Der Stoff aus dem die Opern sind (12) – Komische, leichte, und unterhaltsame Opern

  • Wir haben schon einen recht gut florierenden Thread zu "deutschen Spieloper"
    Allerdings hat sich herausgestellt, daß per Definition manche Opern als "Spielopern" (welch schrecklicher Ausdruck) bezeichnet werden, welche eigentlich nicht in die Vorstellung passen, die man im allgemeinen davon hat. (z.B. der Freischütz) andere Opern, die absolut hineinpassen würden, werden "ausgesondert", weil sie formal nicht völlig entsprechen.


    Daher habe ich in diesem Thread den Rahmen etwas weiter gesteckt, wir nehmen hier auch französische Opern mit, welche oft nur in deutscher Übersetzung bekannt wurden (z.B. "Fra Diavolo"), Märchenopern, Zauberopern etc. In gewisser Weise kann man sogar den Liebestrank dazunehmen, also generell Opern, die nicht nur "komisch" genannt werden, sondern es auch sind. Dazu noch Singspiele des 18. Jahrhunderts, welche allmählich wieder - zumindest auf Tonträger - zugängig gemacht werden. (z.B. Dittersdorf: Doktor und Apotheker) Lortzing - auch er hat einen eigenen Thread - passt ebenfalls vorzüglich herein. Wichtig ist ja, daß all diese Komponisten und ihre Werke nicht vergessen werden - und zumindest jenen zur Verfügung stehen, die sie sehen wollen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred




    Weitere Threads dieser Serie :


    Der Stoff aus dem die Opern sind (1) - Giuseppe Verdi und seine Librettisten
    Der Stoff aus dem die Opern sind (2) - Sagen des Mittelalters
    Der Stoff aus dem die Opern sind (3) - Vergessene Literaturvorlagen der klassischen Musik und Opern
    Der Stoff aus dem die Opern sind (4) - Librettii nach griechischen und römischen Klassikern
    Der Stoff aus dem die Opern sind (5) - Gekrönte Häupter und welche es gern geworden wären....
    Der Stoff aus dem die Opern sind (6) - Christoph Columbus
    Der Stoff aus dem die Opern sind (7) – Historische Themen in Opern des 20. Jahrhuinderts
    Der Stoff aus dem die Opern sind (8) - Zeitgenössische Themen in Opern des 20. Jahrhunderts
    Der Stoff aus dem die Opern sind (9) – Deus ex machina
    Der Stoff aus dem die Opern sind (10) – Komponisten als Librettisten ihrer Opernkompositionen
    Der Stoff aus dem die Opern sind (11) – Opern der Mozartzeit: Zeitgeist, Gesellschaft und Politik

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na, dann schlage ich doch mal vor, dass wir uns auch einmal ein bisschen mit "Schwanda, der Dudelsackpfeifer" beschäftigen, die ihr Komponist Jaromir Weinberger eine Volksoper genannt hat. Sie ist eigentümliche Mischform, unterhaltsam und teilweise mit populärer Melodik, aber dann auch wieder musikalisch recht anspruchsvoll. Mittendrin ist eine kunstvolle Orchesterfuge (die wird auch öfter mal einzeln gespielt) und die Instrumentierung ist recht aufwendig. Das große Orchester und die üppige Bläserbesetzung, die keineswegs nur aus dem Dudelsack besteht, hat dann auch zur Folge, dass man ziemlich große Stimmen braucht. Somit tendiert das Stück trotz einer Märchenhandlung und eines insgesamt eher naiven Librettos mit burlesken Elementen - beispielsweise wenn der Teufel beim Kartenspielen immer betrügt, aber der edle Räuber Babinsky es noch besser kann oder wenn das Schwert des Henkers im letzten Augenblick zur allgemeinen Überraschung durch einen Besen ersetzt wird, mit dem man nun wirklich niemanden köpfen kann - zur großen Oper.


    Ich habe das Stück kürzlich in Dresden gesehen, vorher kannte ich nur Polka und Fuge, die Orchesterstücke, die immer einzeln gespielt werden, und es hatte mir ausnehmend gut gefallen, was auch der Inszenierung des Hallenser Operndirektors und Händel-Spezialisten Axel Köhler liegt und an dem sehr spielfreudigen Ensemble. Die Oper wäre es wirklich wert, mal öfter ausgegraben zu werden. Den Dresdenern ist es gelungen, sie nach Palermo exportieren, dort wird sie nämlich im Oktober aufgeführt, wobei auch Dresdener Sänger beteiligt sind.


    Vielleicht haben andere hier auch Erfahrungen mit dieser Oper oder eine persönliche Einschätzung. Ich denke, dass sie als Volksoper mit einer Märchenhandlung in diesen Thread schon passt. Weinberger hatte ein trauriges Schicksal. In den zwanziger Jahren ein populärer Komponist, musste er als Jude in der Nazizeit emigrieren und hat dann in den USA nicht recht Fuß fassen können. Er hat dann immer weniger geschrieben und 1967 seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.


    Grüße aus Berlin
    Vigo

  • In der Tat war mir das Werk - vom Titel und dem Namen des Komponisten mal abgesehen - völlig unbekannt. Ich bestätige aber gerne, daß dies ein großes Versäumnis ist, denn die Oper ist in der Tat volkstümlich und angenehm zu hören - und trotzdem sehr eigenwillig. Ich besitze das Werk noch nicht, habe mich aber ein wenig im Internet umgehört und werde aller Voraussicht nach die in diesem Beitrag abgebildete Live-Aufnahme aus der Semperoper Dresden (2012) erwerben. Die Naxos-Aufnahme ist - verglichen mit dieser - eher mau, und eine weitere - recht dynamische - Einspielung , in deutscher Sprache stammt aus dem Jahre 1948....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das dürfte die Referenzaufnahme in deutscher Sprache sein - nicht nur wegen Lucia Popp, Siegfried Jerusalem, Hermann Prey unter H. Wallberg....

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wenn man vor dem Entstehungsjahr nicht zurückschreckt, dann ist die so schlecht nicht. Schon wegen Christa Ludwig, die hier mit gerade mal 20 in einer ihrer ersten Aufnahmen zu hören ist.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Spielopern" (welch schrecklicher Ausdruck) bezeichnet


    Zugegeben. Es wäre eine bessere Definition dringend erforderlich: Opern, in denen neben Musiknummern gesprochene Dialoge vorkommen. Aus. Eine (Wieder)verwendung des Begriffs Singspiel würde dem Freischütz nicht gut tun. Und "Lustoper" für den "Rest" klingt schon selbst wie ein Witz. Also bleibt wohl keine andere Möglichkeit als den "schrecklichen" Begriff "Spieloper" für Freischütz und Opern, in denen es darum geht, sich vor Lachen zu kugeln, weiterhin in der gewohnten Weise zu verwenden.


    Gruß Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Mozarts "Figaro" ist letztlich auch eine "Spieloper", obgleich keine gesprochenen Dialoge vorkommen, sondern Rezitative. Dies gilt ebenso für durchkomponierte Werke wie "Hänsel und Gretel" und "Der Rosenkavalier", ja selbst "La Bohème" hat in den Akten 1, 2 und 4 sehr viel von einer "Spieloper", so wie ich sie definiere: eine Oper, in der es nicht nur ernst zugeht und wo es bei weitem nicht ausreicht, sich auf die Bühne zu stellen und seine Partie zu singen, sondern wo die lebendige Darstellung, das SPIEL, zwingend dazugehört, und in der Wichtigkeit nicht wirklich hinter dem Gesangs zurücksteht, sondern eine untrennbare Einheit bildet.


    Beethovens "Fidelio" ist - meiner Ansicht nach - trotz des singspielartigen Beginns und den gesprochenen Dialogen weit von einer Spieloper entfernt, weil sie ab dem Pizarro-Auftritt allerspätestens jedoch im 2. Akt vom Anspruch und von der Gestaltung her nicht mehr mit meiner Definition einer Spieloper vereinbar ist.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das dürfte die Referenzaufnahme in deutscher Sprache sein - nicht nur wegen Lucia Popp, Siegfried Jerusalem, Hermann Prey unter H. Wallberg....


    Diese Aufnahme habe ich damals aus dem Rundfunk aufgenommen. Ich kann sie nur empfehlen, sowohl von der Komposition wie hier von der Ausführung.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ich habe beim Titel für diesen Thread ganz bewusst allgemeiner gehaltene Begriffe gewählt, weil viele - oder zumindest einige - Opern, die per heutiger Definition "Spielopern" wären - nicht ins Konzept dieses Threads passen. Beispielsweise "Der Freischütz"
    Huer kommen einige Elemente zusammen. Es gibt in letzter Hinsicht den "guten Ausgang". Indes bleibt ein düsterer Nachgeschmack. Aus meiner Sicht ist es eine "Große romantische Oper" oder "Eine Geister - und Zauberoper" Der Typus Oper den ich hier ansprechen möchte, ist der späteren "klassischen" Operette verwandt, mir fallen hier spontan Millöckers "Bettelstudent" ein, wo es ja in letzter Konsequenz - bei aller oberflächlichen Heiterkeit - um Leben und Tod geht. Oberst Ollendorff ist nur vordergründig lächerlich - unter der Oberfläche lauert ein verschlagener skrupelloser Charakter - ein nicht zu unterschätzender Gegner. "Lehars Land des Lächelns" oft in die Nähe mit Puccinis Opern gestellt, habe ich 1989 in einer Aufführung in Mörbisch gesehen, wo gewisse Stellen durch Balletteinlagen mit Lehars Musik aufgefüllt wurden, die der Operette einen opernhaften und gefährlichen Unterton verliehen.
    Die Grenzen sind also fliessend. Hingegen ist Donizettis Liebestrank Spaß pur - fast ohne doppelten Boden....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Grenzen sind also fliessend. Hingegen ist Donizettis Liebestrank Spaß pur - fast ohne doppelten Boden....


    Dann wäre es keine reine buffa, keine semiseria! Ich mag am "Liebestrank" gerade besonders, wenn die Heiterkeit in Ernst und sogar partielle Tragik umschlägt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Der nächste Vorschlag wäre Dittersdorfs "Doktor und Apotheker" Jpc führt das Werk nicht mehr im Katalog, amazon indse hat noch 2 Stück auf Lager..
    Ich würde Dittersdorf als Vorgänger von Lortzing sehen, sowohl melodisch als von seinen Charaktären her.
    Die Rivalität zwischen Doktor und Apotheker ist wunderbar dargestellt, ebenso einige medizynische Statements - sie könnten von heute stammen - inwieweit der Text behutsam modifiziert wurde ist mir unbekannt. Jedenfalls zählt die Oper zu meinen Lieblingsaufnahmen - sie ist Spaß und Melodik pur . Hineinhören in die Soundsamples ist möglich...

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !