Referenzen und Alternativen seit 1990 - Brahms: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll op. 15

  • Liebe Forianer,


    auch das 1. Klavierkonzert von Brahms gibt es in hörenswerten Einspielungen seit 1990. Sehr schwierig ist schon das Eingangsmotiv zu spielen, ohne zu zerfasern oder auseinander zu fallen. Dazu muss das Spiel der Pauken gleich zum Anfang zu hören sein und darf nicht untergehen. Auch der 3. Satz, der ebenfalls viel vom Solisten abverlangt, darf nicht abfallen. Damit sind auch schon die wichtigsten Kriterien für meine Auswahl formuliert.



    Referenz



    Künstler: Hardy Rittner (Erard Piano 1854), L'Arte del Mondo, Werner Ehrhardt
    Label: MDG, DDD, 2011


    Zugegeben: man muss sich erst etwas an die mit historischen Instrumenten aufgenommene Interpretation gewöhnen. Aber sie hat etwas, die einen fesselt: ein wirklich prägnantes Spiel des erst 34jährigen Solisten Hardy Rittner eingebunden in einen vorzüglichen Orchesterklang, den das L'Arte Mondo unter dem Dirigenten Werner Ehrhardt zu verantworten hat. Insgesamt eine Aufnahme, die eine Kenntnisnahme verdient hat.



    Alternativen



    Künstler: Maurizio Pollini, Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado
    Label: DGG, DDD/LA, 1997


    Dieser Live-Mitschnitt des Brahmschen 1. Klavierkonzert aus dem Jahre gehört zu den eindrucksvollsten Interpretationen dieses Werkes überhaupt. Die eng befreundeten Künstler Maurizio Pollini am Klavier und Claudio Abbado samt hervorragend disponierter Berliner Philharmoniker durchleuchten gemeinsam die Partitur und ergänzen sich dabei gegenseitig. Ein wahrer Hörgenuss gelangt da an unsere Ohren.




    Stephen Kovacevich, London Philharmonic Orchestra, Wolfgang Sawallisch
    Label: EMI, DDD, 1992


    Wenn es nicht gerade um Wagner-Opern geht, dann gerät der Dirigent Wolfgang Sawallisch schnell ins Abseits. Dass Sawallisch auch ein ausgezeichneter Konzertdirigent war, wird schnell vergessen. Ein herausragendes Ergebnis dieser Tätigkeit war seine Einspielung dieses Brahms-Konzertes mit dem Pianisten Stephen Kovacevich und dem London Philharmonic Orchestra. Beeindruckend hierbei ist das klanglich sehr gut gestaffelte Orchesterspiel und das hervorragende Zusammenspiel von Solisten und Orchester.




    Künstler: Anton Kuerti, Orchestre Metropolitain, Joseph Rescigno
    Label: Analekta, DDD, 1998


    Der Pianist Anton Kuerti - wer soll das sein? Vom Dirigenten Joseph Rescigno habe ich noch nichts gehört! Selbst das Orchester sagt mir überhaupt nichts. Man sollte halt auf alles gefasst sein: Mit energischem Zugriff fordert Rescigno das kanadische Orchester heraus und sorgt für ein hervorragendes Zusammenspiel von Orchester und Solisten. Hört euch diese Interpretation an - es ist eine lohnenswerte Alternative.



    :hello: LT

  • Zugegeben: man muss sich erst etwas an die mit historischen Instrumenten aufgenommene Interpretation gewöhnen. Aber sie hat etwas, die einen fesselt: ein wirklich prägnantes Spiel des erst 34jährigen Solisten Hardy Rittner eingebunden in einen vorzüglichen Orchesterklang, den das L'Arte Mondo unter dem Dirigenten Werner Ehrhardt zu verantworten hat. Insgesamt eine Aufnahme, die eine Kenntnisnahme verdient hat.


    Ich möchte gern unterstreichen, was Liebestraum geschrieben hat. Es sind wirklich neue Klänge, wenn man sich mit dieser Aufnahme auseinandersetzt. Ich schätze sie wegen ihres Temperamentes und ihrer klanglichen Farbigkeit und Präsenz sehr.

    Ich kann mich nicht erinnern, den Schluss des 3. Satz schon einmal mit diesem "Knalleffekt" gehört zu haben. Die Pauken sind in dieser Einspielung sehr präsent, besonders auch am Anfang und am Ende. Es ist eine stimmige und sehr interessante, direkt ansprechende Einspielung. Auf die CD hätte durchaus noch ein bisschen mehr Musik gepasst ...


    Ich freue mich, dass du, Liebestraum, diese CD nennst. Ich habe den Eindruck, dass diese Einspielung nicht die Beachtung gefunden hat, die sie verdient. Es ist eine Pionierleistung!


    Aus dem Jahr 2004 kommt die Aufnahme mit Buchbinder und dem Concertgebouw Orchester mit Harnoncourt:

    An dieser Aufnahme gefällt mir, dass sie stürmisch-romantisch bewegt ist, sehr kraftvoll und lebendig, und gleichzeitig kommen auch die lieblichen Aspekte dieses Werkes wunderbar schwebend zum Ausdruck.


    Ich denke, dass dies ein Werk ist, von dem es etliche wirklich sehr gute Einspielungen gibt.


    Freundliche Grüße von der verregneten Nordseeküste, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • An neueren Einspielungen vom 1. Brahmskonzert kann ich u.a. die hier bieten.




    Aber ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, es würde mir eine davon besser gefallen als die hier:



  • Aus diesem Grund wurden sie auch nicht von mir erwähnt. Man sollte sich halt nicht immer nur von großen Namen und Labels irritieren lassen.


    Bei Freire/Chailly fällt der dritte Satz von den anderen beiden ab, weil das Zusammenspiel von Solist und Orchester nicht richtig funktioniert. Über den Klangbrei, mit den Thielemann das hervorragende Spiel Pollinis überhäuft, werfen wir lieber den Mantel des Schweigens. Bei Buchbinder/Harnoncourt gelingt die Exposition zunächst sehr gut, im weiteren Verlauf jedoch verleidet das Orchesterspiel die Muße, weiter zuhören zu wollen, da viel zu langsam und zäh.


    Die Fleisher-Serkin-Rubinstein-Aufnahmen haben hier nichts zu suchen, weil sie nicht zum Thema passen!



    :hello: LT

  • Hallo!


    Ich gebe zu, ich kann hier aktuell kein Statement zu der Einspielung bringen, die ich einstelle. Ich habe sie länger nicht gehört - das könnte sich allerdings jetzt ändern:



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Wenn über Brahms diskutiert wird, sollte meines Erachtens Gerhard Oppitz keinesfalls vergessen werden. Seine Gesamteinspielung des gesamten Klavierwerks von Johannes Brahms hat höchsten Rang und genießt international höchste Anerkennung. Die Fachpresse gibt dem deutschen Pianisten Oppitz den Ritterschlag indem sie ihn in den Rang des legendären Brahmspianisten Julius Katchen erhebt. Wir hatten Gerhard Oppitz am 28. September 2014 mit Brahms 2. Klavierkonzert B-Dur op 83 in Heilbronn zu Gast. GRANDIOS!
    (Leider kann ich keine Cover einstellen)


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wenn über Brahms diskutiert wird, sollte meines Erachtens Gerhard Oppitz keinesfalls vergessen werden. Seine Gesamteinspielung des gesamten Klavierwerks von Johannes Brahms hat höchsten Rang und genießt international höchste Anerkennung. Die Fachpresse gibt dem deutschen Pianisten Oppitz den Ritterschlag indem sie ihn in den Rang des legendären Brahmspianisten Julius Katchen erhebt.


    Ich habe Opitz in Bielefeld mit dem Reger-Konzert erlebt - das war grandios! Das Brahms-Konzert habe ich leider wegen Umzugs verpaßt. Die Gesamteinspielung der Brahms-Klavierwerke besitze ich ebenfalls. Allerdings bin ich streckenweise reichlich enttäuscht. Ich habe wirklich nicht geglaubt, dass man die Balladen op. 10 noch schlechter als Barenboim spielen kann - Oppitz beweist es (leider). :D Auch die Paganini-Variationen sind schrecklich - nicht zuletzt klingt der Bösendorfer-Flügel im Diskant einfach fürchterlich. Insofern scheint mir der Vergleich mit Julius Katchen doch ein wenig kühn....


    Schöne Grüße
    Holger

  • ...so sehr ich Wert lege auf das Klangbild, das der Komponist wünschte, der Aufnahme mit Rittner kann ich nur wenig abgewinnen.
    Beginnt bei den Tempi, die Brahms sehr genau vorschreibt und die hier ignoriert werden.


    Dazu kommt ein unausgewogenes Klangbild, das völlig undifferenziert "mauschelt".


    Meine Erwartungshaltung an Werner Ehrhardt und Rittner waren groß- die Enttäuschung größer.
    Warum spielt er nicht im Orchester mit, quasi Continuo?
    Warum spielen alle Beteiligten so aneinander vorbei?


    Das Instrumentarium mag passen, aber nicht der Zugang zum Werk, der stets etwas will, was Brahms gar nicht fordert: Kraftmeierei.
    Hier wäre wirklich hiklfreich gewesen, sich den Notentext anzusehen und zu respektieren, was Brahms fordert.
    Tempi, im Großen wie im Kleinen, klärten sich von selbst.
    Ebenso alle Balance-Fragen.
    Aber nö: man muss ja versuchen, mit den "alten Instrumenten" Pollini zu toppen und die Berliner...


    Für mich das bedauerlichste Missverständnis, dem Komponisten nahe kommen zu wollen mittels des Instrumentariums, aber mit anderen Klangvorstellungen im Kopf.
    Eine Aufnahme, an der für mich nichts stimmig ist.
    Wirklich gar nichts.


    Und das von mir! Da ich doch "alte Instrumente" so schätze!
    Musik aber noch viel mehr.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Wenn über Brahms diskutiert wird, sollte meines Erachtens Gerhard Oppitz keinesfalls vergessen werden.


    Die Gesamteinspielung der Brahms-Klavierwerke besitze ich ebenfalls. Allerdings bin ich streckenweise reichlich enttäuscht.


    Lieber Holger,


    meine letzte Bielefelder Klavierlehrerin riet mir sehr von Oppitz ab. Durch meinen Vater bin ich aber doch mit einigen Aufnahmen bekannt geworden. Meine Erinnerung daran ist die, dass ich meiner Lehrerin und somit auch Dir zustimmen kann. Es hat mich nicht so wirklich überzeugt.
    Meine mit Abstand beste rein pianistische Brahms-CD hat Radu Lupu bei Decca eingespielt. Diese Aufnahme hat bei mir einen ähnlich singulären Stellenwert wie die ebenfalls unerreichte Grieg CD des Emil Gilels....


    Ansonsten habe ich etwas in die erwähnten Aufnahmen des ersten Klavierkonzerts hineingehört.
    Mir gefiel Stephen Kovacevich mit dem London Philharmonic Orchestra unter Wolfgang Sawallisch von den Ausschnitten her wirklich gut. Gut, dass auf dieser CD auch gut gesungene Lieder mit Ann Murray enthalten sind, ebenso das zweite Klavierkonzert. Ich werde mir die Aufnahme vormerken.


    Die angesprochene HIP-Aufnahme kann mich - wie Melante - nicht wirklich überzeugen, allerdings mit einer ästhetisch genau umgekehrten Klangvorstellung im Kopf als der Tamino-Kollege. Während ihm der Klang vermutlich nicht genug "entschlackt", "verschlankt" und somit eigentlich einer schon barocken Transparenz angenähert vorkommt, empfinde ich die Vibratolosigkeit beim Anfang des zweiten und des dritten Satzes als Ausdruck eines weit verbreiteten, doch zum Glück nicht immer so praktizierten Missverständnisses, welches streckenweise schon bald tragische Züge angenommen hat. Schon bei Bach ist es sowohl unhistorisch als auch vor allem unmusikalisch, wenn die Streicher alle 20 Takte ein kurzes, wenn auch unhörbares Vibrato einsetzen und sich ansonsten an ein sägendes Non-Vibrato halten. Wieviel mehr ist es bei einer romantischen, d.h. emotionsbetonten Musik wie der von Johannes Brahms ein Irrtum, diesen nölenden Säge-Klang als Grundlage anzunehmen. Jene sachlich-absolute Klarheit und Durchsichtigeit in der Darstellung der Dinge, die sich so mancher HIP-Freund ersehnt und dabei annimmt, dass der Komponist diesen Klang gewünscht habe, hat mit einer romantischen Ästhetik m.E. kaum etwas zu tun und ist von daher wohl auch kaum als historisch angenähert zu bezeichnen. Da muss man sich nur einmal die bildende Kunst der Romantik anschauen. Das Erbeben , bzw. die "Bebung" ( wie die alten Theoretiker das Vibrato in ihren Schriften oft nennen) ist doch ein sofort verständliches Zeichen von Emotion. Die Verbindung zum Vorbild des Sängers ist dabei schon in barocken Schriften und alten Orgeln (Tremulant) zu erkennen.


    Wie sollte das Vibrato hinsichtlich Stärke und Geschwindigkeit also sein? "Angemessen" wie es ein Streicher der Wiener Philharmoniker schon einmal in Bezug auf Beethoven ausdrückte. Das heißt: "Ausdrückend", bei den richtigen Noten mit entsprechender Amplitude und Stärke. "Musikalisch" könnte man es auch nennen.


    Doch konkret auf die o.g. Aufnahme bezogen finde ich gar nicht, dass hier -abgesehen vom Vibrato-Aspekt- so gespielt wird, als wenn man darüber trauert, dass wir es hier offensichtlich nicht mehr mit Barockmusik zu tun haben.
    So manche der Ideen hinsichtlich Phrasierung und Dynamik finde ich durchaus schön. Ebensos kann ich nichts Negatives über den Klang des historischen Flügels sagen. Man sieht, dass es dort eben enorme Unterschiede gibt.


    In diese Aufnahme kann man auch in voller Länge hier hereinhören, wenn es nicht GEMA-Probleme gibt:




    Der Instrumentenklang stört mich -wie gesagt- eigentlich nicht, sondern ich finde es durchaus erhellend, auch einmal dieses Klangbild auf sich wirken zu lassen. Zwingend sind die historischen Instrumente auch nach dem Hören dieser Aufnahme für mich bei Brahms aber nach wie vor auf keinen Fall. Doch was die Musiker hier machen, klingt in meinen Ohren vielfach durchdacht und musikalisch, und es gibt so manche Stelle, die einem neu vorkommt. Umso mehr finde ich es schade, wenn diese Non-Vibratostellen kommen.


    Das gewisse "Etwas Mehr", die magischen Momente, den Musenkuss.....so etwas höre ich dann doch stärker in der Aufnahme mit Kovacevich und Sawallisch.


    Ich besitze auch noch Brendel/Abbado, habe das aber momentan nicht mehr im Ohr....habe es jedoch in guter Erinnerung.
    Vielleicht lege ich mir dieses Konzert auch deshalb im Laufe des Jahres nicht so oft auf, weil meine Sehnsucht nach grellen Fieberschauern (so sprachen die Zeitgenossen über den Anfang) nicht jederzeit vorhanden ist.... ;)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,
    "entschlackt" und "verschlankt" sind nicht die Begriffe, die ich wählen würde, Brahms-Konzerte adäquat hören zu wollen.
    War ich nicht deutlich genug?
    Tempi spielen eine Rolle und das Miteinander von Orchester und Solisten.
    War ich nicht deutlich genug?
    Sumpfigen Klang nicht zu mögen, der hier, mit altem Instrumentarium, gepflegt wird.
    Um Passagen des Non-Vibrato geht es auch nicht, es geht mir vor allem um das Verständnis des Werkes.
    Um das, was Brahms hier recht dezidiert notiert hat.


    Ein sehr lieber Freund und "Mit-Forensiker"..äh...wies mich auf Horowitz und Toscanini hin.
    Sicher, klingt alt, ist alt.
    Und doch: hier stimmen Temporelationen und Balancen.
    Brahms hat nicht notiert, in Ritardandi zu fallen.
    Er hat nicht notiert: Vibrati oder nicht; notiert hat er Tempi und Abstufungen der Dynamik.
    Das sehr genau, nur achtet das niemand.


    Auch Fleisher und Szell nicht. Wenngleich den beiden immerhin der Dialog gelingt.
    Vielen anderen nur ein Nebeneinander.


    Völlig vom Thema weg?
    Tja, wie die Interpreten wohl, grins.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • War ich nicht deutlich genug?


    War ich nicht deutlich genug?


    Doch, doch.....


    Er hat nicht notiert: Vibrati oder nicht....


    Außer einigen Gambisten des französischen Barock haben das auch nicht so viele im Laufe der Musikgeschichte gemacht. Das heißt nicht, dass deshalb ein generelles Vibratoverbot über die Jahrhunderte gültig war, nur weil da nicht unter den tausenden von Noten das Wort "Vibrato" steht. Die Partitur, auch noch die romantische, ist ein sehr dürres Gerüst, was auf jeden Fall interpretiert werden muss. Das gilt auch für agogische Maßnahmen. In einer Brahms-Biografie las ich über den Dirigenten Brahms, dass er auf dem Dirigentenpodest nichts weiter zu tun hatte, als die Musiker ständig anzutreiben oder zurückzuhalten, sowohl von der Lautstärke als auch vom Tempo her. Wir wären wahrscheinlich erstaunt, wie flexibel man damals die Tempofrage gehalten hat. Auch ein Thielemann oder Furtwängler könnte dagegen noch vorsichtig geklungen haben.


    Wenn man nur macht, was da steht und ansonsten nichts, dann hat das sehr selten etwas mit Musik zu tun. Gerade die HIP-Bewegung hat diesen Punkt doch mehr als deutlich gemacht, ja, ich verkündige hiermit gerade eines der HIP-Credos.


    notiert hat er Tempi und Abstufungen der Dynamik.
    Das sehr genau, nur achtet das niemand.


    O, tatsächlich niemand? Na, dann haben wir ja nun endlich wenigstens einen Tamino, der die Öffentlichkeit auf diesen weltweiten Mißstand der durchgängig ignoranten Brahms-Musiker hinweist ;) Das wird die Musikwelt sicherlich bis ins Mark erschüttern. :pfeif:


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Das 1. Brahms-Konzert gefällt mir im Laufe der Zeit immer besser, da ist die Aufnahme mit Serkin und Szell schon mal gesetzt, Helene Grimaud habe ich in einer anderen Einspielung mit Kurt Sanderlling, ebenfalls großartig.
    Weniger als Referenz, mehr als Alternative vielleicht diese Aufnahme mit Tzimon Barto:

    Der Beginn ist noch ganz konventionell, der Paukenwirbel, darüber das brodelnde Orchester, dann aber lässt alles rapide nach, immer langsamer, immer leiser. Barto spielt ganz introvertiert, dazwischen werden auch Kontraste aufgebaut zwischen ausgedehnten Traumpassagen und dramatischen Aufschwüngen. Der 1. Satz dauert über 25 Minuten, Serkin braucht 21, Grimaud bei mir immerhin 23:50. Das Adagio ist sehr lyrisch gehalten und dauert nicht weniger als 17 Minuten, das Rondo fängt tupfig an, um dann schwungvoll weitergeführt zu werden. Barto spielt federleicht und technisch ist alles sehr exzellent, das Orchester ist nicht nur Begleiter, sondern dem Solisten ebenbürtig, Dirigent Eschenbach und Barto scheinen hier seelenverwandt zu sein. Wie gesagt, es gibt wirklich andere Aufnahmen, aber diese hat auch was für sich, interessant ist sie schon. Mein Favorit allerdings nicht.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Meine mit Abstand beste rein pianistische Brahms-CD hat Radu Lupu bei Decca eingespielt. Diese Aufnahme hat bei mir einen ähnlich singulären Stellenwert wie die ebenfalls unerreichte Grieg CD des Emil Gilels....


    Welche meinst Du, lieber Glockenton?


    Bei Brahms 1. bei mir ganz oben Gilels, Arrau, Rubinstein. Pollini gefällt mir aucn mit Abbado besser als mit Thielemann. :)


    P.S. Ashkenazy/Haitink mit dem volltönenden Concertgebouw Orkest ist auch wirklich sehr gut - die Aufnahmen muß ich mir endlich mal kaufen.... :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger


  • Welche meinst Du, lieber Glockenton?


    Bei Brahms 1. bei mir ganz oben Gilels, Arrau, Rubinstein. Pollini gefällt mir aucn mit Abbado besser als mit Thielemann. :)


    Herzlich grüßend
    Holger


    Lieber Holger,


    ich meine diese hier:



    Du kannst ja einmal hineinhören, ob sie Dir gefällt. Für mich ist sie sehr wichtig und vorbildlich, denn er trifft mit seinem reifen Anschlag den "Ton", den man m.E. für Brahms braucht (natürlich meine ich die Gesamtinterpretation, nicht nur den klangschönen Anschlag).


    Darüberhinaus zählt Emanuel Ax zu meinen Brahms-Größen, Gilels aber auch :)


    Pollinis Anfang des dritten Satzes mit Thielemann ist deutlich unter dem Niveau mancher anderer Pianisten, sehr wahrscheinlich wohl auch unter seinem eigenen Niveau. Er trifft zwar die Töne, aber es klingt lärmend und bleiernd schwer. Von daher kann ich die Aussage LTs nicht nachvollziehen, dass Thielemann einen hervorragend spielenden Pollini begleitet. Ich hätte die Aufnahme nicht freigegeben, wäre ich Pollini. Da muss man sich nur den Anfang dieses Satzes in der Sawallisch-Aufnahme anhören. Der Pianist spielt es dort viel sinnvoller phrasiert, fassbarer, leichter und .....nun ja, einfach besser, in meinen Ohren jedenfalls.




    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    der Lupu kommt auf meine Liste. :) Von Ax kenne ich zumindest einiges - er ist ein wirklich ganz ausgezeichneter Pianist, bei uns nur nicht so bekannt.


    Bei Brahms 1. ist auch Ashkenazy/Haitink wirklich sehr gut! (s.o. mein P.S.!) :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Liebe Forianer,


    ergänzt werden muss hier eine Aufnahme - nämlich diese:




    Künstler: Gottlieb Wallisch, Radio-Symphonieorchester Wien, Kirill Petrenko
    Label: ORF, DDD, 2001


    Leider war diese Aufnahme erst nach meiner Abfassung des Themas verfügbar (ab 25. August 2015 !). Sehr schlau, diese Produktion aus dem Jahre 2001 ins Rennen zu schicken, um den Umfang an käuflich zu erwerbenden Einspielungen des künftigen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker etwas zu erhöhen.


    Zu hören ist eine herausragend strukturierte Aufnahme, die fließt und nicht zerfällt. Dazu kommt noch ein wunderbarer Klang, der bei dieser hervorragend durchhörbaren Einspielung von besonderer Bedeutung ist. Solist und Orchester sind stets beieinander. Was will man mehr?


    Die ebenfalls gerade verfügbare Einspielung durch Barenboim / Dudamel ist so zäh und unidiomatisch geraten, dass ich sie nach dem Hören gleich wieder zurück gelegt habe.



    :hello: LT

  • Hallo,


    ich höre gerade das KK 1 mit Pollini / Böhm - wunderbar. Ich habe auch Fleisher/Szell, Richter/Leinsdorf (2) und Glieles/Jochum - als großer Bewunderer von Radu Lupu habe ich diese Aufnahme ins Auge gefasst :


    Leider finde ich zu ihr nichts - kennt sie jemand und kann mir weiter helfen ?


    Gruss


    Kalli

  • Ich möchte gerne eine Aufnahme nennen, die ich ganz oben sehe:


    Sokolov, Grigori
    Wolff, Hugh
    RSO Frankfurt/M; Hessischer Rundfunk; 1999; Spieldauer 48‘10


    Liveaufnahme – unveröffentlicht!
    Keinesfalls asketisch, sondern mit jugendlichem Überschwang, voller Kraft, geradezu lustbetont stürzt sich Sokolov auf op. 15


    Allerdings – Mitschnitt … 8-)

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)