Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 in D-Dur, op. 73

  • Liebe Forianer,


    hatte sich Brahms mit Zweifeln und Skrupeln herumgeschlagen, bevor er sich an die Komposition seiner ersten Sinfonie machte, so folgte die zweite schon knapp ein Jahr später.



    Sie ist wesentlich weniger "knorrig als ihre Vörgängerin, der erste Satz sogar sehr "sangbar" und fast tänzerisch, generell die melodienseeligste aller Brahms Sinfonien.
    Der zweite Satz beginnt mit Celli und Hörnern liedhaft verräumt aber nicht melancholisch.
    In Dritten Satz wechseln die Stimmungen. Das Allegretto grazioso wchselt sehr schnell um Presto, kehrt wieder zurück um dann still zu verklingen.
    Beispielloser Jubel ist die Grundstimmung des vierten Satzes, immer gebrochen durch lyrische Passagen, dennoch die Jubelstimmung kehrt immer wieder und drängender, und jubelnd freudig endet diese Sinfonie.


    Die Uraufführung am 30. Dezember 1877 im Wiener Musikkvereinssaal unter Hans Richter gestaltete sich zum triumphalen Erfolg für Brahms.


    Brahms ist, wenn wir die Schallplatte CD betrachtene ein heikles Thema. Wer trifft den Brahms´schen Ton. So schrieb die Kritk (Fono-Forum)
    über die Brahms Sinfonien unter Bernstein (für DGG, heuet in der Masteres Serie) Der prächtigste Brahms, den man sich denken kann.....
    Jedoch waren nicht alle dieser Auffassung. Karajan, Celibidache, sie alle sind nicht unumstritten.


    Welche Aufnahme speziell dieser Sinfonie bevorzugt Ihr, bzw welche würdet ihr noch gerne haben ?


    (bei mir ist demnächst Brahms wieder fällig =)


    Gruß aus Wien


    Alfred


    [Dieser Beitrag wurde am 13.07.2004 - 19:58 von Alfred_Schmidt aktualisiert]

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was ein Zufall, bei mir auch. :)


    Die zweite Sinfonie war eines der ersten Werke, die ich im Konzert hörte. Abbado und die Philharmoniker gaben diese in einem `Jugendkonzert´. (Eine mittlerweile leider eingestellte Institution, aber damals waren jeweils 4 Programme der Saison für 7,50 DM !! - also ca. 3,20€ ) zu besuchen, sofern man unter 25 Jahren alt war.
    Als Vorbereitung borgte ich mir diese CD von einem Kumpel:



    Die Aufnahme lief Sonderschichten in meinem Player und auch das Konzert begeisterte mich. (In Sachen Brahms halte ich die Berliner im Allgemeinen und Abbado im Besonderen für sehr fähig). In der nächsten Saision kam sie nochmal und irgendwann hörte ich sie mir über. Der Freund bekam seine CD zurück, ich erwarb aber meinerseits keine Einspielung.
    Da nächste Saision wieder Brahms zweite in Berlin (Rattle) angekündigt ist, suche ich auch nach einer Aufnahme und warte gespannt auf Tips. Die oben angegebene vermochte mich wie gesagt zu begeistertern, das war aber vor gut 6 Jahren , seitdem kein Kontakt mehr mit der Einspielung.


    Gruß
    Anti

  • Obwohl das ein typischer "Vergleichshörer-Thread" ist und obwohl ich nur eine Aufnahme der 2. von Brahms habe und obwohl diese Aufnahme vom Discounter stammt und obwohl ich sie mir damals wegen der Akademischen Festouverture gekauft habe, hänge ich mich mal hier rein ;) :
    Royal Philharmonic Orchestra, Dirigent Libor Pesek.
    Meine Meinung: Schön romantisch, ordentliche klare Aufnahme. Ich weiß nicht, ob Brahms so klingen muß, aber mir gefällt es.


    meint Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Reinhard


    Hallo Reinhard,


    Das ist "Kein" typischer "Vergleichshörer-Thread, wenn Du Dir zutraust (was Du ja tust) Ohne Vergleichsaufnahme von einer vorhandenen begeistert zu sein.


    Libor Pesek ist aber ein auch mir bekannter Name, mal schaun


    Gruß aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • @Alfred


    Hallo Alfred,
    das soll ja im Leben öfter vorkommen, daß man sich für etwas begeistern kann (soll, muß,..), ohne Vergleiche zu haben ;) . Manchmal darf man nicht mal eine "Vergleichsinterpretation" besitzen :)
    Sorry, etwas off topic...


    Schönen Abend noch.
    Ich klinke mich jetzt erst mal aus und höre ein wenig Mozart, und später dann, wenn meine Frau schläft kommt Stravinsky dran - auch wieder eine Anregung aus dem Forum.
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Hallo Alfred,


    so, jetzt bin ich auch endlich einmal dazu gekommen, mich noch mal durch diverse Brahms 2 zu hören. Mein Favorit, etwas außerhalb der Reihe, auch weil es eigentlich nur eine semi-legale Veröffentlichung ist (Rundfunkmitschnitt, der aber mittlerweile überall angeboten wird) ist Carlos Kleiber mit den Wiener Philharmonikern - Livemitschnitt aus dem Jahre 1988. Unglaublich spannend.



    Aber als erwerbbare Alternative kann ich die Aufnahme mit S.Celibidache empfehlen, und zwar die mit dem Stuttgarter RSO: sehr transparent, sehr zügig!, sehr schön (und wesentlich besser als die Münchner Aufnahme).



    Gruß
    Uwe

  • Forianer Sagitt meint:


    Ich kenne nur eine Version, die alle vom Hocker reisst: Carlos Kleiber mit den Wiener Philharmonikern. Er bringt den Brahms mit den Philharmonikern in einer Weise zum Blühen, dass selbst solche, die dieser Sinfonie abweisend gegenüberstanden und sie für deutlich schwächer als die erste oder vierte hielten, begeisternd aussprechen: das sei ja ungeheuerlich. Ich habe es mit einem Klassik-Freund selbst ausprobiert. Ich weiß nicht, ob es die Aufnahme auf CD gibt, ich habe sie bei classica gesehen und es könnte sein, wie bei so vielen der Schätze, die die haben, dass sie auf dem allgemein zugänglichen Markt nicht existiert, was in diesem Fall eine " Kultur-Schande" wäre.


    Über andere Versionen will ich gar nicht schreiben, weil da schon die Diskussion über die zweite beginnt.

  • Hallo Uwe (und "Rest" ;) ),


    die Aufnahme mit Celibidache schätze ich ebenfalls sehr, besonders das Temperament in den schnellen Sätzen und die Art, wie er wunderbar die langsamen Sätze "aussingen" läßt, ohne sie ins Stocken geraten zu lassen (wenngleich die Gegensätze in der 3. Sinfonie stärker auftreten als in der 2.).


    Mit Kleiber konnte ich bisher bei Brahms 2. nicht viel anfangen, ich hatte allerdings bisher lediglich die Aufführung bei Premiere Classics gesehen und gehört und (noch?) nicht die CD-Version.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Sagitt meint:


    die zweite Brahms von Kleiber, die ich nur aus premiere kenne, wird sicher die Aufnahme sein, die auf einer mehr oder weniger legalen CD-Version auch ist. Bevor ich das Stück auf classica sah, wußte ich gar nicht, dass Kleiber die zweite Brahms im Repertoire gehabt hat. Ich finde sehr interessant, dass selbst solche Dirigante kein " Objejktivität" auslösen können. Ich selbst kenne recht viele Versionen der zweiten Brahms, Furtwängler,Karajan, Bernstein oder ganz andersartig Norrington und mir kommt die Darstellung von Kleiber wie eine Offentbarung vor.Das Werk wird an die Seite der erste gestellt und ist keinesfalls eine Nebensinfonie. Aber wie man lesen kann, selbst diese Interpretationen finden keine allgemeine Zustimmung. Immer wieder wichtig, dass hier eben nur Meinungen geäußert werden und keine Wahrheiten !

  • Hallo Taminos,


    soweit ich informiert bin, ist das Kleiber-Video von einem Konzert vom 6./7. Oktober 1992. Die CD-Version ist dagegen vom 20.März 1988. Allerdings glaube ich nicht, dass sich beide Versionen stark voneinander unterscheiden - ich kenne aber nur die ältere Aufnahme.


    Gruß
    Uwe

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Alfred,


    die Erwähnung der Rezension über Bernsteins Aufnahme freut mich insofern, als mich Lenny womöglich mit Brahms verdorben hat. Ich warte noch auf den neuen großen Wurf, aber es traut sich keiner... Jedenfalls war die erste Sinfonie die erste Bernsteinaufnahme, die ich bewußt gehört und erlebt hatte - und ich liebe diese Vollblutversionen abgöttisch! ;-)


    Die 2. gefällt mir ebenso wie die anderen drei, sie ist vielleicht sogar meine Lieblingssinfonie von allen vieren. Absolute Aufmerksamkeit fordert jedes Mal das Finale, auch heute noch. Vor ca. 10 Jahren sogar so sehr, daß ich in Südfrankreich, zu dieser Musik eine schmale Bergstraße "hochfliegend", gar einen Frontalzusammenstoß mit einem anderen Auto nicht mehr vermeiden konnte. Es ging glimpflich ab, aber verdeutlicht, wie sehr ich in das Stück eingetaucht war...


    Hanseatischen Gruß


    Antaeus

  • Hallo,


    auch ich bin (noch) kein Vergleichshörer.


    Nachdem ich das Finale der 2. erstmalig bewusst im Radio gehört hatte,
    habe ich mir sofort die "erstbeste" Aufnahme gekauft, die mir in die Hände fiel.
    Und das waren die Wiener Philharmoniker unter Bernstein.
    Ich habe diese CD verschlungen und kann mir auch ohne Vergleiche keine bessere Interpretation vorstellen.
    Auch die nachgestellte Akademische Festouvertüre passt so gut ins Bild, dass man denken könnte, es wäre der 5. Satz.



    Gruß, Peter.

  • Hallo Petemonova,


    auch der Zufall kann manchmal das Richtige bringen. Mit der Bernstein - Aufnahme von Brahms 2.Sinfonie hast Du eine TOP-Wahl getroffen und das Du dann begeistert warst kann ich gut nachvollziehen.


    Gerade der 2.Siinfonie bekommen die bei Bernstein etwas langsameren Tempi gut, da diese Sinfonie einen etwas ruhigeren Charakter hat als die anderen Drei.
    Eine weitere TOP-Wahl, wäre die Decca-Aufnahme mit Solti/ChicagoSO gewesen, die ich als Brahms-Sinfonien-Gesamtaufnahme mit Referenzcharakter unbedingt empfehle. Solti beachtet sämtliche Wiederholungszeichen - bei der auf der CD angegebenen Spieldauer der Kopfsätze kann man deshalb keine Rückschlüsse auf das von Solti gewählte Tempo schließen.


    Gruß aus Bonn
    Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo,


    Brahms komponierte seine 2. Sinfonie in Pörtschach am Wörther See. Deshalb wird sie auch oft Pörtschacher Sinfonie genannt.
    Von einem Wiener Ehepaar bekam er den Tipp, mal nach Kärnten zu reisen. Dort gefiel es ihm so gut, dass man es in seinen dort entstandenen Werken sehr gut raushören kann.
    Brahms wohnte sogar im Schloss Pörtschach und ließ sich von der grandiosen Landschaft inspirieren. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, da ich auch bereits einmal einen Sommerurlaub in Kärnten, jedoch am Ossiacher See verbrachte. Wunderschön ist untertrieben. :jubel:


    Im ersten Kärntner Sommer 1877 entsteht binnen kürzester Zeit die 2. Sinfonie D-Dur, die sich durch die Heiterkeit der Umwelt, die Klangdurchsichtigkeit und die Naturnähe auszeichnet.
    Dass Brahms so gut gelaunt war, wie lange nicht mehr, spiegelt ein Brief von ihm an seinen Verleger Simrock wider:


    " Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so was Trauriges, Molliges geschrieben; die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen."


    Im September 1877 wurde das Werk in Lichtenthal vollendet und Brahms spielt Clara Schumann daraus vor, die sofort ganz entzückt war und ihm einen großen Publikumserfolg prophezeite, der dann auch eintreten sollte.
    Bei der Uraufführung mit den Wiener Philharmoniker musste der 3. Satz dann auch wiederholt werden.


    Ein Jahr später feierte die Hamburger Philharmonische Gesellschaft ihr 50-jähriges Stiftungsfest und Brahms sollte dort seine Zweite dirigieren. Da er zu dieser Zeit aber eher ein gespaltenes Verhältnis zu Hamburg hatte, lehnte er zuerst ab, konnte dann aber noch vom Leiter der Konzerte, Julius von Bernuth, überredet werden:


    "Sie wissen, daß auch nicht einer in Hamburg zu finden wäre, der nicht mit Jubel Sie am Dirigentenpult begrüßen würde."


    Einen Tag vor dem Beginn der Festivitäten reist er dann endlich an und dirigiert dann seine zweite Sinfonie. Fast alle seiner Freunde waren als Zuhörer dabei. Neben Clara Schumann waren auch Joseph Joachim nebst Frau, Carl Reinecke oder auch der dänische Komponist Niels W. Gade anwesend.
    Nach dem Konzert brach großer Jubel aus und Brahms wurde mit Blumensträußen überschüttet.
    Doch auch diese Unterwerfung seiner Heimatstadt konnte ihn nicht recht mit Hamburg versöhnen. Zu tief sitzt noch der Schmerz, dass man ihn zweimal bei der Besetzung der Direktorstelle der Philharmonischen Gesellschaft übergangen hat.


    Ich glaube, dass Brahms aber nicht der Komponist geworden wäre, wenn er nicht aus Hamburg weggegangen wäre. Dann hätte er vielleicht auch ein normales bürgerliches Leben geführt, hätte geheiratet und Kinder gehabt.
    Doch das hätte Brahms womöglich nicht gekonnt.



    Gruß, Peter.

  • Obwohl ich auch die Karajan und die Bernstein-Aufnahme kenne bzw. habe, findet die 2. sich bei mir normalerweise in dieser Aufnahme im Player wieder:



    Aber ich scheine mit meiner Vorliebe allein dazustehen...

    "Das beste, an dein Übel nicht zu denken, ist Beschäftigung."
    Ludwig van Beethoven

  • bei mir liegt Klemperer weit vorne. Sein Zyklus der Brahms-Snfonien ist eine gelungene Mischung aus klassizistischer Strenge und romantischer Klangschönheit.



    Ist zwar nicht die Zweite, sondern die Vierte: Aber niemand gestaltet den allerletzten Takt des 1. Satzes der e-moll-Sinfonie so packend wie Klemperer. Anhand dieses einen Taktes könnte ich ihn unter noch so vielen Vergleichseinspielungen ohne jeden Zweifel identifizieren.

    "Muss es sein? - Es muss sein!" Grave man non troppo tratto.

  • Eine Aufnahme, die ich auch sehr gerne habe ist die mit Marin Alsop:



    Sie kommt IMO Bernsteins Lesart sehr nahe, der für mich hier sowieso der Größte ist.
    Also eher bedächtig, aber sehr ausdrucksstark und impulsiv. Das braucht man ja vor allem im letzten Satz, gleich nach der Streicheinleitung zum Beispiel. Eine grandiose Stelle.



    Gruß, Peter.

  • Hallo,


    bei den Brahms'schen Sinfonien seid ihr mit Karajan gut bedient, aber gerade seine Zweite ist senstationell. Ein Highlight sind z.B. die Flöten im ersten Satz! Insgesamt klingt das Ganze als wär man im Paradies.


    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Moritz,



    Zitat

    Aber ich scheine mit meiner Vorliebe allein dazustehen...


    Damit stehst Du überhaupt nicht alleine da. Zum Zeitpunkt meines Beitrages vom 20.12.2004 in diesem Thread kannte ich die Szell-Aufnahme noch gar nicht. Inzwischen kaufe ich ja mit Szell alles.....was nicht "Niet und Nagelfest" ist und natürlich auch alle Brahms-Sinfonien.
    Mit Solti und Szell liegen IMO eine besten Interpretetationen auf CD vor. Gerade die Aufnahme der Sinfonie Nr.2, die von vielen Dirigenten sehr pastoral aufgefasst wird, gefällt mir mit Szell außerordentlich gut. Da wird nichts geglättet, sondern die Ecken und Kanten präzise ausgespielt, sodaß eine große Kontrastwirkung innerhalb der Sinfonie entsteht.


    :)Aber auch rappy´s Beitrag zu Karajan´s Brahms möchte ich nicht schmälern, das wäre bei mir der Dritte im Bunde der Brahms-Favoriten.


    Dabei ist die Frage zu stellen, die meinen Eindruck nicht verwehren kann, ob nicht die alten Decca-Karajan-Aufnahmen von 1960 mit den Wiener PH/Karajan sogar den DG-Aufnahmen vorzuziehen wären ???
    Ich meine - Ja !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo CRC,


    mit Klemperer´s Brahms kann ich nichts anderes als Dir beizupflichten.
    Mit diesen 4 EMI-Schallplatten habe ich Brahms kennengelernt und mindestens 10Jahre gehört.


    Leider gehören diese LP´s nicht zu den zahlreichen Aufnahmen, die ich mir später auf CD auch gekauft habe (um dem schrecklichen Knacken zu entgehen), weil die Klangqualität mit spitzen und quäkigen Bläsern und schärfen bei hohen Streichern mir nicht zusagt.
    Die Decca-Solti-Aufnahmen , die ich nach der Klemper-Zeit auf CD kaufte, sagten mir dann in allen Punkten mehr zu.
    Da sind die Aufnahmen mit Szell (CBS) und Karajan(Decca), die aus der gleichen Zeit nach 1960 stammen einfach um Längen im Klang besser.
    Das ändert aber nichts daran, das Klemperer einen ganz grossen Brahms lieferte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Hallo Petemonova,


    da hast Du Recht - was ist mit Bernstein und Brahms.
    Ich habe auf CD nur die DG-Bernstein-Einzel-CD´s der Sinfonien Nr.3 und 4 mit der Tragischen - Ouv. und den Haydn-Variationen, kenne aber die Aufnahmen der Sinf.Nr.1+2 auch.
    Bernstein ist mir an manchen Stellen auch zu breit und langsam. Deshalb habe ich vom Kauf abgesehen.


    Die DG-Bernstein-Aufnahmen sind sehr klangschön und detailgenau, sie haben einen sehr räumlichen Klang. Das wäre ein positives Beispiel für den Thread "CD-Klang der Wiener Philharmonie"(ähnliche Formulierung).
    Bernstein bietet einen großen Brahms, es sind tolle Aufnahmen mit denen man alleine Zufrieden sein könnte, wenn es nicht einiges an Konkurenz gäbe, die es noch eindrucksvoller machen.


    Dazu gehören für mich zwei Aufnahmen:
    1.) Solti / Chicago SO auf Decca, der in allen Punkten (Int.+Klang) zufriedenstellt.
    2.) Szell / Cleveland Orchestra auf SONY, der Brahms in seiner straffen Art so spannend dirigiert, dass man bei der Hörsitzung nicht das Ende der Sinfonie herbeisehnt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Schnelligkeit der Fertigstellung dieser Sinfonie gibt der Forschung immer wieder Rätsel auf. Viel wird spekuliert über die Entstehung des Werkes, da der "Spurenverwischer" (wie Reinhold Brinkmann Brahms nennt) nichts hinterlassen hat außer ein paar Äußerungen, die wiederum die Charakterisierungen seiner Freunde und Zeitgenossen hart kontrastierten. Während diesen sich in dem Werk "lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Sonnenschein und kühler grüner Schatten!" (Billroth und Simrock) vermittelten und sie zu den Ausrufen: "Am Wörther See muß es doch schön sein" oder "Das kann man nur auf dem Lande, mitten in der Natur komponieren" (Ferdinand Pohl) veranlaßten, schreibt Brahms an den Verleger Simrock: Die neue Symphonie ist so melancholisch, daß Sie es nicht aushalten. Ich habe noch nie so etwas Trauriges, Molliges geschrieben: die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen. Ich habe genug gewarnt. Denken Sie denn wirklich, sich noch so ein Ding zuzulegen?
    (22. 11. 1877)



    Mit dieser Brahms-Sinfonie, seiner "Pastorale", schaffte ich mir Zugang zum Werk des Komponisten.


    Sehr gelungene Einspielungen dieser Sinfonie boten:


    Cleveland Orchestra, George Szell
    Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan
    Wiener Philharmoniker, Karl Böhm
    Gewandhausorchester, Kurt Masur
    Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, Herbert Kegel
    Wiener Philharmoniker, Leonard Bernstein
    Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Eine m.E. nicht ganz unoriginelle Aufnahme wurde noch nicht erwähnt bisher: das Chamber Orchestra of Europe unter Paavo Berglund:



    Brahms gilt ja oft als "schwer" und "dick" bzw. man assoziiert ihn mit einem wohlig-resigantiven Klangbad von schwelgerischer Fülle. Das famose Chamber Orchestra of Europe unter Berglund beschreiten einen anderen Weg. Brahms wird hier in kleiner Besetzung in fein ausgehörter Transparenz und mit großer Liebe zum Detail gestaltet. Dabei tritt an die Stelle einer Fülle des Wohllauts aus der großen Zahl und dem großen Ton mit großem Vibrato eine Fülle des feinnervigen Gestaltens.


    Dieses beglückt in seiner Aufmerksamkeit für z.B. die vital um eine Winzigkeit geschärft punktierten Begleitrhythmen, durch die sorgfältig bis an die Grenzen geführte Ausschöpfung des dynamischen Spektrums und eine frei atmende Gestaltung jeder Phrase. Die Symphonie entfaltet sich in frei auf einem großen Grundpuls schwingender, betont cantabler Gestaltung der einzelnen Abschnitte.


    Dabei ergibt sich der Ausdrucksreichtum nicht aus der schieren von philharmonischen Heerscharen entfesselten Klangflut, sondern aus liebevoller Gestaltung jeder noch so kleinen Einzelheit. Dieses Orchester hört unglaublich gut aufeinander, baut aufeinander auf, setzt fort, dialogisiert zwischen den Stimmen - und das alles in exquisiter Klangkultur. Die Streicher beschränken ihr Vibrato auf das zur Genießbarmachung der Stahlsaiten und dem jeweiligen Ausdruck erforderliche und zeichnen sich durch eine auf modernen Instrumenten ungewöhliche Differenziertheit in der Bogenführung aus. Was zu einem hochdifferenzierten, konzentrierten, intensiv leuchtenden Streicherklang führt, in den sich die Bläser feinfühlig integrieren - nicht genug preisen kann ich vor allem die Flöten, die sich hier wunderschön integrieren und damit für mich ihren modern-metallischen Schrecken verlieren.


    Auch werden nicht nur die großen Linien frei atmend entfaltet, auch die kleineren Einheiten werden wundervoll differenziert gestaltet: man kann auch Brahms artikulieren, ohne die Linien zu brechen. Mehr als das, man kann die Linien dadurch zu pulsierendem Innen-Leben erwecken, das man gar nicht vermutet hätte.


    Lyrischer Geist dominiert, allerdings ist er schlanker als gewöhnlich umgesetzt. Pastoral - aber eher im Sinne eines Spazierganges an einem sonnigen Frühlingsmorgen als rotweingestützten Sommerabendgenusses.


    Vielleicht einen Hörversuch wert...


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Ich hörte das op. 73 im Jahre ´77 unter Karajan und seitdem gehört sie zu meinen Favoriten..der vierte Satz hat es mir besonders angetan, vom musikalischen Aufbau ist sie das Kontrastbild zur 1. Sinfonie, die vom Beginn an "stürmisch" daherkommt, im zweiten und dritten Satz zur Ruhe kommt, in der 2. entlädt sich die Spannung im vierten Satz...


    Meine favorisierten Aufnahmen:


    Furtwängler,BPhO,1952
    Fricsay,WPhO,1961
    Toscanini,NBC,1952
    Karajan,BPhO,1978
    Busch,Danmarks Radio,1947



    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Zitat

    Original von heldenbariton


    Busch,Danmarks Radio,1947


    Diese Aufnahme möchte ich auch besonders empfehlen. Busch ist aufgrund seines Werdegangs noch sehr nahe an Brahms dran und es zeigt sich hier u.a., dass die Tempi zum Mitschreiben, wie man sie in den letzten 30,40 Jahren oft findet (u.a. leider beim späten Bernstein) keineswegs authentisch sind. Busch ist außerdem wie E. Kleiber ein Beispiel dafür, dass Transparenz und zügige Tempi keineswegs mit einem Verlust an "Wärme" oder "Tiefe" einhergehen müssen. Die Busch gewidmete Folge der EMI "Great Conductors of the Century" sollte mit etwas Suchen noch zu kriegen sein. Absolut empfehlenswert.


    Fricsays Live-Mitschnitt scheint dagegen leider vergriffen...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Absolute Referenz für diese Symphonie ist für mich immer noch:


    C.Kleiber mit den Wienern (habe die DVD und eine frühere Aufnahme von einem Freund aus den 80ern, mit schlechterer Klangqualität aber noch intensiverer Interpretation).:jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    Ansonsten hab ich noch


    Karajan aus den 70ern: Gefällt mir sehr gut, aber auch hier wäre im letzten Satz mehr drinnen gewesen. Da muss ich sagen, gefallen mir seine anderen Brahms-Symphonien besser (v.a. seine süperbe 1. und seine gewaltige Dritte).


    Wand, NRD: Solide, das was ich mir unter "norddeutschem Brahms" vorstelle, nur der letzte Satz hat irgendwie keinen Pepp


    Sanderling, Staatskappelle Dresden: Seine 2. und seine 4. find ich schlichtweg fad und zu langsam.


    Mein Geheimtipp:
    Harnoncourt mit den Berlinern :untertauch: : Ich weiß, diese Einspielung wird in diesem Forum wird geächtet, aber ich muss sagen, es ist ein völlig anderer Blick auf Brahms und das gefällt mir doch sehr gut, mal was neues. Seine langsamen Tempi macht er für mich mit einem extrem wuchtigen und warmen Sound und einer Spannung, die an keiner Stelle langeweile aufkommen lässt.


    IDS
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

    Einmal editiert, zuletzt von georgius1988 ()

  • Zitat

    Original von georgius1988
    Harnoncourt mit den Berlinern :untertauch: : Ich weiß, diese Einspielung wird in diesem Forum wird geächtet


    Jaja, ich verstehe auch nicht ganz, warum Harnoncourts berliner Brahms hier so energische Missfallensbekundungen auslöst - ich finde seinen Brahms-Zyklus auch sehr interessant.


    Unter den jüngeren Aufnahmen gefällt mir Abbados oben schon vorgestellte berliner Aufnahme am besten (hab die Sinfonie auch mit dieser Aufnahme kennengelernt/erarbeitet)

  • Ich höre in letzter Zeit am liebsten die Mackerras-Aufnahme:


    Kein weichgespülter Abo-Konzert-Senioren-Wohlfühl-Brahms, sondern ein schroffer, kantiger, historisch bewusster in herausragender Klangqualität. Übrigens kosten die Einzelsinfonien bei jpc weniger als die Gesamtaufnahme.


    Gruß, Thomas

  • Lieber Heldenbariton,


    interessant, dass Du Toscanini bei Brahms so hochschätzt. Ich finde die DVD-Version der ersten Symphonie (Testament) und seine Dritte ganz besonders mitreißend, aber die Zweite ist auch sehr sehr schön.


    Hat mich damals schwer überrascht, ich hätte nicht vermutet, dass Toscanini so ein guter Brahmsinterpret sein könnte (was allerdings fürs Doppelkonzert dann wieder gar nicht gilt...).


    Ich hoffe mal, dass sich bald jemand (Herreweghe???) an eine Einspielung mit historischen Instrumenten macht!


    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

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