüber Beethovens Sinfonien oder Schuberts "Großer" haben die frühen Schubert-Sinfonien einem Hörer um 1880 nicht viel zu bieten. Wenn man Musik nicht einfach auf Konserve bannen und beliebig oft abspielen kann, muss man sich naheliegenderweise etwas sorgfältiger überlegen, was man der Einstudierung und Aufführung für wert hält. Und wie gesagt, von wenigen anerkannten Großwerken der Vergangenheit abgesehen, war das Ende des 19. Jhds. hauptsächlich aktuelle Musik.
    (Brahms selbst hatte bekanntlich ein weit überdurchschnittliches Interesse an alter Musik, aber so etwas wie früher Schubert war für ihn durch späten Schubert und Beethoven schlicht obsolet. Von Bach und Schütz konnte er noch etwas anderes lernen, aber was gäbe es an "technischen" Aspekten beim frühen Schubert, was man nicht ähnlich, eher besser bei Schuberts Vorbildern fände? Selbst die späten Instrumentalwerke Schuberts taugen m.E. nur sehr bedingt als Anknüpfungspunkt für spätere Komponisten - man könnte vielleicht sagen, sie sind zu einzigartig.)


    Das ist heute offensichtlich anders.
    Schubert ist insofern nochmal ein Sonderfall, dass bis weit ins 20. Jhd. selbst von seiner reifen Instrumentalmusik nur einzelne Werke bekannt waren (Rachmaninoff wusste angeblich nicht, dass es überhaupt Klaviersonaten von Schubert gab - selbst wenn das eine Ente sein sollte, so habe ich selbst noch Konzertführern gelesen, man solle den "Mut" haben, Schuberts Klaviersonaten zu kürzen, um ihre Schönheiten "zu retten"). Die reife Instrumentalmusik (also sagen wir ab ca. 1822, also etwa h-moll-Sinfonie-Fragment, Sonate D 784 und alle späteren Stücke) wird natürlich heute durchweg als meisterhaft bewertet und die frühen Werke erfahren dann den o.g. Mozart-Effekt. Die frühen Streichquartette scheinen mir immer noch ein Grenzfall (und von einem oder zwei, Es-Dur und g-moll, abgesehen) doch weitestgehend auf "enzyklopädische" Gesamtaufnahmen beschränkt, aber die Sinfonien sind anscheinend für Publikum und Dirigenten/Orchester attraktiv genug, um mehr Einspielungen hervorzubringen als von den Meistersinfonien Haydns (oder erst recht weniger bekannter Komponisten).

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

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  • dann scheint mir, dass ein solches Genie wie Schubert eigentlich fast ausschließlich Meisterwerke komponiert hat, und das rund tausendfach in nahezu allen Werkgattungen der klassischen Musik während einer Zeitspanne von gut zwanzig Jahren,


    Ich finde, wenn man den Begriff "Meisterwerk" so weit fasst, dass fast alles was Schubert komponiert hat darunter fällt, dann ist der Begriff wertlos. Ich kann die Werke von Schubert, die IMO als "Meisterwerke" zu gelten haben, an drei Händen abzählen. Wobei ich dabei die Lieder ausklammern möchte, weil ich mich da nicht auskenne.

  • Einerseits würde ich "Meisterwerk" schon etwas weiter fassen, denn wenn von Schubert nur ca. 15 (instrumentale) Werke darunter fallen, dann gibt es von vielen berühmten Komponisten überhaupt keine Meisterwerke, sondern bestenfalls Gesellenstücke. :D
    Andererseits sehe ich aber auch eine Aufweichung, wenn man kaum einen relevanten Unterschied mehr zwischen dem ersten Streichquartett des 14jährigen? und dem G-Dur-Quartett D 887 machen kann, weil es gleichermaßen "Meisterwerke" sind.
    Z.B. das Forellenquintett ist ein meisterhaftes Werk, m.E. ohne offensichtliche Mängel oder "Anfängerfehler", aber gleichwohl für mich deutlich von einem überragenden Stück wie dem Streichquintett entfernt.

