Hallo!
Nach nochmaligem Nachdenken habe ich mich entschlossen, nun doch zunächst einen eigenen Thread aufzumachen. Zusammenlegen kann man die beiden ggf. immer noch.
Ich habe mir neben dem
farinelli - Thread "Richard Strauss, Vier letzte Lieder"
http://tamino-klassikforum.at/…age=Thread&threadID=17419
auch die beiden verwandten Threads
"Richard Strauss und seine Lieder"
http://tamino-klassikforum.at/…age=Thread&threadID=12339
"Vier letzte Lieder von Richard Strauss - Was ist die ultimative Aufnahme?"
http://tamino-klassikforum.de/…?page=Thread&threadID=852
durchgelesen, bin allerdings der Meinung, dass ein vertieftes und vergleichendes Eingehen auf alle nennenswerten (welche sind nennenswert?) Aufnahmen Sinn macht. Zumal der Thread bzgl. der ultimativen Aufnahme aus dem Jahr 2005 stammt.
Da die Aufnahme mit Jessye Norman eine Zäsur in der Chronologie der Einspielungen darstellt, möchte ich mit dieser Aufnahme beginnen. Ich würde mich freuen, wenn andere Liebhaber der 4lL sich mit Besprechungen oder Diskussionsbeiträgen beteiligen würden.
Jessye Norman / Gewandhausorchester Leipzig / Kurt Masur (AD 1982)
Die Klangschönheit von Jessye Norman und die Intensität, mit der sie die Lieder ausfüllt, sind beeindruckend. Die Einspielung zeichnet sich durch langsame Tempi aus, die das ohnehin dunklere Timbre der Stimme verstärken. Es gibt meines Wissens keine Aufnahme, bei der beispielsweise „Im Abendrot“ annähend 10 Minuten einnimmt. Jürgen Kesting kritisierte im Fono Forum 1/2013, möglicherweise seien es diese Tempi, die dazu führten, dass Norman nicht alle atemtechnischen Probleme lösen konnte. Ich vermag diese Probleme nicht zu erkennen, lasse es mir aber gerne erläutern.
Hingegen bin ich der Meinung, dass es Aufnahmen gibt, in denen Orchesterklang und Stimme in ihrer Intensität gleichberechtigter miteinander wirken. Zum Vergleich habe ich die 1995er Aufnahme von Renée Fleming, begleitet vom Houston Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach herangezogen. Hier ist das Orchester präsenter – gut zu hören bei der orchestralen Einleitung von „Im Abendrot“.
Dass das Tempo, das Masur vorlegt wahrscheinlich nicht im Sinne des Meisters war, hat Theophilus bereits im Thread von farinelli ausgeführt. Dafür spricht, dass die unter Karl Böhm entstandene Aufnahme mit Lisa della Casa wesentlich kürzere Zeiten aufweist. Böhm konnte sicher besser beurteilen, wie Strauss die Darbietung beabsichtigt hatte. Das ändert natürlich nichts daran, dass jeder für sich entscheiden kann, welche Tempi er angemessen empfindet. Ich persönlich halte es insbesondere bei „Im Abendrot“ für grenzwertig. Das Stück erhält durch dieses Tempo in Kombination mit dem besonderen Klang der Stimme von Jessye Norman und dem leicht zurückgenommenen Orchester einen insgesamt düstereren Charakter als Vergleichseinspielungen. Hier erscheint der Gedanke an den Tod als etwas Beängstigendes, wohingegen bei anderen Aufnahmen ein eher tröstliches Gefühl in mir aufkommt.
Mein Fazit - Ich halte die Jessye Norman–Aufnahme noch immer für eine der Referenzeinspielungen der 4lL, wenngleich die stellenweise extreme Getragenheit dunklere Klangfarben hervorbringt, wodurch sich die Aufnahme von anderen Interpretationen absetzt.
Hier noch die Zeiten der einzelnen Lieder:
Frühling 3:43
September 5:26
Beim Schlafengehen 6:06
Im Abendrot 9:53
Gruß WoKa