Herbert Janssen - ein deutscher Bariton für die USA

  • Herbert Janssen, amerikanischer Bariton deutscher Herkunft. Geb. 22.9.1892 in Köln, gest. 3.6.1965 in New York. Er studierte in Köln bei Daniel und in Berlin und wurde von Max von Schillings 1922 an die Berliner Staatsoper engagiert. 1926-1936 sang er regelmäßig am Govent Garden, trat an den großen deutschen Bühnen auf und wirkte 1930-1937 bei den Bayreuther Festspielen mit, wo er u. A. den Wolfram unter Toscanini sang. Er trat daneben seit 1925 bei den Zoppoter Festspielen auf. Er emigrierte 1937 in die USA. Dort gehörte er von 1939-1952 der Metropolitan Oper an und sang ab 1940 jeden Sommer in Buenos Aires. Er besaß einen warmen Bariton mit edlem Legato, der ihn für die leichteren Wagner-Partien auszeichnete. Er sang aln der Met als Nachfolger Schorrs auch Wotan und Hans Sachs, ebenso Papageno, Jochanaan, Pizarro und viele italienische Partien. Sein Kothner war von außerordentlicher Qualität. Soeben hörte ich seine Stimme auf einer Preiser-LP. Hier die noch erhältliche CD-Ausgabe:


    W.S.

  • Herbert Janssen - ein deutscher Bariton für die USA

    Einverstanden, weil es in seiner zweiten Karrierehälfte genauso war.


    Herbert Janssen, amerikanischer Bariton deutscher Herkunft.

    Nicht einverstanden! Wenn jemand die ersten 45 Jahre seines Lebens in Deutschland verbringt, dort geboren wird und aufwächst, sich dort bereits als Sänger einen Namen macht und dem Ensemble des ersten Opernhauses des Landes angehört, wird er für mich nicht zum Amerikaner, nur weil er die letzten 28 Jahre seines Lebens in den USA verbracht hat (wenn überhaupt, an der MET taucht er erstmals 1939 auf, 1937 findet man ihn hingegen viel am ROH Covent Garden in London) - selbst wenn er später die Staatsbürgerschaft seiner neuen Wahlheimat annimmt. Ihn als Amerikaner zu bezeichnen hieße meines Erachtens, Berlin, Bayreuth, Covent Garden London u.v.a. auszublenden.



    Er besaß einen warmen Bariton mit edlem Legato, der ihn für die leichteren Wagner-Partien auszeichnete.

    Ich mag die Stimme von Herbert Janssen sehr! Er ist für mich der vielleicht wichtigste Bariton der ersten Jahrhunderthälfte, also das, was Fischer-Dieskau für mich in der zweiten Jahrhunderthälfte war. Er sang neben der Oper auch regelmäßig Konzert- und Liedrepertoire.


    Janssen strahlt in seiner Stimme für mich eine große Wärme und unverstellte ehrliche Menschlichkeit aus. Er verbindet Wohlklang und Emotion wie kaum ein anderer.


    Natürlich kam ihm der Wolfram ganz besonders entgegen, aber ob seine andere Leib- und Magenpartie, der Kurwenal (häufig als kongenialer Partner von Melchiors Tristan), wirklich noch zu den "leichten Wagner-Partien" gehört, darüber kann man geteilter Meinung sein. Er hatte wirklich eine unglaublich große Repertoirebereite. Was er an der MET alles sang, kann man im dortigen Archiv nachlesen:


    http://archives.metoperafamily.org/archives/frame.htm


    Links auf "Multi-Field Search" klicken und dann bei "Subject/Abstract Terms" einfach "Janssen" eingeben.


    Los ging es dort 1939 mit einem Wanderer, vier Tage später folgte der erste Wolfram und noch drei Tage später der erste Gunther, dann drei Tage später wieder Wolfram, die nächste Rolle war dann schon der Telramund, den er mit Wolfram im Wechsel sang. Man sollte ihn also nicht auf den "leichten Wagner" beschränken, er sang den ganzen Bariton-Wagner (Holländer, Wolfram, Heerrufer, Telramund, Kurwenal, Kothner, Sachs, Wotan/Wanderer, Gunther, Amfortas). Im "Fidelio" sang er mal den Minister, mal den Pizarro.


    Sehr mag ich seinen Londoner "Holländer", bei meiner CD-Ausgabe (von LYS, scheint vergriffen, habe auch kein Cover davon gefunden, sondern die Neuausgabe ohne diesen Bonus eingestellt) sind dann noch als Bonus seine beiden großen Amfortas-Szenen mit drauf. Auch die Studio-Einspielung der Tristan-Partie des 3. Aktes durch Lauritz Melchior hat seinen großartigen Kurwenal in bester technischer Qualität verewigt. Auch sein Telramund überzeugt mich - und ja, ich mag auch seinen Jochanaan sehr, selbst wenn es souveränere und wuchtigere Rollenvertreter gab, aber bestimmte Passagen singt er Salome gegenüber mit einer Wärme, dass man den zu hören meint, von dem er singt ("er sitzt in einem Nachen" usw.).


    Für mich ein ganz, ganz unverzichtbarer Sänger! :yes:






    P.S.: Wer ist eigentlich dieser Daniel, bei dem Janssen in Köln studierte? ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Nicht einverstanden! Wenn jemand die ersten 45 Jahre seines Lebens in Deutschland verbringt, dort geboren wird und aufwächst, sich dort bereits als Sänger einen Namen macht und dem Ensemble des ersten Opernhauses des Landes angehört, wird er für mich nicht zum Amerikaner, nur weil er die letzten 28 Jahre seines Lebens in den USA verbracht hat (wenn überhaupt, an der MET taucht er erstmals 1939 auf, 1937 findet man ihn hingegen viel am ROH Covent Garden in London) - selbst wenn er später die Staatsbürgerschaft seiner neuen Wahlheimat annimmt. Ihn als Amerikaner zu bezeichnen hieße meines Erachtens, Berlin, Bayreuth, Covent Garden London u.v.a. auszublenden.


    So steht es auch in meinen "schlauen Büchern", aus denen ich meine Recherchen habe. Ein anderer Verfasser nennt es "Deutscher, jetzt natural. amerikanischer Bariton".


    Zitat

    P.S.: Wer ist eigentlich dieser Daniel, bei dem Janssen in Köln studierte?


    Es ist nur von einem Gesangslehrer mit Namen Daniel in Köln die Rede.

    W.S.

  • Herbert Janssen wäre viel lieber in Deutschland geblieben. Dem Vernehmen nach liebäugelte er sogar mit den nationalsozialistischen Ideen. Wikipedia gibt an, dass er 1937 der NSDAP beigetreten sei. Daran habe ich meine Zweifel. Beweisen kann ich das nicht. Dazu müssten die Mitgliederlisten eingesehen werden. Fest steht, dass Janssen homosexuell gewesen ist, was sich bis zu Hitler und Goebbels herumgesprochen hatte. Sie brachten das Thema 1937 während der Festspiele in Bayreuth, bei denen Janssen letztmalig als Amfortas aufgetreten ist, zur Sprache. Es habe darüber ein ausführliches Gespräch im Haus Wahnfried gegeben, berichtet Goebbels unter dem 27. Juli 1937 in seinem Tagebuch. Der Führer sei ganz unerbittlich gewesen. Da gebe es keinen Pardon. "Wir müssen auch die Theater davon säubern. Und zwar gründlich", heißt es weiter zum Umgang mit Homosexuellen. "Hier muss man mit dem Staubsauger ran." In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich auch der Name von Janssen gefallen. Goebbels: "Ich spreche mit Frau Wagner. Sie ist darüber sehr bestürzt. Aber sie sieht ein, dass das so nicht weitergeht."


    Wenig später, ein genaues Datum ist mir nicht bekannt, floh Janssen über England in die USA. Für mich ist es nicht vorstellbar, dass Janssen im Umfeld dieser Entwicklungen in die NSDAP aufgenommen worden sein soll. Es liegt nahe, dass Winifred Wagner bei dieser Flucht half. Schließlich war sie Engländerin und verfügte über gute Kontakte ins Königreich. Für diese These spricht, dass Herbert Janssen nach 1945 im so genannten Spruchkammerverfahren, bei dem es um ihre nationalsozialistischen Verstrickungen ging, zu ihren Gunsten ausgesagt hat. Die Historikerin Brigitte Hamann berichtet in ihrer Winifred-Wagner-Biographie, dass ihr Janssen auch mindestens einmal ein großes Lebensmittelpaket aus den USA geschickt habe als sie faktisch unter Hausarrest stand.



    In der Tat nahmen ihn die Amerikaner mit offenen Armen auf. Seine Karriere an der Met ist - wie schon ausführlich beschrieben - beispiellos gewesen. Persönlich bin ich mit einigen seinen Leistungen allerdings nicht einverstanden. Die relativ späte Hinwendung zum Heldenbariton finde ich nicht geglückt. Zumindest lässt sich das aus den Dokumenten heraushören. Es gibt von 1945 einen Mitschnitt der "Meistersinger" aus der Met mit seinem Hans Sachs. Leider fehlt in der mir zugängliche Aufnahme der Schluss - also auch die Schlussansprache. Die hätte ich zu gern gehört. Wotan ist auch grenzwertig. Die Stimme wirkt auf mich wie ausgewaschen, hat viel Farbe und Fähigkeit zum Ausdruck verloren, für den er so berühmt ist. Dafür klingt die Stimme aber weniger altmodisch als in den Aufnahmen aus der Glanzzeit Mitte der 1930er Jahre. Eine bedeutende Persönlichkeit, dieser Herbert Janssen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Wenig später, ein genaues Datum ist mir nicht bekannt, floh Janssen über England in die USA.

    Es kann sein, dass er aus Bayreuth nach England geflohen ist, 1937 hat er ja am ROH Covent Garden in London viel gesungen, danach ging es allerdings nochmal zurück nach Wien, wo ihm nur noch wenige Monate bis zum Einmarsch der Nazis in Österreich blieben (Dezember 1937 bis Anfang März 1938):


    https://db-staatsoper.die-antwort.eu/search/person/1311



    Wotan ist auch grenzwertig.

    Ich finde ihn in den Live-Aufnahmen z.B. als Wotan sehr unterschiedlich (wie ja Schorr auch), machmal schwankt die Form von Akt zu Akt und einem grandiosen zweiten Aufzug (mit großartig gestaltetem Monolog) folgt ein angestrengter dritter oder auch umgekehrt. Das ist doch aber menschlich verständlich, Sänger sind ja keine Maschinen, und wenn jemand in der Lage ist, mich mal so richtig zu begeistern (und das ist Janssen zweifellos), dann verzeihe ich ihm auch schwächere Abende. Die vielen MET-Live-Mitschnitte durch die vielen Radio-Übertragungen sind da sicherlich Segen und Fluch zugleich. Auch der große Lauritz Melchior hatte ncht nur Sternstunden, wer hat die schon.


    Eine bedeutende Persönlichkeit, dieser Herbert Janssen.

    Allerdings! Ich liebe auch die wenigen Jago-Szenen, die ich von ihm kenne.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"