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  • Hallo,


    es schiene mir sinnvoll zu unterscheiden - z. B.


    ein Meisterwerk eines Komponisten in der Gruppe Sinfonie, Klavierkonzert oder...in seiner Zeit


    ein Meisterwerk in der Gruppe Sinfonie, Klavierkonzert oder... in der Zeit der Klassik, Romantik oder...


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Gehen wir doch erstmal zur Definition von "Meisterwerk". Laut Duden ist es im heutigen Sprachgebrauch ein "meisterhaftes, hervorragendes Werk der Kunst". Ursprünglich meinte es aber eher ein "Meisterstück", also eine "praktische Arbeit, die bei der Meisterprüfung vorgelegt wird". Nun gibt es bei Komponisten indes keine Meisterprüfung. Im weiteren Sinne könnte man auch argumentieren, ein Meisterwerk sei schlichtweg das Werk eines anerkannten Meisters, ob mit Meistertitel oder ohne. Folglich wären demnach sämtliche Werke von Mozart oder Schubert Meisterwerke, denn dass die beiden Meister ihres Faches waren, wird wohl heute kaum bestritten.


    Ich glaube indes, dass bei der Erstellung des Threads die erste Definition gemeint war. Also ein hervorragendes Kunstwerk. Behauptet man heute, die "Jupiter"-Symphonie KV 551 von Mozart sei ein Meisterwerk, dürfte es keinen Widerspruch geben. Behauptet man, beispielsweise die 34. Symphonie KV 338 sei ebenfalls ein Meisterwerk, könnte es zumindest dezenten Einspruch geben. Bei der 1. Symphonie KV 16 wird es vermutlich sogar ganz massive Einwände gegen den Status als Meisterwerk geben.


    Nun wird man einwenden können, dass der Vergleich hinke, da Mozart bei Komposition von KV 16 gerade einmal acht Jahre alt war. Freilich kann solch ein Werk nicht die Komplexität der späteren Werke haben. Bei KV 338 (die ich persönlich sogar für eine der besten Mozart-Symphonien halte) wird man anführen können, dass dies eine der wenigen Symphonien war, die Mozart auch noch in Wien aufführte, sie folglich geschätzt haben muss. Bei der Komposition derselben war er allerdings auch bereits 24 Jahre alt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • denn wenn von Schubert nur ca. 15 (instrumentale) Werke darunter fallen


    aber wieso denn "nur". 15 Meisterwerke im strengeren Sinn gibt es weder von Anton Bruckner noch von Gustav Mahler und auch nicht von Stravinsky, Debussy, Ravel und Prokofieff.

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  • Lutgra schrieb:

    Zitat

    15 Meisterwerke im strengeren Sinn gibt es weder von Anton Bruckner noch von Gustav Mahler und auch nicht von Stravinsky, Debussy, Ravel und Prokofieff.


    Genau hier föng bei mir das eigentliche Problem an. Es widerspricht meinem innersten ich, beispielsweise eine Komposition von Debussy oder von Hindemith, Henze, Stockhausen etc als "Meisterwerk" vor irgendein Werk Schuberts zu stellen.


    Generell bin ich der Überzeugung, daß der Begriff "Meisterwerk" wie wir ihn heute verwenden eine Unart des 19. Jahrhunderts war, die sich inzwischen mehr oder weniger überlebt hat. Dazu mehr in meinen späteren Beiträgen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es widerspricht meinem innersten ich, beispielsweise eine Komposition von Debussy oder von Hindemith, Henze, Stockhausen etc als "Meisterwerk" vor irgendein Werk Schuberts zu stellen.


    Also, wenn der Begriff "Meisterwerk" überhaupt Sinn machen soll, dann sind damit natürlich nicht die privaten Vorlieben eines Einzelnen gemeint, sondern das was praktisch kanonisch eine größere Anzahl von Musikkennern, Musikwissenschaftler und Interpreten dafür halten. Gute Hinweise auf das Vorliegen eines anerkannten Meisterwerks sind hohe Aufführungszahlen in dem jeweiligen Genre, Erwähnung auch in relativ knapp gefassten Musiklexika und natürlich auch zahlreiche CD-Einspielungen.


    Insofern kann es keinen Zweifel geben, dass "La Mer" von Debussy oder sein Streichquartett "Meisterwerke" der Musik sind. Weder bei Stockhausen noch bei Henze sehe ich derzeit Werke, die diesen Nimbus tragen (ich lasse mich gerne eines Besseren belehren) und Hindemith wäre so ein Grenzfall, "Mathis der Maler" oder die "Weber-Variationen" vielleicht. Meisterwerke gegeneinander antreten zu lassen (z.B. Fidelio sei eine bessere Oper als Wozzeck) , macht in meinen Augen wenig Sinn

  • Schuberts "Meisterwerke" (außer ein paar hundert Liedern, auch Chorstücke lasse ich unberücksichtigt): Quartette a-moll, d-moll, G-Dur, Streichquintett, Oktett, 2 Klaviertrios, C-Dur-Sinfonie, f-moll-Fantasie, Violinfantasie, Wandererfantasie, Klaviersonaten D 845, 850, 894, 958-60. Das sind 17. Dabei habe ich Fragmente wie die h-moll-Sinfonie, Quartettsatz, Notturno f. Trio und ein paar Werke, die ich eigentlich auch noch mitnehmen würde, wie die Sonaten D 664 und 784, das "Grand Duo" schon weggelassen. Oder das Forellenquintett. M.E. kann ein Stück, wie etwa letzteres, ein Meisterwerk sein, ohne ein überragendes, musikhistorisches wichtiges Stück zu sein.


    Wer das Debussy-Quartett NICHT vor, sagen wir Schuberts D 87 stellt, kann das mit einem eigentümlichen Geschmack zwar so halten, aber dem würde vermutlich kein professioneller Streicher (sofern nicht aus unerfindlichen Gründen Debussy-Hasser) zustimmen.


    Aber man muss Debussy hier gar nicht ins Spiel bringen. Wer keinen Unterschied in "Meisterhaftigkeit" zwischen D 87 und D 887 macht, ist einfach kein besonders differenzierender Hörer. Es ist ja völlig o.k., nach "gefällt mir", "klingt schön" o.ä. zu urteilen, aber das werden natürlich nie vergleichbare, intersubjektive Urteile. Dann ist "ein Meisterwerk", was gefällt, und die Frage im Titel wird sinnlos, weil die dort vorgenommene Unterscheidung zusammenfällt.


    Zwei Aspekte schwingen aufgrund der Wortherkunft bei "Meisterwerk" mit: Originalität und handwerkliche Perfektion. Ein bloß solide und korrekt gearbeitetes Stück ist kein Meisterwerk, sondern eher ein Gesellenstück, das die Beherrschung des Handwerks beweist. Ein Meisterwerk muss in der Kunst über die bloße Beherrschung des Handwerks hinausgehen. Freilich wird es dann schon schwieriger als beim Handwerk, denn in der Kunst darf und muss sich ein Meister Freiheiten erlauben, die evtl. gegen die sturen Regeln verstoßen.


    Dennoch kann man anhand dieser beiden Aspekte sicher einer Reihe von Früh- oder Nebenwerken auch berühmter Komponisten den Status eines so verstandenen Meisterwerks absprechen.

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  • Schuberts "Meisterwerke" (außer ein paar hundert Liedern, auch Chorstücke lasse ich unberücksichtigt): Quartette a-moll, d-moll, G-Dur, Streichquintett, Oktett, 2 Klaviertrios, C-Dur-Sinfonie, f-moll-Fantasie, Violinfantasie, Wandererfantasie, Klaviersonaten D 845, 850, 894, 958-60. Das sind 17.


    Darf ich an Schuberts Liedzyklen "Die schöne Müllerin" und "Die Winterreise" sowie an Einzellieder wie "Der Wanderer" und "An die Musik" erinnern. Nur die jetzt von mir erwähnten macht noch zusätzlich 46 Meisterwerke!


    Die Klammer von Johannes habe ich jetzt erst gelesen, aber man kann die "paar hundert Lieder" natürlich nicht einfach so zur Seite schieben, wenn man Schuberts "Meisterwerke" zählen möchte, denn da sind zig Meisterwerke drunter).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lutgra schrieb:

    Zitat

    Also, wenn der Begriff "Meisterwerk" überhaupt Sinn machen soll, dann sind damit natürlich nicht die privaten Vorlieben eines Einzelnen gemeint, sondern das was praktisch kanonisch eine größere Anzahl von Musikkennern, Musikwissenschaftler und Interpreten dafür halten. Gute Hinweise auf das Vorliegen eines anerkannten Meisterwerks sind hohe Aufführungszahlen in dem jeweiligen Genre.

    Ich möchte prinzipiell gar nicht widersprechen - bin allerdings aus Gründen der Fragwürdigkeit der Definition gegen den Begiff überhaupt.
    Die Aufführungszahlen als Hinweis auf ein 'Meisterwerk zu sehen ist zwar im ersten Augenblick einleuchtend - bei näherem Hinschaun indes dann doch an der Beliebtheit beim Publikum orientiert - etwas, das heute immer wieder in Frage gestellt wird und teilwise -siehe Schlager - als schlechte Qualität gebrandmarkt wird.



    Johannes Roehl schrieb:

    Zitat

    M.E. kann ein Stück, wie etwa letzteres (*gemeint war das Forellenqintett - Anm. von Alfred) , ein Meisterwerk sein, ohne ein überragendes, musikhistorisches wichtiges Stück zu sein.

    D' accord !!! Allerdings wird der Mehrheit des Publikums letzteres vermutlich ziemlich egal sein. Sogenannte "musikhistorisch wichtige Stücke" neigen nämlich tendenziell dazu Tabus zu brechen - und das goutiert das Publikum nur in den seltensten Fällen....


    mfg aus Wien
    Alfred

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  • Ja klar, aber Lutgras ominöse Handvoll bezog sich halt nur auf Instrumentalstücke. Mindestens eine der beiden großen Messen (obwohl ich die nicht mag) oder auch Stücke wie "Gesang der Geister über den Wassern" oder "Nachtgesang im Walde" kämen für mich auch noch in die engere Auswahl.


    Ich weiß nicht so recht, was die Diskussion überhaupt bringen soll. Wenn ich jemanden "theoretisch" davon überzeuge, dass die "Große C-Dur" nach allen möglichen Kriterien "besser" als die "kleine C-Dur" Nr. 6 ist, er aber ein großer Fan letzteren Werks ist, während ihm die "Große" einfach zu lang ist, dann kann er eingestehen, dass die Nr.6 kein so hochgradiges Meisterwerk ist, gefallen wird sie ihm aber immer noch besser. Und es wäre ja auch irgendwie absurd, jemanden ein Stück madig zu machen (naja, von ein paar Ausnahmen vielleicht abgesehen, sicher jedoch nicht bei der "kleinen" Nr.6 :angel: )
    Wenn jemand wie Alfred meint, dass alles von Schubert (Mozart, Beethoven...), egal ob Jugendwerk oder Gelegenheitsarbeit, auf "magische" Weise automatisch Meisterwerkstatus erhält, während es ihm im Innersten zuwider ist, überhaupt einem Stück von Debussy oder gar Henze solchen Status anzuerkennen, ist doch von vornherein klar, dass es gar nicht um eine offene oder objektive Diskussion geht.


    (Wobei es mich schon wundern würde, wenn es wirklich viele Hörer gäbe, denen völlig egal ist, ob sie nun eine der "Kurfürstensonaten" des 12jährigen Beethoven, eine der Sonatinen op.49 oder op.101 anhören, weil das eh alles gleichgute Meisterwerke Beethovens sind, alle oberhalb einer Schwelle, jenseits derer es nur Nuancen gibt, während Hummel oder Henze weit unterhalb anzusiedeln sind...)


    Entweder meint man schon von vornherein, dass der eigene Geschmack entscheidet, dann muss man gar nicht stutzen, ob das, was man sehr mag, ein anerkanntes Meisterwerk ist. (Man muss keine expliziten Kriterien anführen; was de facto so anerkannt ist, ist in den meisten Fällen klar, also z.B. Schubert 9 > Schubert 6. > irgendeine von Dittersdorf)
    Oder man will seinen Geschmack mehr oder minder an einem "Kanon von Meisterwerken" entwickeln. Aber auch dann ist dieser Fall (gemocht, aber kein Meisterwerk) nicht allzu problematisch, sondern eher der umgekehrte, wenn man z.B. beim besten Willen nicht einsieht, was denn an der "Großen C-Dur" oder an "La Mer" usw. so toll sein soll ;)

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  • Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchem Aplomb und welcher apodiktischer Grundhaltung hier der Fidelio verteidigt wird und alle möglichen und unmöglichen Argumente dazu herangezogen werden, u.a. dieses "Ich bin es leid..." Wohlgemerkt, niemand will euch euren Fidelio nehmen, aber wir anderen wollen uns euren Fidelio auch nicht vorschreiben lassen. Bei mir käme er nicht unter die ersten 100, und ich bin es nun leid, dafür getadelt zu werden. Begründungen gebe ich jetzt keine, die sind ja auch lange bekannt. Haben wir hier mal wieder die klassische Tamino-Mainstream-Intoleranz zu verbuchen?
    Sei´s drum.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Zitat

    Entweder meint man schon von vornherein, dass der eigene Geschmack entscheidet, dann muss man gar nicht stutzen, ob das, was man sehr mag, ein anerkanntes Meisterwerk ist.


    Das ist zwar etwas überspitzt formuliert - kommt aber meinem Standpunkt recht nahe. Es ist ziemlich egal für das Hörverhalten des Einzelnen ob seine Lieblingswerke zu den "Meisterwerken" zu zählen sind. Man denke an Eduard Hanslick, schlechthin DEN Kritikerpapst des 19, Jahrhunderts. Entgegen heutiger Meinung hat er in der Regel keine Fehlurteile gefällt, sondern war schlechhin der Wahrer des guten Geschmacks seiner Zeit. Heute - wo die Beurteilungskriterien andere sind, werden seine Urteile posthum teilweise belächelt und verworfen.


    Hier ist zu sehen, daß auch die Definition von "Meisterwerken" vom Zeitgeschmack abhängig sind.
    Beispielsweise galt Vivaldi bis vor einigen Jahren als "Vielschreiber", als Verfasser von "gefälligen Konzerten", die man eigentlich gar nicht zu kennen brauchte, weil ohnehin eines wie das andere klinge.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich bin immer wieder erstaunt, mit welchem Aplomb und welcher apodiktischer Grundhaltung hier der Fidelio verteidigt wird und alle möglichen und unmöglichen Argumente dazu herangezogen werden, u.a. dieses "Ich bin es leid..." Wohlgemerkt, niemand will euch euren Fidelio nehmen, aber wir anderen wollen uns euren Fidelio auch nicht vorschreiben lassen. Bei mir käme er nicht unter die ersten 100, und ich bin es nun leid, dafür getadelt zu werden. Begründungen gebe ich jetzt keine, die sind ja auch lange bekannt. Haben wir hier mal wieder die klassische Tamino-Mainstream-Intoleranz zu verbuchen?
    Sei´s drum.


    Lieber Dr Pingel


    ob man nun den Fidelio goutiert oder nicht ist die eine Sache. Ich behaupte aber (und lasse mich gerne wieder vom Gegenteil überzeugen), dass es keinen einzigen Opernführer weltweit gibt, der 100 und mehr Werke bespricht und den Fidelio nicht dabei hat. Also ist er ein anerkanntes Meisterwerk. Mag sein, dass er es nicht wäre, wenn er von Ferdinand Ries wäre, aber das ist eine theoretische Diskussion.

  • Ich mache es kurz:
    *** Ich finde die Beurteilung als Meisterwerk sollte vom eigenen Geschmack getrennt werden.
    :!: Man kann und sollte sich durchaus bewust sein, ein grosses Meisterwerk vor sich zu haben, auch wenn man es selber weniger schätzt ...


    Beispiele von Meisterwerken, die meinen Geschmack nicht treffen:
    Messiaen - Turangalia Sinfonie
    - das ist sicher ein Meisterwerk, aber ich schätze es schon wegen des Ondes Martenot nicht ...
    Mahler - Sinfonie Nr.8
    - ich kann den Singsang keine ~80Min durchhalten ...
    Bach - Brandenburgische Konzerte
    - auch nach mehrmaligen Versuchen - ne, nix für mich - das hört sich für mich alles Gleich an ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Ich beschäftige mich seit ca. 40 Jahren ziemlich intensiv mit klassischer Musik und ich muß sagen, dass ich im Großen und Ganzen bei den meisten "allgemein anerkannten Meisterwerken" nachvollziehen kann, warum sie es geworden sind und andere Werke nicht. Da gibt es natürlich gewisse historische Ungerechtigkeiten, z.B. die Überbewertung der kleineren Werke großer Meister gegenüber den vielleicht vereinzelt großen Werken kleiner Meister und ich weise hier ja auch öfter (vielleicht auch zu oft) daraufhin, wenn ich das für den Fall halte. Aber ich kann in fast allen Fällen sehr gut nachvollziehen warum bestimmte Werke den Meisterwerkstatus angehängt bekommen haben und warum andere nicht. So viele unentdeckte "Meisterwerke" und fehlbewertete "Nicht-Meisterwerke" gibt es m.E. nicht.
    Und das ist durchaus unabhängig von der Tatsache, ob ich ein Werk persönlich schätze oder nicht.

  • Besonders gerne sehe ich so etwas hier:



    Eine völlig willkürlich zusammengestellte Box mit berühmten und völlig unbekannten Komponisten, bei fast allen bekannten mit uncharakteristischen Stücken und das ganze als Masterworks of the Century angepriesen. Einfach lächerlich.

  • Eine völlig willkürlich zusammengestellte Box mit berühmten und völlig unbekannten Komponisten


    Das finde ich auch überraschend "sowas" herauszubringen und dann noch als Meisterwerke zu titullieren.
    Ich würde sagen aus der Box brauche ich zwingend nichts - bis auf ein Meisterwerk, das sich dort eingeschlichen hat - Strawinksy-Agon-Ballett - und das habe ich schon mit Strawinsky himself.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • ob man nun den Fidelio goutiert oder nicht ist die eine Sache. Ich behaupte aber (und lasse mich gerne wieder vom Gegenteil überzeugen), dass es keinen einzigen Opernführer weltweit gibt, der 100 und mehr Werke bespricht und den Fidelio nicht dabei hat. Also ist er ein anerkanntes Meisterwerk. Mag sein, dass er es nicht wäre, wenn er von Ferdinand Ries wäre, aber das ist eine theoretische Diskussion.


