Der Lieder- und Balladensänger Christian Elsner

  • Aus meiner Sicht gibt es in den letzten zwanzig Jahren zwei Tenöre im Bereich des Liedgesangs, die über den Zeitraum von einigen Jahren durch die hohe Qualität ihres Vortrages aufgefallen sind - Christoph Prégardien (*1956) und Christian Elsner (*1965).
    Der junge Prégardien sang bei den Limburger Domsingknaben und der junge Elsner wirkte bei den Freiburger Domsingknaben mit. Beide haben bei dem hervorragenden Gesangspädagogen Martin Gründler (2004 im Alter von 85 Jahren verstorben) in Frankfurt studiert.
    Hier soll jedoch die Parallelität enden. Im Folgenden möchte ich auf einige Aufnahmen mit Christian Elsner aufmerksam machen, von denen ich glaube, dass sie einem größeren Personenkreis zugänglich sein sollten, denn Elsners Liedproduktion auf CD ist bei weitem nicht so umfangreich, wie die Prégardiens. Von den Platten, die ich von Elsner habe, möchte ich einige Einzelstücke vorstellen, die ich für besonders hörenswert halte - natürlich aus ganz subjektiver Sicht. Vielleicht finden sich Forianer, die etwas zu diesem Thread beitragen können und wollen...
    Wenn man letztendlich einen Thread zu irgendeinem Thema eröffnet, dann liegen die Erstberührungen oft schon viele Jahre zurück und der Gedanke wird selten spontan geboren, Zufälle spielen mitunter eine Rolle.
    Meine erste Liedplatte von Christian Elsner hatte ich mir in der Schweiz gekauft, weil ich die Wartezeit bis zur Zugabfahrt irgendwie überbrücken musste; es war Anfang der 1990er Jahre. Den Namen des Sängers kannte ich nicht, hörte aber zuhause gleich beim ersten Ton, dass das kein Fehlkauf war.
    Natürlich wollte ich diesen Tenor auch einmal live im Konzertsaal hören. Da traf es sich gut, dass man in Köln Schuberts 200. Geburtstag so feierte, dass 1996/1997 in dichter Reihenfolge 36 Schubert-Liederabende geboten wurden (es kamen fast alle einstimmigen Lieder zur Aufführung, die Schubert hinterlassen hatte - und es war an Sängerinnen, Sängern und Pianisten alles da, was Rang und Namen hatte, aber unter Mitwirkung von Dietrich Fischer-Dieskau wurden auch die besten Nachwuchsinterpreten ausgewählt, die in der breiten Öffentlichkeit noch keinen großen Namen hatten.
    Am Montagabend des 21. April 1997 hörte ich dann Christian Elsner erstmals im großen Sendesaal des WDR, er sang im offiziellen Programm 14 Schubert-Lieder.
    Seitdem war ich immer bemüht, seine Liedeinspielungen zu bekommen, musste jedoch vor einiger Zeit feststellen - offenbar Stimmfachwechsel im Jahr 2007 - dass Christian Elsner nun Triumphe als Wagner-Sänger feiert. und das an Häusern wie der Wiener Staatsoper oder der Semperoper in Dresden.
    Christian Elsner ist 1965 in Freiburg im Breisgau geboren, machte, wie eingangs schon erwähnt, erste Gehversuche im Domchor; die ersten richtigen Gesangsstunden absolvierte er bei Richard Riffel. Danach folgte die Ausbildung an der Musikhochschule Frankfurt.
    Er war auch Schüler bei Dietrich Fischer-Dieskau. Auf der Opernbühne stand er erstmals als Lenski in Tschaikowskys »Eugen Onegin« in Heidelberg.


    Seit 2006 ist Christian Elsner Professor für Gesang an der Hochschule für Musik in Würzburg


    Dieser Thread sollte jedoch die neueren Aktivitäten des Sängers in der Opernwelt nicht tangieren, sondern sich ausschließlich auf das vorhandene Liedrepertoire konzentrieren.


    Ich verstehe das erste vorgestellte Stück als eine Art Paukenschlag, denn es ist unbestritten ein großes Stück im wahrsten Wortsinn. Es handelt sich um Conradin Kreutzers Vertonung »Des Sängers Fluch«, einem Gedicht von Ludwig Uhland. Im Thread »Der Sänger im Lied« wurde schon einmal im August 2013 auf diese Ballade Bezug genommen (Beitrag Nr. 27), aber hier soll die sängerische Leistung im Vordergrund stehen.

    Des Sängers Fluch

    Das Klaviervorspiel von 23 Sekunden macht dem Hörer bereits deutlich, das hier eine bedeutende Geschichte erzählt werden wird.
    Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr,
    Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
    Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
    D'rin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.


    Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich.
    Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
    Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
    Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.


    Nach diesen brutalen Wortwiederholungen folgt die allerlieblichste Musik als Zwischenspiel


    Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar:
    Der ein' in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
    Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmucken Roß,
    Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.


    wieder ein feines Zwischenspiel


    Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
    Denk' unsrer tiefsten Lieder, stimm' an den vollsten Ton,
    Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz;
    Es gilt uns heut' zu rühren des Königs steinern Herz."


    Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
    Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl;
    Der König furchtbar prächtig, wie blut'ger Nordlichtschein,
    Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.


    wieder ein feines, dahinperlendes Zwischenspiel


    Da schlug der Greis die Seiten, er schlug sie wundervoll,
    Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll.
    Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
    Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.


    Sie singen von Lenz und Liebe, von sel'ger, goldner Zeit,
    Von Freiheit, Männerwürde, von Treu' und Heiligkeit;
    Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
    Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.


    Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
    Des Königs trotz'ge Krieger, sie beugen sich vor Gott,
    Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
    Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.


    Nun ist die Idylle zu Ende...


    "Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
    Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib.
    Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
    Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt.


    Und wie vom Sturm zerstoben ist all' der Hörer Schwarm;
    Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm,
    Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
    Er bind't ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.


    Doch vor dem hohen Tore, da hält der Sängergreis,
    Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
    An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt,
    Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:


    "Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
    Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
    Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
    Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!


    "Weh' euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
    Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
    Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiecht,
    Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.


    "Weh' dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
    Umsonst sei all' dein Ringen nach Kränzen blut'gen Ruhms;
    Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
    Sei, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"


    Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
    Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
    Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht,
    Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.


    Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Heideland:
    Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand;
    Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch:
    Versunken und vergessen! - das ist des Sängers Fluch.


    von Ludwig Uhland


    Zum Schluss unterstreicht der Sänger nochmals durch Wortwiederholungen seinen Fluch, danach endet das Stück mit rasch folgenden Klavierschlägen.


    [color=#000000]Hier kann ein Sänger alles reinlegen, was er zur Verfügung hat, und das tut Christian Elsner in diesem Stück ausdrucksstark. "D´rin s p r a n g e n" wird springend gesungen, und wenn er "bleich" singt, dann ist die Stimme auch bleich. "Die Königin süß und milde..." stellt Elsner wirklich zuckersüß dar; eine Strophe später dann im Kontrast des Alten Sang...
    Das sind nur einige Beispiele, wie die unterschiedlichsten Stimmungen dieser 16 Strophen ausgemalt werden. Ich finde, dass Christian Elsner diese Geschichte optimal erzählt. Spitzentöne werden hier nicht benötigt, aber Einfühlsamkeit in den Text. Mir ist keine andere Aufnahme dieser Textvertonung bekannt.


  • Man sollte ja schon darauf hinweisen, wo die sich die Quelle zu diesem Stück befindet...
    Als ich nun diese CD zum hier Einstellen suchte, stellte ich erstaunt fest, dass diese aktuell im Status »gebraucht - Sehr gut« für 3,39 Euro angeboten wird; ich hatte diese CD vor Jahren für teures Geld erworben...

  • Sagitt meint:


    Auf den Pianisten Eugen Wangler möchte ich ausdrücklich hinweisen. Er hat gelegentlich mit Elsner gearbeitet, war Professor für Liedbegleitung in Frankfurt, ein aus der UDSSR emigrierter Russe, sehr gebildet und ein tiefsinniger Liedbegleiter. Leider hatte er, anders als Ugorski, keine Muse, die ihn ins Rampenlicht brachte.


    Über Jahre habe ich Eugen Wangler als Klavierbegleiter bei Chorakademien erlebt. Und war immer begeistert.


    Da Versuche, ihn zu kontaktieren, seit einiger Zeit fehlschlagen, muß ich annehmen, dass Eugen Wangler uns verlassen hat.

  • Prof. Wangler ist immer noch auf Seiten der Frankfurter Hochschule gelistet (Solo-Repetition). Vielleicht mal ein dortiges Sekretariat oder Verwaltungsbüro anmailen oder antelephonieren?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Meine erste "Bekanntschaft" mit Christian Elsner verdanke ich seiner Aufnahme der "schönen Müllerin" mit Ulrich Eisenlohr als Begleiter am Klavier. Es handelt sich dabei um Folge 5 der Schubert-Liededition von Naxos. aus dem Jahre 1999. Mir hat das Timbre Elsners von Anbeginn an gefallen - besser als jenes von Pregardien - aber das ist Geschmackssache.



    Es war also nur logisch, dass ich die zwei Jahre später entstandene Aufnahme der "Winterreise" ebenso erstand. Allerdings habe ich lange gezögert, weil hier ein Arrangement für Streichquartett als Begleitung Verwendung fand - dabei ist das Ergebnis mehr als beeindruckend. Heute ist diese Aufnahme leider bereits gestrichen - und ich bin froh in der beneidenswerten Lage zu sein sie zu besitzen....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich werde nicht alle Lieder auf dieser CD kommentieren, aber auf das erste Stück »Wohin?« muss man schon aufmerksam machen, weil es für Kreutzer typisch ist. Ihn interessiert der Gehalt eines Gedichts und er erzeugt die notwendige Stimmung dazu, er hat immer eingängige, schöne Melodien parat, diese ist sogar wunderschön!
    Hier bedarf es eines Sängerinterpreten, der fähig ist den Text "auszumalen". Freunde des Pianisten Eugen Wangler kommen hier auch auf ihre Kosten, denn bevor der Sänger zu hören ist, gehört das Lied für vierzig schöne Sekunden ganz dem Pianisten. Der Schluss zelebriert dann nochmals die Grundstimmung.


    Wohin?
    Bächlein, wohin eilst du?
    Dem Strome zu!
    Strom! Wohin entrollest du?
    Dem Meere zu!
    Meer, wohin aufsteigest du?
    Dem Himmel zu!
    Und der Himmel sendet liebend
    Wolkentränen Dank mir zu.


    Herz, mein Herz, du Bach im Frieden,
    Du in Aufruhr Strom und Meer!
    Ach, wohin drängt deine Woge
    Gar so heiß und bang und schwer.


    Sieh, dir öffnet seine Arme
    Ja des Weltalls, Riesendom!
    Und es wölbt sich Liebe blickend
    Über dir der Himmelsdom.


    Heinrich Stieglitz

  • Sagitt meint:


    Gerade auch bei Schumann-Liedern konnte Wangler seine Gestaltungskraft zeigen. Ich hatte die angebotenen Kontaktmöglichkeiten erfolglos versucht.


    Die Streichuartett Fassung der Winterreise hatte ich seinerzeit wegen der Henschels gekauft, die eine Zeitlang ein Geheimtipp waren, gerade bei Schubert. Elsner gefiel mir nicht so, was ich in einer Rezension einigermaßen neutral beschrieb,worauf der Sänger sehr beleidigt reagierte.Ich habe dann die Rezension wieder gelöscht, weil ich dem Anliegen nicht schaden wollte.

  • Heute ist diese Aufnahme leider bereits gestrichen



    Heute , Stand 21:30 Uhr werden bei Amazon noch 8 Stück zum Preis von 8,17 Euro angeboten! Elsner singt hier gut, aber zu dieser Winterreise werde ich noch etwas Kritisches sagen...

  • Und eine davon habe ich - neugierig geworden - soeben erstanden. :) Den Conradin Kreutzer gleich noch oben drauf. Danke sehr allerseits für die Tipps. Ich bin sehr gespannt, zumal ich Elsner auch schätze, nur eben diese besondere "Winterreise" und die Kreutzer-Lieder nicht kenne.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bin sehr gespannt, zumal ich Elsner auch schätze


    Das ist mein Beitrag Nr. 74 im Thread Franz Schubert – Kunstlieder modifiziert, arrangiert, manipuliert und verziert:


    Eine Winterreise mit Streichmusik-Begleitung
    Unter dieser Threadüberschrift darf natürlich diese im Jahre 2001 entstandene CD nicht fehlen. Eine Winterreise, bei der vier Streichinstrumente den Klavierpart übernehmen.
    Wie man aus dem Booklettext erfährt, stammt diese Idee von dem Tenor Christian Elsner (den ich eigentlich als Sänger schon seit Jahren schätze).


    Im Begleitheftchen zur CD liest man unter anderem auch:
    »Der Reiz in einer Bearbeitung besteht vor allem darin, dass das Original auf eine neue Weise gehört werden kann. Scheinbar neue Farben, mitunter sogar neue Klänge, die im Original verborgen liegen, treten auf einmal um so plastischer hervor, werden anders "beleuchtet."«


    Der angesprochene Reiz ist für mich hier nicht erkennbar. Wenn schon experimentiert werden soll, finde ich es weit reizvoller, wenn die Singstimme durch ein Instrument ersetzt wird, wie es bei Honing und Maisky zu hören ist, weil Schuberts Musik in diesen Fällen erhalten bleibt. Zumindest empfinde ich es so.


    Aktuelle Anmerkung dazu:
    Natürlich hat der Künstler das Recht ein Kunstwerk so zu gestalten, wie er es für richtig hält. Selbstverständlich singt Elsner seinen Part gut und ich stufte diese CD nicht als »Fehlkauf« ein, aber ich hätte die Tenorstimme lieber mit Klavierbegleitung gehört, aber das ist alleine mein Problem....

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  • Auf der oben eingestellten ORFEO-CD sind zwei Stücke, die das Meeting von Herrschern und Sängern zum Gegenstand haben. In »Des Sängers Fluch« (Uhland) endet die Story schrecklich!
    Ganz anders dann bei Goethes Gedicht »Der Sänger«, da herrscht eitel Friede, Freude, Eierkuchen. Hier ist der Sänger am Hofe hochwillkommen und soll mit Gold behängt werden.
    Im »bösen« Gedicht sind krasse Stimmungswechsel in der Musik und in der stimmlichen Modulation des Sängers das Salz in der Suppe, hier hat der Sänger alle Möglichkeiten einer persönlichen Interpretation und Christian Elsner schöpft das voll aus.
    In der Kreutzer-Vertonung von Goethes Text (gibt es ja auch von Schubert und Wolf) ist nichts besonders dramatisches zu finden, also kann sich der Sänger meiner Meinung nach hier auch nicht besonders auszeichnen.
    Hier würde ich dann doch Schuberts Vertonung vorziehen...


    Der Sänger
    Was hör ich draußen vor dem Tor.
    Was auf der Brücke schallen?
    Lass den Gesang vor unserm Ohr
    Im Saale widerhallen!
    Der König sprach´s, der Page lief;
    Der Knabe kam, der König rief:
    Lasst mir herein den Alten!


    Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
    Gegrüßt ihr, schöne Damen!
    Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
    Wer kennet ihre Namen?
    Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
    Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
    Sich staunend zu ergötzen.


    Der Sänger drückt´ die Augen ein
    Und schlug in vollen Tönen;
    Die Ritter schauten mutig drein,
    Und in den Schoß die Schönen.
    Der König, dem das Lied gefiel,
    Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,
    Eine goldene Kette holen.


    Die goldene Kette gib mir nicht,
    Die Kette gib den Rittern,
    Vor deren kühnen Angesicht
    Der Feinde Lanzen splittern.
    Gib sie dem Kanzler, den du hast,
    Und lass ihn noch die goldne Last
    Zu andern Lasten tragen.


    Ich singe, wie der Vogel singt,
    Der in den Zweigen wohnet;
    Das Lied, das aus der Kehle dringt,
    Ist Lohn, der reichlich lohnet;
    Doch darf ich bitten, bitt ich eins:
    Lass mir den besten Becher Weins
    In purem Golde reichen.


    Er setzt ihn an, er trank ihn aus:
    O Trank voll süßer Labe!
    Oh! wohl dem hochbeglückten Haus,
    Wo das ist kleine Gabe!
    Ergeht´s euch wohl, so denkt an mich,
    Und danket Gott so warm, als ich
    Für diesen Trunk euch danke.


    Johann Wolfgang von Goethe


  • Auch auf dieser Brahms-CD ist Christian Elsner zu hören, aber sehr spärlich, denn er lässt seine Stimme bei einem Gesamtumfang von 23 Brahms-Liedern nur vier Mal ertönen. Es sind die Lieder: »Ich schell mein Horn » / »Das Lied vom Herrn von Falkenstein« / »Versunken« / »Verrat«
    Nach meinem Geschmack hat das Lied »Verrat« die meiste Substanz der hier von Elsner gesungenen Lieder. In ruhigem Ton erfährt man in den ersten drei Strophen etwas über die aktuelle Situation, dann wird es in den Strophen vier und fünf erheblich lauter...
    In den letzten vier Zeilen wird die Geschichte dann leise verhalten und traurig zu Ende erzählt


    Verrat
    Ich stand in einer lauen Nacht
    An einer grünen Linde,
    Der Mond schien hell, der Wind ging sacht,
    Der Gießbach floß geschwinde.


    Die Linde stand vor Liebchens Haus,
    Die Türe hört ich knarren.
    Mein Schatz ließ sacht ein Mannsbild raus:
    Laß morgen mich nicht harren;


    Lass mich nicht harren, süßer Mann,
    Wie hab ich dich so gerne!
    Ans Fenster klopfe leise an,
    Mein Schatz ist in der Ferne!


    Laß ab vom Druck und Kuß, Feinslieb,
    Du Schöner im Sammetkleide,
    Nun spute dich, du feiner Dieb,
    Ein Mann harrt auf der Heide.


    Der Mond scheint hell, der Rasen grün
    Ist gut zu unsrem Begegnen,
    Du trägst ein Schwert und nickst so kühn,
    Dein Liebschaft will ich segnen!


    Und als erschien der lichte Tag,
    Was fand er auf der Heide?
    Ein Toter in den Blumen lag
    Zu einer Falschen Leide.
    Karl Lemcke


  • Dichterliebe op. 48
    16 Lieder nach Texten von Heinrich Heine
    In diesem Zyklus wird eine Liebe beschrieben, die zunächst im wunderschönen Monat Mai sehr hoffnungsvoll beginnt und sich in den ersten sechs Liedern auch recht positiv entwickelt. Danach folgt aber Enttäuschung, Bitterkeit, Schmerz und Trauer.
    Wenn der Sänger im 7. Lied kundtut: »Ich grolle nicht«, dann nimmt man ihm den gesungenen Text nicht ab, denn der Groll ist kaum zu überhören.
    Es ist hier nicht der rechte Ort, diesen Zyklus im Detail zu beschreiben, das lässt sich anderswo in allen Facetten nachlesen. Im Rahmen dieses Threads soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass man Christian Elsner hier sehr gut kennenlernen kann, weil in diesen 16 Liedern sehr unterschiedliche Stimmungen darzustellen sind.


    1. Im wunderschönen Monat Mai
    2. Aus meinen Tränen sprießen
    3. Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne
    4. Wenn ich in deine Augen seh'
    5. Ich will meine Seele tauchen
    6. Im Rhein, im heiligen Strome
    7. Ich grolle nicht
    8. Und wüßten's die Blumen, die kleinen
    9. Das ist ein Flöten und Geigen
    10. Hör ich das Liedchen klingen
    11. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
    12. Am leuchtenden Sommermorgen
    13. Ich hab' im Traum geweinet
    14. Allnächtlich im Traume
    15. Aus alten Märchen
    16. Die alten, bösen Lieder


    Auch die Freunde des Pianisten Eugen Wangler kommen hier bei einem Nachspiel von fast zwei Minuten auf ihre Kosten - und es ist ja nicht nur das Nachspiel...

  • Zit.: "Im Rahmen dieses Threads soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass man Christian Elsner hier sehr gut kennenlernen kann, weil in diesen 16 Liedern sehr unterschiedliche Stimmungen darzustellen sind."


    Sehr schön! Und nun wüsste man natürlich gerne, - und zwar unter Bezugnahme auf das, was in jenem besagten "anderen Thread" über diese Lieder selbst schon ausgeführt wurde - wie dieser Christian Elsner diese "unterschiedlichen Stimmungen" (übrigens ein sehr verwaschener Begriff!) sängerisch zum Ausdruck bringt.
    Kommt diesbezüglich in diesem Thread noch etwas?
    Es würde mich freuen, weil man in diesem Zusammenhang vielleicht auch etwas Neues über diese Lieder selbst erführe, - über die Art ihrer sängerischen Interpretation nämlich.

  • Es würde mich freuen, weil man in diesem Zusammenhang vielleicht auch etwas Neues über diese Lieder selbst erführe, - über die Art ihrer sängerischen Interpretation nämlich.


    Natürlich muss da noch etwas kommen, schon deshalb, weil auf der abgebildeten CD zu sehen ist, dass da auch noch der »Liederkreis« drauf ist.


    1. In der Fremde
    2. Intermezzo
    3. Waldesgespräch
    4. Die Stille
    5. Mondnacht
    6. Schöne Fremde
    7. Auf einer Burg
    8. In der Fremde
    9. Wehmut
    10. Zwielicht
    11. Im Walde
    12. Frühlingsnacht


    Die Gedichte des Liederkreis haben keinen Handlungsfaden, sondern sind eher die Aneinanderreihung von Stimmungsbildern. Bei diesen Liedern werden häufig Nachtstimmungen besungen; so auch bei einem der wohl bekanntesten und schönsten Lieder Schumanns - der »Mondnacht«, die Menge der gesungenen Aufnahmen dieses Stückes ist Legende...


    Mondnacht
    Es war, als hätt’ der Himmel
    Die Erde still geküsst,
    Dass sie im Blütenschimmer
    Von ihm nun träumen müsst'.


    Die Luft ging durch die Felder,
    Die Ähren wogten sacht,
    Es rauschten leis’ die Wälder,
    So sternklar war die Nacht.


    Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel aus,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus.


    Der Vorwurf, dass eine Beschreibung wie »unterschiedliche Stimmungen« sehr verwaschen ist trifft ins Schwarze, aber ich bitte zu bedenken, dass manchmal unbeschreiblich schön gesungen wird...
    Also hole ich mir mal professionelle Hilfe bei Christian Ekowski.
    Ich habe eine Konzertkritik der FAZ vom 09.06.1999 vor mir liegen, die einen Liederabend von Elsner beschreibt (allerdings hier mit dem Pianisten Burkhard Kehring).
    Die Überschrift lautet:
    Intensive Beschäftigung mit den Texten
    Unter anderem heißt es hier zum Vortrag des »Liederkreis«:
    »Für die Wiedergabe der gefühlsstarken und oft auch schmerzvollen Stücke war Christian Elsner der ideale Interpret. Seine in allen Lagen perfekt ausgebaute Stimme bewältigte auf meisterhaft beherrschtem Atem mühelos die tiefer angelegten Lieder wie das den "Liederkreis" einleitende "Aus der Heimat hinter den Blitzen rot". Ebenso gelangen ihm das in heikle tenorale Höhen reichende Werk "Es war als hätt´ der Himmel"«


    Und zum Vortrag des op.48:


    »Gleichmäßig artikuliert blieb sein Gesang, auch wenn es um äußerst schwierige Intervallsprünge in der Höhenlage ging, bei denen manche Sänger sich in die Kopfstimme flüchten. Besonders vorbildlich führte Christian Elsner mit rundem, fülligen Ansatz die dunklen Töne des "Dämmrung will die Flügel spreizen" oder das mit erschütterndem Ausdruck vorgetragene Lied "Ich hab´ im Traum geweinet" aus.
    Elsner sang ebenmäßig und voluminös, auch wenn die textliche Gestaltung - zum Beispiel in "Ich grolle nicht" - ein kraftvolles Forte benötigte oder die Stimme stark zurückgenommen werden musste wie in "Ich kann wohl manchmal singen". Die tiefgründige, äußerst differenzierte Gestaltung eines jeden Liedes machte die intensive Beschäftigung des Interpreten mit den Textvorlagen deutlich. Die winzige und spannungsreiche Pause zwischen "was heut´müde gehet unter, hebt sich morgen" und "neugeboren" im "Zwielicht" offenbarte den markanten Unterschied zwischen dunklen Nachtgedanken und Tageshoffnung. Die differenzierte Darstellung der schwärmerisch voranfliehenden Lieder ("Überm Garten durch die Lüfte", "Die Rose, die Lilie), aber auch der dramatischen Lieder wie "Zwielicht" war jedoch niemals in der Gefahr, ins Theatralische hinüberzugleiten.«


    [color=#000000]Dieser Liederabend fand in Bensheim im Jahre 1999 statt, die oben eingestellte CD wurde bereits 1995 in Freiburg aufgenommen.


  • Gustav Mahler kennt man, Kurt Hessenberg nicht unbedingt. Lieder dieser beiden Komponisten werden hier unter dem Begriff »Gesellen- und Lumpenlieder« zusammengefasst. Von Mahler sind es 12 Stücke aus:


    »Sieben Lieder aus letzter Zeit«
    »Des Knaben Wunderhorn«
    »Lieder eines fahrenden Gesellen«
    »Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit«


    Der Tamboursg´sell
    Wenn mein Schatz Hochzeit macht
    Ging heut´ morgen übers Feld
    Ich hab ein glühend Messer

    Die zwei blauen Augen
    Frühlingsmorgen
    Lob des hohen Verstandes
    Ablösung im Sommer
    Der Antonius von Padua Fischpredigt
    Rheinlegendchen
    Serenade aus »Don Juan«
    Selbstgefühl


    Mahler hat insgesamt 46 Lieder geschaffen. In den letzten Jahren findet man diese Stücke wieder öfter in Konzertprogrammen und demnach natürlich auch als CD-Veröffentlichungen. Im frühen Schaffen Mahlers wurden Lieder für das Klavier komponiert; die späteren Lieder liegen dagegen sowohl für Klavier als auch als Orchesterversionen vor. Christian Elsner wird in dieser Aufnahme von 1997 von Charles Spencer begleitet.
    Mahler hatte ja die großen Dichternamen weniger berücksichtigt (Rückert mal ausgenommen) und sich an Volksliedern orientiert. Aus meiner lokalen Sicht ist das natürlich bei »Rheinlegendchen« besonders augenfällig, weil man das hier, genau zwischen Rhein und Neckar, schon als Kind gesungen hat und von Gustav Mahler keine Ahnung hatte...
    Wunderschön schlicht, aber stimmlich durchaus gekonnt, singt Elsner hier »Die zwei blauen Augen«, das verstehe ich unter kultiviertem Liedgesang!


    Eines der bekanntesten und wichtigsten Mahler-Lieder ist »Der Tamboursg´sell, das 1901 als letztes Wunderhornlied vertont wurde und von der Situation her in der Nähe des »Straßburgliedes« (nicht auf dieser CD) steht, in beiden Fällen handelt es sich um Deserteure, die ihrem irdischen Ende entgegensehen. Mahlers Textauswahl lässt das Soldatenleben oft negativ erscheinen, die Situation des Soldaten ist häufig trostlos.
    In dieser Ballade verabschiedet sich ein Soldat, der zu seiner Hinrichtung geht. Peter Revers bezeichnet dieses Gedicht als eine Art »innerer Monolog«


    Der Tamboursg´sell
    Ich armer Tamboursg’sell!
    Man führt mich aus dem G’wölb!
    Wär ich ein Tambour blieben,
    dürft’ ich nicht gefangen liegen!
    O Galgen, du hohes Haus,
    du siehst so furchtbar aus!
    Ich schau dich nicht mehr an!
    Weil i weiß, daß i g’hör d’ran!
    Wenn Soldaten vorbeimarschier’n,
    bei mir nit einquartier’n.
    Wenn sie fragen, wer i g’wesen bin:
    Tambour von der Leibkompanie!
    Gute Nacht! Ihr Marmelstein!
    Ihr Berg’ und Hügelein!
    Gute Nacht, ihr Offizier,
    Korporal und Musketier!
    Gute Nacht!
    Gute Nacht ihr Offizier!
    Korporal und Grenadier!
    Ich schrei’ mit heller Stimm:
    Von Euch ich Urlaub nimm!
    Gute Nacht!


    Mahler hat bei anderen Stücken militärische Signale weit spektakulärer eingesetzt als hier, dennoch sind sie nicht zu überhören. In der Klavierfassung wünscht Mahler ausdrücklich die Nachahmung einer Militärtrommel. Die Klavierfassung dürfte beim »Tamboursg´sell« zeitnah zur Orchesterfassung entstanden sein.
    In einer Rezension eines Liederabends Elsners mit diesem Stück ist zu lesen, dass die Deutung mit Klaviervortrag noch intimer gewesen sei als eine zuvor gehörte Interpretation mit Orchester.

  • Zit: "Der Vorwurf, dass eine Beschreibung wie »unterschiedliche Stimmungen« sehr verwaschen ist trifft ins Schwarze,..."

    Das war nicht als "Vorwurf" gemeint, sondern als den sprachlichen Ausdruck charakterisierende Feststellung. Aber ich hätte sie besser unterlassen, denn ich sehe, dass sie falsch angekommen ist.
    Das tut mir leid!
    Aber der Thread ist interessant für jemanden wie ich, - also einen, der sich mit Sängern und Sängerinnen nicht so auskennt und nur wenige davon in seiner Sammlung hat. Christian Elsner kenne ich nur von der Kreutzer-CD her. Die Schumann-CD werde ich mir demnächst zulegen und mal gründlich reinhören. Bin neugierig geworden.


  • Christian Elsner (* 11. August 1965 in Freiburg im Breisgau), deutscher Sänger in der Stimmlage Tenor und seit 2006 Hochschullehrer an der Hochschule für Musik Würzburg.

    (Quelle: facebook)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Besten Dank für diesen Service, lieber Harald - nun können sich Mitleser den Tenor Christian Elsner optisch vorstellen, das sollte in einem solchen Thread schon möglich sein.

  • Meine Formulierung im Beitrag Nr. 16 » Gustav Mahler kennt man, Kurt Hessenberg nicht unbedingt« war keineswegs despektierlich gemeint, sondern beschreibt lediglich die Situation auf dem aktuellen Musikmarkt.

