SCHOSTAKOWITSCH, Dmitri: Streichquartett Nr.1 op. 49 - ein vielversprechender Anfang.

  • Anders als viele anderen Komponisten hat Schostakowitsch bereits einige Sinfonien komponiert, als er sich an das Segment "Streichquartett" heranwagte, welches er als eine der schwierigsten Sparten der klassischen Musik überhaupt bezeichnete.
    Sein erstes Quartett entstand eher aus öffentlichem und politischem Druck heraus, als aus eigenem Antrieb, wenn gleich er sich in einem damals gemachten Interview dahingehend äusserte, er wolle in Hinkunft mehrere Kammermusikstücke schreiben. Ein weiterer Faktor waren die Mitglieder des Mitglieder des Glasunow Quartetts, welche ihn anspornten, endlich ein Streichquartett zu schreiben, weil sie es aus der Taufe heben wollte - was dann 1938 auch geschah. Schostakowitsch hat einiges in seinen Briefen hinterlassen, was uns über die Entstehungsgeschichte und seine eigenen Einschätzung des Werkes informiert. Er bezeichnet unter anderem das Werk als eher naiv, fröhlich und frühlingshaft - man solle darin keine besondere Tiefsinnigkeit suchen.....
    Wenn Russen fröhlich sind, dann ist das natürlich mit dem was wir unter "fröhlich" verstehen nicht identisch. Ich finde den Beginn des Quartetts ausgeprochen zurückhaltend, verträumt und vielleicht ein wenig grüblerischund versonnen. Schostakowitsch hatte mit dem Werk quasi "als Fingerübung" begonnen, an eine Fertigstellung oder Aufführung dachte er ursprünglich indes nicht. Wie es sich eben ergibt: Nach einigen Hindernissen ging die Arbeit estrem schnell voran.
    Während ich persönlich den ersten Satz eher als "neutral" empfrand, hat der zweite doch mit einigen lieblichen Themen aufzuwarten. Auch der dritte ist interessant, teilweise schwungvoll. Tänzerisch, wie so oft bei Schostakowitsch eröffnet der Finalsatz, das bleibt durchwegs so, eigentlich oft liebliche Themen, die aber immer wieder durch Modernismen verfremdet werden und uns daran erinnern in welchem Jahrhundert diese Musik entstanden ist.
    Ich höre diese Aufnahme mit dem Eder-Quartett (Naxos) - jeglicher Vergleich ist mir derzeit unmöglich, aber bei ihrem Erscheinen (1995) wurde die Aufnahme von Fonoforum ausdrücklich gelobt.


    mfg aus Wien
    Alfred



    PS: Morgen geht meine Jännerbestellung hinaus. Ich sollte daher in wenigen tagen auch über das Streichquartette Nr 2 und 15 verfügen.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Ja, Schostakowitsch schrieb bereits fünf Sinfonien, bevor er sich an das erste Streichquartett machte. Es entstand, wie auch seine 5. Sinfonie, aus einem immensen, ja lebensbedrohlich politischen Druck heraus, der ihn zur kompositorischen „Mäßigung“ zwang. Die Hintergründe wurden in diversen DSCH-Threads ja bereits angerissen.


    Dennoch lässt sich, zumindest für mich, aus der Musik heraushören, dass es auf ihn in dieser Situation der Angst auch befreiend gewirkt haben muss, ein solch lockeres und fröhliches Stück zurück zu traditionellen Konventionen an sich heran zu lassen und sich damit zu beschäftigen. Bestimmt wird es ihm sehr gut getan und möglicherweise zu neuer Kraft verholfen haben, „Kindheitsbilder“, wie er es selbst beschrieb, in „etwas naiven, freundlichen, frühlingshaften Stimmungen“ wiederzugeben.


    Möglicherweise steckt auch etwas Trotz in der Konzeption. Wenn ich die monströsen bisher geschriebenen Orchesterwerke und das kleine erste Streichquartett gegenüberstelle, so kommt mir die Phantasie, dass es DSCH den grausamen Machthabern irgendwie zeigen und mit der Knappheit der Themenverarbeitung indirekt und versteckt sagen wollte: „Da habt ihr euren Fraß: einfache Musik für einfache Menschen“. Natürlich steht das Stück im „einfachen“ C-Dur. Dies sind jedoch lediglich meine Phantasien; die Inhalte der von Alfred erwähnten Briefe sind mir nicht bekannt, und vermutlich liege ich nicht ganz richtig. Näheres zu seiner Motivation würde mich aber schon interessieren.


    Aber er wäre nicht Schostakowitsch, wenn seine Musik auch in diesem Quartett, ganz besonders die ersten beiden Sätze, trotz aller Lockerheit nicht Eleganz, Humor und den typisch ernsten ihm eigenen melancholischen Unterton ausstrahlen würde. Ich finde, es ist ein netter Anfang einer groß angelegten Reise mit dem Ziel, einen Zyklus von wohl ursprünglich geplanten 24 Streichquartetten zu schaffen; letztendlich wurden aber "nur" 15 daraus. In meiner Jugend habe ich dieses Quartett ziemlich häufig gehört, während ich mich jetzt eher den längeren und schwereren Quartetten Schostakowitschs hingezogen fühle.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Eigentlich interessant, daß ausgerechnet ich diesen Tread eröffnet habe - und ebenso interessant wie weng Resonanz er hervorrief.

    Inzwischen sind viereindhalb Jahre vergangen und ich besitze nun mehrere Aufnahmen von Schostakowirtsch Quartetten - das meiste allerdinge ungehört.

    Es ist nun aber so, daß die Beschäftigung mit Weinberg und einigen Anderen mein Interesse an "Schosta" erneut aufleben ließ

    So öffnete ich dieser Tage eine noch originalversiegelte Gesamtaufnahme aller Streichquartette, interpretiert durch das britische Brodsky Quartett (für TELDEC) und habe das erste Quartett nach langer Zeit wieder gehört. Ich empfand es (alte Höreindrücke waren längst vergessen) als relativ "konventionell" und nicht wirklich spektakulär. Später las ich dann im Beiheft, daß dies auch die Meinung des Komponisten selbst war . er hatte das Werk ziemlich lieblos - unter öffentlichem Druck - zu komponieren begonnen und wollte es als eher fröhlich und ohne Tiefgang verstanden wissen. Reminiszenzen an seine Jugend.

    Der ersten Hörsitzung folgte eine zweite, Und die überzeugte mich mehr - vermutlich der Erwartungshaltung wegen.

    Für einen dritten Durchgang holte ich die Eder-Quartett Aufnahme von Naxos hervor, die ich als milder empfand (und zugleich als unverbindlicher)

    Heute - kurz bevor ich diesen Beitrag zu schreiben begann - erneut eine Hörsitzung mit der Eder- Aufnahme.

    Heute- ohne direkten Vergleich mit dem Brodskay quartett, wusste die Aufnahme durchaus zu überzeugen. Man sollte eben doch nicht Aufnahmen zeitnah miteinander vergleichen, weil zumeist die erstgehörte Aufnahme im Gedächtnis ist und das die (akustischen ) Blick trübt.

    Das Publikum der Erstaufführung durch das Borodin Quartett (1938) war übrigens begeistert von dem Werk, was Schostakowitsch ermunterte sich mit dem Genre weiterhin kompositorisch auseinander zu setzen.....


    Ein wenig möchte ich nur zur Aufnahme mit dem 1972 gegründeten Brodsky Quartett schreiben.

    Es ist jene, die zwischen Februar und September 1989 für TELDEC (heute WARNER) gemacht wurde

    Mir sind zumindest eine weitere Aufnahme (Für CHANDOS ) bekannt.


    Bei der hier abgebildetan Aufnahme sind noch DREI Gründungsmitglieder aktiv, heute sind es immerhin noch ZWEI

    mfg aus Wien


    Alfred


    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !