Alban Berg Orchesterstücke op. 6

  • Alban Berg's Orchesterstücke op. 6 sind auch 100 Jahre nach ihrem Entstehen eine der modernsten und radikalsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts, ein absolutes Meisterwerk des musikalischen Expressionismus, das ich allen Hörern, denen die Zeit und Geduld für "Wozzeck" und "Lulu" fehlen nur wärmstens empfehlen kann. Warm muß man sich auch anziehen, denn hier geht es richtig zur Sache. Kaum eine Partitur ist derart brütend komplex und türmt derartig Dissonanzen übereinander wie diese. Dadurch entsteht eine ganz alptraumhafte Atmosphäre, die einen soghaft anziehen kann.
    Das Stück besteht aus drei Sätzen:


    1. Präludium. Langsam ca. 5 min
    2.Reigen. Anfangs etwas zögernd -Leicht beschwingt ca. 6 min
    3. Marsch. Mäßiges Marschtempo ca 10 min


    Das Präludium entwickelt sich aus einer geräuschartigen Klangballung, daraus entstehende Motive türmen sich langsam auf, um dann schließlich wieder ins Geräusch zurück zu fallen.
    Der Reigen ist alles andere als "leicht beschwingt", alptraumhafte Tanzszenen, die auf "Wozzeck" vorausweisen, Walzer, Ländler wirbeln umeinander, traurig und trostlos. Immer wieder bricht es ab und neue Aufschwünge werden erzwungen.
    Der Marsch schließlich, nach Bergs eigenen Worten "die komplexeste Partitur die je komponiert wurde" weist noch mehr als die anderen beiden Sätze auf das große Vorbild Gustav Mahler. Dieser Satz wirkt wie eine Kondensation der 6. Symphonie auf 10 min, was natürlich nur durch Überlagerungen und gleichzeitig ablaufende musikalische Verläufe möglich ist. Hier erinnert die Partitur auch am stärksten an einige eines anderen "Neutöners", des Amerikaners Charles Ives. Die Klangsteigerungen dieses Satzes findet man in dieser Intensität nur in wenigen Partituren des 20. Jahrhunderts. Er schließt mit dem 3. Hammerschlag aus dem Schlußsatz vom Mahlers Sechster.
    Diese Partitur muss man naturgemäß öfter hören, um sie "verarbeiten" zu können.
    Ich habe gestern und heute diese beiden Aufnahmen gehört. Beide sind hervorragend. Ich sage es ungern, aber die 1961 entstandene Dorati klingt besser und entfaltet mehr "Punch" als die 1986 aufgenommene Digitalaufnahme unter Levine.



    P.S. Die Original Living Presence LP habe ich natürlich (leider ;( ) nicht, sondern eine Lizenzausgabe des Deutschen Schallplattenclubs. Aber auch die klingt ziemlich gut.