Wünsch Dir was - wer sollte in Bayreuth inszenieren?

  • Da an anderer Stelle wieder einmal der Niedergang der Bayreuther Festspiele beklagt wird, insbesondere im Hinblick auf die Regisseure, kam mir die Idee, hier Vorschläge zu sammeln, wen man in Bayreuth engagieren sollte. Stellt Euch vor, Ihr seid ein Nachfahre Richard Wagners, und nachdem Tante Katharina nach der Skandal-Inszenierung des "Parsifal" von Jonathan Meese zum Rücktritt genötigt wurde - der sich zu den Worten "Erlösung dem Erlöser" mit einem Hitlergruß an die Zuschauer wendende Parsifal hatte zu Tumulten im Publikum und heftigen Kontroversen in den deutschen Feuilletons geführt - , wurdet Ihr mit der Leitung der Festspiele beauftragt. Welche Regisseure würdet Ihr für die Produktionen der nächsten Jahre auswählen?


    Ich mache einmal den Anfang, um gleich etwas Feuer in die Diskussion zu bringen. Als Regisseur der "Meistersinger" ist Barry Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, bereits gesetzt. Damit bin ich sehr einverstanden, Kosky lockerer Zugang mit gelegentlichen Neigungen zum Trashigen kann diesem Stück nur gut tun, das so schwer verdaulich ist wie ein fränkisches Schäufele mit Klößen. Für den "Parsifal" würde ich Martin Kušej engagieren, der in Amsterdam schon einen veritablen "Holländer" auf die Bühne gebracht hat. Sein Zugang zu Wagners Bühnenweihfestspiel zu sehen fände ich hochinteressant. "Tristan und Isolde" würde ich der jungen, sehr vielversprechenden Regisseurin Tatjana Gürbaca anvertrauen. Ihren "Parsifal", den ich letztes Jahr an der Vlaamse Opera in Antwerpen gesehen habe, fand ich sehr gelungen; zu Recht wurde diese Arbeit mehrfach als beste Opernproduktion des Jahres ausgezeichnet. Und den "Ring" ließe ich niemand anderen als Calixto Bieito inszenieren, dessen "Parsifal" in Stuttgart mich hellauf begeistert hat. Einen "Ring" von ihm zu sehen, dafür würde ich einiges geben.


    So, nun warte ich auf den Sturm der Entrüstung oder - viel lieber - auf Alternativvorschläge. :hello:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nachdem er in Wien mit dem "Füchslein" gezeigt hat, dass er es noch kann: Otto Schenk für die "Meistersinger"!

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ich wünsche mir vor allem das auf keinen Fall Katharina Wagner eine Oper inszeniert. Für den Ring würde ich mir Christoph Loy wünschen, da seine Inszenierungen sich durch eine sehr gute Personenregie auszeichenen. Herrn Hilsdorf würde ich die Meistersinger inszenieren lassen, da er mittlerweile "altersmilde" in seinen Inszenierungen geworden ist und eigentlich nichts andere macht als die Geschchte zu erzählen.

  • Ich bin da ja total konservativ und würde mir wünschen, dass Konwitschny mal einen Ring in Bayreuth macht ... andererseits habe ich ein wenig die Befürchtung, dass er dabei zu sehr in alten Ideen schwelgt ;) Alternativ könnte ich mir auch die Konwitschny- und Berghaus-Schülerin Sandra Leupold, die mich mit ihrem Lübecker Don Carlos begeistert hat, auf dem "Grünen Hügel" vorstellen - dann allerdings eher mit einer Lohengrin-Inszenierung. Weiter natürlich Stefan Herheim, der ja bereits den Parsifal in Bayreuth und im vergangenen Jahr Die Meistersinger in Salzburg inszeniert hat.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Auch ich würde versuchen Otto Schenk zu bekommen und daneben - auch wenn er meines Wissen noch nie Wagner inszeniert hat - Michael Hampe. Das was hier rauskäme würde mit Sicherheit eher meinen Geschmack treffen als etliche der weiter oben genannten. - und hoffentlich auch den des Bayreuther Publikums.....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Hampe hat 1979 die Meistersinger in Köln inszeniert.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ich hätte gerne gesehen, was Lars von Trier aus dem Nibelungenring gemacht hätte, schade, dass es dazu nicht gekommen ist. Ich würde mich sowieso eher bei interessanten Filmregisseuren umgucken, als bei Theaterleuten.

  • .....Kosky lockerer Zugang mit gelegentlichen Neigungen zum Trashigen kann diesem Stück nur gut tun, das so schwer verdaulich ist wie ein fränkisches Schäufele mit Klößen...


    Wenn Du "Trashiges" (das Wort gibt es m.E. nicht; Du meinst wohl "trash", also Müll) als Unterhaltung schätzt, empfehle ich Dir statt der Oper die Programme von RTL usw.
    "Schwer verdaulich" sind die Meistersinger - so sie gut aufgeführt werden - nur für den, der sie nicht versteht. Da hilft (manchmal) eine intensivere Beschäftigung mit dem Werk.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ich hätte gerne gesehen, was Lars von Trier aus dem Nibelungenring gemacht hätte, schade, dass es dazu nicht gekommen ist. Ich würde mich sowieso eher bei interessanten Filmregisseuren umgucken, als bei Theaterleuten.


    Das halte ich - zumindest im Prinzip - ebenfalls für eine interessante Idee. Jedoch zeigt sich auch immer wieder, dass eine Opern-Inszenierung eigenen Gesetzen folgt, an denen sowohl Film- als auch Theaterregisseure häufig scheitern. Da geht es dann garnicht um das vielleicht durchaus tragfähige Regie-Konzept, sondern tatsächlich um schlichtes Handwerk.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Wenn Du "Trashiges" (das Wort gibt es m.E. nicht; Du meinst wohl "trash", also Müll) als Unterhaltung schätzt, empfehle ich Dir statt der Oper die Programme von RTL usw.


    Diese Empfehlung ist ungefähr so niveauvoll wie die hier auch schon mal geäußerte Ansicht, wer Inszenierungen von Bieto et al. schätze, hätte wohl zu Hause den Schrank voller Gewalt- und Sexfilme :thumbdown:


    Übrigens, zur Erweiterung Deines Wortschatzes: http://www.duden.de/rechtschreibung/trashig

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Für mich steht fest, kein Regisseur kann die Bayreuther Festspiele mehr retten. Der vornehmliche Gedanke dieses Festivals, die Werke Wagners mustergültig in Szene, Ausstattung und Musik auf die Bühne zu bringen, hat sich verbraucht. Nichts geht mehr. Seit 1876 gab es - wenn ich richtig gerechnet habe - hundert Festspielsommer, in denen immer die gleichen Stücke gegeben wurden. Die erste Spielplanerweiterung nach "Ring" und "Parsifal" fand 1886 mit "Tristan und Isolde" statt. 1901 waren mit "Holländer" alle Hauptwerke zumindest einmal in Bayreuth aufgeführt worden. Mit wechselnden Reihenfolgen und Durchläufen blieb das Repertoire bis jetzt immer gleich. Das kann nicht gut gehen. Das muss sich erschöpfen, gar tot laufen. Der "Ring" des Franzosen Patrice Chereau und der "Tristan" von Heiner Müller waren aus meiner Sicht die letzten unikaten Deutungen in Bayreuth - wie immer man dazu steht. Fortan war es üblich, genau so zu inszenieren wie in Bielefeld, Dresden oder München. Es ist völlig egal geworden, wo was gezeigt wird. Von Bayreuth geht nicht ein Impuls mehr aus. Ein schönes Haus, das wirklich Seinesgleichen sucht, reicht auf Dauer nicht, das Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Bayreuth hat auch dadurch an Exklusivität verloren, dass Wagner inzwischen an jedem Stadttheater gegeben und wie verrückt vermarktet wird. Niemand kann die Produktionen, Mitschnitte und Fernsehsendungen mehr zählen. Da bleibt wenig haften. Total abgesackt ist das sängerische Niveau. Es ist teilweise unglaublich, was von dort zu hören ist. Wagner ist es jedenfalls nicht. Musikalisch sind die Festspiele nicht mal mehr der Schatten ihrer selbst. Ich bin dafür, zehn Jahre zu pausieren. In der Zwischenzeit wird man sehen, ob man das Festival überhaupt noch braucht. Eine Chance wäre die Öffnung des beschränkten Spielplanangebots. Wenigsten die Frühwerke müssten endlich gezeigt werden - flankierend auch die übrigen Werke. Interessant fände ich, die Idee von Nike Wagner aufzugreifen, Wagner in Bayreuth mit seinen Zeitgenossen zu konfrontieren, mit Meyerbeer oder Berlioz zum Beispiel. Auch Nietzsche hat komponiert. Es wäre auch an der Zeit, endlich die Archive zu öffnen. Gespannt sein darf man auf die neue Gedenkstätte in Wahnfried. Auch von dort könnten Impulse ausgehen. Nur nach neuen Regisseuren zu suchen, ist aus meiner Sicht die Fortschreibung des Dilemmas, das auf dem Beharrungsvermögen erwachsen ist.


    So weit einige Gedanken!


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent


  • Diese Empfehlung ist ungefähr so niveauvoll wie die hier auch schon mal geäußerte Ansicht, wer Inszenierungen von Bieto et al. schätze, hätte wohl zu Hause den Schrank voller Gewalt- und Sexfilme :thumbdown:


    Übrigens, zur Erweiterung Deines Wortschatzes: http://www.duden.de/rechtschreibung/trashig

    ?(
    Wir haben eigentlich schon im ersten Semester gelernt, dass ein Zitat kein Argument ersetzt. Nur weil der Duden seit einigen Jahren ständig versucht, sich durch Anbiedern an einen vermeintlichen Zeitgeist neue Leserschichten zu erschließen heißt das noch lange nicht, dass ein Wort wirklich in der Hochsprache existiert.


    Unabhängig davon: in der von dir zitierten Seite des Duden wird trashig mit geschmacklos übersetzt. Du hast also selber gesagt, dass du Geschmacklosigkeit und Müll als Prinzip in der Oper schätzt. Geschmackslosigkeit und Müll findest du in erster Linie in den Programmen der von mir erwähnten Sender. Ich unterstellte dir also nichts (anders als in dem von dir genannten Beispiel) sondern greifen deine eigene Wertung auf. Beschwer dich also bitte nicht.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Lieber Rheingold, ich fürchte, Deine Diagnose ist zutreffend. Die Zeiten, in denen Bayreuth Maßstäbe setzte, sind lange vorbei, heute ist es bestenfalls ein Wagner-Theater wie andere, zu dem man noch aus alter Anhänglichkeit oder der besonderen Festspiel-Atmosphäre wegen fährt. Auch ich halte es für einen fatalen Fehler, dass nicht Nike Wagner als Leiterin der Festspiele ausgewählt wurde, die viele gute Ideen hatte, wie die Festspiele in die Zukunft zu führen wären. Von Katharina erwarte ich da nichts als künsterische Fehlentscheidungen und das Festhalten am Altbekannten, von ihren eigenen Inszenierungen besser ganz zu schweigen. Die Festspiele für Werke anderer Komponisten zu öffnen, würde von vielen Wagnerianern sicherlich als Sakrileg empfunden, aber es könnte der richtige Weg sein. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, ob damit nicht der besondere Reiz dieser Festspiele aufgegeben würde.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Du hast also selber gesagt, dass du Geschmacklosigkeit und Müll als Prinzip in der Oper schätzt.

    Ich habe im ersten Semester gelernt, richtig zu zitieren. Dass Du mir Aussagen unterstellst, die ich nie geäußert habe, zeugt entweder von mangelnder Aufmerksamkeit oder von Unredlichkeit.



    Kosky lockerer Zugang mit gelegentlichen Neigungen zum Trashigen kann diesem Stück nur gut tun

    Wenn Du den Unterschied nicht verstehst, kann ich Dir auch nicht helfen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Für die Meistersinger würde ich nur einen engagieren: Franco Zeffirelli, dessen Stil für dieses Werk wie gemacht ist. Ansonsten gerne Schenk/Schneider-Siemssen ( oder auch mit Amra Buchbinder), Hugo de Ana, Pier' Alli ( grandioser Tristan in Rom ), Pier Luigi-Pizzi und ggf. auch David McVicar engagieren. Dabei fände ich es besonders reizvoll zu sehen, wie sich Italiener im Wagnerfach machen.

  • Eine Chance wäre die Öffnung des beschränkten Spielplanangebots. Wenigsten die Frühwerke müssten endlich gezeigt werden - flankierend auch die übrigen Werke. Interessant fände ich, die Idee von Nike Wagner aufzugreifen, Wagner in Bayreuth mit seinen Zeitgenossen zu konfrontieren, mit Meyerbeer oder Berlioz zum Beispiel.

    Lieber Rheingold


    auch ich kann Deiner Analyse eigentlich nur zustimmen und die Aufnahme des Frühwerkes alleine wird das Ganze sicher auch nicht retten. Eine Ausweitung auf Werke, die in einem "produktiven Kontext" mit den Musikdramen Wagners stehen, hielt ich für dringend geboten. Und zwar nicht nur auf seine Zeitgenossen, sondern vor allem auf die Werke der Zukunft, die ihre Inspiration eindeutig aus Wagners Werken beziehen, also Dukas, Chausson, Debussy, Strauss, Schreker, Korngold, Pfitzner usw. Da ließen sich sicher spannende Gegenüberstellungen denken. Und durch die Einbeziehung jüdischer Komponisten könnte sich Bayreuth auch von seiner unseligen antisemitischen Historie distanzieren.


    Das Problem der fehlenden Sänger und Regisseure löst das allerdings auch nicht.

  • Hallo, Rheingold,


    Du hast vollkommen recht.
    Um die Bayreuther Festspiele für die Zukunft zu rüsten, müssen tiefgreifende Reformen durchgeführt werden.
    Am Festspielhaus selbst ist eine Generalsanierung mit umfänglichen Umbauten erforderlich, wofür man das Haus für eine oder zwei Spielzeiten schließen müsste.
    Dabei sollte u.a. folgendes durchgeführt werden:
    1.) Installation einer vernünftigen Klimaanlage und Bestuhlung.
    2.) Umbau des Orchestergrabens. Dieser sollte verstellbar konstruiert werden, sodaß der Dirigent entscheiden kann, wieviel "Deckelung" er aus akustischen Gründen wünscht.
    3.) Bau eines vernünftigen Probesaals für das Orchester (statt der Proben im Festspielrestaurant); dieser könnte evtl. auch während der Festspielzeit für Konzerte des Orchesters genutzt werden.


    Ferner ist unbedingt erforderlich, die Beschränkung auf die Werke R. Wagners aufzuheben, worauf ja schon oben hingewiesen wurde.


    Ich bin allerdings vollkommen überzeugt, daß dies alles niemals umgesetzt wird, einerseits wegen der Kosten, andererseits wegen eines Heeres von Bedenkenträgern, die sofort erscheinen werden um unter Hinweis auf bautechnische, architektonische, juristische und was auch immer für Einwände jede Änderung zu torpedieren.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Was Du forderst, ist schlicht die Abschaffung der Festspiele, da bei Erfüllung Deiner Vorstellungen nichts von dem übrig bleibt, was sie ausmacht. Nach Baden-Baden kann ich jetzt auch schon fahren ;)


    Aber vermutlich hat sich die Idee inzwischen tatsächlich aus den hier genannten Gründen überlebt. Es scheint mir dann allerdings sinnlos, da noch große Summen zu investieren. Es reicht, wenn man das Festspielhaus und Wahnfried als Denkmäler und Museen erhält.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ja, Regisseure wie Zefirelli, Otto Schenk und einige andere hier genannte, wären schon schön, aber sie bleiben nur noch Illusion. Von den zur Zeit die Oper verunstaltenden Regisseuren wüsste ich keinen zu nennen. Wenn jetzt Kosky und schließlich Meese auf die Werke Wagners losgelassen werden, dann kann ich nur noch mit Rheingold einstimmen und sagen: Gute Nacht, Bayreuth!
    Dass die Meistersinger schwer verdaulich sein sollen, ist mir neu. Ich habe mehrere wunderbare Inszenierungen gesehen, u.a. die von Horst Stein und zuletzt die Inszenierung nach Otto Schenk aus Wien (in der mir sogar Johan Botha trotz äußerer Erscheinung, die ja von einigen hier beanstandet wird, als Stolzing gefiel), die ich (auch in jungen Jahren) alle sehr gut verdaut habe. Ich wüsste nicht, worin das schwer Verdauliche liegen sollte. Wenn sie natürlich von einem dieser "modischen" Verunstaltungsregisseure angepackt werden (Ich habe eine solche auch einmal in Ausschnitten gesehen, kann aber nicht mehr sagen, wer der Verunstalter war), dann werden sie natürlich unverdaulich gemacht.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Was Du forderst, ist schlicht die Abschaffung der Festspiele, da bei Erfüllung Deiner Vorstellungen nichts von dem übrig bleibt, was sie ausmacht. Nach Baden-Baden kann ich jetzt auch schon fahren ;)


    Aber vermutlich hat sich die Idee inzwischen tatsächlich aus den hier genannten Gründen überlebt. Es scheint mir dann allerdings sinnlos, da noch große Summen zu investieren. Es reicht, wenn man das Festspielhaus und Wahnfried als Denkmäler und Museen erhält.

    Hallo,


    Bayreuth steht durchaus auch für noble und erhaltenswerte Traditionen, nicht nur für die schrecklichen Verirrungen der Winifred-Jahre oder die unsäglichen Emanationen des "Bayreuther Kreises" in der Cosima-Ära.
    Ursprünglich waren die Bayreuther Festspiele Symbol eines neuen, modernen und demokratischen Theaters, auch wenn diese Ideen Wagners mit der Zeit pervertiert worden sind. Nicht zuletzt stehen Bayreuther Aufführungen für zahlreiche Sternstunden großen Wagner-Gesanges und wunderbarer dirigentischer Leistungen.
    Um diesen "Patienten", an dessen ernsthafter Erkrankung wohl niemand zweifeln kann, zu retten, sind daher massive und invasive Maßnahmen erforderlich. Ich glaube nicht, daß die Festspiele zwangsläufig in die Beliebigkeit eines "normalen" Theaterbetriebs abdriften würden, wenn man einige längst erforderliche Reformen durchführt.


    Viele Grüße


    J.Schneider

    "Die Musik steht hinter den Noten" (Gustav Mahler)

  • Für mich steht fest, kein Regisseur kann die Bayreuther Festspiele mehr retten. Der vornehmliche Gedanke dieses Festivals, die Werke Wagners mustergültig in Szene, Ausstattung und Musik auf die Bühne zu bringen, hat sich verbraucht.


    Nein, mein lieber Rüdiger, nichts hat sich verbraucht. Die Werke Richard Wagners werden durch ihre Zeitlosigkeit und Genialität nicht umzubringen sein, auch wenn ich zugebe, dass einige Regieversuche Agriffe auf Leib und Leben des Komponisten waren. Ich würde im Sinne von Ying und Yang oder des ewigen Pendelschlags in der Tat Regisseure wie Otto Schenk, Harry Kupfer und vor allem Hans Peter Lehmann inszenieren lassen. Diese bewährten Altmeister haben sich mit den Jahren ebenfalls weiterentwickelt. Sie garantieren jedoch gekonnte Interpretationen, die nicht gegen den Charakter der Werke sondern für mäßig moderne, noch tolerierbare Inzenierungen sprechen.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Der beste Opernregisseur, nicht nur in Bayreuth, wäre meiner Meinung nach immer der Dirigent.
    Der Dirigent kennt die Musik, die Handlung und wie man die Sänger optimal führen kann.
    Wenn der Dirigent sich mit einem guten Bühnenbildner zusammen tut, müsste eigentlich eine gute Inszenierung entstehen.


    :hello: Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

  • Wenn der Dirigent sich mit einem guten Bühnenbildner zusammen tut,
    müsste eigentlich eine gute Inszenierung entstehen.

    Ob das zielführend wäre, wage ich stark zu bezweifeln, denn dann gäbe es vermutlich weitgehend "Ausstattungstheater". Ich weiß, das einigen hier das völlig genügen würden, aber andere erwarten doch mehr vom Gesamtkunstwerk Oper. Man könnte allerdings darüber nachdenken, ob nicht die für die Premiere eingeladenen Dirigenten sich ihre Regisseure aussuchen dürfen. Dann hätte der Dirigent jedenfalls eine wesentliche Mitbestimmung in dieser Frage und einige schwarze Schafe wären vermutlich arbeitslos.

  • Wer sollte in Bayreuth inszenieren? Wer sollte generell inszenieren? Regisseure, die das Werk und die Vorgaben der Komponisten und Librettisten ernst nehmen. Also die allerwenigsten heute. Konkret fände ich mal einen Wagner von Zeffirelli grandios, aber dazu wird es wohl kaum mehr kommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Der beste Opernregisseur, nicht nur in Bayreuth, wäre meiner Meinung nach immer der Dirigent.
    Der Dirigent kennt die Musik, die Handlung und wie man die Sänger optimal führen kann.
    Wenn der Dirigent sich mit einem guten Bühnenbildner zusammen tut, müsste eigentlich eine gute Inszenierung entstehen.

    Hatten wir das nicht schon mal? Waren nicht Herbert von Karajan und Günther Schneider-Siemssen ein solches Gespann? Und das durchaus erfolgreich? Die Frage ist, ob jeder Dirigent sich auch zu einem Regisseur eignet. Nicht jeder ist ein Karajan. Und wenn es sich jemand traut, ob er sich nicht selbst überschätzt. Ein guter Dirigent ist nicht zwingend auch ein guter Regisseur - meine ich...

    .


    MUSIKWANDERER

  • Als Richard Strauss 1889 seinen Dienst in Weimar antrat, wünschte er sich eine "unbedingt strenge Autorität" für seine künftige Arbeit und eine Unterordnung der Regisseure, denn ein "Nebeneinander von Kapellmeister und Regisseur ist ja heute überhaupt kaum mehr denkbar".


    Dies eine kleine Ergänzung zu den Beiträgen von Herbert Henn und musikwanderer. Das Zitat fiel mir soeben bei der Lektüre des sehr guten Buches "Richard Strauss - Meister der Inszenierung" von Daniel Ender auf. Das Thema ist also schon ziemlich alt.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat

    Zitat von Herbert Henn: Der beste Opernregisseur, nicht nur in Bayreuth, wäre meiner Meinung nach immer der Dirigent.

    Lieber Herbert,


    das ist ein sehr guter Gedanke. Man schaue sich einmal die Carmen von den Salzburger Festspielen 1967 an, in der Herbert von Karajan die Regie führte. Es ist für mich die spannendste und sängerisch sowie darstellerisch die beste Carmen, die ich je gesehen habe. Karajan hat ja auch den Ring inszeniert. Leider gibt es nur eine Aufzeichnung von "Rheingold". Diese Aufnahme schätze ich - neben der Inszenierung von Otto Schenk an der MET - besonders.
    Der Drigent ist wohl derjenige, der das Werk am intensivsten kennt, während ich bei heutigen Regisseuren meist den Eindruck habe, dass sie das Werk überhaupt nicht interessiert, wenn sie nur ihre verrückten Hirngespinste verwirklichen können. Was dann herauskommt ist "Trash" (engl. ugs. Schund, Schrott) - um einmal das Wort zu gebrauchen, was in diesem Thema schon verwendet wurde. Aber es gibt viele Leute, die es "trashig" (lt. Duden geschmacklos) mögen. Daher produziert das Fernsehen auch so viele "trashige" Serien.
    Der Dirigent kann aber wohl auch am besten beurteilen, welche Stimmen die passendsten sind. Ob die modischen Regisseure dazu in der Lage sind, wage ich stark zu bezweifeln.



    Zitat von Lutgra

    Ob das zielführend wäre, wage ich stark zu bezweifeln, denn dann gäbe es vermutlich weitgehend "Ausstattungstheater".

    Lieber Lutgra,


    ich weiß nicht, ob du die genannten Inszenierungen von Karajan kennst, aber wie kommst du zu dieser Ansicht?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich habe bei meinen Nominierungen noch Pier Luigi Pizzi , vergessen, der Regisseur, Bühnenbildner und Köstümbildner in einer Person ist. Er entspricht nicht ganz meiner Vorstellung vom "historisch korrekten Ausstattungstheater" - indes vereint er guten Geschmack mit Gespür für den Stil der Zeit in der das Stück spielt -kurzum - alles was ich bisher von ihm gesehen habe, hat mich überzeugt.
    Gegenüber reinem "Ausstattungstheather" sind seine Entwürfe geringfügig stilisierter - aber sie treffen immer den Kern - ebenso ist die Farbregie von Kostümen und Kulissen ein Kunstwerk an sich....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nein, mein lieber Rüdiger, nichts hat sich verbraucht. Die Werke Richard Wagners werden durch ihre Zeitlosigkeit und Genialität nicht umzubringen sein, auch wenn ich
    zugebe, dass einige Regieversuche Agriffe auf Leib und Leben des Komponisten waren.


    Ganz Deiner Meinung, lieber Freund. Die Werke sind nicht verbraucht - das Festival ist es. So wollte ich verstanden werden.


    LG Rüdiger

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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