Nach langer Abwesenheit möchte ich mich hier mal wieder melden mit einem Thema, das mich seit dem Königin-Elisabeth-Concours in Brüssel im letzten Jahr immer mal wieder verfolgt.
Es gibt alleine im Fach Klavier eine für mich unüberschaubare Vielfalt solcher Wettbewerbe, neben dem erwähnten Königin-Elisabeth-Concours in Brüssel kommen mir zunächst der Chopin-Wettbewerb in Warschau, der Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau, die Leeds Piano Competition in Leeds, der Liszt-Concours in Utrecht und besonders der Maria-Canals-Wettbewerb in Barcelona in den Sinn, der ja sogar jährlich stattfindet. Das sind, wie gesagt, nur die, die mir direkt einfallen.
Es ist nun für mich erstaunlich zu beobachten, wie die Siege oder hohe Plazierungen bei solchen Wettbewerben sich auf die Karrieren der Prämierten auswirken. Manchmal sehr deutlich und manchmal fast gar nicht, so kommt es mir jedenfalls vor.
Ich will ein paar Beispiele nennen und mal die Foristen fragen, wieso das so sein könnte.
1) Boris Giltburg. Er gewann den Königin-Elisabeth-Concours in Brüssel im vergangenen Jahr mit einer furiosen Darstellung des 3. Klavierkonzertes von Rachmaninoff, es wurde im Radio übertragen, ich konnte es hören, weil ich in der Nähe der belgischen Grenze wohne. Das werde ich so bald nicht vergessen. Giltburg ist seitdem ein international gefragter Solist, der ständig um die Welt jettet. Ob das nun erstrebenswert ist, lasse ich dahingestellt, aber bei ihm habe ich sehr stark den Eindruck: Voila, er hat es geschafft.
2) Den letzten Chopin-Wettbewerb im Jahr 2010 gewann Yulianna Awdeewa, Yulianna wer ? Sie ist praktisch nirgends präsent, ich habe den Namen damals gehört und auch wieder vergessen.
3) +4) Daß es anders gehen kann, zeigen ihr Vorgänger Rafal Blechacz und der Drittplazierte von 2010: Daniil Trifonov. Diese beiden sind nach meiner unmaßgeblichen Meinung die beiden größten Talente bei den unter dreißigjährigen Männern. Beide sind wie selbstverständlich in wirklich erfolgreiche Karrieren eingetreten und damit da, wo sie hingehören: oben. Trifonov hat auch den 2011er Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen, dessen Preisträger sich ohnehin wie ein "Who-is-who" der internationalen Pianistenelite lesen.
5) Olga Scheps. Bedeutende Wettbewerbsplazierungen sind außer einem 2. Platz bei einem Kissinger Klavierolymp zumindestens bei Wikipedia nicht aktenkundig. Dafür bekam sie 2010 einen Echo Klassik und hat seitdem eine schöne, aufwärts verlaufende Karriere, in der ich aber noch Luft nach oben sehe. Es geht also auch ohne erste Preise ?
6) Khatia Buniatishvili. Sie kann ich am wenigsten einschätzen. Auch für sie ist bei Wikipedia nur ein dritter Platz bei der Artur-Rubinstein-Competition dokumentiert. Den Echo Klassik bekam sie 2012 auch. Manchmal kommt sie mir vor, wie ein weiblicher Lang Lang. Ohne Substanz von den Medien und den Kritikern hochgepusht, so würde ich sie aber auch nicht einstufen. Neulich kam ich an eine CD mit Violinsonaten von Franck und Grieg mit Renaud Capucon. Die Frau kann was, keine Frage. In der Frage ihrer Garderobe würde ich ihr mehr Geschmackssicherheit wünschen. Wenn ich hierbei die Augen schließe, schwanke ich zwischen der Einschätzung "Kitsch" und Tränen in den Augen. Wenn ich hingegen genau hinsehe, sage ich: Mädchen, zieh´ Dir was anderes an, so ist es unwürdig:
https://www.youtube.com/watch?v=PV2p-TbFzcE
Im Vergleich zum Moskauer Wettbewerb kommt mir auf der Liste der Plazierten der Leeds Piano Competition fast niemand bekannt vor, oder ich muß sehr weit zurückgehen:
http://en.wikipedia.org/wiki/L…Competition#Prize_winners
Der Canals-Wettbewerb in Barcelona liegt irgendwo dazwischen. Die Gewinner von 2011, 2013 und 2014 waren Mateusz Borowiak, Stanislav Khristenko und Regina Chernychko. Alle drei verfolge ich, da es alles Namen sind, die wir in der Zukunft häufiger hören werden, denke ich.
Holger