Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - Interpretenportraits auf Klassik-Covern.

  • Meine Lieben


    Es gibt unterschiedliche Meinungen, wie ein Caver einer Klassik-CD auszusehen hat, was das Kaufinteresse weckt, was eine CD "edel" erscheinen lässt etc. Es gab ja schon immer verschiedene Strategien in Zusammenhang mit der Gestaltung eines Covers einer LP oder CD mit Thema "Klassische Musik" Beliebt sind heute Gemälde alter Meister, die zeitlich und thematisch zum eingespielten Werk passen. Dann gibt es - vor allem im Budgetbereich, um eine Billigpreis CD als solche zu brandmarken - die "Allerweltsgrafiken, wo man nicht weiß ob das Bild für eine Klassik-CD oder eine Zahnpastareklame gemacht wurde. Dann Grafiken, welche sie Modernität des Plattenunternehmens signalisieren soll, dann Portraits des Komponisten, nicht zu Vergessen die zahlreichen Detailaufnahmen von Klavieren, Geigen und anderen instrumenten. Bei großen Labeln mit berühmten Interpreten war es aber auch üblich den Dirigenten, Sänger, Instrumentalsolisten im Großformat abzubilden, meist in Künstlerpose, versonnen oder aggressiv am Flügel, Ehrfurcht einflössend am Dirigentenpult mit hypnotischem Blick, oder aber auch der Welt entrückte Geigerportraits. Später posierten dann junge Damen mit engem Kleid und gewagtem Ausschnitt mit ihrem jeweiligen Instrument in der Hand, oder junge Männer mit Drei-Tage-Bart in Jeans.
    Dieses Privileg wurde aber im Allgemeinen nur einer eher kleinen Gruppe zuteil. Der Rest muß quasi "gesichtslos" für uns spielen. "Gesichtslose" Interpreten sind stets in Gefahr vergessen zu werden, vor allem dann wenn ihr Name fast unaussprechlich und schwer merkbar ist - eine Tendenz die real existiert.
    Frage: Glaubt jemand, daß jene Interpreten, die vom Anbeginn ihrer Karriere mehr oder weniger lächelnd auf den Covers "ihrer" Aufnahmen zu sehen sind - quasi Aug in Aug mit dem potentiellen Käufer- , die besseren Chance haben von einem größeren Kreis an Plattenkäufern wahrgenommen zu werden ?


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein neuer Trend um Aufmerksamkeit zu erregen, scheint ja auch Duopartner so abzubilden, als wenn neben der musikalischen Partnerschaft auch noch was Privates läuft (oder nicht läuft).



  • Das ist meiner Meinung nach völlig verständlich. Vor allem im Bereich des Nischenrepertoires - aber nicht nur dort findet man immer wieder gute Interpreten, die einem vorerst eher unbekannt sind, aber nach einer Weile kennt man sie wenigstens dem Namen nach. Sie bleiben indes doch ein wenig fremd, weil man sich kein "Bild" von ihnen machen kann. Das ist ähnlich wie bei Namenssinfonien" - Natürlich gibt es auch "namenlose" Sinfonien, welche Berühmtheit erlangten - aber "Namanssinfonien" haben es mit Sicherheit leichter, im Gedächtnis des Klassikfreunds hängenzubleiben. So ähnlich sehe ich es auch bei den Künstlerfotos am Cover. Und natürlich wollen in Falle des Falles BEIDE Solisten gezeigt werden. Das ist überhaupt ein heikles Thema. Es ist überliefert (belegen kann ich es allerdings nicht), daß bei der Aufnahme von Beethovens "Tripelkonzert" unter Karajan (für EMI) es zu Spannungen wegen der Placierung der Mitwirkenden am Coverphoto gegeben haben soll, bzw daß bereit latent vorhandene Spannungen akut wurden (?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das ist das Coverbild, das Alfred Schmidt im letzten Beitrag erwähnt hatte. Svjatoslav Richter war einer der Beteiligten.



    Ein besonders gelungenes Coverbild, das diesen bärbeissig wirkenden Musiker in seiner Einzigartigkeit und Empfindsamkeit zeigt, ist diese Fotografie mit dem Nelkenstrauss in Händen, den er wohl nach einem Recital erhalten hat.



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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Eine Ergänzung zu Beitrag 4.
    Bruno Monsaingeon veröffentlichte 1998 eine mit Richters Einverständnis gedrehte zweieinhalbstündige autobiografische Filmdokumentation „Richter – The Enigma“. Svjatoslav Richter erzählt, wie er die Aufnahme des Tripelkonzertes erlebt hatte.


    You Tube Film bei 4:00 min



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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ein schönes Beispiel aus dem Jazz. Vor 40 Jahre spielte Keith Jarrett in der Kölner Oper diese legendäre Improvisation. Dabei entstand die Fotografie. Der strenge Bildaufbau verstärkt den Eindruck von Konzentration. Es ist eines der wenigen Coverbilder, das ihn während des Spielens zeigt.



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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Beide Cover, jenes von EMI (Tripelkonzert) und jenes von ECM (The Köln Concert) sind wunderbare Beispiele, wie elegant ein geschickt gemachtes Interpretenportrait dem Konsumenten heile Welt vorzutäuschen vermag - und ihn damit zufriedenstellt.
    Am EMI Cover sitzt ganz vorne in reflektierender Pose, das Genie Karajan, dahinter die drei Solisten der Aufnahme. Alle lächeln - und freuen sich anscheinend mit dem Maestro soeben eine Jahrhundertaufnahme (als solche wurde sie nämlich angepriesen) eingespielt zu haben.
    Auch das Kölner Konzert mit Keith Jarreth stand auf Messers Schneide. Der ihm zugesagte große Konzertflügel war nicht vorhanden, und Jarreth wollte auf keinem anderen Instrument spielen. Es bedurfte einer ordentlichen Portion Verhandlungsgeschick, den Pianisten umzustimmen und so das Konzert zu retten, das in der Tat heute als Sternstunde gesehen wird...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat Stimmenliebhaber

    Zitat

    Heute scheint ein Bild mehr als tausend Töne zu sagen...


    Das ist richtig, aber auch wieder nicht. Bilder sind seit Beginn der Tonträgerindustrie natürlicher Bestandteil der Produkte (Einspielungen). Ihre Bilder spiegeln Zeitgeschmack und Erwartungshaltung einer von der Schallplattenindustrie definierten Zielgruppe. Sie sind der primäre Zugriff, der abseits von der Kenntnis des Künstlers dazu führen kann, sich überhaupt den Tönen zu nähern. Insbesondere junge Künstler haben ja ein gewisses Problem: sie haben bisweilen (noch) nicht den Ruf, wie also versucht man zum Kauf zu bewegen ... nicht zuletzt über das Coverbild. Vorstellungen der Künstler und der Plattenindustrie kollidieren hier sicher: doch wird der etablierte Dirigent oder Pianist eher Chancen haben, seine Vorstellung des Selbstbildes zu beeinflussen. Momentan scheinen die Cover darauf zu zielen, optisch möglichst modern auszusehen. Mit den etwa von cpo bevorzugten Gemälden ist da kein Blumentopf zu gewinnen und mit den s/w Photographien, die namhafte Photographen von Künstlern anfertigen, anscheinend auch nicht.
    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ihre Bilder spiegeln Zeitgeschmack und Erwartungshaltung einer von der Schallplattenindustrie definierten Zielgruppe. Sie sind der primäre Zugriff, der abseits von der Kenntnis des Künstlers dazu führen kann, sich überhaupt den Tönen zu nähern.

    Genau, siehe zum Beispiel hier:

    Ein neuer Trend um Aufmerksamkeit zu erregen, scheint ja auch Duopartner so abzubilden, als wenn neben der musikalischen Partnerschaft auch noch was Privates läuft (oder nicht läuft).



    Also Prokofiev und Strawinsky sind hier wirklich grandios getroffen! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • :hahahaha:
    Das ist in der Tat ein schönes Beispiel, gemessen an anderen Covern durch die sw-Ästhetik aber wenigstens etwas weniger auf Boulevard-Hochglanz getrimmt. Wenn solche Cover dazu beitragen, dass gute Interpretationen weite Verbreitung finden, ist doch aber alles in Ordnung. Der Inhalt sollte dafür aber natürlich stimmen. Die Gleichung Hochglanzcover mit einem (oder eben gern auf zwei) jungen, dynamischen und modernen Interpreten ≠ gute Interpretation geht aber natürlich nicht auf.


    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Die Frage, die ich mir stelle: Wäre diese CD auch mit Interpreten produziert worden, die künstlerisch vielleicht sogar besser wären, aber nicht entfertn so fotogen sind? ?(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das ist eine vollkommen berechtigte Frage, bei der man vielleicht nicht allzu hoffnungsfroh sein sollte. Die Etablierung einer Marke, die für den Verkauf unerlässlich zu sein scheint, fällt mit einem Pianisten wie Lang Lang anscheinend viel leichter als mit anderen Künstlern. Denn ungeachtet, was er technisch an sauberem Spiel bietet, hinsichtlich der Durchdringung von Musik sind ihm doch einige, die weniger bekannt sin, weit voraus, haben aber nicht den "Pop-Sternchen" Effekt. Auf der anderen Seite hat sich Arcadi Volodos durchgesetzt, weil er eine Qualität bietet, an der man offenbar nicht vorbeikommt.
    Herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zitat

    Mit den etwa von cpo bevorzugten Gemälden ist da kein Blumentopf zu gewinnen und mit den s/w Photographien, die namhafte Photographen von Künstlern anfertigen, anscheinend auch nicht.


    Lieber JLang
    Hier bin ich nicht wirklich einverstanden.
    Als das Label cpo startete gab es zwei Schwerpunkte:
    a) unbekannte Klassikaufnahmen aus Barock und Klassik, später auch Romantik
    b) relativ unbekannte Moderne


    ALLE diese Aufnahmen waren mit entsetzlich modernen Grafiken ver(un)ziert, was mir die Kaufentscheidung oft schwer gemacht hat. Zur Moderne hat das gepasst - aber zur Klassik.
    Weil ich Briefe an Hersteller für zwecklos erachte - die machen sowieso was siwe wollen, habe ich auch diesmal keinen geschrieben. Aber andere scheinen es gemacht zu haben, denn plötzlich aus heiterem Himmel gab es zur Zeit und zur Musik passende Gemälde auf den Covern, eine Einstimmung auf das Programm gewissermaßen.
    Eine optische Vorstellung der Interpreten fand nicht statt - und hätte cpo wenig gebracht. Denn die Ausführenden waren weitgehend unbekannt. Wie verträgt sich diese Erklärung mit meinem Statement zu Beginn dieses Threads ?
    Hatte ich nicht behauptet, wenn die Cover mit Interpretenportraits geschmückt wären, dann würden diese bald bekannter ?
    Ja - das ist meine Überzeugung. Aber cpo macht sehr viele Kooperationen mit Rundfunksendern etc, die Ausführenden sind also meist keine cpo-Künstler mit Duaervertrag - egal ob exklusiv oder nicht. Nein eigentlich nicht egal - denn wer würde schon gern einen Künstler promoten, der vielleicht in 1-2 Jahren für die zahlungskräftigere Konkurrenz tätig sein könnte ?
    Bei cpo - und anderen Nischenlabeln ist in erster Linie der KOMPONIST und seine Werke wichtig - nicht der Interpret. Als cpo die Sinfonien von Ferdinand Ries herausbrachte war ich hellauf begeistert - aber ich habe mich damals weder interessiert welches Orchester da am Werke war, noch wie der Dirigent hiess. Es ging um "Ausgrabungen von Raritäten" - und so gesehen ist der Weg von cpo genau richtig. Naxos geht einen ähnlichen Weg, weicht aber gelegentlich davon ab, wenn man hofft ein Nachwuchstalent an sich binden zu können oder aber wenn man durch irgendeinen Zufall oder Verhandlungsgeschick einen bereits bekannten Künster vermarkten kann. Beispielsweise der Interpret möchte ein bestimmtes Werk einspielen - aber niemand möchte das Risko tragen. gelegntlich merkt man auch die Unentschlossenheit, wenn Naxos im Laufe der Jahre ein und dieselbe CD mal mit "Gemäldecover" und dann (mit gleicher Bestellnummer) mit "Interpretenphoto" (z.B. Maria Kliegel)veröffentlicht....
    Es ist also auch eine Frage, was man mit einem Cover erreichen will - welche Strategie man verfolgt.
    Zu den künstlerischen Photographien schreibe ich vielleicht in einem späteren Beitrag etwas....
    Es ist eine Frage der jeweiligen "Zielgruppe"


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !