Originalsprache in der Oper

  • Hallo liebe Taminos,


    ich habe mir schon des Öfteren die Frage gestellt, ob es besser wäre eine Oper in ihrer Originalsprache zu hören (und zu sehen) als in der deutschen Übersetzung?!


    Es kam bei mir zu einer Begebenheit die mich nun euch um Rat fragen lässt: Ich saß bei einer kleinen Privatveranstaltung in Oberösterreich bei der Don Govanni auf DVD gezeigt wurde (auf Deutsch)Nach einiger Zeit brummte ein Mann neben mir das die Oper auf italienisch viel besser sei als auf deutsch. Als ich ihm meine Bewunderung dafür ausgedrückt habe, dass er italienisch könne, meinte er, dass er kein Wort italienisch sprechen würde.


    Bei Filmen neige ich ja dazu, sie mir auf englisch an zu sehen (wenn sie aus einem englischsprachigen Land kommen), da sie die deutsche Synchronisationen um Längen schlagen. Aber es macht doch keinen Sinn eine Oper/Film/was auch immer in der Originalsprache zu sehen, wenn ich die Sprache nicht kann?? ?(

    Die gute Zeit fällt nicht vom Himmel, sondern wir schaffen sie selbst; sie liegt in unserem Herzen eingeschlossen

    .

  • Zitat Traubi

    Zitat

    Aber es macht doch keinen Sinn eine Oper/Film/was auch immer in der Originalsprache zu sehen, wenn ich die Sprache nicht kann??


    Eine interessante Frage, die aus meiner ganz persönlichen Sicht relativ einfach zu beantworten ist. Der Unterschied zwischen Oper/ Film ist ja eindeutig die Musik, die nie verloren geht, auch wenn man die Sprache nicht kann. Die Frage der Übersetzung ist eine schwierige: insbesondere vom Italienischen ins Deutsche. Ich will nicht sagen, daß das nicht gelingen kann, denn es gibt einige hervorragende Beispiele, aber die Sprachen sind doch sehr unterschiedlich gelagert. Einen sehr konsonantenreiche deutsche Sprache gegen ein Italienisch, das viel mehr (unterschiedlich gefärbte) Vokale aufweist und bereits beim Sprechen eine ganz eigene Melodie entfaltet. Die Legatobögen der Originalsprache sind nach einer Übersetzung auch mit ganz viel Phrasierungskunst nicht adäquat umzusetzen, man kann nur etwas ganz eigenes daraus formen.
    Es macht also meines Erachtens durchaus viel Sinn, Opern in der Originalsprache zu sehen, auch wenn man die Sprache nicht kann. Eine Möglichkeit wäre, vorher ins Libretto zu schauen oder sich auf den Übertitel zu verlassen. Oder man läßt sich einfach von der Musik durch das Stück tragen.
    Mit herzlichem Gruß zum Sonntag
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Aber es macht doch keinen Sinn eine Oper/Film/was auch immer in der Originalsprache zu sehen, wenn ich die Sprache nicht kann??


    Das kommt darauf an, für wen.
    Vernimmt man die Sprache als eine musikalische Komponente und nicht nur als semantisches Werkzeug, brauche ich sie nicht unbedingt zu verstehen.


    Es muss aber nicht unbedingt, die Originalsprache sein.
    Angenommen, ich spreche weder italienisch noch holländisch und wäre vor die Wahl gestellt, eine Meyerbeer-Oper in einer dieser Sprachen anzuhören, würde jedenfalls mir die Entscheidung darüber kein langes Grübeln bereiten.


    Die Originalsprache ziehe ich aber in der Regel vor, weil sie mir ein stärkeres Gefühl der Authentizität vermittelt und weil die Tonsprache des Komponisten auf sie zugeschnitten ist.
    Dabei bin ich aber toleranter bei Verdi als bei Mussorgskij.


    Da ich nebenbei so etwas wie ein Klangfetischist bin, ist mir in manchen Fällen sogar die Sprachbehandlung der vokalen Interpreten wichtig.


    Ein Beispiel dazu:
    In der Götterdämmerung hat Brünnhilde ihren letzten Auftritt mit "Starke Scheite schichtet mir dort".
    Darin findet sich ein unglaublich schönes Zusammenspiel zwischen Horn und Singstimme: "Ruhe, ruhe, du Gott ..."
    Und so sehr ich im Allgemeinen Birgit Nilssons Gesangkunst bewundere, hier findet sie in Kirsten Flagstad ihren Meister.


    Nur diese eine Sentenz mit diesem wunderbaren "u" wäre für mich ein Grund, diese Furtwängler-Aufnahme zu kaufen, wenn ich sie nicht schon hätte.


    Für mich ist die Sprache also nicht nur ein Mittel, mich verständlich zu machen, sondern auch, um Klangfarben zu erzeugen, weiß aber, dass gerade die jüngere Generation nicht so denkt.

  • Nahezu völlige Zustimmung zu hamis Ausführungen, einschliesslich:

    Zitat

    Nur diese eine Sentenz mit diesem wunderbaren "u" wäre für mich ein
    Grund, diese Furtwängler-Aufnahme zu kaufen, wenn ich sie nicht schon
    hätte.

    Nur dieser Satz hat mich etwas verwundert:


    Zitat

    Für mich ist die Sprache also nicht nur ein Mittel, mich verständlich zu
    machen, sondern auch, um Klangfarben zu erzeugen, weiß aber, dass
    gerade die jüngere Generation nicht so denkt.


    Nicht zuletzt bilden originalsprachliche Aufführungen doch einen schönen Anlass zum Spracherwerb. Ich habe Russisch gelernt, nachdem ich eine Statistenrolle in Boris Godunow (Kopekenräuber) gesungen hatte. Zudem dürfte die Mehrzahl der Taminos mindestens eine "lebende" romanische Sprache und/oder Latein verstehen, damit ist auch Italienisch kein Buch mit sieben Siegeln.

  • Grundsätzlich für die Originalsprache würde ich niemals votieren. Dafür müssten nämlich etliche Voraussetzungen gegeben sein, die ich nur selten verwirklicht finde. Zuschauer und Akteure müssen die jeweilige Sprache genau kennen und verstehen. Phonetisches Einpauken reicht in der Regel nicht. Originalsprache ist ein Einfallstor für Auswüchse des so genannten Regietheaters. Regisseure können dem Publikum vor allem dann fragwürdige Konzepte unterschieben, wenn es keine Ahnung von den Texten hat. Da reicht es auch nicht, die Übersetzungen auf dem Laufband zu verfolgen, was nur ablenkt und grelle Widersprüche offenbart. Neulich war dort zu lesen, dass zu den Schwertern gegriffen werden solle, auf der Bühne wurde aber mit Kalaschnikows herumgefuchtelt. Mit einem Besuch aus Prag besuchte ich in Deutschland eine "Jenufa"-Vorstellung in einer Sprache, die man für die Originalsprache ausgab im Programm. Mein Begleiter musste lachen, weil die Sänger alles sangen, nur kein Tschechisch. Selbst er verstand nicht ein Wort. Es hätte mir also auch nichts genützt, wenn ich vor dem Besuch der Vorstellung Tschechisch gelernt hätte. Einen "Don Giovanni" würde ich mir erst dann in Italienisch anhören wollen, wenn ich genauestens wüsste, was wann gesungen wird. Diese genaue Kenntnis kann ein Ausgleich dafür sein, dass man das Italienische nicht perfekt beherrscht. Selbst Furtwängler, des des Italienischen mächtig war, bestand im Nachkriegs-Salzburg auf einem deutschen "Figaro", weil er befürchtete, das Publikum könne sonst der Handlung nicht folgen. Das ist zwar lange her, an Wichtigkeit und Logik hat seine Haltung nichts eingebüßt.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nahezu völlige Zustimmung zu hamis Ausführungen,


    Lieber Gombert,


    Du ahnst nicht, wie sehr sich meine Frau über die Bestätigung ihrer eigen Bemühungen gefreut hat, mich mehrmals täglich mit dem ermunternden Satz aufzubauen:
    "du hast anscheinend immer recht". Wie es scheint, teilt sie diese Begabung mit mir.


    Doch sprechen wir lieber von Deinem Einwand.
    Meine gewagten Annahmen bezüglich der jüngeren Generation sind ein Nebenprodukt aus den RT-Diskussionen. Dort entsteht für mich der Eindruck, dass für das Opernerlebnis Vieler nicht mehr das rein Musikalische im Zentrum steht, sondern die Dramaturgie und das semantische und Verständnis derselben.
    Dieses wiederum bedingt eine Verschiebung nach einer Präsentation in der jeweiligen Landessprache und zu obligatorischen Vorbereitungskursen.


    Die Instinkt-Hörer meiner Generation sind eine aussterbende Spezies, fürchte ich und eine Andeutung, man könne eine Oper genießen, ohne die Handlung völlig begriffen zu haben, könnte für den, der sie macht, fatale Folgen haben.


    Aber sei versichert, lieber Gombert, nichts würde mich glücklicher machen, als einmal im Leben zu irren und daher hoffe ich inständigt, dass Du Recht hast.

  • Regisseure können dem Publikum vor allem dann fragwürdige Konzepte unterschieben, wenn es keine Ahnung von den Texten hat


    Da gehst Du aber davon aus, lieber Rheingold, dass vorwiegend Anfänger neuerdings die Oper besuchen.

  • Selbst Furtwängler, des des Italienischen mächtig war, bestand im Nachkriegs-Salzburg auf einem deutschen "Figaro", weil er befürchtete, das Publikum könne sonst der Handlung nicht folgen.


    Trotz Allem hat aber gerade Furtwänglers Jahrhundert-Don Giovanni die ganze Erde in der Originalsprache erobert.

  • Die meisten von uns wissen es ohnedies - aber es kann ja nicht schaden, wenn darauf hingewiesen wird:


    Wenn eine italienische Oper in deutsche Sprache gesungen wird, so handelt es sich dabei keineswegs um eine ÜBERSETZUNG, sondern um eine sogenannte NACHDICHTUNG.
    Letzteres ist NOTWENDIG, denn so Reime im Rext vonnöten sind, müssen wieder welche her, möglichst cantable, zur Musik passend. Daraus ergibt sich oft eine - wenn auch geringe - Veränderung des Inhalts. Dazu kommt noch, daß solche Nachdichtungen eventuell copyrightgeschützt sind, und um dies zu umgehen lassen deshalb manche Opernhäuser eigene "Übersetzungen/Nachdichtungen" anfertigen. Die Qualität derselben ist durchaus unterschiedlich.
    In den letztn Jahren/Jahrzehnten hat es sich oft eingebürgert Videoaufzeichnungen in Originalsprache Untertiteln mit einigermaßen korrekten Übersetzungen des Textes (die sich dann natürlich nicht reimen)zu spendieren.
    Auch bei mehrsprachigen Libretti, (selten genug), die CDs beigefügt sind geht man oft diesen Weg der annähernd wörtlichen Übersetzung....
    Soweit der sachliche Teil der Aussage.


    Privat bin ich allerdings der Meinung, daß er sicher keinen Schaden anrichtet, wenn relativ junge Operneinsteiger Opern in Deutsch hören - und so den Text - ohne Vorbereitung - verstehen. Die meisten meiner Generation und die noch älteren haben auf diese Weise Opern kennengelernt, denn deutsche Versionen waren einst gang und gäbe.
    Die Liebe zur Originalsprache kommt dann schon noch.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Original ist Original, die Sache ist insofern eindeutig, könnte man meinen. Wenn ich so zurückdenke, waren meine ersten Opern- und Oratorienaufnahmen alle deutsch gesungen. Meist handelte es sich um uralte aus den 40er und 50er Jahren. Es waren da Verdi, Puccini, Bizet, Mozart und Händel darunter. Eine gewisse Gestelztheit bei der deutschen Übersetzung einer italienischen und französischen Oper wird wohl kaum jemand bestreiten. Wobei ich finde, dass das Deutsche beim "Don Giovanni" oder bei "Le nozze di Figaro" deutlich besser passt als bei diversen Opern von Verdi und Puccini oder bei "Carmen". Vielleicht auch nur ein persönlicher Eindruck.


    Neulich hörte ich den "Ring" von Sir Reginald Goodall auf Englisch. Bei Sprachpuristen läuten wohl bereits die Alarmglocken. Komischerweise klappte das aber erstaunlich gut. Womöglich liegt das daran, weil Deutsch und Englisch weniger weit voneinander entfernt sind als Deutsch und Italienisch. Eine italienische "Meistersinger"-Aufnahme habe ich dagegen als "kurios" in Erinnerung. Vielleicht kommt es also auch durchaus darauf an, welche Sprache in welche andere übersetzt wird.


    Merkwürdig finde ich übrigens, dass viele Opernhörer bei italienischen und französischen Opern unbedingt auf der Originalsprache bestehen, bei slawischen Opern (tschechische und russische Komponisten) dagegen Deutsch bevorzugen, was ich mal inkonsequent nenne.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wobei ich finde, dass das Deutsche beim "Don Giovanni" oder bei "Le nozze di Figaro" deutlich besser passt als bei diversen Opern von Verdi und Puccini oder bei "Carmen". Vielleicht auch nur ein persönlicher Eindruck.


    Abgesehen davon, dass man den Großteil des Textes, auch wenn deutsch gesungen wird, ohnehin nicht versteht, ist gerade Dein Beispiel eines deutschen "Don Giovanni" für mich inakzeptabel, da dieses Werk dadurch unzulässig verschandelt wird. Wenn etwa Leporello in seiner Registerarie singt "Hier in Deutschland Tausend und drei", fühle ich mich verarscht, denn dass Sevilla in Deutschland liegen soll, ist mir neu. Eine unzulässige Verbiegung findest Du auch in der Champagnerarie, wo der spanische Rotwein besungen wird, hingegen in der deutschen Fassung der Champagner. Da muß der Texter wohl das Werk mit der "Fledermaus" verwechselt haben.


    Das sind nur zwei der unsäglichen deutschen Murxe. - Auch in Dapertuttos Arie "Scintille diamant" wird daraus ein Spiegel ...


    Ganz beiseite, dass in derlei Transkriptionen oft Notenwerte verändern müssen, fließt das italienische oder französische Melos den Bach hinab.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich stimme meinem Vorredner vollständig zu: auch für mich sind nur Opernaufführungen in der Originalsprache akzeptabel. Abgesehen von Bedeutungsverschiebungen, die man durch Korrekturen der Nachdichtungen immerhin noch beheben könnte, klingt Italienisch einfach anders als Deutsch, was für Französisch, Russisch und Tschechisch ebenso gilt. Daher: Don Giovanni, La Traviata oder Tosca möchte ich bitteschön auf Italienisch hören, Jenufa, Rusalka und bitte auch die "Verkaufte Braut" auf Tschechisch (letztere wird leider immer noch oft auf Deutsch aufgeführt).


    Was könnte denn überhaupt ein Argument sein, Opern in der Landessprache aufzuführen? Man könnte nationalistisch argumentieren, was heute wohl zum Glück niemand mehr tun würde. Bleibt das pädagogische Argument, wenn ein Großteil des Publikums die Originalsprache nicht versteht. Aber in Zeiten, in denen jedes Opernhaus Übertitel und einige sogar schon Text-Displays in den Rückenlehnen der Sitze haben, kann jeder Besucher die Bedeutung des gesungenen Textes erfassen (was im übrigen die Behauptung, dem Regietheater verpflichtete Regisseure zögen originalsprachliche Aufführungen vor, ad absurdum führt). Hinzu kommt, dass man selbst in deutschsprachigen Aufführungen mindestens die hohen Frauenstimmen so gut wie nie versteht.


    Wenn bei einer Janacek-Aufführung für Muttersprachler nicht verständliches Tschechisch gesungen wird, dann ist das eine Schlamperei, offenbar gab es keinen Sprachtrainer, der es den Sängern richtig beigebracht hätte.


    Ich sehe somit überhaupt keinen Grund, Opern nicht in der Originalsprache aufzuführen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Merkwürdig finde ich übrigens, dass viele Opernhörer bei italienischen und französischen Opern unbedingt auf der Originalsprache bestehen, bei slawischen Opern (tschechische und russische Komponisten) dagegen Deutsch bevorzugen, was ich mal inkonsequent nenne.


    Ein Grund dafür könnte sein, dass für viele deutsche Ohren die slawischen Sprachen, insbesondere das Russische, hart klingen. Diese Beobachtung ist allerdings ungenau, denn gerade das Russische hat für viele Konsonanten zwei Varianten, eine harte und eine weiche (palatalisierte). Das bedeutet im Gegenzug, dass das Deutsche, wo die Letzteren weitgehend fehlen, von den Ohren der Slaven als harte Sprache vernommen wird.


    Interessant wäre, Freund Gomberts Meinung in dieser Sache zu hören.


    Will man einer Sprache Gerechtigkeit angedeihen lassen, wäre es hilfreich, sich etwas mit deren Poeten zu beschäftigen. Ich bin sicher, dass da einige Vorurteile ins Wanken kämen.


    In der Sache im Übrigen sympathisiere ich mit Milletre, doch erinnere ich mich gern an eines meiner ersten Opernerlebnisse.
    Das war die sogenannte Registerarie aus Don Giovanni mir Erich Kunz. Es war wohl ein Filmausschnitt und Erich Kunz sang auf deutsch. Damals war es für mich selbstverständlich und die Erinnerung heute trübt es ebenfalls nicht. Die Macht der Nostalgie ist eben gewaltig, es wäre dumm, sich dagegen zu wehren.

  • bitte auch die "Verkaufte Braut" auf Tschechisch (letztere wird leider immer noch oft auf Deutsch aufgeführt)



    Smetanas "Die verkaufte Braut" höre ich mir lieber in der deutschen Originalfassung mit Harnoncourt an.
    Erstens verstehe ich dann alles und zweitens kann ich tschechisch in der Musik wegen der vielen Zischlaute nicht ausstehen.

    mfG
    Michael

  • Ich habe in früher Jugend ebenfalls viele Opern in deutscher Sprache gehört. Das war damals noch so üblich. Erst als es später gängige Praxis wurde, die Opern in Originalsprache zu singen, habe ich festgestellt, wie viel authentischer auch die Musik klingt (siehe hierzu auch die Beispiele, die Milletre anführt).
    Nicht nur, dass in den Übersetzungen der Text oft verfälscht werden muss, damit er zur Musik passt, sondern dass sich dabei auch Vokale ändern und manches eine ganz andere Klangfarbe erhält (z.B. der von Hami angeführte dunkle Laut "u", bei dem in der Übersetzung vielleicht ein helles "e" oder "i" liegt). Gerade die romanischen Sprachen, vor allem Italienisch und Französisch sind so klangvoll. Aber auch Opern in slawischen Sprachen klingen im Original anders, denn die Musik ist vom Komponisten - auch wenn die Sprache manchmal härter klingt - auf diese Sprache abgestimmt. Abgesehen davon konnte ich auch bei deutschen Opern (z.B. bei Wagner oder Strauß) den Text ohne vorheriges Studium des Librettos häufig nicht verstehen. Ich habe mir also - soweit verfügbar - immer vorher auch den Text besorgt. Heute ist das meist sogar viel einfacher, weil die wortwörtliche Übersetzung als Unter- bzw Übertitel angezeigt wird, ja man geht heute sogar bei deutschen Opern dazu über, den zugehörigen Text als Unter- oder Übertitel zu zeigen. Dennoch ist es auf jeden Fall ratsam, eine ausführliche Inhaltsangabe (wenn dann die Inszenierung auch diesem Inhalt entspricht, was ja heute meist nicht mehr der Fall ist), besser noch, auch den vollständigen Text vor der Aufführung zu lesen, weil man bei manchen Opern auch bei entsprechender Betitelung nicht immer auf die Schnelle alles so genau erfassen kann. Abgesehen davon stören mich persönlich eher solche Unter oder Übertitel, die oft in schneller Folge erscheinen, weil man sich da nur teilweise auf die Inszenierung konzentrieren kann.
    Lieber Traubi, der du dieses Thema angeregt hast, vergleiche doch einmal beispielsweise im Rigoletto "Holdes Mädchen sieh' mein Leiden" mit "Bella figlia dell'amore" oder "O wie so trügerisch" mit "La donna e mobile". Vielleicht erkennst du schon daran, wie viel klangvoller es sich in der Originalsprache anhört.
    Ich habe daher in der von Schneewittchen angeführten Umfrage für die Originalsprache gestimmt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Erstens verstehe ich dann alles und zweitens kann ich tschechisch in der Musik wegen der vielen Zischlaute nicht ausstehen.


    Stören die Zischlaute wirklich? Wieviel hört man eigentlich davon?



    Měsíčku na nebi hlubokém,
    světlo tvé daleko vidí,
    po světě bloudíš širokém,
    díváš se v příbytky lidí.
    po světě bloudíš širokém,
    díváš se v příbytky lidí.


    Měsíčku, postůj chvíli,
    řekni mi, kde je můj milý!
    Měsíčku, postůj chvíli,
    řekni mi, řekni, kde je můj milý!


    Řekni mu, stříbrný měsíčku,
    mé že jej objímá rámě,
    aby si alespoň chviličku
    vzpomenul ve snění na mě.
    aby si alespoň chviličku
    vzpomenul ve snění na mě.


    Zasviť mu do daleka, Zasviť mu!
    Řekni mu, řekni, kdo tu naň čeká!
    Zasviť mu do daleka, Zasviť mu!
    Řrekni mu, řekni, kdo tu naň čeká!


    O mně-li, duše lidská sní,
    ať se tou vzpomínkou vzbudí;


    Měsíčku, nezhasni, nezhasni!
    Měsíčku, nezhasni!




    Wie man diese Arie auch übersetzt, es geht Einiges verloren.
    Da wären die slavischen Diminuitive wie in "měsíčku" (mnJEsitschku). Kleiner Mond oder gar Möndchen klingt doch nicht so passend?
    Oder in "dass er sich wenigsten eine kleine Weile
    (chviličku sprich chwIlitschku) im Traum sich an mich erinnert."
    "Kleine Weile" geht ja. "Weilchen" dagegen fände ich zu harmlos und nicht stilkonform. So richtig den Ton trifft aber keine der beiden Varianten.


    Dann hätten wir noch die typisch tschechischen Synkopen wie in vidí und lidí.
    Eine kurze, betonte erste Silbe gefolgt von einer langen zweiten kommt im Deutschen, wie ich glaube, überhaupt nicht vor.


    Und wie gesagt, die Zischlaute bereiten mir hier kein Problem, sie dominieren keineswegs.

  • Ich habe hier eien Ausschmit aus der "Verkauften Braut" in Originalsprache verlinkt. Jeder soll sich seine Meinung selber machen, ob das ein Verlust oder ein Gewinn ist....



    Viel Vergnügen
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier ein Ausschnitt aus "Die verkaufte Braut" von der Styriarte 2011 in Originalsprache.
    Wie schön, daß Smetana gleich 2 Originalsprachen für seine Oper verwendete, so kann sich jeder seine Lieblings-Originalsprache aussuchen.
    Harnoncourt wählte 2011 die deutsche Originalsprache.

    mfG
    Michael

  • Meine Meinung dazu kann ich nur wiederholen: Sowohl- als auch! Man sollte beides kennen und sich nicht sklavisch nur an das Original halten. Früher war ich sehr oft in Ungarn, besuchte oft die Budapester Staatsoper und das Erkel-Theater, wo es damals nur Produktionen in ungarischer Sprache gab. Da sangen nur die Gäste in Originalsprache. Und habe dabei festgestellt, dass sich italienische Opern in Ungarisch gar nicht so schlecht anhören. Auch ein ungarischer Lohengrin hat mich nicht empört. Aber das sind persönliche Ansichten, die jeder wahrscheinlich etwas anders sieht.


    Lieber Freund Milletre, im deutschen Don Giovanni heißt es immer noch: "Hier in Deutschland zweihundertvierzig ..... und in Spanien Tausend und drei". Der Fall von Hoffmans Erzählungen ist anders gelagert, da gibt es mehrere Möglichkeiten - je nach Fassung.


    LG -


    Erich

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Für Originalsprache: Ist eben das Original, Wort und Ton passen zueinander.
    Für Übersetzung: Oper ist Musiktheater, es ist ein großer Unterschied, ob man nur eine vage Ahnung hat, was vor sich geht, oder in Echtzeit versteht, was gesungen wird. Gerade bei Opern mit komischen Szenen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man bei Liebestrank, Don Giovanni etc. mehr Lacher im Publikum hat, wenn der Text verständlich in der Publikumssprache gesungen wird.
    Gegen Übersetzung:
    Übersetzungen sind oft schlecht.
    Wenn man auch deutsch gesungenen Text eh nicht versteht, ist es wieder egal.
    Das kann man aber beides besser machen. In Konwitschnys Inszenierung an der KOB singt Leporello "selbst in Deutschland zweihundert und dreißig" [oder wieviele es sind], was einige Extralacher hervorrief, die beim italienischen Text ziemlich sicher ausgeblieben wären, und das verkehrte "hier in Deutschland" wird auch vermieden.


    Mir leuchtet ein, dass aufgrund der Internationalität des Opernbetriebs die Originalsprache heute oft praktische Vorteile hat. (Das war vor 40 Jahren noch anders, da Häuser in der Provinz keine so international besetzten Ensembles hatten.) Auf Tonträgern, die man mit Übersetzung/zweisprachigem Libretto anhören kann, scheint mir Publikumssprache auch fragwürdig geworden zu sein.
    Im Theater hat die Publikumssprache m.E. aber kaum zu bestreitende Vorteile; ich finde es, je nach Stück und Inszenierungen, durchaus sinnvoll, das als Alternative anzubieten, zumal in Städten mit mehreren Opernhäusern wie zB Berlin oder Wien. Und wenn bei Opern, die im Original russisch, ungarisch oder tschechisch sind, so gesungen wird, dass Muttersprachler ihre eigene Muttersprache nicht erkennen, dann ist vielleicht die Publikumssprache ebenfalls die bessere Wahl.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hier ein Ausschnitt aus "Die verkaufte Braut" von der Styriarte 2011 in Originalsprache.
    Wie schön, daß Smetana gleich 2 Originalsprachen für seine Oper verwendete, so kann sich jeder seine Lieblings-Originalsprache aussuchen.

    Genau diese Aufführung hatte ich bei meinem "leider" im Sinn. Ob man Deutsch hier als Originalsprache bezeichnen kann, halte ich für fraglich. Smetana hat diese deutsche Textfassung zwar selbst in Auftrag gegeben, aber komponiert hat er die Oper doch wohl für den tschechischen Text. Die deutsche Fassung dürfte vor allem aus praktischen Erwägungen beiuftragt worden sein, weil auf tschechisch damals keine Aufführungschancen im deutschen Sprachraum bestanden.


    Ich habe vor einigen Monaten "Prodaná nevěsta" am Nationaltheater in Prag gesehen, und an störende Zischkaute kann ich mich nicht erinnen. Ich möchte diese Oper anders nicht mehr hören.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Tja, bei dem Duett zwischen Kecal und Jeník kann man wirklich ins Grübeln kommen. Der deutsche Text ist wirklich köstlich.


    Ich kenn ein Mädel, die hat Dukaten, hat Dukaten
    er kennt ein Mädel, die hat Dukaten, hat Dukaten
    Und ein Häuschen, und ein Häuschen kriegt sie von dem Paten


    gegen


    Znám jednu dívku, ta má dukáty, má dukáty
    zná jednu dívku ta má dukáty. má dukáty
    a chalupu a chalupu dostane od táty


    Schwere Wahl. Möglicherweise könnte man dem Reim von dukáty auf táty, also Dukaten und Onkel, wegen der Assoziation auf reichen Onkel den Vorzug geben.
    Paten sind ja meist arm und geizig. Meiner war es jedenfalls.

    Den geliebten Boris könnte ich auf deutsch aber nur eingeschränkt genießen.






  • Nicht im Traum hätte ich mir vorgestellt, jemals mit Dir einer Meinung zu sein, Bertarido. Dazu möchte ich auch anmerken, dass man in den USA (vorwiegend Met und San Francisco) nie so chauvinistisch eingestellt war wie wir im deutschen Sprachraum - schon seit den Vierziger Jahren des verblichenen Jahrhunderts spielte man dort deutsches, italienisches und französisches Repertoire in der Originalsprache. Die Amis wissen schon warum. Ganz zu schweigen davon, dass man andernfalls die sängerische Weltelite - es gibt unzählige Aufnahmmen davon! - bei uns nie erleben hätten können. Eine positive Ausnahme war Wien in den Sechziger Jahren, als Karajan (dem Himmel sei Dank!) ebenfalls auf Originalsprache umstellte. So war ich in der glücklichen Lage, Weltklassekaliber wie Christoff, Siepi, Ghiaurov, Gobbi, Bastianini, Taddei, del Monaco, di Stefano, Bergonzi, Gianni Raimondi, Simionato, Horne, Madeira, Tebaldi, Sutherland, Caballé, Freni, Leontyne oder Margaret Price, Grist, Sciutti und viele andere erleben zu können. Die Callas sang etwa ein Jahr vor meinem Umzug nach Wien, so dass ich sie in ihrer Glanzzeit nicht erleben konnte - der Arienabend mit ihr und Di Stefano war ihr Abgesang und für beide leider schon grenzwürdig.


    Alles in allem eine Ära für Stimmenfetischisten bzw. durch diese Aufführungen wurde man dazu, ob man wollte oder nicht.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Grundsätzlich für die Originalsprache würde ich niemals votieren. Dafür müssten nämlich etliche Voraussetzungen gegeben sein, die ich nur selten verwirklicht finde. Zuschauer und Akteure müssen die jeweilige Sprache genau kennen und verstehen. Phonetisches Einpauken reicht in der Regel nicht. Originalsprache ist ein Einfallstor für Auswüchse des so genannten Regietheaters. Regisseure können dem Publikum vor allem dann fragwürdige Konzepte unterschieben, wenn es keine Ahnung von den Texten hat. Da reicht es auch nicht, die Übersetzungen auf dem Laufband zu verfolgen, was nur ablenkt und grelle Widersprüche offenbart. Neulich war dort zu lesen, dass zu den Schwertern gegriffen werden solle, auf der Bühne wurde aber mit Kalaschnikows herumgefuchtelt. Mit einem Besuch aus Prag besuchte ich in Deutschland eine "Jenufa"-Vorstellung in einer Sprache, die man für die Originalsprache ausgab im Programm. Mein Begleiter musste lachen, weil die Sänger alles sangen, nur kein Tschechisch. Selbst er verstand nicht ein Wort. Es hätte mir also auch nichts genützt, wenn ich vor dem Besuch der Vorstellung Tschechisch gelernt hätte. Einen "Don Giovanni" würde ich mir erst dann in Italienisch anhören wollen, wenn ich genauestens wüsste, was wann gesungen wird. Diese genaue Kenntnis kann ein Ausgleich dafür sein, dass man das Italienische nicht perfekt beherrscht. Selbst Furtwängler, des des Italienischen mächtig war, bestand im Nachkriegs-Salzburg auf einem deutschen "Figaro", weil er befürchtete, das Publikum könne sonst der Handlung nicht folgen. Das ist zwar lange her, an Wichtigkeit und Logik hat seine Haltung nichts eingebüßt.


    Gruß Rheingold

    Lieber Rheingold, deinen Ausführungen kann ich mich hier nur vorbehaltlos anschließen! :jubel:



    Genau diese Aufführung hatte ich bei meinem "leider" im Sinn. Ob man Deutsch hier als Originalsprache bezeichnen kann, halte ich für fraglich. Smetana hat diese deutsche Textfassung zwar selbst in Auftrag gegeben, aber komponiert hat er die Oper doch wohl für den tschechischen Text. Die deutsche Fassung dürfte vor allem aus praktischen Erwägungen beiuftragt worden sein, weil auf tschechisch damals keine Aufführungschancen im deutschen Sprachraum bestanden.


    Ich habe vor einigen Monaten "Prodaná nevěsta" am Nationaltheater in Prag gesehen, und an störende Zischkaute kann ich mich nicht erinnen. Ich möchte diese Oper anders nicht mehr hören.

    Nanu, sonst so aufgeschlossen und jetzt dogmatischer als der Komponist selbst? :D


    Zum damaligen Zeitpunkt konnte Smetana noch kaum tschechisch, seine Eltern sprachen deutsch mit ihm, er selbst nannte sich in Briefen bis dato stets "Friedrich". Erst später infolge der zunehmenden Nationalisierung wendete sich Smetana der tschechischen Sprache zu. Die "Originalsprache", in welcher Smetana diese Oper gelesen und vertont hat, dürfte also im Zweifelsfall deutsch gewesen sein! ;)


    Dass ich ein großer Verfechter landesprachlicher Aufführungen bin, habe ich in diesem Forum schon mehrfach geschrieben und begründet, zuletzt wohl gestern bzw. jetzt schon vorgestern - ich muss das nicht immer wiederholen...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Möglicherweise könnte man dem Reim von dukáty auf táty, also Dukaten und Onkel, wegen der Assoziation auf reichen Onkel den Vorzug geben.


    Totaler Blödsinn! Der Mann fängt an, senil zu werden.


    Táta bedeutet Vater und nichts Anderes und hat absolut nichts mit Tatis "Mein Onkel" zu tun.
    Die Behandlung von Assoziationen sollte man den Psychiatern übelassen, die werden ja bezahlt dafür.

  • schon seit den Vierziger Jahren des verblichenen Jahrhunderts spielte man dort deutsches, italienisches und französisches Repertoire in der Originalsprache. Die Amis wissen schon warum. Ganz zu schweigen davon, dass man andernfalls die sängerische Weltelite - es gibt unzählige Aufnahmmen davon! - bei uns nie erleben hätten können.


    Oder es geht nur mit diversen Verrenkungen wie beim Rosenkavalier einstens in Stockholm.


    Das sang die Schwarzkopf auf deutsch und der Rest einschließlich der Elisabeth Söderström auf schwedisch.
    Ob eine solche Lösung manche Weltstars abschreckt?

  • Zum damaligen Zeitpunkt konnte Smetana noch kaum tschechisch, seine Eltern sprachen deutsch mit ihm, er selbst nannte sich in Briefen bis dato stets "Friedrich". Erst später infolge der zunehmenden Nationalisierung wendete sich Smetana der tschechischen Sprache zu. Die "Originalsprache", in welcher Smetana diese Oper gelesen und vertont hat, dürfte also im Zweifelsfall deutsch gewesen sein!


    Danke, lieber Stimmenliebhaber. Auf Deine Bildung kann man sich wirklich verlassen. :) Im Übrigen sind in die Originalpartitur der "Verkauften Braut", die in Prag aufbewahrt wird, beide Sprachen eingetragen, Tschechisch und Deutsch. Auch Schnewittchen bin ich dankbar für den Hinweis auf Harnoncourt. Der hatte diese Tatsache nämlich als erster auch praktisch umgesetzt.



    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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