Übernahme von EMI durch WARNER - Fluch oder Segen ?

  • War die Übernahme von EMI und Virgin durch WARNER ein Segen oder ein Fluch für den Klassikfreund ?
    So hätte dieser Thread ursprünglich lauten sollen. Bei solchen Übernahmen wird ja allgemein gefürchtet, daß der Katalog radikal zusammengestrichen wird und man sich als Sammler sozusagen mit dem verblieben Gerippe begnügen muß - mit dem "Best of" - oder was das jeweils regierende Management für das "Best of" hält.
    Im speziellen Falle aber habe ich den Eindruck - er mag trügen - daß Warner daran interessiert ist die eingekauften Archivaufnahmen in möglichst großer Stückzahl zu verkaufen - und mit niedrigen Preisen lockt. Daß man leider immer Komplettpakete erwerben muß (wo man einen Teil der Aufnahmen schon im Regal stehen hat) - das ist TEil des Deals.
    Nachdem (hoffentlich) einige Stellungnahmen zu diesem Thema eingegangen sind, möchte ich gerne über möglich Folgewirkungen am gesamten Klassikmarkt spekulieren.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dass die Übernahme und das Verschwinden eines Giganten, wie der EMI, die besonders in der Zeit als der große Klassik- und Opernkenner Walter Legge das Unternehmen führte und die Programmpolitik steuerte, Schallplattengeschichte schrieb ein herber Verlust für die Klassikszne ist, dürfte auf der Hand liegen. Die Konzentration des verbliebenen Marktes in den Händen weniger starker Konzerne, bei denen zum Teil das Tonträgergeschäft nur eine Marginalie im Gesamtumsatz mit schrumpfenden Umsätzen und Gewinnen ist, bringt die Gefahr einseitiger Marktmacht und willkürlicher Mangamententscheidungen, die von Gewinnmaximierung und nicht von künstlerischen Überlegungen und Verpflichtungen bestimmt sind. Gott erhalte uns die kleinen Labels und die Idealisten, die auf eigenes Risiko Aufnahmen erhalten und neu herausbringen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wenn ich an die Interessen unserer Jugend und die für den Normalbürger immer kleiner werdenden Wohnmodule denke, gebe ich dem Handel mit Musik auf festen Tonträgern keine Chance für die Zukunft.
    Und ob EMI oder Warner, weiß man denn, wer´s besser macht? Schließlich sind Walter Legge und Elisabeth Schwarzkopf nicht mehr dabei.


    Das große Problem sind eher unsere Politiker, denen die absurden Rechte der Urenkel wichtiger sind als das allgemeine Interesse und damit ein El Dorado für geldgierige Winkeladvokaten unterhalten.


    In Stockholm wurde gerade in dieser Woche die für den 31. Oktober geplante Premiere des "Dvärgen" (Der Zwerg) von Pär Lagerkvist eingestellt, weil sich ein Nachfahre plötzlich quergestellt hat.
    Kulturkapitalismus in höchster Potenz!


  • ...
    ... willkürlicher Mangamententscheidungen, die von Gewinnmaximierung und nicht von künstlerischen Überlegungen und Verpflichtungen bestimmt sind. Gott erhalte uns die kleinen Labels und die Idealisten, die auf eigenes Risiko Aufnahmen erhalten und neu herausbringen.


    Herzlichst
    Operus


    Hm, wir, die Liebhaber klassischer Musik, laufen immer bisserl Gefahr, die Thematik rein emotional zu sehen. Natürlich vollkommen zu Recht, sind es doch über lange Jahrzehnte bekannte, anerkannte und uns ans Herz gewachsene Pretiosen, die uns quasi heilig sind. Wir gehen naturgemäß davon aus, dass unsere „Aufnahmen für die Ewigkeit“ auch in Ewigkeit präsent sein müssen. Aber ich glaube, dass wir das illusorisch und klein bisserl „naiv“ (im besten Sinne!) sehen. Denn, der Markt, dem sich dummerweise auch unsere Schätze beugen müssen, funktioniert halt nicht emotional, sonders ganz banal – es wurde bereits erwähnt – nach monetären Gesichtspunkten. Ist damit Geld zu verdienen, ja oder nein. Ist eine Gewinnaussicht da, wird ein „Produkt“ gepflegt, ansonsten wandert es ins Archiv bzw wird Nischenanbietern zur Lizenzvermarktung zur Verfügung gestellt.
    Ich denke, die Fehler, die dazu führten, dass zB EMI Klassik unter die Räder kam wurden früher gemacht; eine Übernahme durch einen der Majors ist heute marktgerecht und kaufmännisch nachvollziehbar. Klar, dass uns das nicht gefällt. Dass WARNER nun versucht, mit diesen Produkten Geld zu verdienen ist naturgegeben. Und dass nicht mehr jede einzelne Aufnahme als Solitär sondern im Paket vermarktet (ich würde nicht soweit gehen, „verramscht“ zu sagen) wird ist wirtschaftlich nachvollziehbar.


    Sind wir doch mal ehrlich … wir, die „Alten Hasen“, haben doch längst nahezu alles Nennenswerte im Schrank stehen. Uns können die Neuauflagen meist dann interessieren, wenn ein geglücktes Mastering rauskommt (wie kürzlich zB mit der Strauss-Kempe-Box). Für kommende Dekaden werden halt – es wurde hier oft genug diskutiert: „was wird die Zeit überdauern?“ – die Sachen Bestand haben, die gekauft werden. Dass es, was unsere diskutierten alten Aufnahmen angeht, meist eh die sind, deren Überleben gerechtfertigt ist, dürfte als sicher gelten. Alles andere wird, so unsexy das klingen mag, dem Markt folgen müssen.


    Amazon weißt zB über den Filter „Klassik CD“ derzeit 380.000 Artikel auf, und nimmt man mal alle Doubletten, Zweit-, Dritt- und Viertaufgüsse, Billig- und Billigstangebote usw raus, bleiben immer noch eine Menge Artikel übrig, die sich am Markt behaupten müssen. Für mich ist es schlüssig, dass sich die Majors ihren Teil des Kuchens sichern und Nischenanbieter mit speziellen Serien punkten wollen.


    Was mich „eigentlich“ so richtig stört ist, dass zB die Warner-Boxen wie diese hier …

    … nicht mehr mit dem roten EMI-Logo gelabelt sind sondern mit dem unscheinbaren und unemotionalen Warner-Papperl. Wobei ich mich tierisch „freue“, dass ich die gerade gezeigte Box tatsächlich mit dem roten EMI-Logo habe – wie das zustande gekommen ist, weiß nur der Herr. Lege ich meine Strauss-Kempe-Box mit dem Warner-Logo daneben, so verkrampfe ich innerlich ein wenig.


    Wie gesagt, alles rein emotional … :rolleyes:

  • Das EMI Logo hat auf mich wenig Ausstrahlung. Ursprünglich war es das Logo des Unternehmens, welches nur klein neben den entprechenden Labels angebracht war. Eyecatcher waren indes die MARKEN, bzw LABELS:
    COLUMBIA - - - ELECTROLA --- HIS MASTERS VOICE --- ANGEL --- SERAPHIM etc.....
    Seit etwa 1990 wurden dann alle diese Labels deaktiviert und das neue schmuckluse EMI Logo eingeführt.
    Irgendwann hat man aber dann die Neigung des Klassiksammlers zur Nostalgie erkannt und man hat die NIPPER Serie eingeführt, die in England allerdings ANGEL Series hieß - Vergleichbar mit Sonys Neuauflagen der CBS Records, wo eigenartigerweise wieder das CBS Logo prangte.....


    In den letzten Jahrzehnten überboten sich die Labels in der Produktion hässlicher Logos und Cover bei Wiederveröffentlichungen.
    Man weiss nicht wem man hier die Siegespalme reichen soll...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo,


    das Verschwinden von EMI als letzter Name einer bedeutsamen Label-Historie ist meiner Ansicht nach schon eine recht traurige Sache. Ich kann nicht nachvollziehen, dass auf allem, was mal eine EMI-Produktion war, nun das Warner-Signet prangt. Gut, diese Vereinheitlichung spart Geld in der Vermarktung, aber Universal schafft es bspw. auch, zumindest virtuell ihre drei wichtigsten Label (DG, Decca, Philips) "am Leben" zu erhalten. Da wird viel an Wiedererkennungswert hergeschenkt und ich würde mich nun nicht wundern, wenn so mancher versehentlich die ein oder andere Aufnahmen nochmals erwirbt, in der Vermutung, es handle sich um eine andere Produktion... ;)


    Weiß jemand, ob Warner überhaupt noch tatsächlich neue Produktionen auf den Markt bringt?


    Grüße
    Frank

  • "Philips" ist schon seit einigen Jahren tot und dass zB Arraus oder Brendels Aufnahmen nun mit Decca-Logo wiederveröffentlicht werden, finde ich ähnlich verwirrend wie Klemperer mit Warner logo...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    verwirrend wie Klemperer mit Warner logo...

    Das passt schon: der alte Klemperer konnte ja auch nicht mehr so gut sehen, hätte vermutlich "Werner" gelesen und an eine Firmengründung des Sohnes geglaubt.

  • Mich ärgert es, daß CD-Versender wie amazon und jpc nicht zwischen EMI-Logo und Warner-Logo bei sonst identischer Covergestaltung unterscheiden. Wird z.B. eine CD mit EMI-Logo abgebildet, aber mit Warner-Logo versandt. Da es etliche CDs sowohl mit altem EMI-logo als auch mit neuem Warner-Logo gibt, müßten eigentlich beide Ausgaben abgebildet werden.
    Insbesonders bei amazon wäre das sinnvoll, weil Drittanbieter bei marketplace zwar auch alte, gebrauchte CDs anbieten, aber bei der Beschreibung nicht angeben, welches Logo sich auf dem CD-Cover befindet. Ich meine, bei amazon schon beide Abbildungen gesehen zu haben.
    Bei jpc hatte ich vor einiger Zeit Sibelius-Sinfonien mit Berglund bestellt, abgebildet mit EMI-Logo, erhalten habe ich die CD-Box mit Warner-Logo.
    Neue Warner-CDs mit alten EMI-Aufnahmen sind eigentlich nicht mein Ding. Daher greife ich lieber zu gebrauchten original EMI-CDs.

    mfG
    Michael

  • Prinzipiell gebe ich Euch recht. Aber das Verwirrspiel hat Tradition - oder besser gesagt: Geschichte:








    Genug des grausamen Spiels - ich könnte hier stundenkang Texte schreiben über Angel, Seraphim, DECCA, LONDON, RCA, TELDEC (= Telefunken-Decca) etc etc....


    mfg aus Wien
    Alfred
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • @Alfred:


    Das hängt vorwiegend mit Markenrechten und Lizenzierungen des berühmten Nipper-Logos zusammen - ähnlich wie Decca in den USA unter dem Markennamen "London" verkauft werden musste.


    VG
    Frank

  • "Philips" ist schon seit einigen Jahren tot und dass zB Arraus oder Brendels Aufnahmen nun mit Decca-Logo wiederveröffentlicht werden, finde ich ähnlich verwirrend wie Klemperer mit Warner logo...


    Richtig. Besonders verwirrend und ärgerlich ist folgende Box:



    Sir Colin Davis - The Philips Years, herausgegeben von Decca...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lege ich meine Strauss-Kempe-Box mit dem Warner-Logo daneben, so verkrampfe ich innerlich ein wenig.


    Dafür kannst Du dich dann aber freuen, dass die WARNER-Box neu remastert ist und nochmal klanglich gegenüber den Brillant-Box (mit den übernommenen EMI-Aufnahmen) zugelegt hat.


    Ich selber habe die Brillant-Kempe-Box. Da ich mit R.Strauss aber ansonsten allerbestens mit weiteren Dirigenten ausgestettet bin, habe ich mir den Kauf der neuen WARNER-Ausgabe verkniffen, denn die Brillant-Version (seinerzeit für nen Zwanni zu haben) ist klanglich auch soweit OK und zufriedenstellend.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Guten Morgen Wolfgang,


    ja, dessen bin ich gewahr ... das ist der Vorteil, den ich in meinem letzten posting bereits "eingeräumt" hatte. Das neue Remastering der Kempe-Bix klingt doch nen ganzes Stück frischer und rechtfertigt somit die neue Ausgabe. Aber, wie schon mal geschrieben, gilt für mich irgendwie: Strauss + Kempe + StaKa Dresden = EMI. Und auch wenns letzendliich nur nen roter Fleck auf dem Cover ist ... für mich ists irgendwie DER rote Fleck. Rein emotional, rein gaga, sicher nicht nachvolllziehbar. Ist halt aber so ...


