Was man als Komponist tun bzw lassen sollte, um den Nachruhm nicht zu gefährden

  • In den Diskussionen hier im Forum taucht immer wieder die Frage auf, warum es bestimmte Komponisten nicht geschafft haben, sich in der Musikgeschichte so zu etablieren wie andere. Aktuelles Beispiel sind die Beiträge zu Joachim Raff.


    Ich habe mir zu diesem Thema schon viele Gedanken gemacht und möchte hier ein paar Thesen vorstellen, was man als begabter Komponist unbedingt tun oder lassen sollte, wenn man auf dauerhafte Berühmtheit Wert legt.


    1. Komponier viel und stirb früh. Es ist für den Nachruhm äußerst hilfreich, wenn man früh stirbt und trotzdem ein großes Oeuvre hinterlässt. Die klassischen Beispiele hierfür sind natürlich Mozart und Schubert. Kaum 30, hat man sie uns genommen und trotzdem haben sie unendlich viel geschaffen. Manche wagen sogar die These, erst der nahe Tod habe vor allem die Produktion der großen "Spätwerke" befördern können. Früher Tod ohne großes Werkverzeichnis ist eher karrierehinderlich, siehe Arriaga oder Rudi Stephan. Immerhin hat es Arriaga trotzdem geschafft, als Streichquartettkomponist ernster genommen zu werden als z.B. Raff.


    2. Hab' Probleme mit Frauen. Viele erfolgreiche Komponisten haben massive Probleme mit Frauen bzw gar keine, ich meine Frauen, nicht Probleme: Haydn, Beethoven, Schubert, Brahms, Bruckner, Tschaikovsky, Janacek... Die die Frauen haben, sind gut gestellt, wenn es sich um schwierige Frauen handelt, streitsüchtige, fremdgehende, unsympathische: Wagner, Mahler, Strauss. Wer eine fürsorgliche Frau hat wie Schumann, muss dann halt selbst ins Abseits driften. Ganz schlecht ist es jedenfalls für den Nachruhm, lange und glücklich verheiratet gewesen zu sein.


    3. Wenn Du als Symphoniker unterwegs bist, schreib' nie mehr als 9 Symphonien. Gilt zumindest als feste Regel seit Beethoven. Dafür gibt es so viele Beispiele, dass man sie gar nicht alle aufzählen kann. Die einzige Ausnahme - jede gute Regel braucht ja eine - ist Schostakowitsch. Aber ob Raff oder Miaskovsky, Havergal oder Simpson, Weinberg und Hovhaness, sie alle haben sie gebrochen und man sieht, was sie davon haben. Elendes Entlangdümpeln am äußersten Rand des Repertoires. Noch tödlicher für den Nachruhm ist es, wenn man über die Strecke von der ersten zur letzten Symphonie keine Fortentwicklung vorweisen kann, wenn die erste genauso klingt wie die letzte. Ganz schlecht. Raff kann ein Lied davon singen.


    4. Maximal zwei, besser nur ein Violinkonzert. Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Berg, Schönberg, Dvorak, Tschaikovsky alle nur eins, Bartok, Prokofieff, Schostakowitsch zwei. Da hat man zumindest noch einen Partner für die CD und macht dem Sammler das Einsortieren leichter. Ab drei kannst Du sicher sein, dass - wenn überhaupt - nur eins wahrgenommen wird. Bruch und Saint-Saens können das bestätigen. Fünf (Vieuxtemps) oder sechs (Bacewicz) geht gar nicht und über 10 (Spohr, Viotti) ist der Garantieschein fürs Vergessenwerden. Da hilft dann nur, wenn aus berufenem Munde verkündet wird, man hätte ja im Prinzip nur eins geschrieben (Vivaldi).


    5. Bei Klavierkonzerten ist drei das Maximum, nur ein Mozart oder Beethoven dürfen mehr. Und schon bei Beethoven geht die Diskussion los, dass ja von den Fünfen zwei nicht so doll seien. Diese Diskussion geht dann natürlich bei Rachmaninoff weiter, dem billigt man nur zwei zu und Prokofieff nur eins und höchstens zwei weitere als Reserve. Alle weiteren dürfen nur zum Komplettieren von LP- oder CD-Boxen aufgeführt werden.


    6. Drei scheint auch bei Streichquartetten so die Obergrenze zu sein, mit der man noch reüssieren kann, zumindest nach Beethoven. Oder kennt hier jemand mehr als drei Quartette von Mendelssohn? Vermutlich nicht, deshalb haben sich Schumann, Brahms und Tschaikovsky gleich auf drei beschränkt. Und von Schubert und Dvorak kennt man auch nur drei. Volkmann mit seinen 6, Raff mit seinen 8 haben da ein Problem, von Spohr mit 36 ganz zu schweigen. Lediglich das Genie Bartok darf zweimal antreten.


    7. Schreib' keine Klaviersonaten. Die 32 von Beethoven reichen für ein Musikhörerleben völlig aus. Jedenfalls bei einigen hier im Forum. Die von Schubert sind ja sowieso eher Fantasien. Und die von Schumann, Brahms, Tschaikovsky, Rachmaninoff oder Shostakovich, wer will die schon hören. Chopin und Liszt wären hier die Ausnahmen, aber wer schreibt noch so.


    Ja, wenn man all diese Regeln befolgt, sollte es mit dem Nachruhm eigentlich keine Probleme geben.

  • Drei scheint auch bei Streichquartetten so die Obergrenze zu sein, mit der man noch reüssieren kann, zumindest nach Beethoven. Oder kennt hier jemand mehr als drei Quartette von Mendelssohn? Vermutlich nicht, deshalb haben sich Schumann, Brahms und Tschaikovsky gleich auf drei beschränkt. Und von Schubert und Dvorak kennt man auch nur drei. Volkmann mit seinen 6, Raff mit seinen 8 haben da ein Problem, von Spohr mit 36 ganz zu schweigen. Lediglich das Genie Bartok darf zweimal antreten.

    Keine Regel ohne Ausnahme: Wie wäre es mit Schönbergs vier Streichquartetten?