Da sich heute der Todestag dieses massgeblichen Sängers zum fünfzehnten Mal jährt, scheint mir dies eine willkommene Gelegenheit einen schon längst überfälligen Thread zu errichten.
Alfredo Kraus wurde am 24.11. 1927 in Las Palmas geboren. Nach der Schulzeit begann er ein Ingenieursstudium und entschloss sich bald zu einem Gesangsstudium, dass er MercedesLLopart (die u.a. auch Renata Scotto und Ivo Vinco betreute) in Mailand abschloss.
1956 hatte er sein Bühnendebüt als Herzog in Rigoletto und sang schon 1958 den Alfredo in Traviata mit Maria Callas, wovon es auch eine bei EMI herausgekommene Aufnahme gibt.
Zeitlebens hat Kraus sich an ein beschränktes Répertoire gehalten, was es ihm ermöglichte, bis an sein Lebensende, die stimmliche Unversehrtheit zu bewahren und ihm zu einer beispiellos langen Karriere verhalf.
Da er in den Partien des Verismo durch die dicke Instrumentierung eine stimmliche Gefahr sah, hielt er sich (etwa im Gegensatz zu Carreras) von Puccini weitesgehend fern und beschränkte sich in den ersten Jahrzehnte seiner Karriere auf den leichten Verdi (Traviata, Rigoletto, Falstaff) und auf Komponisten des Belcanto, wie Donizetti (Favorita, Lucrezia Borgia, Fille du régiment) und Bellini und auf Mozart. Diese kluge Voraussicht ermöglichte es ihm, im Alter von über 50 Jahren eine „zweite Karriere“ mit Partien des französischen Fachs zu starten, die ihm weltweite Bewunderung verschaffte.
Er wurde zu „Monsieur Werther“, Hoffmann, Roméo (Gounod), des Grieux (Manon), Faust, und dies in einem Alter, in welchem vor allem Tenöre dem Alter schon längst Tribut zahlen müssen und sich zurückziehen.
Sein Tenor zeichnet sich nie durch sinnliche Opulenz aus, wie sie einen Pavarotti oder di Stefano auszeichnete und war eine Stimme für die „happy fews“, wie es Kesting bezeichnete, die eine perfekte Gesangstechnik über die sinnlichen Reize einer Stimme stellen.
Während er in seinen jungen Jahren von den Plattenfirmen sträflichst vernachlässigt wurde (er gründete seine eigene Firma Carillon und nahm in Eigenregie etliche hervorragende Rezitals auf), konnte er ab 1980 noch viele seiner Glanzrollen diskographisch festhalten.
Einige persönliche Anmerkungen zum Schluss:
Als ich ihn 1979 in München in Rigoletto das erste Mal live erlebte war ich enttäuscht, da ich damals für den Duca das draufgängerischen Singen von Giuseppe di Stefano im Ohr hatte und Kraus mir den Eindruck eines Sängers machte, der demonstrierte wie man singen sollte und der Partie kaum Aufmerksamkeit schenkte.
Im Jahr darauf kam die Plattenaufnahme des „Werthers“ unter Plasson heraus, die ich mit dem Klavierauszug in der Hand verfolgte und ich war auch dadurch begeistert, dass ich erkannte, wie er diesem Werk (das mich mit Dvorsky und Carreras grauslich gelangweilt hatte) eine unglaubliche Dimension gab, indem er notenmässig jede Nuance nachvollzog, und es dadurch in die Nähe von Wagners Tristan rückte.
Seit ich ihn dann in Zürich als Hoffmann erlebt und seine strahlende Spitzentöne gehört hatte, war ich ihm „verfallen“ und habe seine Vorstellungen bis ein Jahr vor seinem Tod (Lucia) mit gleich bleibender Begeisterung besucht. Nie konnte ich es nachvollziehen, dass ihm gewisse Kritiker eine gewisse „Kälte“ und Unnahbarkeit vorwarfen.
Von den drei grössten Tenören (Bergonzi, Gedda und Kraus), der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts, war er für mich nicht zuletzt auch durch seine ästhetische Erscheinung der herausragendste und ich verdanke ihm, dass er mir als damals überzeugtem Wagnerianer eine ganz neue Sorte von Musik eröffnet hat.