Immer wieder wird von "Interpreten der 3. Reihe" geprochen oder geschrieben - und unterschwellig kommt hier der Begriff durch: "Gut, auch sehr gut - aber eben nicht erstklassig"
Das ist meines Erachtens eine falsche Einschätzung der Sachlage. Denn es ist ja in der Welt nicht immer so, daß die "Besten" (in welcher Disziplin auch immer) ganz vorne mitmischen - im Gegenteil, oft sind es die Lautesten, Rücksichtslosesten, Robustesten. Das soll nicht heissen, daß das in allen Fällen auf die sogenannte "erste Garde" zutrifft - aber eine gewisse Dickhäutigkeit gehört doch dazu - oder eine gewisse Bereitschaft zum Leiden.
Was ist hier gemeint ? Es gibt große Künstler, die es nicht ertragen immer wieder als Flaggschiff genannt zu werden - um dann gelegentlich in der Kritik lesen zu müssen, sie hätten die in sie gesetzten hohen Erwartungen nicht erfüllt. Oder nach Jahren an der Spitze, zu sehen, daß die Tonträgerindustrie einen schon abgeschrieben hat, während sie eine neue Ikone aufbaut. Es gab Künstler, die ihre eigenen Schallplattenaufnahmen - aus vielerlei Gründen - nicht mochten - sie (das war früher möglich) nichtzur Veröffentlichung freigaben und sich als "schwierig" für die Vermarktung entpuppten - so lange bis man keine Aufnahmen mehr mit ihnen machte und sie stillschweigend in der Versenkung verschwanden. Eigentlich die wervollsten Künstler, die strenge Maßstäbe an ihre eigene Leistung legten - aber für eine Weltkarriere nur bedingt geeignet (Einige haben es dennoch geschafft, wie viele an dieser Hürde scheiterten - das wissen wir nicht)
Dann gab es jene, denen ein Familienleben wichtiger war als ihr Beruf. Sie spielten ihre Konzerte oder sangen ihre Rollen als fixes Ensemblemitglied eines (durchaus auch großen) Opernhauses. Sie waren gut bezahlte Lokalmatadore im Umkreis von 100 Kilometern und ihr Ruf war beinahe Legende - allerdings oft nicht international - oder gar weltweit. Manche mögen Flugangst gehabt haben, manche wieder andere Eigenheiten, welche den "Weltruhm" verhinderten. Bzw - vielen kam die so entstehende Situation auch entgegen. Schallplattenaufnahmen gab es zwar vereinzelt - aber sie verkauften sich nur an ein Insiderpublikum - auf jeden Fall nicht in dem Maße, der für eine weltweite und jahrzehntelange Vermarktung geeignet gewesen wäre. Künstler aus der 2. Reihe ? - die betreffenden hätten das strikte von sich gewiesen. Ihre Konzerte waren ausverkauft - der Terminkalender übervoll. Was will man mehr ?
Das Nachsehen hat die Nachwelt, wenn diese Künstler aus rein markttechnischen Gründen vergessen werden - aber das ist eben der Lauf der Welt. Denn das Publikum ist unbarmherzig: Im Zweifelsfalle nimmt es beim CD-Kauf dann doch lieber Karajan oder Bernstein, Brendel oder Buchbinder, Wunderlich oder Fischer Dieskau............
Wir können hier im Forum durch gezielte Forenpolitik versuchen EINIGE dieser Künstler wieder ganz nach vorne zu holen. Jedoch gibt es hier zwei Barrieren: Ein Mindestmaß an Tonträgern muß noch im Handel verfügbar sein - und das PT. Publikum sollte offen und neugierig sein, wobei ich die 2. Barriere für die schwerer zu überwindende halte....
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred
PS: Wenn in diesem Thread unbedingt Namen genannt werden müssen - dann sollten es solche aus der Vergangenheit sein - Ich möchte keinen lebenden Interpreten als künstler aus der "2. Reihe" bezeichnet sehen......