Wilhelm Stenhammar und seine Streichquartette

  • Der schwedische Komponist Wilhelm Stenhammar (1871-1927) ist bei uns in erster Linie durch seine 2 Symphonien und seine 2 Klavierkonzerte bekannt. Erst in den letzten Jahren werden auch seine 7 Streichquartette (6 nummerierte und das f-Moll Streichquartett) zur Kenntnis genommen und aufgeführt. Dabei stellen sie mit den 12 Quartetten von Hilding Rosenberg (1892-1985) den gewichtigsten Beitrag Schwedens zu diesem Genre dar.


    Zwar wurden auch vor Stenhammar in Schweden Quartette komponiert (z.B. die 3 von Franz Bergwald), aber eine echte Quartettkultur entstand erst zu Zeiten von Stenhammar mit dem sich zu dieser Zeit formierenden ersten professionellen Streichquartett , dem Aulin Quartett mit Tor Aulin als Primarius und konstantem Mitglied. Diese Quartett bestand 15 Jahre und nutzte die Erschließung von Schweden durch die Eisenbahn, um in allen, auch entlegenen Landesteilen aufzutreten. Da reine Quartettabende damals noch die Ausnahme waren und oft auch Duos und Trios mit Klavier gespielt wurden, war Stenhammar oft der 5. im Bunde. So ist auch zu erklären, dass ein exzellenter Pianist als Komponist so viele Streichquartette geschrieben hat.


    Die diskographische Situation bei Stenhammar ist immer noch recht überschaubar. Nach einigen Einzelaufnahmen (z.B. vom Borodin Quartett - Nr. 3 - oder Vlach Quartett - Nr. 4 (diese DGG Scheibe habe ich noch nie irgendwo gesehen, aber es gibt sie), hat das schwedische Label Caprice 1983 eine 3 LP-Box mit allen nummerierten Quartetten herausgebracht. Hier waren drei unterschiedliche Quartette im Einsatz. Diese Box hab ich und sie besticht schon allein durch ein Begleitheft, das zu lesen über eine Stunde Zeit braucht. Das waren noch Zeiten. Das Coverbild (links) zeigt das Stenhammar/Aulin Klavierquintett :) .

    Diese Aufnahmen gibt es auch auf CD. 2011 brachte dann unser Lieblingslabel eine Doppel-CD mit den Quartetten 3-6 heraus, gespielt vom hervorragenden jungen Oslo String Quartet. Warum man 1 + 2 ausließ, bleibt Geheimnis des Labels oder der Künstler :( . BIS hat inzwischen das Stenhammar Quartett ins Rennen geschickt und auf zwei CDs finden sich sie Quartette 3-6 und das unnumerierte, das keines falls ein Frühwerk ist, sondern eines das Stenhammar zurückzog, um es zu überarbeiten, was dann aber nie passierte. Diese Neueinspielung kenne ich nicht. Es bleibt zu hoffen, das die BIS Serie komplettiert wird.



    Da ich mich gerade mit diesen Quartetten hörend beschäftige, plane ich sie hier einzeln vorzustellen.

  • Die sechs Streichquartette von Wilhelm Stenhammar verteilen sich relativ gleichmäßig über seine Schaffensperiode, das erste ist von 1984, das sechste von 1916. Alle haben die klassische viersätzige Form.
    Das erste Streichquartett - sein op. 2 - wurde 1984 komponiert, also von einem Dreiundzwanzigjährigen. Kurz davor hatte er sein 1. KK geschrieben. Für einen Einstieg ist das 1. SQ schon ziemlich gut gelungen. Es geht im Allegro gleich rhythmisch intensiv los und die musikalischen Einfälle sind frisch und originell, das zweite lyrische Thema gefällt ebenso. Einflüsse bei Stenhammars Musik sind hier ganz klar Beethoven und die deutschen Romantiker, typisch schwedisches höre ich kaum, aber da bin ich wohl auch nicht besonders kompetent für. Der zweite Satz - ein Mesto - ist ganz klar an den langsamen Sätzen von Beethoven modelliert, aber so etwas muss man auch erst einmal schreiben können. Das Intermezzo geht dann eher Richtung Brahms. Und das abschließende Allegro energico könnte fast einem bäuerlichen Tanz abgehört sein. Das 34-minütige Werk ist also eine eher unkomplizierte, rustikale Geschichte und wenn auch noch nicht allzuviel wirklich Eigenes zu hören ist, kommt das Ganze ziemlich sympathisch rüber. Es gibt viele Streichquartette wesentlich bekannterer Komponisten aus dieser Zeit, die mir deutlich weniger zusagen. Die einzig existierende Aufnahme ist vom Fresk Quartett von 1983, auch dies eher eine rustikale Angelegenheit. Heutige Ensembles würden sicher etwas feinsinniger und differenzierter an die Sache gehen, aber das tut der Sache letztendlich keinen Abbruch. Empfehlung.


  • Wir springen jetzt mal zum 1910 entstandenen 5. Streichquartett, das mit 20 min wohl das kürzeste ist und den Untertitel "Serenade" trägt und das ich in den letzten Wochen mehrfach gehört habe. Der Name deutet schon an, dass der Tonfall hier ein leichterer ist, aber man täusche sich nicht, dies ist ein erstklassiges Werk. Alle vier Sätze haben eingängige Themen, die in höchst origineller Weise durchgestaltet werden. Das hat Witz und das zündet. Dieses Werk könnte ohne Probleme als Partner auf einer Zusammenstellung mit Dvoraks Amerikanischem, Tschaikovskys erstem oder Smetanas zweitem Streichquartett quasi als schwedisches Pendant zu finden sein. Das Oslo String Quartett spielt engagiert und auf einem hohen Niveau. Ob die neue Aufnahme mit dem Stenhammar Quartett gleich gut oder sogar besser ist, kann ich noch nicht sagen, da ich sie noch nicht gehört habe. Bei dem derzeit gefragten Preis für die Doppel-CD von € 12,99 wird vermutlich sowieso jeder erst einmal zur cpo Aufnahme greifen. Und ich ermuntere hiermit alle an Kammermusik interessierten Taminos genau dies zu tun. :) Wer noch zweifelt, kann ja mal die Pressestimmen beim Werbepartner lesen.


  • Es bleibt zu hoffen, das die BIS Serie komplettiert wird.

    Nun ist es soweit: Das Stenhammar Quartett komplettiert mit dem 1. und 2. Streichquartett seine GA der Quartette des Namensgebers. Es ist die erste echte Gesamtaufnahme, da sie im Gegensatz zu der Caprice Einspielung mit drei verschiedenen Formationen aus den 80er Jahren auch das unnummerierte f-moll Quartett enthält. Da die ersten beiden CDs der Serie überall gelobt wurden, kann man wohl davon ausgehen, dass dies für geraume Zeit die Referenz sein wird.