Ferruccio Busoni - Das Werk

  • Hallo,


    es scheint nach dem Themenverzeichnis bisher nur einen Thread zum Klavierkonzert von Ferrucio Busoni zu geben und ich finde das zu wenig in Anbetracht der Vielzahl der Kompositionen dieses vor mir schwierigen Komponisten. Daher eröffne ich hier einen allgemeinen Busoni-Thread zur Diskussion seiner Werke.
    Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, muß man sich der Musik systematisch nähern. Findet man ein Werk eines Komponisten gut, lohnt es sich, nach möglichst allen anderen Werken dieses Komponisten zu suchen. Findet man eine Aufnahme eines Klassiklabels gut, lohnt es sich, nach allen anderen anderen Aufnahmen dieses Labels zu suchen. Findet man einen Musiker gut, lohnt es sich, nach allen anderen Aufnahmen dieses Musikers zu suchen.


    Ferrucio Busoni lernte ich durch seine Phantasia Contrappuntistica kennen. Ich besitze die Aufnahme von András Schiff und Peter Serkin (ECM). Der Beginn dieses Werkes hat mich sehr beeindruckt, die Polyphonie ist komplex und das Stück insgesamt beeindruckend und interessant vor mir. Leider wirkt es dann nach einigen Minuten recht trocken und wenig inspiriert, bis kurz vor Schluß, wo die Inspiration zu Busoni zurückzukehren scheint. Im Stück wird der Choral "Allein Gott in der Höh´ sei ehr" genutzt. Schiff und Serkin spielen recht percussiv, artikulieren und phrasieren aber vor mir musikalisch sinnvoll.


    Dieses Stück erschien mir interessant genug, um nach weiteren Werken von Busoni zu suchen.


    Das Violinzkonzert und die Violinsonta no. 2 habe ich mit Frank Peter Zimmermann, dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI unter Leitung von John Storgards. Ich habe es lange nicht gehört, fand das lyrische und entspannte Stück jedoch hörenswert. Die Interpretation ergab von der Phrasierung und Artikulation her musikalischen Sinn vor mir. An die Violinsonate kann ich mich nicht mehr erinnern. Es ist schön, das Violinkonzert zu kennen, aber ich habe es wohl nur einmal gehört.


    Das Klavierkonzert habe ich mit Marc-Andre Hamelin und dem City of Birmingham Symphony Orchestra unter Leitung von Marc Elder. Auch hier handelt es sich nach meiner Erinnerung um ein eher lyrisches und entspanntes Stück (warum es im Thread als "Koloß" bezeichnet wird, ist mir unklar), das durchaus hörenswert ist. Auch diese Interpretation ergab von der Phrasierung und Artikulation her musikalischen Sinn vor mir. Es ist schön, das Klavierkonzert zu kennen, aber ich habe es wohl nur einmal gehört.


    Dann habe ich "Late Piano Music" mit Marc-André Hamelin. Diese drei CD´s sind schwierig vor mir. Je höher die Numerierung im BV ist, umso uninspirierter wirken die Stücke. Vielleicht ist die Interpreation von Marc-André Hamelin zu nüchtern. Er spielt aber nicht schlecht.


    Die Oper Doktor Faust habe ich mit Kent Nagonao und dem Orchestre et Choer de l´opera national de Lyon. Opern von CD sind generell schwierig vor mir, sie brauchen für mich die Bühne und die Darsteller. Ich habe es daher nicht geschafft, die ganze Oper zu hören, was ich hörte, war jedoch vielversprechend (und auch bezüglich der Interpretation gelungen) und ich würde mir wünschen, diese Oper einmal in einer Aufführung hören zu dürfen.


    Die vor mir beste Busoni-CD, die ich habe, ist die mit Claudius Tanski (MD&G). Tanski spielt für mich viel inspirierter und emotionaler, auch romantischer, als der eher nüchterne Hamelin. Seine Artikulation und Phrasierung finde ich gelungen und ausdrucksstark. Seine Dynamik ist groß, größer als bei Hamelin, wenn ich mich richtig erinnere und das finde ich sehr gut. Hier kann man bei jpc in die CD hineinhören:



    Meine Lieblingsstücke, die ich öfter höre, ist die Toccata und Fuge in d-moll von Bach (Titel 2 - bei jpc falsch bezeichnet), "Meine Seele bangt und hofft zu Dir", eine sehr beeindruckende und groß angelete, emotional tief berührende Paraphrase über "Allein Gott in der Höh´ sei Ehr" (Titel 4) und "Turandots Frauengemach" (Titel 5), eine schöne Paraphrase über "Greensleaves" - bei der Turandot oder die Frauen allgemein am Ende nicht so gut wegkommt/en, wie ich meine :) Ein bischen frauenfeindlich vielleicht, vielleicht ist auch etwas wahres im weiblichen Charakter von Busoni erkannt worden...


    Beklagenswert ist das Klangbild von Dabringhaus & Grimm. Der Steinway aus dem Jahr 1901 (Busoni schrieb, man solle den Bösendorfer verwenden, warum ein Steinway gewählt wurde, ist mir unklar) klingt wolkig und diffus und die Oberwellenstruktur klingt unnatürlich. Vielleicht wurde ein Exciter oder ein ungewöhnlich stark klirrendes Mikrofon gewählt.


    Wer sich einen Eindruck von Busoni am Bösendorfer machen will, dem empfehle ich die Aufnahme u.a. der "Fantasia Contrappuntistica" mit dem Pianisten Mariotti (Foné). Will der Komponist ausdrücklich ein besonderes Instrument, sollte dies nach meiner Ansicht unbedingt geachtet werden. Also Busoni nur am Bösendorfer!


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Wer sich einen Eindruck von Busoni am Bösendorfer machen will, dem empfehle ich die Aufnahme u.a. der "Fantasia Contrappuntistica" mit dem Pianisten Mariotti (Foné). Will der Komponist ausdrücklich ein besonderes Instrument, sollte dies nach meiner Ansicht unbedingt geachtet werden. Also Busoni nur am Bösendorfer!

    Man kann auch Busoni selber auf einem Bösendorfer hören, lieber Andreas (Welte-Mignon Rollenaufnahme) - er war ein begnadeter Pianist, besonders als Liszt-Schüler von Liszts Werken:



    Er war eine hochinteressante Persönlichkeit und setzte sich als Professor in Berlin sehr für Neue Musik ein. Von ihm selbst stammt die visionäre Idee der elektronischen Musik, welche dann Stockhausen verwirklichte. Meinen Text Konstruktion und Verdichtung. Die Schöpfung aus dem Nichts bei Busoni, Schönberg und Stockhausen kann man hier als PDF-Dokument herunterladen, hat die Schönberg-Gesellschaft eingestellt:


    213.185.182.229/library/index.php/attachments/single/473



    Berühmt war er auch für seine Bach-Transkriptionen. Seine Frau wurde deshalb sogar mal mit Mrs. Bach-Busoni angesprochen! :D Überhaupt das gelungenste Beispiel für eine Transkription verkörpert für mich die berühmte Chaconne - exemplarisch gespielt von Arturo Benedetti Michelangeli:



    Auch "Komm der Heiden Heiland" ist wunderbar - bewegend gespielt etwa von Dinu Lipatti oder Vladimir Horowitz. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • astewes

    Hat den Titel des Themas von „Das Werk von Ferruccio Busoni“ zu „Ferruccio Busoni - Das Werk“ geändert.