Modest Mussorgsky - einer der größten Komponisten

  • Hallo,


    mit größtem Erstaunen habe ich zur Kenntnis genommen, daß es noch gar keinen Mussorgski-Thread gibt. Nur je einen Thread zu Instrumentierung von Mussorgskis Werken durch Ravel. Erstaunen, weil Mussorgski vor mir zu den größten Komponisten überhaupt gehört. Er hat ja auch mehr geschrieben, als die Bilder einer Ausstellung, die jedoch zurecht populär sind, und mit denen ich hier beginnen möchte. Mir gefällt die Klavierversion besser, als die Orchesterversion von Ravel. Hierbei bevorzuge ich Valery Afanassiev als Interpreten, der dieses hoch virtuose Werk manuell und emotional vor mir vollständig bewältigt hat. Leider ist die excellent klingende Denon-CD derzeit gestrichen. Ich durfte Afanassiev mit diesem Werk in Hannover hören und dies war eines der beeindruckendsten Konzerte, was ich überhaupt je erlebt habe.
    Die Orchesterfassung von Ravel hörte ich mit Günter Wand und dem NDR Sinfonieorchester. Das war absolut überzeugend. Wand geht mit Strenge an dieses große, ja gewaltige Werk und er läßt sinnvoll phrasieren und artikulieren. Das große Tor von Kiev gehörte zu den lautesten live-Konzerten, die ich je gehört habe. Hier kann man bei jpc hineinhören:



    Man kann darüber nachdenken, ob die eher brillante, fast etwas oberflächliche Instrumentierung von Ravel diesem tiefsinnigen Werk gerecht wird. Schmulye in der Trompete finde ich z.B. nicht so gelungen. Ich hörte im Radio eine ernstere Instrumentierung eines mir jetzt leider unbekannten russischen Komponisten, die mir besser gefiel.


    Eine Nacht auf dem kahlen Berge habe ich in der Orchesterfassung von Nikolai Rimsky-Korsakow, die nach meiner Einschätzung Mussorgski besser gerecht wird, als Ravel. Seit Jahren bin ich mit der Aufnahme des Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchesters unter Leitung von Ogan Durjan sehr zufrieden. Leider ist die CD (Eterna) gestrichen und es gibt keine einzige Tonaufnahme dieses großen Dirigenten mehr im Katalog, wie es scheint. So will hier hier dann wenigstens hier an Ogan Durjan erinnern:
    http://www.anne-kristin-mai.de/dourianarchiv.htm
    Durjan forciert nicht, er läßt rhythmisch sehr flexibel spielen, die Musik swingt und tanzt, die Steigerungen sind dennoch gewaltig (unforciertes Spiel und große Steigerungen schließen sich nicht aus, auch Wand tat das). Phrasierung und Artikulation von Durjan erscheinen mir musikalisch sinnvoll.


    Meine "Musik-Ansprache"


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • mit größtem Erstaunen habe ich zur Kenntnis genommen, daß es noch gar keinen Mussorgski-Thread gibt.


    Mit größtem Entsetzen habe ich zur Kenntnis genommen, dass Du dabei eines der großartigsten Werke des Opernschaffens zu erwähnen vergessen hast:


    Boris Gudonov.

  • Pischkuns Zarendrama - uff:
    Es lebe Biros Godunuff!


    Aber von der Sache her stimme ich Dir natürlich zu, lieber Hami. - Mussorgskij ist übrigens auch einer der ganz großen Liedkomponisten. Viele herausragende Einzellieder umgeben großartige Zyklen wie "Lieder und Tänze des Todes" oder "Ohne Sonne".

  • Lieber Andreas,


    Leider ist die CD (Eterna) gestrichen und es gibt keine einzige Tonaufnahme dieses großen Dirigenten mehr im Katalog, wie es scheint.


    da kann ich mit einer guten Nachricht aufwarten -- diese Einspielung mit Ogan Durjan von der Nacht auf dem Kahlen Berge ist ohne Probleme verfügbar:



    hier in anderer Zusammenstellung gebraucht oder als Download ebenfalls noch:




    liebe Grüße

  • Es gibt ja eine ganze Reihe von Orchesterfassungen zu Mussorgskis "Bilder einer Ausstellung" oder auch zu seiner "Nacht auf dem kahlen Berge", von Ravel bis hin zu der Rockfassung von Lake und Emerson. Ich selbst besitze neben der Klavierfassung der "Bilder" und der Orchesterfassung von Ravel auch die von Stokowski, die mir ebenfalls gefällt. In der Orchesterfassung von Ravel erscheint mir vor allem "Das alte Schloß" sehr eindrucksvoll, weil das Saxofon eine spezielle Stimmung evoziert. Eine der neueren Fassungen stammt von Peter Breiner, die von Hörern gute Kritiken erhalten hat und die ich mir eventuell auch einmal besorgen werde.
    Ich bin kein Analytiker, sondern höre mehr mit meiner Empfindung. Es würde mich aber sehr interessieren, an dieser Stelle mehr über die verschiedenen Orchesterfassungen zu erfahren.
    Interessant wäre auch einmal bei dem von Hami genannten "Boris Godunow" der Vergleich zwischen der Urfassung und der von Rimski-Korsakow ergänzten und instrumentierten Fassung. Ich habe beide auf der Bühne gesehen und auch auf DVD in prächtigen Fassungen aus Moskau (Rimski-Korsakow aus dem Bolschoi, die Urfassung aus dem Stanislawski-Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater). Auf den Polenakt in Rimski-Korsakows Fassung, der meiner Ansicht nach ein wenig aus dem Rahmen fällt (Rimski-Korsakow wollte damit als weiteren Gedanken einführen, dass Grigorij von der polnischen Prinzessin zur Eroberung des russischen Thrones angetrieben wird) könnte ich verzichten, ansonsten fehlt aber in der Urfassung die im ersten Teil angerissene, aber dann nicht mehr zuende geführte Geschichte des falschen Dimitrij, die Rimski-Korsakow ergänzt hat.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Pischkuns Zarendrama - uff:
    Es lebe Biros Godunuff!


    Lieber Robert,


    die Begeisterung über Deine russische Aussprache übersteigt sogar meine Freude darüber, dass ich auf meine alten Tage einmal Recht bekomme.


    Im Übrigen ist es, wie Du sicher weißt, keinesfalls erwiesen, dass der kleine Dimitrij im Auftrag Godunovs ermordet wurde. Fest steht lediglich, dass Boris ein guter Zar und sehr um das Wohl des Volkes bemüht war.
    Puschkin hat wie bekannt mit seinem "Mozart und Salieri" für die Verbreitung einer weiteren unbewiesenen These gesorgt. Dass Miloš Forman in seinem Film "Amadeus" in die gleiche Kerbe hackt, ist im Bezug auf die neuesten Forschungsergebnisse schon etwas eigenartig.
    Apropos Verfälschung. Ich war so gemein, in der RT-Debatte die erfreuliche Tatsache zu erwähnen, dass Mussorgskijs Originalversion des Boris immer populärer wird.
    Ein Schlag, von dem sich unsere (Welt)verbesserer wohl nicht mehr erholen werden.

  • Im Prinzip ist die Werkreihe, die Mussorgsky hinterlassen hat nicht gerade riesig.
    Bekannt und gespielt werden neben der Oper Boris Godunow (und 4 recht unbekannten Opern) eben die
    Bilder einer Ausstellung
    und
    Die Nacht auf dem kahlen Berge.


    Dazu hat Tamino auch zwei Threads auf Lager:
    1. Mussorgsky-Ravel: Bilder einer Ausstellung und 2. Mussorgsky: Die Nacht auf dem kahlen Berge - 3 Fassungen



    Zitat

    Eine Nacht auf dem kahlen Berge habe ich in der Orchesterfassung von Nikolai Rimsky-Korsakow, die nach meiner Einschätzung Mussorgski besser gerecht wird, als Ravel.


    Hallo Andreas,
    ich glaube hier irrst Du. :!: Von der sinfonischen Dichtung Eine Nacht auf dem kahlen Berge gibt es keine Ravel-Fassung.
    Die Bekannteste und Meistgespielte ist eben die von Rimsky-Korsakow. Die schroffe, wildere, ursprünglich klingende, aber selten aufgeführte, die von Mussorgsky und dann die effektvoll-bombastische von Stokowsky.
    Schau mal in den entsprechenden Thread.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Bekannt und gespielt werden neben der Oper Boris Godunow (und 4 recht unbekannten Opern)

    Kann ich nicht unterschreiben. Chowanschtschina ist gar nicht so unbekannt und wird auch immer noch aufgeführt.

  • Ich war so gemein, in der RT-Debatte die erfreuliche Tatsache zu erwähnen, dass Mussorgskijs Originalversion des Boris immer populärer wird.


    Nach Vorbild besagten Threads sollte an dieser Stelle unbedingt eine langjährige und ebenso heissumkämpfte wie redundante Debatte "Rimsky, Schosta oder was?" eröffnet werden.
    .
    Mein Anfangsplädoyer angesichts der zunehmenden Dominanz der OV: die Version von Rimskij-K. darf nur aufgeführt werden, sofern die Besetzung jene Qualität erreicht, die in Nikolai Golowanows Einspielungen zu vernehmen ist (also nie), die Fassung von Schostakowitsch wird durch eine vorgegebene Aufführungsquote am Leben erhalten, welche jedoch nur für die stets kapitalistisch gebliebenen Nationen in Kraft tritt. Über die noch zu verfassenden Orchestrierungen von Leopold Stokowski und Peter Breiner muss gesondert verhandelt werden.


    Auch interpretatorische Details dürfen thematisiert werden, sofern der jeweilige Autor dem an anderer Stelle durch 9079Wolfgang gemachten Vorschlag folgt:

    Zitat

    Aber ich könnte ja mal Einiges über Sänger des Bolschoi oder Sofia in kyrillisch bringen, vielleicht kommt das auch gut an.


    Dergleichen würde gewiss das Herz diverser Taminos erwärmen, zumal die vor einigen Monaten von hami1799 an noch andererer Stelle gemachten Vorschläge zur Transliteration ebenso nachvollziehbar wie unerfreulich sind.

  • Dergleichen würde gewiss das Herz diverser Taminos erwärmen, zumal die vor einigen Monaten von hami1799 an noch andererer Stelle gemachten Vorschläge zur Transliteration ebenso nachvollziehbar wie unerfreulich sind.

    Tranliteration? Wo denn?
    Will ja niemanden betrüben. Kannst Du mir die Stelle zeigen, damit ich meine Bußfertigkeit unter Beweis stellen kann?

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  • Zitat

    Zitat von Teleton: und 4 recht unbekannten Opern

    Nun, die Oper "Chowanschtschina" würde ich nicht unbedingt als unbekannt bezeichnen. Sie wird hier und da gespielt und es gibt auch mehrere Aufnahmen auf CD und DVD, wovon ich die hier gezeigte CD-Aufnahme und DVD-Aufzeichnung habe. Weniger bekannt sind hingegen "Der Jahrmarkt von Sorotschinzi", "Die Heirat" und "Salammbô", wobei es zumindest vom "Jahrmarkt" und "Salammbô" Aufnahmen auf CD gibt, die ich allerdings auch nicht kenne.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ach ja, lieber Gombert,


    ich wollte halt etwas Klarheit in die Verwirrung bringen. Vermutlich ist mir das Gegenteil gelungen. Als Norm sollte es aber keinesfalls betrachtet werden.
    Fest steht allerdings, dass kein Mensch weiß, wie zum Beispiel die Schreibweise "ch" ausgeprochen werden soll.
    Das deutet doch jeder, wie er will. Von großer Bedeutung ist es allerdings nicht.


    Ich bin schon froh, wenn ich die Sportler identifizieren kann, von denen unsere Sportreporter sprechen.
    Es ist mir sogar gelungen, den Fußballer Andréasson (Sohn des Andréas) in der deutschen Verballhornung Andreásson wiederzuerkennen.

  • AH: Eine Nacht auf dem kahlen Berge habe ich in der Orchesterfassung von Nikolai Rimsky-Korsakow, die nach meiner Einschätzung Mussorgski besser gerecht wird, als Ravel.


    teleton: ich glaube hier irrst Du. :!: Von der sinfonischen Dichtung Eine Nacht auf dem kahlen Berge gibt es keine Ravel-Fassung.


    Hallo teleton,


    das habe ich auch nie geschrieben. Ich meinte, daß mir die Rimsky-Korsakoff-Fassung von der "Nacht auf dem kahlen Berge" besser gefällt, als die Ravel-Fassung der "Bilder einer Ausstellung". Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt.


    Meine "Musik-Ansprache"


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Claudio Abbado hat sich jahrzehntelang stark für Mussorgsky eingesetzt, besonders auch für die "Urfassungen". Es gibt zwei CDs mit kürzeren Orchesterwerken, die mir empfehlenswert scheinen (NB die RCA-CD, die von der Auswahl vielleicht interessanter ist, hat evtl. nur ein italienisches Beiheft).



    In einem anderen Thread wurde schon hervorgehoben, dass Mussorgsky auch ein sehr bedeutender Liederkomponist gewesen ist. Bekanntestes Einzellied ist vermutlich Mephistos Flohlied, daneben gibt es die Zyklen, "Kinderstube", "Ohne Sonne" und "Lieder und Tänze des Todes". Leider gibt es anscheinend nicht viele (gute, verfügbare) Einspielungen dieser Stücke. Hat hier jemand Empfehlungen?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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