Richard Strauss´ Vier letzte Lieder - Eine vergleichende Besprechung einschlägiger Aufnahmen

  • Hallo!
    Nach nochmaligem Nachdenken habe ich mich entschlossen, nun doch zunächst einen eigenen Thread aufzumachen. Zusammenlegen kann man die beiden ggf. immer noch.


    Ich habe mir neben dem


    farinelli - Thread "Richard Strauss, Vier letzte Lieder"
    http://tamino-klassikforum.at/…age=Thread&threadID=17419


    auch die beiden verwandten Threads


    "Richard Strauss und seine Lieder"
    http://tamino-klassikforum.at/…age=Thread&threadID=12339


    "Vier letzte Lieder von Richard Strauss - Was ist die ultimative Aufnahme?"
    http://tamino-klassikforum.de/…?page=Thread&threadID=852


    durchgelesen, bin allerdings der Meinung, dass ein vertieftes und vergleichendes Eingehen auf alle nennenswerten (welche sind nennenswert?) Aufnahmen Sinn macht. Zumal der Thread bzgl. der ultimativen Aufnahme aus dem Jahr 2005 stammt.


    Da die Aufnahme mit Jessye Norman eine Zäsur in der Chronologie der Einspielungen darstellt, möchte ich mit dieser Aufnahme beginnen. Ich würde mich freuen, wenn andere Liebhaber der 4lL sich mit Besprechungen oder Diskussionsbeiträgen beteiligen würden.


    Jessye Norman / Gewandhausorchester Leipzig / Kurt Masur (AD 1982)


    Die Klangschönheit von Jessye Norman und die Intensität, mit der sie die Lieder ausfüllt, sind beeindruckend. Die Einspielung zeichnet sich durch langsame Tempi aus, die das ohnehin dunklere Timbre der Stimme verstärken. Es gibt meines Wissens keine Aufnahme, bei der beispielsweise „Im Abendrot“ annähend 10 Minuten einnimmt. Jürgen Kesting kritisierte im Fono Forum 1/2013, möglicherweise seien es diese Tempi, die dazu führten, dass Norman nicht alle atemtechnischen Probleme lösen konnte. Ich vermag diese Probleme nicht zu erkennen, lasse es mir aber gerne erläutern.
    Hingegen bin ich der Meinung, dass es Aufnahmen gibt, in denen Orchesterklang und Stimme in ihrer Intensität gleichberechtigter miteinander wirken. Zum Vergleich habe ich die 1995er Aufnahme von Renée Fleming, begleitet vom Houston Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach herangezogen. Hier ist das Orchester präsenter – gut zu hören bei der orchestralen Einleitung von „Im Abendrot“.
    Dass das Tempo, das Masur vorlegt wahrscheinlich nicht im Sinne des Meisters war, hat Theophilus bereits im Thread von farinelli ausgeführt. Dafür spricht, dass die unter Karl Böhm entstandene Aufnahme mit Lisa della Casa wesentlich kürzere Zeiten aufweist. Böhm konnte sicher besser beurteilen, wie Strauss die Darbietung beabsichtigt hatte. Das ändert natürlich nichts daran, dass jeder für sich entscheiden kann, welche Tempi er angemessen empfindet. Ich persönlich halte es insbesondere bei „Im Abendrot“ für grenzwertig. Das Stück erhält durch dieses Tempo in Kombination mit dem besonderen Klang der Stimme von Jessye Norman und dem leicht zurückgenommenen Orchester einen insgesamt düstereren Charakter als Vergleichseinspielungen. Hier erscheint der Gedanke an den Tod als etwas Beängstigendes, wohingegen bei anderen Aufnahmen ein eher tröstliches Gefühl in mir aufkommt.


    Mein Fazit - Ich halte die Jessye Norman–Aufnahme noch immer für eine der Referenzeinspielungen der 4lL, wenngleich die stellenweise extreme Getragenheit dunklere Klangfarben hervorbringt, wodurch sich die Aufnahme von anderen Interpretationen absetzt.


    Hier noch die Zeiten der einzelnen Lieder:


    Frühling 3:43
    September 5:26
    Beim Schlafengehen 6:06
    Im Abendrot 9:53


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo


  • Für mich bleibt diese Aufnahme trotz ihres Alters immer die Nr.1. Sie ist nicht übermäßig verhallt, wie alle neueren Einspielungen, wodurch der Text verständlicher ist. Außerdem war die Schwarzkopf eine der großen Strauss-Sängerinnen des 20. Jahrhunderts, man glaubt ihr was sie singt. Vor allem, das letzte Lied "Im Abendrot" wird bei ihr zu einem ergreifender Monolog über das Alter und den Tod.
    Meine Referenz-Aufnahme.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert!


    Das ist die erste von zwei Aufnahmen, die ich von Elisabeth Schwarzkopf kenne. Hier mit dem Philharmonia Orchestra unter Otto Ackermann aus dem Jahre 1953 - 13 Jahre später die Aufnahme mit Geroge Szell und dem RSO Berlin. Ich würde gerne im weiteren Verlauf in einen Vergleich der beiden Aufnahmen einsteigen. In den Besprechungen, die ich kenne, wird ebenfalls üblicherweise die Aufnahme, die Du als Referenz anführst der späteren Aufnahme vorgezogen.


    Auch sind zwischen beiden Aufnahmen deutliche Unterschiede in den Dauern der Lieder feststellbar:


    1953 (Otto Ackermann)
    Frühling 3.24
    September 4:07
    Beim Schlafengehen 4:27
    Im Abendrot 7:11


    1966 (George Szell)
    Frühling 3:46
    September 3:17
    Beim Schlafengehen 5:22
    Im Abendrot 8:20


    Gruß und einen schönen Start in den Tag
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Ich habe jetzt bei nochmaligem Hören der Aufnahme von 1953 erkannt, woran ich feststellen kann, ob eine Aufnahme zu meinen Präferierten zählt.
    Das ist dann der Fall, wenn mir das Ende von "Im Abendrot" die Tränen in die Augen treibt (beginnend mt "wie sind wir wandermüde").

    Elisabeth Schwarzkopf / Philharmonia Orchestra / Otto Ackermann (AD 1953)


    Die Aufnahme von 1953 mit Otto Ackermann besitzt diese Eigenschaft. Bei allen vier Liedern stimmt einfach alles. Das Timbre der Schwarzkopf in Einklang mit dem Orchester!


    Elisabeth Schwarzkopf selbst bezeichnete ihre Stimme der 53er - Aufnahme später als nicht "richtig". Die Lieder bräuchten eine reifere Stimme, die die Emotionen widerspiegeln kann. Ich empfinde die 53er - Aufnahme hingegen als die "echtere".


    Auch das Hornsolo in "September" ist traumhaft gespielt


    Der gleitende Übergang des Gedichtes "Im Abendrot" in das sich verlangsamende und ruhig werdende Orchester ist traumhaft.



    Elisabeth Schwarzkopf / RSO Berlin / George Szell (AD 1966)


    Eliisabeth Schwarzkopf zu dieser Aufnahme: "Die Hauptsache war, dass George Szell zufrieden war. Und ihn zufrieden zu stellen, das bedeutete schon eine ganze Menge."


    Dennoch: Ich mag mich jetzt in die Nesseln setzen, aber mit dieser zweiten Studioeinspielung werde ich nicht warm. Die gesamte Aufnahme erscheint mir weniger ausgeglichen, der Text ist wesentlich weniger verständlich. Sogar die Lerchen im Lied "Im Abendrot" scheinen tiefer zu fliegen.



    Zwei weitere Aufnahmen der 4lL von Elisabeth Schwarzkopf sind im Handel:


    Eine Livemitschnitt mit Herbert von Karajan vom 20.6.1956 wurde später ebenfalls auf CD veröffentlicht. Ebenso der Auftritt unter Istvan Kertész bei den Salzburger Festspielen 1962 mit den Berliner Philharmonikern. Beide Aufnahmen bestitze ich (noch) nicht.
    Sobald sich das ändert, werde ich sie in diese Besprechungen einfließen lassen.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Lieber WoKa,


    Du hattest ja die Moderatoren gebeten, diesen und den anderen Thread zusammen zu führen. Vielleicht wird da ja noch was draus.
    Ich antworte jedenfalls erst mal hier, weil ich direkt Bezug nehmen möchte auf Deinen Vergleich der zwei Aufnahmen von Schwarzkopf!
    In der englischen Zeitschrift 'gramophone' gibt es jeden Monat eine hochinteressante Diskussion über Aufnahmen, die weithin als Referenzaufnahmen betrachten werden: "Classics reconsidered". Im Juni-Heft diskutieren David Patrick Stearnes and Mike Ashmann die Berliner Aufnahme der Schwarzkopf von Strauss "Vier letzte Lieder" (1965). Das ist sehr kompetent und wird Dich sicher interessieren.
    Für mich war das insofern besonders aufschlussreich, als hier ein Vorbehalt formuliert und detailliert belegt wird, den ich eigentlich immer auch hatte: die Aufnahme - man mag sie mögen oder nicht - ist ein Artefakt, das so überhaupt nur als Studioproduktion möglich ist. Nie und nimmer könnte Schwarzkopf die Lieder so in einem Konzertsaal singen.


    Damit ist etwas angesprochen, was mich nicht nur bei dieser Schwarzkopf-Aufnahme beschäftigt. Ich frage mich bei vielen Einspielungen wirklich, wie die Sopranistin wohl "in the flesh" mit den Liedern rüber gekommen wäre.
    Das hält mich nicht davon ab, etliche Studioeinspielungen zu lieben. Insbesondere die Janowitz-Karajan-Aufnahme und die Casa-Böhm-Aufnahme, aber auch Popp-Tennstedt, Fleming-Eschenbach, Isokoski-Janowski. Auch größere und schwerere Stimmen höre ich gern mit diesen Liedern. Besonders Pollet-Weise, sowie natürlich Price-Leinsdorf. Jede hat ihren Reiz und eigene Schönheiten. Und in jeder gibt es etwas zu staunen, entdecken und genießen! Haben wir ein Problem wie die Capriccio-Gräfin?
    Wählst du den Einen - verlierst du den Andern!
    Verliert man nicht immer, wenn man gewinnt?

    Ich bin jedenfalls froh, nicht wählen zu müssen!


    Ja, ich tue sogar das Gegenteil: ich suche und horte immer weiter Aufnahmen der wundervollen Lieder! Vor allem Mitschnitte von Live-Aufnahmen. Ich finde einfach spannend, wie Soprane/Orchester/Dirigenten mit den exorbitanten Schwierigkeiten dieser Partituren umgehen. Inzwischen besitze ich neben über fünfzig Studio-Einspielungen gut 5 Dutzend Mitschnitte von Konzerten. Da sind natürlich manche darunter, bei denen das Vergnügen, sie zu hören, eher bescheiden ist! Beispiele dafür möchte ich eher nicht nennen. Es sind sogar recht berühmte Interpreten darunter.


    Hinweisen möchte ich aber auf einige Mitschnitte von Aufführungen, die ich für besonders interessant halte (und die hier - wenn ich das nicht übersehen habe - bisher nicht genannt wurden.)


    • Lisa della Casa / Hans Schmidt-Isserstedt
    • Edith Mathis / Emmanuel Krivine
    • Margaret Marshall / Riccardo Muti
    • Gundula Janowitz / Rudolf Barschai
    • Felicity Lott / Gustav Kuhn
    • Martina Arroyo / Günther Wand
    • Teresa Stich-Randall / László Somogyi
    • Teresa Zylis-Gara / Gianluigi Gelmetti
    • Helen Donath / Hans-Peter Frank
    • Sylvia Sass / Claudio Abbado
    • Kiri Te Kanawa / Okku Kamu
    • Elisabeth Söderström / Bernard Haitink
    • Anne Schwanewilms / Jun Märkl
    • Claire Watson / Rudolf Kempe
    • Evelyn Lear / Edo de Waart
    • Eleanor Steber / Rudolf Kempe
    • Régine Crespin / Leopold Ludwig
    • Montserrat Caballé / James Levine
    • Anna Tomova-Sintow / Karl Böhm


    Wenn dafür Interesse bestünde, könnte gerne ich über die eine oder andere der Aufnahmen auch mal etwas ausführlicher was schreiben.
    Last not least: wenn ich das nicht überlesen habe, wurde bisher auch noch nicht die Aufnahme von Elisabeth Schwarzkopf unter Hans Müller-Kray genannt!


    Fürs erste Tschüß!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo Caruso41!


    Kürzlich sagte ich zur besten aller Ehefrauen, das Schöne an tamino sei, dass ich festgestellt habe, dass ich nicht der einzige Verrückte bin! :jubel::jubel::jubel:


    Ich würde mich sehr freuen, wenn Du ausführlicher über die Aufnahmen schreiben würdest. Wie ich bereits angedeutet habe, ist dieser Thread für mich auch eine Möglichkeit, die eigenen Aufnahmen besser kennen zu lernen. Umso besser gelingt das, wenn ich nicht nur über mein eigenes Hörempfinden schreibe und wir uns stattdessen in einen Diskurs begeben.


    Hinsichtlich der Schwarzkopf - Aufnahme mit Hans Müller-Kray und dem Südfunk Sinfonie Orchester hast Du natürlich Recht. Ich hatte sie im Netz auch schon gesehen, vergaß allerdings, sie aufzuführen.


    Ich gehe davon aus, Du kennst diese Seite?


    http://vierletztelieder.com/?page_id=2359


    Gruß
    WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Für mich war das insofern besonders aufschlussreich, als hier ein Vorbehalt formuliert und detailliert belegt wird, den ich eigentlich immer auch hatte: die Aufnahme - man mag sie mögen oder nicht - ist ein Artefakt, das so überhaupt nur als Studioproduktion möglich ist. Nie und nimmer könnte Schwarzkopf die Lieder so in einem Konzertsaal singen.


    Ja, lieber Caruso, das ist gut und treffend beobachtet. Ich bin froh, dass Du nach Deiner Lektüre darauf zu sprechen kommst. Damit berührst Du einen sehr wichtigen, wenn nicht gar den wichtigsten Punkt, um den Interpretationsstil der Schwarzkopf zu verstehen. Was ihr oft angelastet wird als Manierismus halte ich für einen Ausdruck ihrer Einzigartigkeit. Nach meinem Dafürhalten gibt es Elisabeth Schwarzkopf zweimal. Einmal als Sängerin auf der Opernbühne und im Konzert und dann als Sängerin im Studio. Beide Seiten sollten getrennt bewertet und gehört werden - wenn das denn möglich ist. Ich halte es für möglich. Und noch etwas kommt hinzu. Das ist der persönliche Eindruck, den sie bei ihren Auftritten vermittelte. Im privaten Leben ist ja bekanntlich sehr schlicht und unauffällig in Erscheinung getreten. Freunde und Zeugen berichteten mir, man habe sie kaum erkannt auf der Straße oder in einem Restaurant. Wenn sie aber auf das Podium stieg, dann gab es die Verwandlung. Gehüllt in betörende Roben, die echten Juwelen dezent platziert, dass es ein Funkeln war. So trat sie an zum Dienst an der Kunst. Das gehörte dazu. Das war wie eine Arbeitskleidung. Ich habe sie so noch einmal selbst erleben dürfen. Mir ist es grundsätzlich egal, in welcher Gewandung eine Sängerin daher kommt, bei der Schwarzkopf war das Teil ihrer Botschaft. Leider ist das nicht so hören - oder doch? Sie hätte auch nie während eines Konzerts zur Wasserflasche gegriffen, wie sich das mitunter als sehr schlechte Manier eingebürgert hat.


    Die VIER LETZTEN LIEDER aus dem Studio unter Szell sind in der Tat ein Artefakt, wenngleich ich diesen Ausdruck nicht verwenden würde. Treffend ist er schon. Es sollte eine maximale Form für dieser Lieder gefunden - wenn nicht gar erzwungen - werden, die nur im Studio möglich ist. Dahinter steckt natürlich der Perfektionist Legge, auf den das alles zurück geht. Es ist sein Werk, seine Idee. Sie mag mit den Jahren altmodisch geworden sein. Für mich bleibt sie faszinierend. Die Schwarzkopf ist sein Medium. Vielleicht kam die Aufnahme für die Sängerin zu spät, die Absicht aber und das Wollen sind ganz deutlich spürbar. Unglaublich, wie sie ihre stimmlichen Möglichkeiten versammelt und konzentriert, wie die Stimme mit dem Orchester verwoben ist! Ich möchte nicht wissen, wie bei den Aufnahmen geprobt und gekämpft wurde. Wann ward das je so gehört? Mir ist keine andere Aufnahme bekannt, die so vollkommen ist in diesem Zusammenspiel, woran natürlich Szell gehörigen Anteil hat. Erst unlängst wurde bei ORFEO ein Mitschnitt von 1962 veröffentlicht. Hier ist er:



    Der ist an die drei Jahre jünger als die Szell'sche Produktion. Die Schwarzkopf aber klingt mindestens zehn Jahre älter. Sie wirkt auch etwas unsicher und vertut sich sogar bei den "dämmrigen" Grüften. Plötzlich sind es "dämmernde" Grüfte. Der Vergleich beider Dokumente ist aufschlussreich, weil er den Unterschied zwischen live und Studio besonders extrem erfahrbar macht.


    Die Seite, auf die uns WoKa führt, kannte ich schon. Trotzdem danke ich sehr herzlich. :hello: Darüber würde ich später gern noch ein paar Bemerkungen verlieren.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    es freut mich, dass Du das Argument aufgenommen und weiter entfaltet hast! Das finde ich sehr hilfreich!


    Übrigens ist die von mir so sehr geliebte einfach magische Janowitz-Karajan-Aufnahme (Geliebt allein schon wegen des Hornsolos!!!!) auf ihre Art natürlich kaum weniger künstlich! Aber immerhin kann ich mir gut vorstellen, dass sie auch 'in the flesh' möglich wäre.
    Letztlich wird den vier letzten Liedern auch mit einer ganz naiven, gleichsam natürlichen Zutraulichkeit kaum beizukommen sein. Vermutlich hätte eine Elisabeth Grümmer diesen Liedern eine Schlichtheit gewonnen, die durch ihre ganz unverstellte Reinheit eine Alternative zu der Künstlichkeit der meisten Interpretationen hätte sein können. Leider aber ist keine Ihrer Aufführungen aus den 50er oder frühen 60er Jahren aufgezeichnet worden, und die späte Aufnahme unter Kraus ist einfach in vielfacher Hinsicht unzureichend. Aber darüber habe ich mich ja schon geäussert!
    Und wem sonst trauten wir zu, einen solchen Ansatz überzeugend zu realisieren? Vielleicht Barbara Bonney? Oder Michaela Kaune?
    Ich weiss es nicht!


    Eines aber scheint mir nötig, dass sich junge Soprane frei machen von der Vorstellung, sie müssten sich an der klassischen Refrenzaufnahme der Schwarzkopf orientieren!


    Beste Grüße
    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo!


    Ich würde gerne mit meinen vielleicht manchmal etwas naiven Eindrücken verschiedener Aufnahmen einen Impuls setzen, um Eure Einschätzungen und Euer Wissen dazu rauszukitzeln:


    Renée Fleming / Houston Symphony Orchestra / Christoph Eschenbach (AD 1995)


    Renée Fleming / Münchner Philharmoniker / Christian Thielemann (AD 2008)



    Von Renée Fleming liegen nach meiner Kenntnis zwei Aufnahmen auf CD vor.
    1. Eine Studioaufnahme aus dem Jahre 1995, aufgenommen mit dem Houston Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach.
    2. Eine Liveaufnahme mit den Münchner Philharmonikern unter Christian Thielemann (2008)


    Im Vergleich der Kritiken kommt Renée Fleming in der Eschenbach-Einspielung deutlich besser weg. Während der 2008er Aufnahme viel Künstlichkeit angekreidet wird (was ich stellenweise auch nachvollziehen kann), ist die Eschenbach Aufnahme – auch im Vergleich zu anderen Interpretinnen – an Intensität, Spannung und Stimmgewalt für meinen Geschmack kaum zu überbieten. Für mich ist sie mittlerweile eine meiner Referenzaufnahmen. Eschenbach schafft es, mit der Solistin eine Einheit zu bilden, der man es abnimmt, dass die Protagonistin im Abendrot entschwindet und das Orchester alleine zurück lässt, während ihr die Lerchen den Weg geleiten.
    Trotz aller Anerkennung der Einspielung von 1995 höre ich die spätere Aufnahme dennoch auch gerne, schafft es Christian Thielemann doch, das Orchester gleichberechtigt neben die Sängerin zu stellen, ohne ihr den Raum zu nehmen. In dieser Aufnahme höre ich sehr deutlich, was Strauss den Musikern ins Notenblatt geschrieben hat. Die Ausdifferenzierung des Orchesterklanges ist für mein Dafürhalten hervorragend. Der Text ist in dieser Aufnahme gut artikuliert und damit besser verständlich als in vielen anderen Interpretationen. Allerdings stören mich hier die zeitweilig harten Wortendungen.


    Aber das eine ist halt Studio und das andere Live.
    Gruß WoKa


    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Heute habe ich die Aufnahme mit Michaela Kaune gehört - und habe sie sofort ins Herz geschlossen.



    Eine klare Stimme, die Emotionen vermittelt, eine Intonation, bei der man die gesungenen Worte versteht. Eine Balance zwischen dem Orchester, der NDR Radiophilharmonie unter Eiji Oue, und Gesang. Der Orchesterklang schön ausdifferenziert. Hier stimmt für meinen Geschmack eigentlich alles.


    Allerdings nimmt die Aufnahme nach meinem Empfinden insofern eine Sonderrolle ein, als der Sopran nicht so durchdringend daher kommt, wie das bei vielen anderen tollen Aufnahmen der Fall ist. Das tut der Aufnahme allerdings keinen Abbruch - sie ist dadurch nur anders.


    Wer kennt die Aufnahme? Empfindet Ihr ähnlich wie ich?


    Wer sie live sehen möchte, kann das hier - Konzert zum 75ten von Christoph Eschenbach bei Schleswig-Holstein-Musik-Festival.


    http://concert.arte.tv/de/geburtstagskonzert-eschenbach
    Die Vier letzten Lieder beginnen bei 2:02h.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

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  • Hörtest

    Richard Strauss: „Vier letzte Lieder“

    Schöner kann ein Sopran nicht schwelgen: Für die „Vier letzten Lieder“ würden viele glatt auf den übrigen Strauss verzichten.

    Hörtest Strauss VLL Michael Blümke, RONDO Ausgabe 6 / 2014


    Das hat man schnell gelesen und ich habe so zwischendurch mal gelächelt! :)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Danke sehr, lieber Fiesco, für den Link. Den Beitrag habe ich sofort gelesen. Die Einschätzung, dass Jessye Norman die definitive, "alle anderen überstrahlene Einspielung" gelungen sei, teile ich allerdings nicht. :no:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Danke sehr, lieber Fiesco, für den Link. Den Beitrag habe ich sofort gelesen. Die Einschätzung, dass Jessye Norman die definitive, "alle anderen überstrahlene Einspielung" gelungen sei, teile ich allerdings nicht. :no:

    Lieber Rheingold1876, da gibt es noch mehr für und wieder! :) Deshalb habe ich das mal reingestllt!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)