    Ich könnte mir vorstellen, dass das entweder was Namensrechten zu tun hat; mit dem Verkauf eines Repertoirs muss ja nicht zwangsläufig auch der Markenname mit übergehen. Oder einfach mit einer unsentimentalen Sicht der Dinge bei Warner, die nun alles unter ihrem Logo vermarkten wollen. Aber nix gwiss weiß ich (auch) nicht. Warum aber bei der aktuellen Klemperer Edition einmal rot, einmal blau-weiß gelabelt wird, erschließt sich mir dann doch nicht.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass das entweder was Namensrechten zu tun hat; mit dem Verkauf eines Repertoirs muss ja nicht zwangsläufig auch der Markenname mit übergehen. Oder einfach mit einer unsentimentalen Sicht der Dinge bei Warner, die nun alles unter ihrem Logo vermarkten wollen. Aber nix gwiss weiß ich (auch) nicht. Warum aber bei der aktuellen Klemperer Edition einmal rot, einmal blau-weiß gelabelt wird, erschließt sich mir dann doch nicht.


    Warner hat das klassische Repertoire von EMI-Classical gekauft, jedoch nicht das EMI-Logo. Ob das EMI-Logo zum Verkauf angeboten wurde, weiß ich nicht. So ein Logo hat ja auch einen materiellen Wert. Jedenfalls hat es Warner nicht erworben.
    Was die aktuelle Klemperer-Edition betrifft, hatte ich bei ihrem Erscheinen die komplette Edition mit dem EMI-Logo gekauft. Einige Monate wurde die Edition um die Box mit geistlicher Musik (Sacred Music) ergänzt. In der Zwischenzeit fand der Logowechsel statt. Die Box mit geistlicher Musik kam deshalb ausschließlich mit dem Warner-Logo heraus. Die späteren Auflagen der gesamten Edition erhielten dann auch das Warner-Logo.
    Ähnlich erging es anderen CDs, die in der Zeit des Logowechsels erschienen.

    mfG
    Michael

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  • Zitat

    Warner hat das klassische Repertoire von EMI-Classical gekauft, jedoch nicht das EMI-Logo. Ob das EMI-Logo zum Verkauf angeboten wurde, weiß ich nicht. So ein Logo hat ja auch einen materiellen Wert. Jedenfalls hat es Warner nicht erworben.


    Ich kann gar nicht verstehen, was an dem EMI-Logoi besitzenswert sein soll - ich halte es nicht für historisch interessanter als jenes von Warner. Die Namen, denen ich wirklich nachtrauere sind Columbia, Electrola, Odeon,Virgin - sie haben den Plattenmarkt geprägt.


    Es ist natürlich eine Frage was man wirtschaftlich bezweckt:


    Möchte ich als traditionelle Marke dastehen. mit historischen Wurzeln, wie es DGG erfolgreich praktiziert, dann muß ich Electrola oder Columbia wählen (so ich die Rechte besitze).


    Möchte ich drauf hinweisen, daß meine Firma einerseits die "historischen" Aufnahmen des übernommenen Labels über einen längeren Zeitraum im Programm behalten wird - und zwar zu günstigeren Presen wie bisher, andrerseits aber auf eine Weiterführung mit Neuproduktionen und neuen Stars setzt, dann wäre das "Eigenlabel" sicher die bessere Wahl.....


    Für uns Klassikkäufer ist es natürlich schwer, sich noch zu orientieren, in 10 Jahren wird der nachgewachsene Kreis der Klassikkunden EMI nur mehr vom Hörensagen kennen.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ganz pragmatisch und unemotional gedacht ist es mir eher "schnurz", so lange ich nach wie vor in der Lage bin, die bestehenden Lücken in meiner Sammlung - idealer Weise preisgünstig - zu schließen.
    In Sachen Neuproduktionen bringen die Majors aus meiner Sicht schon lange nur noch sehr, sehr selten mal etwas Neues (!) heraus, dass mich reizt. Zuletzt wohl Chailly mit Brahms/Beethoven aus Leipzig. Die Vermarktung erfolgt ja eh ganz überwiegend über den Star-Rummel. Repertoirseitig Gewagteres findet in aller Regel nicht statt.


    Grüße
    Frank

  • Zitat

    In Sachen Neuproduktionen bringen die Majors aus meiner Sicht schon lange nur noch sehr, sehr selten mal etwas Neues (!) heraus, dass mich reizt. Zuletzt wohl Chailly mit Brahms/Beethoven aus Leipzig.

    Das ist durchaus verständlich - den üblicherweise werden solche Neuaufnahmen von den alten Hasen nicht gekauft, denn sie haben meist besseres seit Jahren im Schrank. Die Jungen aber sind an Klassik eher wenig interessiert, und wennm dann begügen sie sich mit einer der zahlreichen am Markt befindlichen Budgetaufnahmen, seien es historische Schätze oder Neuaufnahmen von Billglabels.



    Zitat

    Die Vermarktung erfolgt ja eh ganz überwiegend über den Star-Rummel. Repertoirseitig Gewagteres findet in aller Regel nicht statt.

    Wagnisse können nur finanziert werden, wenn der Mainstream genügend Gewinn abwirft, der das Riskiko vertretbar erscheinen lässt. Noch dazu haben das Nischenrepertoire seit Jahren einige Independient Labels fix in Händen. Sie haben die geeigneten Künsteler und das Vertrauer der Sammler.


    Zurück zur Vermarktung alter EMI Aufnahme durch WARNER:



    Ich finde, daß Warner recht geschickt agiert, zwar ist das LAbel EMI bei dieser Wiederveröffentlichung verschwunden, aber die sonstige Aufmachung trägt einen Hauch von Nostalgie in sich......


    Wie beurteilt ihr heute, rund 18 Monate nach Eröffnung dieses Threads die Wiederveröffentlichungspolitik von Warner ?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    Das ist durchaus verständlich - den üblicherweise werden solche Neuaufnahmen von den alten Hasen nicht gekauft, denn sie haben meist besseres seit Jahren im Schrank. Die Jungen aber sind an Klassik eher wenig interessiert, und wennm dann begügen sie sich mit einer der zahlreichen am Markt befindlichen Budgetaufnahmen, seien es historische Schätze oder Neuaufnahmen von Billglabels.

    Das erscheint mir eben nur bedingt verständlich, denn die Majors veröffentlichen beinahe ausschließlich (löbliche Ausnahmen bestätigen die Regel) Standardrepertoire / Mainstream. Vermarktungsvehikel und Kaufgrund sind (sollen sein) in aller Regel die ausführenden Künstler.


    Wer tatsächlich den X-ten Beethoven- oder Brahms-Zyklus erwirbt, da bin ich mir nicht so sicher ?( . Deiner Logik nach gäbe es dafür ja gar keine Kunden, denn die nicht mehr am Anfang ihrer Klassik-Karriere stehenden Hörer haben "Besseres" im Regal (dickes Fragezeichen; meiner Auffassung nach wird heutzutage allenfalls "Anderes", aber nicht "Schlechteres" produziert...) und die "Beginner" kaufen lieber günstig Etabliertes bzw. Super-Budget-Ausgaben.
    Gegen diese Einschätzung spricht jede wirtschaftliche Logik. Die Absatzmengen werden für die Majors schon noch ausreichend groß und wirtschaftlich sein, sonst erfolgte kein Angebot. ;)



    Sie haben die geeigneten Künstler und das Vertrauen der Sammler.

    Das ist eine interessante These, die ich doch sehr in Frage stellen möchte. Denn: was macht einen Künstler für Nischenrepertoire besonders geeignet? Außer vielleicht eine größere Erfahrung mit bestimmten "vernachlässigten" Komponisten. Warum sollte Linus Roth bspw. per se der bessere Geiger für Weinberg sein, als, sagen wir, Pinchas Zukerman oder ASM?



    Wie beurteilt ihr heute, rund 18 Monate nach Eröffnung dieses Threads die Wiederveröffentlichungspolitik von Warner ?

    Beinahe durchweg positiv.
    Anfängliche Befürchtungen, einer möglicherweise völlig über den Haufen geworfenen bisherigen Katalogpolitik, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Eher im Gegenteil - es wird munter im (EMI-/HMV-/Columbia-)Backkatalog gewühlt und es kommen Aufnahmen zu Tage, an deren Wiederveröffentlichung ich schon gar nicht mehr geglaubt habe (z. B. Brahms, VPO, Barbirolli, Menuhin-Edition). Meiner Wahrnehmung nach wird sehr pfleglich mit diesem wichtigen musikalischen Erbe umgegangen. :)


    Viele Grüße
    Frank

  • Franks Ausführungen kann ich mich voll und ganz anschließen. Ein weiterer positiver Aspekt: Warner hat in den letzten Jahren viele ältere EMI-Alben in vorbildlichen Remasterings neu herausgebracht und bietet sie auch als HighRes-Downloads an. Ich denke da nicht nur an das "Callas Remastered"-Projekt, das vielleicht noch verzichtbar gewesen wäre, weil es schon ein relativ neues Remastering der EMI Studio-Aufnahmem gab. Sehr gefreut habe ich mich aber z.B. über einige wichtige Aufnahmen mit Jacqueline du Pré mit einem deutlich verbesserten Klangbild.


    Der einzige Wermutstropfen ist das Verschwinden des EMI-Logos, aber das ist zu verschmerzen. Da ich sowieso alle CDs auf die Festplatte kopiere, ist es ein leichtes, mir die alten Cover als Bilddateien zu besorgen und beim Abspielen anzeigen zu lassen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Zitat

    Die Absatzmengen werden für die Majors schon noch ausreichend groß und wirtschaftlich sein, sonst erfolgte kein Angebot.

    Es ist eine Frage, was noch "ausreichend groß" ist. Ein Independent Label, wo der Chef selber mit Hand anlegt und die Belegschaft klein gehalten ist, bei flacher hierarchischer Struktur, wir etwas anderes als "wirtschaftlich" sehen, als ein Konzern mit zig leitenden Angestellten die alles daran setzen ihre Privilegien zu erhalten.
    Wir sehen am Ende des Giganten EMI, daß es scheinbar doch nicht gereicht hat.
    Aber man kann einen Geschäftsbereich auch anders sehen, beurteilen und einsetzen; Man nimmt einen defizitären Geschäftsbereich in kauf und erzielt damit zwei Dinge. Zum ersten reduziert man dort Gewinne die anderswo in der Firma gemacht werden und senkzt die Steuerlast, zum zweiten bekommt man einen Imagegewinn, der zwar kostspielig sein kann, aber oft billiger als Werbung. und letztlich gewinnt man doch etwas - über die Umwegrentabilität......



    Zitat

    Denn: was macht einen Künstler für Nischenrepertoire besonders geeignet? Außer vielleicht eine größere Erfahrung mit bestimmten "vernachlässigten" Komponisten. Warum sollte Linus Roth bspw. per se der bessere Geiger für Weinberg sein, als, sagen wir, Pinchas Zukerman oder ASM?

    Diese Frag ist IMO leicht zu beantworten. Die Eignung ist das erworbene Image, Linus Roth hat es geschafft als Weinberg-Spezialist Anerkennung zu finden, ASM hat - ob zu recht oder zu Unrecht - ein anderes Image. Die Independent Labels haben ihre Künstler über Jahre hinaus "aufgebaut" und jedem von ihnen ein gewisses Image verpasst, welches sich vom Image eine berühmten Mainstream Interpreten unterscheidet, das zu ändern ist zwar möglich, aber kostspielig - und gemessen an den Profitvorstellungen der "Großen" lohnt sich der Aufwand wirklich nicht.....


    Ich komme zurück zu Warner; Auch ich habe den Eindruck, daß Warner in vielerlei Hinsicht klug agiert hat.
    Ob der Kauf von EMI Aufnahmen rentabel war, die frage stellt sich nur bedingt. Auf jeden Fall hat man einen Konkurrenten für alle Zeiten ausgeschaltet UND den Einstieg in den Klassikmarkt geschafft. Wenn man sich das leisten kann, dann ist es trotz eventuellen Defizits ein guter Deal. Um allfällige Defizite zu vermeiden oder zu vermindern wirft man das, was man soeben erworben hat wohlfeil auf den Markt, Man deckt kurzfristig einen Teil der Kaufkosten und gewinnt bei den Klassiksammlern an Profil und Beliebtheit, das durch künftige Neuaufnahmen in klingende Münze umzusetzen ist Aufgabe der Verkaufs- und Imagestrategen.........


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich kopmme zurück zu Warner; Auch ich habe den Eindruck, daß Warner in vielerlei Hinsicht klug agiert hat.
    Ob der Kauf von EMI Aufnahmen rentabel wr,die frage stellt sich nur bedingt. Auf jeden Fall hat man einen Konkurrenten für alle Zeiten ausgeschaltet UND den Einstieg in den Klassikmarkt geschafft. Wenn man sich das lesiten kann, dann ist es trotz eventuellen Defizits ein guter Deal. Um allfällige Defizite zu vermeiden oder zu vermindern wirft man das, was man soeben erworben hat wohlfeil auf den Markt, Man deckt kurzfristig einen Teil der Kaufkosten und gewinnt bei den Klassiksammlern an Profil und Beliebtheit, das durch künftige Neuaufnahmen in klingende Münze umzusetzen ist Aufgabe der Verkaufs- und Imagestrategen.........


    Wenn ich richtig informiert bin, hatte EMI doch schon vor der Übernahme durch Warner die Produktion von Studioproduktionen im klassischen Bereich eingestellt. Als der Deal seinerzeit ruchbar wurde, war ich entsetzt. Wenn das Legge wüsste, er würde sich im Grab umdrehen usw. Die üblichen Klagen halt, denen ich mich leider auch manchmal hingebe. Warum nur? Ich bin froh, mich geirrt zu haben. ;) Zumindest für mein unmittelbares Interessenfeld. Was beispielsweise der EMI nicht mehr gelang, brachte Warner endlich fertig: Die gebündelte Ausgabe aller einzelnen LP's von Elisabeth Schwarzkopf mit der originalen Programmabfolge und der Cover-Gestaltung beim jeweils ersten Erscheinen in London - eine editorische Großtat:



    Zuletzt sind mir diese beiden Titel bekanngeworden:



    Es ließen sich wohl noch mehr derartige Beispiele nennen - wie auch die ZAUBERFLÖTE durch Alfred. Ich habe die Übernahme also bisher nicht zu beklagen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • @Alfred:

    Zitat

    Diese Frag ist IMO leicht zu beantworten. Die Eignung ist das erworbene Image, Linus Roth hat es geschafft als Weinberg - Spezialist Anerkennung zu finden, ASM hat - ob zu recht oder zu Unrecht - ein anderes Image. Die Independent Labels haben ihre Künstler über Jahre hinaus "aufgebaut" und jedem von ihnen ein gewisses Image verpasst, welches sich vom Image eine berühmten Mainstream Interpreten unterscheidet, das zu ändern ist zwar möglich, aber kostspielig - und gemessen an den Profitvorstellungen der "Großen" lohnt sich der Aufwand wirklich nicht.....


    Sorry, ich hab's verpennt Dir zu antworten... :S


    Du schreibst hier lediglich über "Image", "Marketing", "Wahrnehmung". Das hat alles wenig mit der tatsächlichen Eignung von Musikern zu tun. Ein guter Musiker kann sehr vieles spielen, ein sehr guter alles und ein exzellenter Künstler schafft es dann auch noch, einem Werk seinen eigenen Stempel aufzudrücken, ohne die Musik dabei zu verbiegen.


    Warum sollte eine ASM mit den Wienern oder Berlinern nicht eine exzellente Sinding- oder Gernsheim-Interpretation "hinlegen" können?
    Alleine das kommerzielle Risiko spricht dagegen, denn die von den Beteiligten erwarteten Gagen müssten mit diesem Repertoire erst einmal eingespielt werden...
    Solche Risiken - die dann kleiner sind - kann man nur mit deutlich kostengünstigeren Ressourcen eingehen. Das sind aber eben kommerzielle und keine (rein) künstlerischen Erwägungen, die zu diesem Ergebnis führen.


    Viele Grüße
    Frank

  • ASM hat schon Ende der 1980er Aufnahmen (also gerade mal gut 10 Jahre nach ihrem Debut) vergleichsweise "exotischer" Musik, z.B Lutoslawski, Rihm, später Gubaidulina gemacht. Von jemandem wie Gidon Kremer gar nicht anzufangen. Diese Künstler können sich so etwas erstens "leisten", zweitens gehört es bei manchen auch schon lange zum "Image" dazu (drittens, was soll ein Geiger machen, wenn er die 10 bekannten Violinkonzerte aufgenommen hat - von vorne anfangen...?)


    Ich glaube auch nicht, dass die etwas weniger rosige Situation ggü. vor 20 Jahren bei Superstars wie Mutter relevant ist. Wenn die wollte, könnte die sofort eine CD mit Konzerten von Weinberg und Kabalevsky machen. (Hilary Hahn, sicher bei aller Wertschätzung noch eine Nummer kleiner als Mutter hat bei DG in den letzten Jahren z.B. die Ives-Violinsonaten, eine Doppel-CD mit ausschließlich modernen "Zugaben" gemacht und als Kopplungen alle möglichen weniger bekannten Violinkonzerte.

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    (Bob Dylan)

  • Ich denke, man muss da die Moderne noch ein Stück weit von der "sonstigen Nische" trennen.
    Mancher Künstler mag moderne Musik mit so etwas wie einem "Bildungsauftrag" verbunden sehen.


    Oder kennst Du Aufnahmen von wirklich großen Stars a la ASM, Hahn etc. mit nicht modernem Nischenrepertoire?
    Mir fällt nix ein.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Das kommt wohl v.a. darauf an, wie eng man "Moderne" und "Nische" fasst. Weinberg ist vielleicht in gewissem Maße beides.


    So etwas ändert sich auch, nicht zuletzt durch den Einsatz bekannter Interpreten. Wie in einem anderen Thread kurz angesprochen, kann man die Rott-Sinfonie heute, anders als vor 20 Jahren kaum noch als Nischenwerk in engsten Sinne verstehen, wenn es mehr als ein halbes dutzend Aufnahmen mit renommierten Dirigenten gibt und die Berliner Philharmoniker das Stück schon gespielt (wenn auch nicht aufgenommen) haben.
    Oder das Schumann-Violinkonzert. Das hätte ich vor 20 Jahren auch noch als Nischenwerk gesehen (selbst wenn es da schon einige prominente Geiger aufgenommen hatten), wenn auch natürlich nicht ganz so exotisch wie Rott.


    Hahn hat z.B. Violinkonzerte von Vieuxtemps, Spohr, Paganini, Higdon, Meyer, Barber aufgenommen.


    Bei DG gibt es eine All-Star-CD mit Kammermusik von Taneyev.


    Jemand wie Hamelin ist zwar bei einem kleineren Label aber hat meinem Eindruck nach keine schlechte Karriere gemacht und sich auch nicht nur auf die exotischen Nischen beschränkt (auch wenn er mit hochvirtuosen Nischenwerken zuerst berühmt geworden ist).


    Ich sehe schon zum einen die Tendenz, dass sehr berühmte Künstler in gewissen Grenzen machen können, was sie wollen, ohne dass es dem "Image" schadet. Zum anderen gehört es eben auch zum Image eines interessanten Künstlers, nicht nur immer wieder dasselbe 08/15 Zeug zu spielen. Zwar erinnere ich mich nicht mehr genau, wie das rezipiert wurde, aber dass Karajan-Zögling ASM neue, oder für sie geschriebene Werke von Rihm o.ä. spielte, war schon ziemlich sensationell.


    In der Barockmusik kann man so eine Trennung noch schwieriger vornehmen. MAKs Heinichen ist ganz klar Nischenrepertoire und das war damals eines der prominentesten Ensembles.

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