Joachim Raff Symphonie Nr. 11 op. 214 "Der Winter"

  • Opus- und Symphonienummer täuschen bei Raffs "Wintersymphonie", es ist nicht seine letzte, das ist ist die 10. Die 11. wurde unmittelbar nach der 8. komponiert, also 1876/77, als Raff seiner Dienstantritt in Frankfurt vorbereitete. Diese Symphonie blieb aber bis zum Tode 1882 unveröffentlicht und wurde erst posthum veröffentlicht. Warum ist unklar, an der Qualität kann es nicht gelegen haben. Die Uraufführung 1883 war zwar wohl nicht übermäßig erfolgreich, dennoch etablierte sich das Werk vorübergehend und war in USA neben "Im Walde" (3) und "Lenore" (5) die dort meistgespielte Raff-Symphonie.


    Als allzu winterlich empfinde ich - ehrlich gesagt - diese Musik nicht, es sei denn Raff vertont hier vor allem im Schnell balgende und um den Weihnachtsbaum tanzende Kinder. Eine Nähe zur Musik von Tschaikovsky (Winterträume 1866, Nußknacker 1892) ist nicht zu überhören.



    Der erste Satz beginnt mit einer Figur, die ein wenig an Sibelius erinnert, der natürlich bis dahin noch keine Note gekritzelt hatte. Er entwickelt sich melancholisch in Richtung eines Marsches. Das Allegretto ist feinste Musik mit deutlichen Reminiszenzen an Tschaikovsky. Und die Winterstürme heulen dann doch in diesem Satz ab und zu auf. "Am Kamin" ist ein Larghetto, dass mit einem Fagottsolo über einer tänzerischen Figur beginnt und sich dann zu einer sehr stimmungsvollen fast walzermäßigen Streichermusik steigert, bei der Fagott und andere Bläser immer wieder solistisch hervortreten. Ein sehr schöner Satz. Das Finale beginnt mit einer schnellen rhythmisch akzentuierten Melodie, die an den Finalsatz von Tschaikovsky 5. erinnert. Der wurde allerdings erst 12 Jahre später komponiert. Tschaikovsky hat die Musik von Raff gekannt und sich sehr lobend über sie geäußert.


    Wenn auch eigentlich nicht das letzte symphonische Wort von Joachim Raff, so ist dieses Werk doch ein würdiger Abschluss einer nach wie vor zu Unrecht weitgehend vergessenen eindrucksvollen Symphonische Serie, die über weite Strecken viel besser ist als ihr Ruf und verdient zumindest mit einzelnen Werken ins Repertoire zurückzukehren. Ich jedenfalls kenne keinen einzigen romantischen Komponisten der sog. "2. Reihe", der ein qualitativ und quantitativ auch nur annähernd vergleichbares Oeuvre vorgelegt hat.

  • Wenn wir uns Raffs Sinfonie Nr 11 op 214 „Der Winter“ kritisch anhören, müssen wir in der Tat feststellen , dass sie kaum Stellen enthält, die einen an diese Jahreszeit erinnerten – vor allem dann nicht, wenn es Raff nicht explizit schriftlich niedergelegt hätte.
    Sie befindet sich damit in guter Gesellschaft mit vielen Werken, wo die Jahreszeiten im Titel vorkommen, und man gar nicht weiß warum (Vivaldi, Haydn und ein paar wenige andere sind hier ausgenommen) Das tut aber meiner Freude an der Sinfonie keinen Abbruch. Näheres in Bälde im allgemeinen Raff-Thread.
    Auch diesmal sind die 4 Sätze mit Titeln versehen, eigentlich nur 3, denn der 2. Satz ist ohne Bezeichnung. Ist Raff selbst, hier kein ädiquater Titel eingefallen ? Wie wärs mit "Tanz der Schneflocken" - das würde vielleicht passen ?? Wie dem auch sei - sehr eingängig, leicht und tändelnd ist das Thema in jedem Fall.

    Hier nun die Teitel der einzelnen Sätze:
    1)Der erste Schnee (Allegro)
    2)Allegretto
    3) Am Kamin (Larghetto)
    4 Karneval (Allegro)


    Das Werk ist im allgemeinen freundlich, angenehm mit allen wesentlichen Merkmalen des Raffschen Stils, die angeblichen Vorbilder sind kaum zu hören, es fehlen IMO Reminiszenzen an Mendelssohn, Schumann oder Berlioz, gibt keine Tänze von Geistern oder Gnomen. Vielleicht geht der tänzerische 4 Satz am ehesten in diese Richtung, nur dass hier statt Geistern oder Elfen das Karnevalstreiben dargestellt wird – was meiner Meinung gut getroffen wurde. Und hier finden wird dann letztlich wiederein paar Stellen, wo Raff seine obligaten Fanfaren eingesetzt hat. Und auch das Finale ist sehr effektvoll.


    Wie bei allen Sinfonien Raffs, kann ich auch hier nur empfehlen, sie öfter zu hören – sie gewinnen von Mal zu Mal.
    Sie sind IMO Perlen der romantischen Sinfonik - mit oder ohne "Programm"


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der erste Satz beginnt mit einer Figur, die ein wenig an Sibelius erinnert, der natürlich bis dahin noch keine Note gekritzelt hatte.

    Das geht mir genauso. Obwohl die 11. Sinfonie nicht die letzte ist, so scheint sie mir - besonders im Kopfsatz - Raffs modernstes sinfonisches Werk zu sein. Das ist harmonisch deutlich progressiver, als das übrige sinfonische Werk.


    Das Werk ist im allgemeinen freundlich, angenehm mit allen wesentlichen Merkmalen des Raffschen Stils, die angeblichen Vorbilder sind kaum zu hören, es fehlen IMO Reminiszenzen an Mendelssohn, Schumann oder Berlioz, gibt keine Tänze von Geistern oder Gnomen.

    Auch das fällt auf! Deshalb vermutlich orientiert sich das wissende Ohr hier nicht nach hinten, sondern nach vorne (Sibelius). In Wahrheit ist es natürlich reinster Raff.

    Ich jedenfalls kenne keinen einzigen romantischen Komponisten der sog. "2. Reihe", der ein qualitativ und quantitativ auch nur annähernd vergleichbares Oeuvre vorgelegt hat.

    :!:

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)