Hans Gal - die Sinfonien und Konzerte

  • Lutgra wies im Beitrag Nr 57 des Threads:
    D-A-CH Symphoniker im 20. Jahrhundert
    auf die vier Sinfonien von Hans Gal (1890-1987) hin, und meinte, es wäre an der Zeit, sie kennenzulernen.


    Dies war der Anstoß für mich mir die hier erneut abgebildete Edition zuzulegen und diesen Thread zu eröffnen, der allerdings in späterer Folge auch die Konzerte einbeziehen wird, denn wenngleich Gal relativ viel komponiert hat, so ist bis jetzt nur relativ wenig von ihm verfügbar. Vorerst indes in aller Kürze ein paar Lebensdaten.:
    Hans Gal wurde 1890 in in Brunn am Gebirge geboren. Er studierte von1908 bis 1912 Komposition beim Brahms-Schüler
    Eusebius Mandyczewski. Schon in seiner Jugend unterrichtete er am Wiener Konservatorum, 1929 übersiedelte er nach Mainz und fungierte dort als Direktor des dortigen Konservatoriums. 1933 verliess er Deutschland, weil er dort als Jude verfolgt wurde. Bis 1938 wirkte er in Wien als Dirigent, flüchtet dann aber erneut - diesmal nach England, wo er als "feindlicher Ausländer" interniert war, aber ab 1945 an der Universität Edinburg Komposition, Musiktheorie und Kontrapunkt unterrichten konnte. Er schrieb zahlreiche musikwissenschaftliche Bücher und komponierte 4 Sinfonien, Konzerte, Kammermusik und einge Opern. Am 3. Oktober 1987 starb Hans Gal in Edinburgh.


    Sieht man im "Österreich-Lexikon", im "Historischen Lexikon der Stadt Wien", im 4 Bändigen Metzler Musiklexikon" oder in der 24 bändigen "Brockhaus Enzyklopädie" (19. Auflage) nach, so findet man in jedem dieser Nachschlagewerke entsprechende Eintragungen etc. Lediglich in den mir zur Verfügung stehenden Konzertführern herrscht Sendepause....


    Hnas Gal schrieb seine erste Sinfonie 1927. Uraufgeführt wurde sie 1928 in Düsseldorf. Vorher hatte sie bei einem Wettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, welcher in Cooperation mit der Schdllplattenfirma Columba anlässlich des 100. Todestags von Franz Schubert veranstaltet wurde, den 2. Platz der österreichischen Teilnehmer erreicht.


    Ich persönlich empfand die tonale Sinfonie insgesamt als recht abwechslungsreich mit zahlreichen Ideen, indes konnte ich die oft aufgestellte Behauptung, Gals Musik wurzle auf Brahms und Schubert beim besten Willen nicht nachvollziehen. Vielleicht kann jemand andrer das bestätigen oder hier widersprechen. Ich empfand das Werk durchwegs als heiter und verspielt, mit Ausnahme des letzten Satzes, der mich an einen Trauermarsch erinnert.
    "Verspielt" war mein erster Eindruck - und ich fand ihn im Booklet bestätigt - einer der wenigen Punkte, wo mein Höreindruck mit jenem des Verfassers (in Bezug auf die 1. Sinfonie) übereinstimmt. Besonders beim 2. Satz, der Burleske ist das gut zu hören, Gal lässt hier Teile des Orchesters "meckern" oder "schnattern". Ich fand hier Details, die mich entfernt an Gustav Mahler erinnerten, da dies aber nirgendwo sonst behauptet wird, wird es wohl ein sehr subjektiver (und vielleicht sogar falscher) Eindruck sein.
    Beim Beginn des vierten Satzes hätte ich auf Schostakowitsch getippt, weil hier auch jener künstliche Optimismus auftritt.
    Der vierte Satz ist für mich der beeindruckendste, vor allem von der farbigen Instrumentation und den ständigen Stimmungswechseln her. Ab 1:29 fand ich eine kurze Stelle, die mich an einen Trauermarsch (?) erinnert.
    Das Thma ertönt im Laufe des Satzes in abgewandelter Form immer wieder, kann sich aber nicht durchsetzen, der Satz endet "optimistisch".
    Wie dem auch sei - es ist verwunderlich, daß Gals lange Zeit quasi in der Versenkung verschwunden ist, notabene, da er einge offizielle Auszeichnungen bekommen hat.


    1915 Österreichischer Staatspreis
    1926 Kompositionspreis der Stadt Wien


    Hier noch ein Link zum Orchester, mit welchem die Aufnahme der 4 Sinfonien realisiert wurde.....


    http://www.orchestraoftheswan.org/about/#tabs-about-tab-1


    und zu einer Hans Gal gewidmeten Spezialseite


    http://www.hansgal.com/


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von Hans Gal habe ich in meiner Bibliothek dieses Buch, das er zu Franz Schubert geschrieben.


    Franz Schubert oder die Melodie



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ja, den Hans Gal, den höre ich auch gerade. Und ich bin mir noch nicht so ganz sicher, was ich von seinen vier Symphonien halten soll. Auffällig ist schon einmal, dass diese Musik sehr lyrisch geprägt ist und kaum dramatische Elemente enthält. Zumindest gilt das für den Erstling. Dementsprechend geht es im Orchester kaum über das Mezzoforte hinaus. Was für die Zeit der Komposition (1927) ja doch eher ungewöhnlich ist. Ähnlich wie Alfred höre ich, vor allem in den Sätzen 2 und 3 Anklänge an Gustav Mahler, dem lyrischen, also an die Binnensätze der frühen Symphonien. Der vierte Satz erinnert ein wenig an Musik aus Prokofieffs Lt. Kije Suite/Die Liebe der drei Orangen. Und auch der kecke frühe Schostakowitsch ist andeutungsweise vernehmbar. Also irgendwie ist er schon mitten drin in der Musik seiner Zeit, aber andere sind deutlich lauter und schriller. Die Musik ist exzellent komponiert und orchestriert, da ist zweifellos ein Meister am Werk; der Komponist war auch schon 37 als er die Symphonie schrieb. Also, das ist Musik, die nicht nach grossem Ausdruck strebt (vom Expressionismus eines Berg oder der Opulenz eines Schreker oder Korngold sind wir hier weit entfernt), sondern eher musikantisch daherkommt, so eine Art lyrischer Hindemith.

  • Ich pflichte in allen Punkten bei. Aber es ist ja schliesslich die PERSÖNLICHKEIT von Hans Gal, die dem "großen Erfolg" im Wege stand, meiner Einschätzung nach ein introvertierter Intellektueller, der finanziell und emotionell nicht vom finanziellen Erfolg oder von der Akzeptanz seiner Sinfonien abhängig war. Ich habe diesen Thread mit Liebe vorbereitet und das Booklet studiert, bzw bei Wikipedia nachgelesen. Als Sohn eines Arztes war er wohl nicht von finanziellen Krisen geplagt und er konnte es sich leisten "seinen" Weg zu gehen. Seine erste Sinfonie, die wir beide nun schon gehört haben, wurde ja vorerst beispielsweise von ihrem Herausgeber unter dem verniedlichenden Namen "Sinfonietta" veröffentlicht. Man war sich also der verhältnismäßigen "Leichtigkeit" des Werkes voll bewusst. Aber zu jenem Zeitpunkt war Gal eigentlich schon berühmt, man beachte seine Auszeichnungen, seine Position im Lehrfach, seine Spezialfächer. Erst als er aus politischen Gründen fliehen musste begann sein Stern zu sinken - und nach dem Krieg war er ausser Mode gekommen. Persönlich würde ich jetzt gerne eine Pause machen und die Tonsprache auf mich einwirken lassen - und in einigen Wochen mit der zweiten Sinfonie fortsetzen. ich bin sehr erfreut, daß mein Eindruck, hier und da klänge etwas wie (früher) Mahler doch nicht ganz falsch zu sein scheint. Im Gegensatz zu vielen anderen Hörern stelle ich nicht die Bedingung auf, Musik müsse DRAMATISCH klingen, ich kann mit eingeschränkter Dramatik durchaus einverstanden sein. Ich bin mit Orchester und Aufnahmetechnik sehr zufrieden, gebe aber dennoch zu bedenken, daß es sich hier um ein Kammerorchester handelt. Gal, gespielt von den Wiener Symphonikern (das läge auf ihrer Linie), das wäre ein interessantes Experiment....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe zwar nichts Substanzielles beizutragen und werde mich kurz fassen ... ich streiche ja schon länger um Gal herum und habe vor einiger Zeit seine Oboensonate aus 1965 meiner Sammlung einverleibt, die mir als viel zu spät kommende Spätromantik erscheint. Wenn ich jetzt in die jpc-Schnipsel der obigen Sinfonien-Ausgabe höre, habe ich auch insbesondere bei der ersten Schostakowitsch und Prokofieff-Assoziationen, allerdings natürlich in der Schärfe zurückgenommene stärker Richung Romantik geglättete Varianten der großen russischen Vorbilder. Das klingt wirklich weder schlecht noch uninteressant.

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  • Zitat

    Das klingt wirklich weder schlecht noch uninteressant.


    Es ist auch nicht schlecht oder uninteressant. Die Problematik scheint mit zu sein, daß Gal - wie einige seiner Generation - zwischen zwei Stühlen zu sitzen scheint: Den Konservativen ist er zu modern, den Modernen zu konservativ, und einer weiteren Gruppe zu wenig aggressiv. All das natürlich bezogen auf die bisher von mit gehörte erste Sinfonie, die allerdings - obwohl das immer wieder behauptet wird, nicht wirklich der Spätromantik zuzuordnen ist. Das (bisher) mangelnde Interesse an Gal ist ja kein Einzelfall, es betrifft viele seiner Generation. Die derzeit verfügbare Diskographie ist ja wesentlich umfangreicher, als ich erwartet hatte.
    Gal bekommt, wenn die Zeit dafür reif ist, einen Kammermusikthread bei Tamino, einer für seine Musik für Klavier Solo aus dem Jahre 2007 besteht bisher nur aus dem Eröffnungsbeitrag. Das kann sich ändern....


    Hans Gál - Das vollständige Werk für Soloklavier


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Soeben habe ich Hans Gals Sinfonie Nr 1 erneut gehört - und zwar als Vorbereitung eines Beitrag über die Sinfonie Nr 2. Es sit stets günstig sich Höreindrücke einer "Rezension", die man einst geschrieben hat, wieder in Erinnerung zu rufen, weil man dann das Folgewerk korrekter einschätzen kann (wenn sowas überhaupt möglich ist).
    Dabei habe ich die Entdeckung gemacht, daß es eher ungünstig ist, sich Gals Sinfonien von der "durchleuchtend-analytischen" Seite zu nähern. Ich habe die Sinfonie Nr 1 völlig entspannt auf mich wirken lassen, worauf sich eine Art "Trance" bei mir einstellte, die Kritikfähig- und Willigkeit war plötzlich stark herabgesetzt und das Werk entführte mich in einen eigenen Klangkosmos - wo es nicht um agressive Orchestereffekte, sonden um eine Art Traumerleben ging....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hals Gals 2. Sinfonie entstand in Zeiten der Krise. Die Mutter war gestorben, der jüngste Sohn hatte im Alter von 18 Jahren Selbstmord begangen, er selbst hatte seine Posten verloren befand sich als Flüchtling in England – als feindlicher Ausländer betrachtet und behandelt. Dennoch schrieb er die Sinfonie in den Jahren 1942/43. Es ist ein eher melancholisches Werk, sieht man vom 2. Satz einal ab, den Gal selbst als humorvollen, vitalen und energiegeladenen Teil der Sinfonie sieht.
    Dern längsten Teil indes macht der 3. Satz, das Adagio aus, welches ursprünglich den Titel „Elegie“ oder „Totenklage“ hätte erhalten sollen, aber schließlich verwarf Gal die Idee eines klagenden Satzes und meinte, es sei eher eine Musik des Trostes. Bemerkenswert, wie dieser Trost etwa bei Minute 8:30 durch einen „Schrei“ unterbrochen wird.
    Dieser Satz war es auch der als erstes Stück aus dieser Sinfonie zur Aufführung gelangte und zwar im Oktober1947 durch Otto Schmittgen in Wiesbaden, erst ein Jahr später folgt am selben Ort mit selben Dirigenten die Uraufführung der kompletten Sinfonie.
    Der Finalsatz stellt gewissermaßen das Resumee der gesamten Sinfonie dar. Die Stimmungen wechseln – und die Sinfonie endet – dem Charakter ihres Schöpfers entsprechend – melancholisch versonnen….


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir gestern und heute noch einmal die ersten beiden Symphonien von Hans Gal angehört und bin ihnen auch näher gekommen als im ersten Hördurchgang vor einigen Wochen. Alles was bisher geschrieben wurde, kann ich unterschreiben. Noch deutlicher diesmal für mich die Nähe zur Musik von Gustav Mahler und zwar zu den frühen Symphonien und hier auch nur zu den eher lyrisch geprägten Mittelsätzen. Das Auftrumpfende, Grandiose geht ihm völlig ab. Was auch völlig fehlt ist eine Rezeption der Entwicklungen, die im frühen 20. Jahrhundert in Wien und Paris stattfanden. Was einigen Hörern sicher entgegenkommen mag. Eine ziemlich eigene, lyrisch introvertierte sehr feine Klangwelt ist es, die sich Hans Gal hier aufgebaut hat, vielleicht als eine Art "innere Emigration" anbetracht der widrigen äußeren Lebensumstände. Musik zum Zuhören und sich Hineinvertiefen. Die vier Streichquartette sind noch nicht in meiner Sammlung, aber das wird sich ändern.

  • Wie so oft in letzter Zeit hat Lutgra mein Hörprogramm beeinflusst. Ich habe seinen Beitrag zum Anlass genommen mir - nach ca 3 wöchiger Pause - (was duraus beabsichtig war) Gals 3. Sinfonie anzuhören. Das Werk ist 3 sätzig und entstand in den Jahren 1951/52 und wurde 1954 vom Orchester der österreichischen Rundfunks unter seiner persönlichen Leitung uraufgeführt. Ein verhakten melancholisch-idyllischer Grundton ist nicht zu überhören (und sollte es vermutlich auch gar nicht sein, wenngleich im ersten Satz diverse "Klangattacken" diese Idylle stören, wobei gesagt werden muß. daß diese "Attacken" bei Gal einigermaßen moderat ausfallen, was vermutlich seiner Persönlichkeit entspricht. Gal war sich mit ziemlicher Sicherheit über die Wirkung jeder seiner gesetzten Noten im klaren, als Intellektueller, Dozent für Kompositionstechnik, Musiktheorie und Kontrapunkt in Edinburgh. Der intellektuelle Kompositionsansatz mag auch schuld daran sein, daß sich sein Werk nicht wirklich etablieren konnte und kann, wenngleich einige lyrische Stellen von betörender Schönheit sind. Ich rate jedem, die Sinfonie Nr 3 zumindest 2 mal zu hören, sie entfaltet erst beim 2. Mal hören ihre volle Wirkung. Interessant ist, daß Gal zu Lebzeiten keineswegs "unterschätzt" wurde, er wurde mit einem Ehrendoktorat und zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die Hier veröffentlichte Liste stammt von Wikipedia und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


    1915 Österreichischer Staatspreis
    1926 Kompositionspreis der Stadt Wien
    1964 Officer des Order of the British Empire
    1957 Großer Österreichischer Staatspreis für Musik
    1971 Österreichisches Ehrenkreuz 1. Klasse
    1981 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ja, lieber Alfred, die 3. Symphonie habe ich heute auch gehört, aber die Eindrücke waren noch zu neu, um etwas zu schreiben. ich muss das noch mal hören.

  • Die viersätzige 36-minütige 4. Symphonie von 1974 ist ein Spätwerk des Komponisten, er war bereits 84 als er es schrieb. Es ist auch keine richtige Symphonie, sondern eine Sinfonia concertante für Violine, Flöte, Klarinette und Cello. Ein typisches "altersweises" Werk, das in Stil und vielen Momenten an das instrumentale Spätwerk von Richard Strauss erinnert. Wem das gefällt, der dürfte auch mit diesem Werk keine Probleme haben. Ich muss zugeben, dass ich - wenn ich mal in der Stimmung für so eine Musik bin - lieber gleich zu Mozart greife.

  • Soeben ist Gals Klavierkonzert Klavierkonzert auf CD erschienen - und ich konnte nicht widerstehen. Es gibt ja derzeit eine richtige Gal-Schwemme an Aufnahmen - und man frqagt sich was der unmittelbare Anlass gewesen sein mag - ein Jubiläum- welcher Art auch immer - ist es jedenfalls nicht. Das Konzert entstand 1948 und Gal hatte eine Reihe von Schicksalsschlägen hinter sich. Ich meine aber, daß diese sich im Werk nicht niederschlagen.
    Das Konzert ist nur schwer zu beschreiben. Es beginnt äusserst unruhig mit sofortigerm Klaviereinsatz. ein wenig kühl und dennoch feurig, weniger in sich geschlossen, aber im weitestens Sinne an Gershwin erinnernd (hier wäre ich an Statements anderer Mitglieder interessiert, denn solch eine Aussage ist immer sehr subjektiv und daher mit Vorsicht zu geniessen) Wir finden lyrische Momente, solche voll temperament und Brillianz, alles wirkt eigenartig, aber dennoch überzeugend, schwer einzustufen. Bei aller Komplexität indes doch irgendwie als stilistische Einheit zu erleben. "Schöne" Stellen sind eher selten - aber es gibt sie - interessante indes jede Menge. Auch die solistischen Bläsersequenzen sind beeindruckend, oder wenn das Klavier nach einigen Attacken plötzlich in eine introvertierte Phase gerät. Sarah Beth Briggs meistert dies alles souverän - ja soverän ist das richtige Wort. Auch im verträumt dahingelitenden 2. Satz zeigen beide ihre Meisterschaft: Der Komponist und seine Interpretin. Der (künstlich?) fröhliche Finalsatz vermittelt wieder eine andere Stimmung - und an dieser Stelle möchte ich das Orchester erstmals loben, wie es unter seinem Dirigenten Kenneth Woods auf jede Tempo und Stimmungsänderung des Werkes flexibel reagiert, das ist schon bemerkenswert.

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir das Konzert auch sofort bestellt - und finde es nur ein wenig schade, dass nicht mit etwas Originellerem als KV 482 gekoppelt wurde. Aber sei's drum.


    Es ist tendenziell meine Erstbegegnung mit Gál - tendenziell, weil ich schon lange nicht mehr überblicke, was ich vielleicht mal zufällig im Rundfunk gehört habe.


    Der Höreindruck durch die Proben beim Partner legt nahe, dass Gál Neuromantiker ist und wohl wie ein transparenter Oberpfälzer ( :P ) schreibt. Das reizt mich schon.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo da draußen,


    Hans Gal (1890-1987)
    Violinkonzert
    + Violinsonaten

    Thomas Albertus Irnberger, Evgeni Sinaiski, Israel Chamber Orchestra, Roberto Paternostro
    Gramola, DDD, 2010
    Super Audio CD; stereo & multichannel (Hybrid)


    Diese Produktion ist allein deshalb verdienstvoll, da sie die einzige Gesamtaufnahme der beiden Violinsonaten Gáls enthält. Auch das Violinkonzert liegt meiner Recherche nach lediglich in nur einer Alternativeinspielung vor (Annette Vogel, Northern Sinfonia, Kenneth Woods).
    Die an manchen Stellen zu lesenden Brahms-Vergleiche kann ich in den Werken nicht nachvollziehen. Jedenfalls finde ich die Dinge, die Brahms aus meiner Sicht charakterisieren (Melancholie und sehnsuchtsvolle Emotionalität, Unterstreichung des Strukturellen, eine gewisse „Sperrigkeit“), nicht prominent in den gehörten Werken wieder. In diesen Kompositionen für Violine überwiegt ein lyrischer Ton, dem es – für mein Empfinden – aber an einer kontrastierenden Dramatik fehlt. Zumindest im Violinkonzert. Der Musik mangelt es daher etwas an Überzeugungskraft.
    Das dreisätzige, 1932 vollendete und rund 25 Minuten dauernde Violinkonzert ist ganz auf den Solisten zugeschnitten, hochvirtuos, mit tendenziell begleitender Orchesterrolle. Dabei wirkt der Violinpart nicht allein als Vehikel zum zeigen des Könnens des Solisten, sondern hat durchaus musikalisches Gewicht. Diesbezüglich eine kongeniale Mischung aus Gehalt und Virtuosität. Irnberger spielt das sehr überzeugend, mit einem schönen, warmen Ton.
    Diesen zeigt er auch in den beiden Violinsonaten. Hier steht der Deutung jedoch die Aufnahmetechnik im Wege, denn die Werke sind – anders als das Konzert – zu distanziert aufgenommen worden. Das Klangbild ist mir zu entfernt und diese ungünstige Mikrophonisierung stützt leider den Eindruck einer zu wenig packenden Musik. Das müsste so nicht sein, denn die Sonaten sind durchaus abwechslungsreich, sowohl mit schönen Momenten als auch mit Dramatik gesegnet. Der Toningenieur hätte sich hier besser ein Beispiel an der Arbeit vieler Rundfunk-Kollegen nehmen sollen, die zumeist näher und „trockener“ aufnehmen, damit aber auch direkter an der Musik dran sind. Die beiden Sonaten hätten dadurch sehr gewonnen und bezüglich der Werke bleibt aus meiner Sicht somit nur die Hoffnung auf weitere Einspielungen.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Das überaus lesenswerte Buch "Surprised by Beauty", das den Teil der Musik des 20. Jahrhunderts abhandelt, der in den meisten anderen Konzertführern nicht oder nur am Rande auftaucht, nämlich den Komponisten gewidmet ist, die nicht zur "Avantgarde" gehör(t)en, enthält auch ein Kapitel zu Hans Gal. Die dortige Beschreibung der 2. Symphonie hat mich dazu animiert, das Werk wieder einmal zu hören und seine große Schönheit wiederzuentdecken.


    Robert R. Reilly schreibt: It is, in fact, music from a lost world (with shades of Franz Schmidt) that speaks with such a grace that one almost gasps at the magnitude of the loss. ...How did he do it? For that you must listen to the music. There is something innocent, almost preternatural about it. This is not to say that the music is untroubled. The trouble however does not shatter musical terms. What do I mean by that? As in Mozart and Haydn, horror never horrifies. The music never shrieks or leave you disoriented. In fact orientation seems to be its whole purpose.


    Ich kann nur jedem raten, die 2. Symphonie 2,3 mal zu hören. Solange braucht es, um über die Unaufgeregtheit und Zurückhaltung der Musik hinweg zu ihrem inneren Kern zu gelangen, aber dort liegt der wahre Schatz begraben.

  • Deinem letzten Absatz, lieber lutgra, kann ich nur beipflichten.


    Thomas Zehetmair hat die ersten beiden Sinfonien von Hans Gal zusammen mit Sinfonien von Schubert aufgenommen (passt ja):



    Die 2. Sinfonie habe ich positiv in Erinnerung, kann aber nicht gerade behaupten: Hurra, ich habe eben eine Sinfonie von Hans Gal gehört. ;)


    Wahrscheinlich braucht es noch einige Beschäftigung mit der Sinfonie, um sich dem Kern zu nähern...


    Im Übrigen lohnt sich der Kauf der CDs schon wegen der spritzigen, filigran-differenziert ausgeleuchteten Interpretationen der Schubert Sinfonien. Zehetmair ist ein hervorragender Dirigent...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Die beiden Sonaten hätten dadurch sehr gewonnen und bezüglich der Werke bleibt aus meiner Sicht somit nur die Hoffnung auf weitere Einspielungen.


    Die es bereits gibt.

  • Irgendjemand dürfte eine Hans Gal Renaissance eingeläutet haben, den schon wieder habe ich eine Neuafnahme zu vermelden, diesmál ein Cellokonzert. Die CD muss er allerdings mit einem anderen Komponisten teilen: Marai Castelnuovo-Tedesco


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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