Joachim Raff Symphonie Nr. 9 op. 208 "Im Sommer"

  • In den 1870er Jahren war Joachim Raff auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen, er war ein anerkannter Komponist, seine Musik wurde überall gespielt und selbst Größen wie Hans von Bülow setzten sich unermüdlich für die Verbreitung seiner Werke ein. Als besondere Anerkennung wurde ihm dann die Leitung des neugegründeten Dr. Hoch'schen Konservatoriums in Frankfurt übertragen. Raff gelang es gleich hochkarätige Lehrer zu verpflichten, u.a. Clara Schumann, den Sänger Julius Stockhausen und den Cellisten Bernhard Cossmann. Er gründete sogar eine eigene weibliche Kompositionsklasse, für damalige Zeiten sehr ungewöhnlich. Johannes Brahms besuchte das Konservatoriums jährlich im Rahmen der Museumskonzerte. Franz Liszt war 1879 und 1880 auf Einladung Raffs zu Gast. In dieser glücklichen Zeit entstand die 9. Symphonie "Im Sommer" und ich finde man hört es. Es ist eine der fröhlichsten und sonnigsten Schöpfungen. Ich habe schon an anderer Stelle berichtet, das mir die 9. besonders gut gefällt, das langgezogene Hauptthema des eröffnenden Satzes "Ein heisser tag. Allegro" ist vielleicht seine schönste melodische Eingebung. Diese erklingt immer zwischen den streng rhythmischen Passagen mit effektvollem Fugato. Der zweite Satz "Die Jagd der Elfen. Allegro" bringt eine romantische Märchenwelt und beinhaltet im zweiten Teil "Oberon und Titania" Reminiszenzen an den Mendelssohn'schen Sommernachtstraum. Das Larghetto ist verträumt-sehnsuchtsvoll und ein wenig entrückt. Die Symphonie schliesst ab mit einem sich hymnisch steigerenden Allegrosatz "Zum Erntekranz über, einem festlichen Rondo. Auch hier zeigt Raff noch einmal alle seine Instrumentationskünste im Dienste eingängiger Themen, die auch Motive des ersten Satzes noch einmal aufgreifen. Für mich eine der schönsten romantischen Symphonien überhaupt.



    "Hätte Raff nicht schon durch seine übrigen Symphonien seinen Ruf und Ruhm begründet, so würde diese Werk jedenfalls sehr viel dazu beitragen" schrieb ein Kritiker nach der Uraufführung.

  • Raff Sinfonie Nr 9 op 208 „Sommer“


    Von dieser Sinfonie steht mir (leider) nur die abgebildete CD mit dem Basler Radio-Sinfonieorchester unter Jean-Marie Auberson aus dem Jahre 1994 zur Verfügung. Sie ist zumindest bei jpc nicht mehr erhältlich- und ich bin geneigt zu sagen „glücklicherweise“
    TUDOR hat offenbar gewusst, warum dies Produktion durch jene von Stadlmair ersetzt wurde.


    Zum Werk: Als Raff diese Sinfonie schrieb (1878) war seine goldene Zeit schon vorbei. Angeblich lag das daran, dass Brahms bereits seine erste Sinfonie veröffentlicht hatte. Ich kann mir das indes nicht vorstellen, denn Brahms erste Sinfonie lässt IMO jene Wärme und Wohlklang vermissen, die Raffs Sinfonien so auszeichnet. Sowas getraut man sich üblicherweise nicht zu schreiben – aber auch Clara Schumann war von Brahms erster Sinfonie auch nicht wirklich begeistert….. Es soll indes gerade durch Brahms das Interesse an Beethoven neu aufgeflammt sein – und somit verlor das Publikum weitgehend das Interesse an anderen Komponisten. Diese Erkärung scheint mir plausibel zu sein – denn wenn man einen Konzertführer nach großen Sinfonien des 19, Jahrhunderts absucht, dann landet man sehr oft im Niemandsland


    Raffs Sinfonie Nr 9 „Der Sommer“ wurde am 28. März 1879 im Kurhaus von Wiesbaden uraufgeführt.
    Wie zumeist begnügt sich Raff nicht mit der Betitelung der Sinfonie an sich, sonder verleiht jedem einzelnen Satz einen eigenen Titel. Im konkreten Fall sind das:


    1) Ein heisser Tag (Allegro)
    2) Die Jagd der Elfen (Allegro)
    3) Ekloge (Larghetto)
    4) Zum Erntekranz


    Der erste Tag, der einen heissen Tag darstellen soll beginnt sehr, verhalten, wie von drückender Hitze geprägt, indes entwickelt sich alles zu lebhaftiger Geschäftigkeit und tänzerischer Fröhlichkeit. Interessant auch hier die teilweise recht eigenwillige (im Sinn von beeindruckende) Instrumentierung .
    Der zweite Satz ist stark von Mendelssohn geprägt, kein Einzelfall bei Raff – und ich meine das durchaus positiv.
    Der dritte Satz wird von Raff als „Hirtenlied“ bezeichnet und folgerichtig mit pastoralen Themen bestritten.
    Der Erntekranz dürfte ein Erntedankfest darstellen, Schon zu Beginn feierlich, steigert sich der Satz allmählich in eine Art Dankeshymne.


    Wie schon weiter oben beschrieben ist die Interpretation der gezeigten CD eher mittelmässig. Ich werde mich daher um eine andere Aufnahme bemühen.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Neben "Leonore" meine Lieblingssinfonie. Hier besonders wegen der Außensätze. Mir gefällt der sich behutsam entwickelnde Kopfsatz musikalisch sehr. Von der schwirrenden, unklaren Einleitung hin zum breit strömenden Gesang, der IMO zu Raffs schönsten Themen gehört.

    Und das Finale ist schlicht und ergreifend mitreißend. Volkstümlicher und eingängiger ist Raff selten. Mit mehreren sinfonischen Steigerungen entsteht regelrecht ein hymnischer Jubel.

    Wie (fast) immer, funktioniert die Sinfonie perfekt auch ohne Programm. Sie ähnelt in ihrer Anlage sehr Gades 1. Sinfonie Op. 5 (Kopfsatz mit verhaltener Einleitung und schönem Hauptthema - ungewöhnlich langes Scherzo - beschaulicher langsamer Satz mit deutlich schreitendem Andante-Tempo - Hymnisches Finale mit Steigerungen).

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Der zweite Satz "Die Jagd der Elfen. Allegro" bringt eine romantische Märchenwelt und beinhaltet im zweiten Teil "Oberon und Titania" Reminiszenzen an den Mendelssohn'schen Sommernachtstraum.

    Das hat lutgra sehr gut beobachtet. Aber auch der erste Satz scheint mir von Mendelssohn inspiriert.


    Sie ähnelt in ihrer Anlage sehr Gades 1. Sinfonie Op. 5 (Kopfsatz mit verhaltener Einleitung und schönem Hauptthema - ungewöhnlich langes Scherzo - beschaulicher langsamer Satz mit deutlich schreitendem Andante-Tempo - Hymnisches Finale mit Steigerungen).

    Und wenn Tristan auf Gade kommt, so möchte ich noch dessen große Ballade für Solisten, Chor und Orchester "Erlklönigs Tochter" nennen, die mir immer auch durch den Kopf geistert, wenn ich Raffs 9. Sinfonie höre.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Raff Sinfonie Nr 9 op 208 „Sommer“


    Inzwischen besitze ich - schon seit langem - die hier gezeigte Aufnahme mit der Staatlich Slowakischen Philharmonie Kosice unter Urs Schneider. Ich habe noch die alte Marco Polo Aufnahme die 1990 aufgenommen wurde. Die Aufnahmen dieser Serie gefallen mir persönlich besser, als jene unter Stadlmayr. Deren Güte scheint man inzwischen auch bei Naxos erkannt zu haben, denn im Juli dieses Jahres holte man sie aus den Archiven und brachte sie auf dem Midprice-Label heraus. Von einem Budget-Label kann man ja inzwischen bei Naxos nicht mehr sprechen...

    Ich habe einiges weasentliche zum Werk bereits geschrieben. Das Wiederhören bereitete mir viel Freude. Raff liebt es, seinen Sinfonien relativ belanglose Titel zu geben, die er denn durch die wahl seine Satztitel interessanter macht. Unverzichtbar eine Geisterszene - 2. Satz - Die jagd der Elfen. Interessant der Kontrast - Unter Elfenstellt man sich etwas sanftes, Liebliches dar, aber hier finden wir daneben auch durchaus gespenstisch -spukhaft unheimliche Stellen - was durch den Titel -Jagd ohnedies angedeutete ist. Neben den Mendelssohnschen Zügen höre ich gelegentlich auch Wagner (Holländer) oder Weber (Wolfschluchtszene) ansatzweise heraus. Nein keine epigonalen Ansätze sondern einfach Zeitgeist des 19. Jahrhunderts, wie er auch durch etliche Loewe-Balladen dokumentiert ist.

    Weiters dürfen die Pastoralen, bzw ländlichern Elemente in einer Raff-Sinfonie nicht fehlen - hier vertreten durch den dritten und auch vierten Satz - wobei der vierte ein weiteres Merkmal von Raffs Sinfonien aufweist: eine strahlend triuphierenden Abschluss - wo der Applaus quasi bereits mit einkomponiert ist. Publikumswirksam angelegt - und vom zeitgenössischen Publikum begeistert aufgenommen.

    In eben jene Zeit des großen Erfolges fällt aber auch die Phase, wo seine Gegener sich formierten und ihm "Vielschreiberei " vorwarfen.

    Der als streitbar bekannte Raff konterte ärgerlich, Mozart sei mit Mitte 30 gestorben und habe dennoch mehr Werke komponiert, als er, der die 50 bereit überschritten habe....

    Ich bin froh, daß Raff so viele Sinfonien geschrieben hat. Leider ist ja seine allererste verloren gegangen....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !