Einführungstext zur Sonate Nr. 19 g-moll op. 49 Nr. 1
Die Sonate op. 49, Nr. 1 ist in Entwürfen schon bis in die Jahre 1795/96 nachzuweisen. Beethoven vollendete sie im Jahre 1798, kurz bevor er mit der Pathétique begann.
Die Sonate ist zweisätzig und in der für Beethoven eher untypischen Tonart g-moll gesetzt. Keine andere Sonate hat er in dieser Tonart geschrieben, wohl aber einzelne Sätze anderer Sonaten, wie den zweiten Satz der Sonate Nr. 25 op. 79 oder im zweiten Arioso von op. 110.
Die Sätze und ihr Aufbau:
1. Satz: Andante, g-moll, 2/4-Takt, 110 Takte (mit Wh: 143 Takte);
2. Satz: Rondo, Allegro, G-dur, g-moll, 6/8-Takt, 164 Takte;
1. Satz:
Exposition: Takt 1 - 33;
Durchführung: Takt 34 bis 71;
Reprise: Takt 72 bis 96;
Coda: Takt 97 bis 110;
2. Satz:
1. Teil: G-dur: Takt 1 bis 16
2. Teil: g-moll/B-dur: Takt 17 bis 80,
3. Teil: G-dur: Takt 81 bis 164;
Die Exposition des Kopfsatzes gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil (Takt 1 bis 15) wird das erste Thema (g-moll) in zwei Abschnitten vorgestellt. Dabei ist der erste Abschnitt (Takt 1 bis dynamisch niedriger stehend (p - mfp) als der zweite Abschnitt (Takt 9 bis 15), der in mfp -fp notiert ist.
Das zweite Thema steht in B-dur, wo es schon durch die Takte 13 bis 15 hingeführt wird.
Die Takte 29 bis 33 kann man als kleine Schlussgruppe bezeichnen.
Die Exposition wird wiederholt.
Gemessen an der Gesamttaktzahl des 1. Satzes hat die Durchführung den größten Umfang (s. o.). Sie wird in den Takten 34 bis 38 durch ein majestätisches Unisono eingeleitet, bevor die einzelnen Themen durchgeführt werden und durch eine Wiederholung des Originalthemas ab Takt 64 an die wesentlich kürzere Reprise angeknüpft.
Auch hier findet man wie so oft bei Beethoven doch signifikante Veränderungen gegenüber der Exposition vor, zum Bespiel den Tausch der Themenführung in den Händen, oder auch das die Stimmung stark verändernde Changieren des 2. Themas von Dur nach Moll (ab Takt 80).
Diese Entwicklung wird noch verdüstert durch die Coda (Takt 97 bis 110), die (ab Takt 103) zu den morendo-artigen Satzschlüssen gehört.
Insofern sind Reprise und Coda hier nicht als "08/15"-Satzteile zu betrachten, sondern durchaus als Zielpunkte des ganzen Satzes, der hierdurch doch eine beträchtliche musikalische Größe erreicht.
Das Rondo ist dreiteilig. Der erste Teil (Takt 1 bis 16) steht in G-dur und stellt das Hauptthema vor, das in einer kecken Staccato-Melodie dahinfließt.
Im zweiten Teil ab Takt 17 wandelt sich das Bild wieder jäh, indem nun g-moll, die Haupttonart, wieder aufscheint. Auch das an den ersten Satz erinnernde Dolce-Thema taucht hier wieder auf (ab Takt 32) und wird hier in einem munter sprudelnden Vorwärtsdrang verarbeitet. Auch dynamisch ist dieser recht umfangreiche Abschnitt sehr kontrastreich.
Nach drei überleitenden Takten in Moll, in denen das Thema wieder aufgegriffen wird, tritt ab Takt 81 wieder das Hauptthema in G-dur auf. Es wird ebenso nach seiner Wiedervorstellung oktaviert wie das Dolce-Thema, das ab Takt 103 wieder auftritt. Diese Stelle könnte man als Eintritt eines reprisenförmigen Abschnittes bezeichnen, der jedoch nicht besonders lang ist.
Schon ab Takt 135 tritt die originelle Coda ein, die das Thema noch einmal gehörig durcheinanderwirbelt. Als sich alles schon mit einem neuerlichen "morendo"-Schluss rechnet (man könnte auch sagen "Fade out"), beenden zwei typisch Beethovensche Fortissimo-Akkorde diese Illusion.
(Quelle: Jürgen Uhde, Beethovens 32 Klaviersonaten, Seite 546 bis 554).
Viel Freude an den Rezensionen und am Anhören dieser Sonate
Willi