Das Streichtrio

  • Heute morgen habe ich in der neuesten und leider auch letzten Ausgabe des Kammermusikmagazins "Ensemble" ein Interview mit dem in Berlin ansässigen Jacques Thibaud Trio gelesen, einem der wenigen renommierten festen Ensembles für diese doch recht stiefmütterlich behandelte Gattung. Und ich musste feststellen, das ich von dieser Gattung offensichtlich keine Ahnung habe. Natürlich stehen auch bei mir einige Streichtrioaufnahmen in der Sammlung, z.B. die üblichen Verdächtigen von Mozart, Beethoven und Schubert. Aber wirklich "kennen" tue ich sie eigentlich nicht. Ich hatte auch immer gedacht, man schreibt ein Streichtrio quasi als Vorübung für ein Streichquartett, lag zumindest bei Beethoven ja auch nahe, diese Vermutung. In dem Interview nun musste ich lernen, dass die Komposition eines guten Streichtrios wohl noch schwieriger ist als die eines guten Streichquartetts und dass sich deshalb einige Komponisten erst am Ende ihres Lebens dazu in der Lage sahen, Schönberg wäre ein Beispiel und halt auch Mozart. Dies hat in mir das Bedürfnis geweckt, mich mit dieser Gattung etwas näher zu befassen. Was natürlich gleich wieder in eine Kaufaktion mündete. :D Ich musste auch feststellen, dass es erstaunlich viel Streichtrios gibt, allerdings oft von weniger bekannten Komponisten.


    Welche Streichtrios kennt ihr und welche könnt ihr denn empfehlen? Bitte pro Beitrag nur eines. ^^

  • Meine Empfehlung:


    Beethoven, L.v. (1770-1827)
    String Trios No 1 + No 2

    Trio Zimmermann


    Aus einer Rezension:
    … keineswegs old-fashioned, sondern durchwebt vom Abenteuergeist des jungen Beethoven, der experimentiert und es meisterhaft versteht, alle drei Instrumente gleichermaßen an der musikalischen Entwicklung teilhaben zu lassen. Diese Musik braucht hervorragende Interpreten, um zu wirken …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Beethoven - Natürlich ja
    Opus 3 2. Satz Andante - in einer wirklich schwer erarbeiteten Interpretation
    Wir dürfen hier einen Blick hinter die Kulissen machen, der uns üblicherweise verwehrt ist.


    Ich bitte die paar Minuten zu opfern und dieses einzigartige Werksauffassung bis ans Ende zu geniessen
    Ich gestehe, daß ich das Werk als ich dieses Video erstmals gesehen und gehört habe noch nicht in meiner Sammlung hatte.
    und habe mir sofort am nächsten Tag eine entsprechende Aufnahme der Beethoven Streichtrios besorgt.


    Die INBRUNST die man bei diesem Versuch einer Aufführung vernehmen kann habe ich indes bei keiner anderen Einspielung wahrgenommen.....



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich entschuldige mich völlig zerknirscht über meinen "Ausrutscher" in Beitrag Nr 3 und biete - quasi als Entschädigung - eine von mir im Rahmen meiner Recherche zu diesem Thread gefundene Ersteinspielung von Streichtrios des Komponisten Paul Wranitzky (Pavel Vranicky) an. Ich selbst besitze die Aufnahme noch nicht, aber schon das Hineinhören in die Klangbeispiele war aussagekräftig genug, damit ich zur Überzeugung kam: Die muss ich haben....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Interessanterweise war das Streichtrio in der "Frühklassik" anscheinend eine verspätete Triosonate. Es gibt von Haydn zwei dutzend frühe Trios (teils fragwürdiger Autorschaft) für zwei Violinen und Violoncello/Bass. Ich kenne von denen keins, sie sind aber zumindest teilweise eingespielt worden.



    Im Falle Haydn kann man daher kaum vom Trio als "Vorläufer" des Quartetts sprechen, auch wenn er später nur noch Quartette komponiert hat.


    Weiters muss man aufpassen, dass sehr häufig Bearbeitungen von Haydns Baryton-Trios als Streichtrios in der gängigen Vl. Va. Vc. Besetzung eingespielt werden; das trifft zB auf diese Scheibe hier zu, wie man sich anhand des mp3-Angebots vergewissern kann:



    Ich besitze die folgende CD mit der später gängigen Besetzung Violine, Viola, Cello. Von den 5 Werken darauf ist allerdings eines von Michael Haydn (Hob.V: Es 1) und drei sind Bearbeitungen fremder Hand von drei Haydnschen Klaviersonaten ("op.53" nach den Sonaten Hob. XVI:40-42); besonders letztere gefallen mir aber erstaunlich gut. Das fünfte Stück ist das anscheinend einzige authentische Haydn-Werk für die Kombination Vl Va Vc Hob.V:8 B-Dur.



    -> <-

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Ich dachte, ich kenne schon alle Loriot Sketche, den kannte ich aber noch nicht, wunderbar ;) .

  • Gestern habe ich zwei Bethoventrios gehört, das op. 9 Nr. 1 mit Anne-Sophie Mutter, Bruno Giuranna und Mstislav Rostropovich und das op. 9 Nr. 3 mit dem Grumiaux Trio. Letzteres hat mir besser gefallen, auch interpretatorisch.


  • In der Tat ist das Streichtrio eine ganz eigene Gattung (auch wenn es in der barocken Triosonate von der Besetzung her einen Vorgänger hat): Streichtrios sind seit der frühen Klassik gerade keine Werke für zwei Melodiestimmen mit Continuo, sondern eigenständige dreistimmige Sätze mit selbständig geführten Stimmen. Die schwierige Satztechjnik im Vergleich zum Streichquartett ergibt sich daraus, dass wegen der Stimmführung nicht immer vollständige dreistimmige Akkorde klingen, sondern manchmal Stimmverdoppelungen vorkommen (mit dem notwendigen Verlust einer dritten Note).


    Das frühe Gipfelwerk der Gattung ist Mozarts Divertimento KV 563:



    Ein geniales Werk des späten Mozart, das trotz der "nur" drei Stimmen einen dichten kammermusikalischen Satz hat und eines der "Stücke für die Insel" ist.
    Die nächsten Werke poste ich dann - wie vorgeschrieben ;) - besser separat.

  • Ein hervorragends Beispiel für den Aufbruch in die Moderne stellt Ernst von Dohnaynyis Serenade op. 10 dar:



    Die Sätze sind thematisch prägnant, durchaus melodisch, dabei auch stark rhythmisch geprägt. Während die ersten beiden Sätze auch für Laien durchaus spielbar sind, muss für die letzten drei reichlich geübt werden.

  • Schubert muss hier seinen Platz finden!
    Das viersätzige Trio B-Dur D 581 ist ebenfalls ein erstaunliches Werk, weil es schlicht wirkt, dabei aber viel von der thematischen Arbeit des späten Schubert hat.
    Aus biografischen Gründen ist mir der Fragment-Satz D471 (ebenfalls in B-Dur) sehr nahe, der mit einem schlichten 1. Thema daherkommt, das in der Durchführung in die "Mangel" gerät. Hörenswert!


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  • Last, but not least: Die beiden Trios von Arnold Schönberg und von Anton Webern:



    An ihnen versteht man sofort, wie sich die "klassische" Besetzung des Streichtrios ideal von der "abstrakten musikalischen Moderne" adaptieren ließ.


    Alle soeben vorgestellten Streichtrios (Mozart, Beethoven, Schubert und 20. Jahrhundert) sind schon in den 80er Jahren in einer CD-Box mit dem deutschen Streichtrio erschienen, jeweils ausgezeichneten Einspielungen (allerdings noch nicht "historisch informiert"). Leider ist diese Box vergriffen und war von mir nicht einmal mehr recherchierbar. Die vorgeschlagenen Einspielungen sind Alternativvorschläge.

  • Das war doch irgendwas - Ja, Julius Röntgen hat doch sowas geschrieben. Ich habe mich in meiner Sammlung auf die Suche gemacht und in der Tat eine Aufnahme mit den späten Streichtrios gefunden. Sie war noch originalversiegelt. Gekauft hatte ich sie mir anlässlich meiner bescheidenen Aktivitäten 2012/13 im allgemeinen Röntgenthread
    Julius Röntgen (1855-1932) - Eigener Weg oder niederländisches Epigonentum?, der vorzugsweise die Sinfonien und Konzerte behandelt . Ein Kammermusikthread war angedacht, wurde aber bis heute nicht realisiert. Das wird sich nun ändern, vor allem, weil es seit heuer zwei weitere Aufnahmen mit Streichtrios gibt. Die werden bei meiner Jännerbestellung mit von der Partie sein, denn von den späten Trios - sie sollen angeblich tiefschürfender sein, als die frühen - war ich schlechtwegs begeistert. Sie sind von Brahms inspiriert, wofür Röntgen lange Zeit zum Epigonen abgestempelt wurde - mehr davon im zukünftigen Röntgen-Kammermusikthread


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

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  • Ich hatte auch immer gedacht, man schreibt ein Streichtrio quasi als Vorübung für ein Streichquartett, lag zumindest bei Beethoven ja auch nahe, diese Vermutung.


    Bei Beethoven stimmt das m.E. auch. op.3 ist ganz eng an Mozarts Divertimento KV 563 orientiert, dagegen op.9 sehr eigenständig, ehrgeizig (Beethoven war stolz auf die Stücke und hielt sie für seine bis dato besten) und ähnlich gewichtig wie die frühen Quartette. Aber danach hat er keine Streichtrios mehr komponiert. (Mendelssohn, Schumann, Brahms überhaupt keine, Dvorak ein Gelegenheitswerk (für 2 Vl. + Viola!)
    Schubert hat sein einiziges Streichtrio (und das Fragment) zwar nach den frühen Quartetten komponiert und ich weiß nichts über die näheren Umstände, aber auch hier scheint nicht absurd, dass es ein "neuer Anlauf" für "ernste" Kammermusik gewesen sein könnte, so ähnlich wie er noch später nach der Komposition des Oktetts (und wohl auch der Quartette a-moll und d-moll) meint, er wolle sich mit diesen Werken den Weg zur großen Sinfonie bahnen.


    Zitat


    In dem Interview nun musste ich lernen, dass die Komposition eines guten Streichtrios wohl noch schwieriger ist als die eines guten Streichquartetts und dass sich deshalb einige Komponisten erst am Ende ihres Lebens dazu in der Lage sahen, Schönberg wäre ein Beispiel und halt auch Mozart.


    Naja... Mozarts ist in mehrfacher Hinsicht ein Einzelwerk, er hat kein einziges Quartett (oder Quintett) in der Divertimento-Form mit mehr als vier Sätzen komponiert und auch nach dem Trio noch 3 Quartette (und Quintette). Ich weiß nichts über die Entstehungsumstände, aber es gibt hier, glaube ich, keinen Trend, was auch kaum festzustellen ist, da die Trios fast alle "Einzelwerke" sind, die meistens in keinem systematischen oder naheliegenden historischen Verhältnis zu Werken anderer Besetzungen im Oeuvre der jeweiligen Komponisten stehen.

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  • Streichtrios empfinde ich, obschon Kammermusikliebhaber, etwas .....schlank. Mir fehlt da meist etwas an Abrundung und Dichte.


    Dennoch--das Trio Schönbergs ist wunderbar. Vielleicht scheint da nicht so viel zu fehlen, weil es nicht tonart- und damit harmoniebezogen ist. Eine tolle Einspielung:



    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zitat

    Streichtrios empfinde ich, obschon Kammermusikliebhaber, etwas .....schlank. Mir fehlt da meist etwas an Abrundung und Dichte.


    Das wäre eigentlich logisch. Da ich mich anfangs mit Streichquartetten nicht anfreunden konnte, war die logische Folgerung daraus, daß mit Streichtrios nicht gefallen würden. Aber das Gegenteil war der Fall, ich fand leichter Zugang als zu den Quartetten - vielleicht durch ein glückliches "Ersterlebnis" verursacht.
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Eines der bemerkenswertesten Werke für Streichtrio im 20. Jahrhundert ist sicher das Streichtrio von Gideon Klein. Es entstand im Oktober 1944 in Theresienstadt (Terezin) wenige Tage bevor Klein nach Auschwitz deportiert wurde, wo er am 27. Januar 1945 unter ungeklärten Umständen zu Tode kam. Zu diesem Zeitpunkt war der Komponist 25 Jahre alt. Somit ist sein 70. Todestag einer der ersten Gedenktage im neuen Jahr.


    So ein Werk kann man natürlich nicht losgelöst von seiner Entstehungsgeschichte hören. Und niemand wird sich der Trauer und Verzweifelung des zweiten Satzes, der mit gut 7 min auch der längste ist, entziehen können. Wie viele musikalische Ideen sind hier auf kleinstem Raum zusammengefasst, so als wenn der Komponist schon ahnte, dass dies sein letztes Werk sein würde. Und der grimmige Humor des 3. Satzes liest sich wie ein "ihr könnt mich umbringen, aber nicht meine Musik". Insgesamt 12 min nur dauert das Werk, aber ich halte es trotzdem für ein Meisterwerk auch unabhängig vom zeitlichen Kontext. Die Nähe zu Janacek wird gerne erwähnt, aber mich erinnert das Werke eher an die Kammermusik von Schostakowitsch, der ja auch häufig genug auf gepackten Koffern saß und auf seine "Abholung" wartete.


    Die Aufnahme des Jacques Thibaud Trios gefällt mir sehr, aber nachdem ich gesehen habe, dass es noch eine CD mit zwei Streichquartetten plus diesem Trio mit dem Kocian Quartett gibt, brauche ich selbstverständlich auch diese.



  • ..., wo er am 27. Januar 1945 unter ungeklärten Umständen
    zu Tode kam. Zu diesem Zeitpunkt war der Komponist 25 Jahre alt. Somit
    ist sein 70. Todestag einer der ersten Gedenktage im neuen Jahr.

    und zugleich Mozarts Geburtstag...


    (und heute ist sein Todestag).


    Trotzdem möchte ich eine ganz andere Streichtrio-Delikatesse erwähnen: Die Goldberg-Variationen in der Fassung (von Dmitry Sitkovetsky) für Streich-Trio



    Ich hoffe, damit kein Sakrileg zu begehen und keine Pianistenseele zu verletzen! Die Streicher-Version ist aber in meinen Augen ganz ungewöhnlich gut gelungen.

  • Auch von mir eine Rarität, die ich im Rahmen meiner Recherche zum Thema Joseph Eybler mehr zufällig als gezielt gefunden habe. Auf der hier gezeigten Aufnahme findet sich unter anderem das Streichtrio op 2 von Joseph Eybler, welches der Wiener Klassik zuzurechnen ist, und zu den relativ wenigen nicht geistlichen Werken Eyblers zählt...


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    mfg aus Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Streichtrios von Max Reger sind natürlich auch wunderbare Musik. Aber...Reger hat nun mal kaum etwas Flaches geschrieben...



    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Den Namen des französischen Komponisten Jean Cras (1879-1932) kannte ich bisher nicht. Die letzte Erwähnung hier im Forum liegt mehr als 5 Jahre zurück. Allerdings listet der Werbepartner 15 CDs, also ganz unbekannt ist er wohl nicht. Nehme ich mal das Trio hier als repräsentatives Beispiel, so ist seine Musik typisch französisch, leicht, elegant und transparent, Ravel light würde ich es nennen. Das viersätzige 25-minütige Trio erinnert dann auch an die beiden Klassiker des französischen Streichquartetts, erreicht deren stellare Qualitäten aber nicht. Wie eines davon, nämlich das von Ravel zu klingen hat, werde ich heute abend übrigens von kompetentester Seite live vermittelt bekommen, das Ebene Quartett spielt wieder einmal in Stuttgart auf. Doch davon später mehr.

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