    Ja, aber nicht theoretisch, sondern kontrafaktisch, weil nichts darauf hindeutet, dass Ries in der Lage gewesen wäre, den Fidelio zu komponieren.
    Wie schon gesagt wurde, gehört Fidelio seit knapp 200 Jahren durchgängig fest zum Repertoire, ist lt. operabase unter den 50 weltweit meistaufgeführten Opern (und in Deutschland ca. an Nr. 13). Es ist bizarr, vom eigenen Geschmack (oder Mangel an solchem) ausgehend zu insinuieren, Fidelio wäre besonders umstritten oder problematisch (wie zB Webers "Oberon" oder Schumanns "Genoveva"). Die beiden letzten Beispiele zeigen auch, dass es absurd ist zu meinen, diese Oper sei nur deshalb im Repertoire, weil Beethoven aufgrund andererer Werke ein so berühmter Komponist ist. Das hat weder "Genoveva" noch irgendeiner Oper von Haydn, Schubert usw. je geholfen.
    Zumal sich die "Kritik" meist in wenig differenzierten Aussagen wie "kein Theatermann", "konnte nicht für Stimmen komponieren", "Handlung unlogisch" usw. erschöpft.

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  • Ja, aber nicht theoretisch, sondern kontrafaktisch, weil nichts darauf hindeutet, dass Ries in der Lage gewesen wäre, den Fidelio zu komponieren.
    Wie schon gesagt wurde, gehört Fidelio seit knapp 200 Jahren durchgängig fest zum Repertoire, ist lt. operabase unter den 50 weltweit meistaufgeführten Opern (und in Deutschland ca. an Nr. 13). Es ist bizarr, vom eigenen Geschmack (oder Mangel an solchem) ausgehend zu insinuieren, Fidelio wäre besonders umstritten oder problematisch (wie zB Webers "Oberon" oder Schumanns "Genoveva"). Die beiden letzten Beispiele zeigen auch, dass es absurd ist zu meinen, diese Oper sei nur deshalb im Repertoire, weil Beethoven aufgrund andererer Werke ein so berühmter Komponist ist. Das hat weder "Genoveva" noch irgendeiner Oper von Haydn, Schubert usw. je geholfen.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Natürlich hätte Ries den "Fidelio" so nicht komponieren können. Es gibt kaum eine andere Oper, in der die Musik so pulsiert, in der jeder Takt Energie pur ist. Die Oper atmet den typischen Beethovenschen Geist, der den damaligen Zeitgeist in Töne formte und der seine Sinfonien ebenso berühmt machte wie seinen "Fidelio".

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Lutgra schrieb:

    Zitat

    Eine völlig willkürlich zusammengestellte Box mit berühmten und völlig unbekannten Komponisten, bei fast allen bekannten mit uncharakteristischen Stücken und das ganze als Masterworks of the Century angepriesen. Einfach lächerlich.


    Teleton kommentierte:

    Zitat

    Das finde ich auch überraschend "sowas" herauszubringen und dann noch als Meisterwerke zu titullieren


    Das ganze hat durchaus System, die CD wurde mit unbedeutenden Werken angeblich bedeutender Komponisten - und ergänzend noch mit Werken unbedeutender Komponisten gefüllt.


    Was eint das Ganze? Es handelt sich durchwegs um ansonst unverkäufliches Material aus den eigenen Archiven, das man für 2 Zielgruppen aufbereitet hat:


    a) "Schau - Klaus-Peter, da ist was Zeitgenössisches drauf. Das würde uns gut in die Sammlung passen und unser Imige aufpolieren, Sind ein paar bekannte Namen drauf - das kann nur gut sein "


    b)"Schau was ich da in der Wühlkiste gefunden habe; 'Meisterwerke des 20, Jahrhunderts' - Das wäre doch ein ideales Weihnachtsgeschenk für unsern Onkel Max (wenn er's noch erlebt) . Der hört doch gern so ein modernes unanhörbares Zeugs - und ausserdem kosts net viel......."


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Natürlich hätte Ries den "Fidelio" so nicht komponieren können. Es gibt kaum eine andere Oper, in der die Musik so pulsiert, in der jeder Takt Energie pur ist. Die Oper atmet den typischen Beethovenschen Geist


    NUR Beethovens Musik kittet die schwächliche Handlung. Darüber gibt es übrigens einen eigenen Thread.


    Opern unter der Lupe -002- Ludwig van Beethoven: Fidelio


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Natürlich hätte Ries den "Fidelio" so nicht komponieren können. Es gibt kaum eine andere Oper, in der die Musik so pulsiert, in der jeder Takt Energie pur ist. Die Oper atmet den typischen Beethovenschen Geist


    Genau. Und gucken wir uns doch mal die Libretti der meisten Opern an, das ist doch sehr oft an den Haaren herbeigezogen. Der Fidelio ist natürlich ein Meisterwerk, nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen der Botschaft, die diese Oper vermittelt. Da geht es um Tyrannei und um den Freiheitswillen. So etwas ist zeitlos. Deswegen wird diese Oper heute eben auch oft in anderem zeitlichen Umfeld gezeigt, man kann davon halten , was man will, aber das ist ein anderes Thema, was ja hier schon genügend bearbeitet ist. Meisterwerk oder nicht, ein recht akademisches Thema. Sicher kommt es dabei einerseits auf die musikalische Meisterschaft an, andererseits auf die Breitenwirkung. Die "Kleine Nachtmusik" oder die "Vier Jahreszeiten", beide kann ich eigentlich nicht ausstehen, aber selbst Lieschen Müller wird beides kennen. Bei großen Komponisten, wie z.B. Beethoven wird man sowohl bei den Sinfonien, als auch den Konzerten und Sonaten unterscheiden müssen. Sein 2. Klavierkonzert oder die 1. und 2. Sinfonie sind vielleicht keine Meisterwerke, weil danach noch musikalisch Bedeutenderes geschaffen wurde. Dennoch sind sie aufführungswert. Ich weiß nicht, wohin uns diese Diskussion bringen soll. Da hat sicher jeder seine passenden Beispiele. Auch wenn mir etwas gefällt, ich muss es deshalb nicht als Meisterwerk bezeichnen.
    :hello:


    Zitatzuschreibung korrigiert

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Die Ausflaggung eines Stücks als "Meisterwerk" hat wohl vor allem Wirkung für Adepten, die sich in ein noch nicht so ganz bekanntes Genre einarbeiten wollen. Meisterwerke sind Stücke, die man zumindest einmal gehört haben sollte, wenn man einen ungefähren Überblick über das Fach haben will.


    Interessiert man sich frisch für Literatur, wird man sich wohl den "Faust", "Nathan, der Weise", "die Räuber" etc. reinziehen, interessiert man sich für klassische Malerei, wird ein Besuch in den großen Museen unumgänglich werden.


    Für uns als erprobte Kämpen in klassischer Musik sind solche Label nicht sehr zielführend. Ihr könnt mir Fidelio nicht verkaufen, und wenn Ihr es 10mal als Meisterwerk preist. Und ich kann Euch bestimmte Chorwerke nicht verkaufen, die wiederum ich selbst für Meisterwerke halte.


    Sprich: solange man noch keinen gefestigten Geschmack (oder die Abwesenheit desselben - gg) hat, ist das Label "Meisterwerk" eine Herausstellung der von vielen über lange Zeit als bedeutend angesehenen Werke. Ist man erst einmal Aficionado, interessiert einen die Meinung der vielen nicht mehr, dann sieht man den "Namen der Rose" weit vor "Faust", dann ist Feininger vor Canaletto und eine Messe von Byrd vor Fidelio.


    Gegenüber Adepten würde ich natürlich jederzeit zugeben, daß der Fidelio aus Mainstream-Sicht ein anerkanntes Meisterwerk ist.

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