Paul Ben-Haim Kammermusik

  • Paul Ben-Haim wurde 1897 als Paul Frankenburger in München in eine jüdische Familie geboren, der Vater war ein angesehener Jurist und Professor. Seine musikalischen Studien (Klavier, Komposition, Dirigieren) erfolgten in seiner Heimatstadt. Nach einer kurzen Assistentenzeit bei Bruno Walter wurde Frankenburger Kapellmeister in Augsburg, wo er bis 1931 zahlreiche Opern darunter viele zeitgenössische dirigierte. Die Machtübernahme der Nazis beendete diese Karriere. Frankenburger las die Zeichen an der Wand richtig und emigrierte nach Palästina. Dort war er als Paul Ben-Haim an der Etablierung eines jüdischen Musiklebens maßgeblich beteiligt. Er komponierte u.a. 2 Symphonien, von den die 2. kürzlich bei cpo erschien. Ein Verkehrsunfall 1972 in seiner Heimatstadt fesselte ihn für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl, er starb 1984.


    Das 1. Streichquartett op. 21 entstand als einer der ersten Kompositionen 1937 im Exil. Es ist ein viersätziges klangschönes, gemäßigt modernes Werk, das im letzten Satz auch orientalische Themen verarbeitet. Die Tonsprache ist zugänglicher als z.B. die von Paul Hindemith, eher vergleichbar mit den Quartetten von Ravel oder Debussy.


    Das 1999 gegründete israelische Carmel Quartett (ausgebildet beim Alban Berg Quartett und Walter Levin) spielt sehr ansprechend. Ein wichtiger Neuzugang.


  • Ben-Haims Streichquintett (mit 2. Viola) entstand wesentlich früher, 1919 kurz nach dem Ende des 1. Weltkrieges, das der Komponist in Belgien erlebte und von wo er sich durch Krankheit geschwächt zu Fuß und ohne Geld nach München durchschlagen musste. Das Werk knüpft an an die große Tradition, sprich Brahms und auch Cesar Franck, und verarbeitet auch Einflüsse von Strauss und Mahler. Von den Entwicklungen in Wien um den Schönberg-Kreis nimmt es keine Kenntnis. Darin ähnelt Ben-Haim dem 20 Jahre älteren Ernest Bloch, der ja auch zeitlebens einen Bogen um die "Errungenschaften" der 2. Wiener Schule machte. Auch in diesem Stück eher Anklänge an den Impressionismus. Das dreisätzige Werk ist das erste, das der Komponist als vollgültig anerkannte und auch von dem Bann, mit dem er später die meisten "deutschen" Werke belegte, ausnahm. Es ist in den frühen 20er Jahren mehrfach aufgeführt worden.


    Das Carmel Quartett wird verstärkt durch die Violistin Shuli Waterman, einer Schwester der Cellistin. Hörenswert.

  • "Roni akara, lo jalada..." ist der Titel einer Motette von Paul Ben-Haim auf hebräisch, die wir in unserem Essener Vokalensemble in den Achtzigern regelmäßig gesungen haben ("Rühme, du Unfruchtbare.." Die Noten habe ich leider nicht mehr). Ein sehr wirkungsvolles, gut singbares Stück, das allerdings rhythmisch sehr hohe Anforderungen stellt; für einen gut trainierten Chor eine reizvolle Alternative. Das Hebräische ist kein Problem, da der Text in Umschrift drunter steht.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich habe mir seinerzeit auf Grund dieses Threads die hier erwähnte CD bestellt. Gestern habe ich das Streichquartett Nr 1 gehört. In der Tat ist es für ein Werk aus dem Jahre 1937 erstaunlich angenehm zu hören - aber diese Bezeichnung trifft es wohl ebensowenig, wie "traditionell", "gemäßigt modern", wie Lutgra schrieb - das trifft es wohl am besten.Einerseits gibt es da "nervöse" Stellen, rhythmisch prägnant und gelegentlich bohrend und quasi als Gegenpol äusserst lyrische Sequenzen von teilweise betörender Schönheit....
    Bemerkenswert und beeindruckend auch, daß über relativ weite Stellen mehr gezupft als gestrichen wird....
    Besonders im zweiten Satz ist mir das aufgefallen. Sehr beeindruckend auch der "orientalisch" gefärbte 4. Satz.
    Ein sehr originelles und hörenswertes Quartett. Das Streichquintett werde ich zu einem anderen Zeitpunkt anhören, die Sinfonie Nr 2 (auf cpo) befindet sich bereits auf meiner Bestell-liste für April......
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !