Jedes Jahr bringt der NDR in Hannover hinter dem Neuen Rathaus eine Opernaufführung, für die man Karten kaufen kann, wenn man die Aufführung auf dem Stuhl sitzend vor der Bühne erleben möchte. Wer das nicht will, kann sie auf Großleinwänden und über Lautsprecher verfolgen - kostenlos!
Gestern abend kamen so etwa 20 000 Opernfreunde und Neugierige, die sonst nicht in die Oper gehen. Keiner dürfte es bereut haben.
Es gab La Boheme.
Die Aufführung wurde im Ferenshen ( NDR 3) übertragen und man kann sie heute auch in Hörfunk (NDR Kultur) ab 11.00 Uhr hören!
Hier ein Trailer mit Aufnahmen aus der Generalprobe:
https://www.ndr.de/fernsehen/s…-Liebe,hallonds28118.html
Die junge Dirigentin Keri Lynn Wilson ging das Werk recht zupackend an, hatte alles sicher im Griff (was nicht so ganz einfach war, da Solisten und Chor teilweise ziemlich entfernt agierten) und gab auch den lyrischen Momenten Raum und Sentiment!
Die NDR Radiophilharmonie Hannover folgte ihr engagiert und oft bemerkenswert geistesgegenwärtig. Bei Toscanini kann man alles präziser hören, bei Chailly schöner und subtiler, aber die Aufführung war aller Ehren wert!
Vorzüglich die Solisten:
Carmen Giannattasio kannte ich von verschiedenen Aufführungen aus Berlin als Verdi-Sängerin. Hier mit Puccini überzeugte sie mich entschieden mehr! Die warme und farbenreiche Mittellage, der leuchtende Klang bei den weiten Bögen in der Höhe, die feinen Pianophrasen, die sehr berührende Gestaltung - all das war hörenswert - und auch sehenswert!
Besonders erfreulich: ihre Stimme klang ganz wunderbar mit der von Michael Fabiano zusammen. Der junge Tenor hat ja in diesem Frühjahr in Paris als Faust und in der MET New York als Edgardo einige Begeisterung ausgelöst. Auf ihn war ich besonders gespannt und ich muss sagen, die Leistung, die er hier als Rudolfo brachte war ganz vorzüglich. Eine warme und runde Tenorstimme, die reich ist an Farben und Schattierungen, sich in der Tiefe und Mittellage wunderbar natürlich enfaltet und sicher in die Höhe geführt wird. Ich hatte leidiglich den Eindruck, dass die Spitzentöne zu breit und mit ungutem Druck erzeugt werde. Da klang dann doch der eine oder andere Ton etwas scheppernd. Nicht ganz gelungen war das 'C' in der Arie. Er wollte wohl einen Bogen spannen, der in einem sehr innigen Piano kulminiert. Da gelang aber die Mischung von Brust- und Kopfstimme nicht recht. Er hat das gerettet, aber man hörte schon, dass er das besser könnte. Diese angedeuteten Einschränkungen konnte man leicht verschmerzen, da der Mann ein sehr präsenter und nuanciert agierender Darsteller ist. Die Sterbeszene mit Giannattasio und Fabiano war schon sehr berührend!
Auch die übrigen Partien waren hervorragend. Mariusz Kwiecien als Marcello dürfte einfach optimal sein. Angel Joy Blue war eine glamouröse und stimmlich höchst präsente Musette!
Soviel in Kürze!
Gespannt bin ich vor allem darauf Fabiano mal wieder zu begegnen. In Glyndeborne singt er ja in diesem Sommer den Poliuto. Mal sehen, ob ich das schaffe!
Carus041