    Kurt Hessenberg gehört zu den wichtigsten Vertretern der evangelischen Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Am berühmten Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt/M. erhielt er bereits als Neunjähriger Klavierunterricht, und studierte dann von 1927-1933 am Landeskonservatorium in Leipzig Klavier und Komposition. 1933 wurde er an das Hoch´sche Konservatorium als Theorielehrer berufen. Wie auch andere Künstler, die in dieser Zeit herausragten, stand er auf der sogenannten »Gottbegnadeten-Liste« der damaligen Machthaber, was eine lebenserhaltende Maßnahme sein konnte.
    Ab 1953 unterrichtet Hessenberg Komposition an der Frankfurter Musikhochschule und übte diese Tätigkeit bis zum Jahre 1973 aus.
    Hessenberg wurde 1951 mit dem Robert-Schumann-Preis der Stadt Düsseldorf ausgezeichnet und erhielt 1973 die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main, 1979 die Goethe-Plakette des Landes Hessen


    Auf dieser CD mit dem Untertitel »Gesellen- und Lumpenlieder« singt nun Christian Elsner nach den Mahler-Liedern die »Lieder eines Lumpen« op. 51 nach Worten von Wilhelm Busch die 1950 von Kurt Hessenberg vertont wurden.
    Es sei hier ein Zitat des Komponisten eingefügt:
    »Zwar überkommen mich gelegentlich Zweifel, ob heutiges Komponieren überhaupt noch sinnvoll ist. Aber die Freude am eigenen Erfinden hat sich bisher immer noch stärker erwiesen als alle Bedenken. Wenn die Musik die ich schreibe, auch nach einem gewissen zeitlichen Abstand mir selbst gefällt und darüber hinaus einigen Menschen, deren Urteil mir wichtig ist, etwas zu sagen hat, bin ich durchaus zufrieden. «


    2008 feierte man den 100. Geburtstag des Komponisten. Im Rahmen einer Ausstellungseröffnung spielte Hessenbergs Tochter Cornelia vier Stücke ihres Vaters am Klavier. Mit dessen Musik hat sie sich intensiv beschäftigt: "Er hat sich ein bisschen an Johann Sebastian Bach orientiert, war aber generell sehr unabhängig vom Musikstil der anderen Komponisten"


    Als die beiden Künstler diese Stücke (wie auf der CD) im Stadttheater Darmstadt aufführten, las sich das in der FAZ so:
    »Die "Lieder eines Lumpen" nach Texten von Wilhelm Busch opus 51 von Kurt Hessenberg (1908-1994) sind ebenfalls nur maßvoll komisch, ja geben sich in naiv-spätromantischen Stil mit moderatem Hindemith-Einschlag eher bieder. Mit schulmeisterlichem Ernst verdoppelte der Frankfurter Musikhochschulprofessor gewissermaßen Wilhelm Buschs Kalauer. Elsner gelang es mit Beihilfe des ausgezeichneten Spencer, manche Pointen zu retten.«

    Als kleine Textprobe jeweils das erste und letzte Lied aus diesem Zyklus:


    Als ich ein kleiner Bube war
    Als ich ein kleiner Bube war,
    War ich ein kleiner Lump;
    Zigarren raucht' ich heimlich schon,
    Trank auch schon Bier auf Pump.


    Zur Hose hing das Hemd heraus,
    Die Stiefel lief ich krumm,
    Und statt zur Schule hinzugeh'n,
    Strich ich im Wald herum.


    Wie hab' ich's doch seit jener Zeit
    So herrlich weit gebracht! –
    Die Zeit hat aus dem kleinen Lump
    'n großen Lump gemacht.


    Den ganzen noblen Plunder
    Den ganzen noblen Plunder soll,
    Den soll der Teufel holen!
    Ein Leutnant von der Garde hat
    Mein Liebchen mir gestohlen.


    Du neuer Hut, du neuer Frack,
    Ihr müsst ins Pfandhaus wandern.
    Ich selber sitz‘ im Wirtshaus nun
    Von einem Tag zum andern.


    Ich sitz‘ und trinke aus Verdruss
    Und ärger manchen Humpen.
    Die Lieb, die mich solid gemacht,
    Die macht mich nun zum Lumpen.


    Und wem das Lied gefallen hat,
    Der lasse sich nicht lumpen;
    Der mög dem Lumpen, der es sang,
    Zum Dank - ‘n Gulden pumpen.


    Anmerkung: Weitere Informationen zum Komponisten findet man im Thread »Der Musiker Gräber« / Beitrag 159

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose

  • Auf dieser CD - die 1996 entstanden ist - hören wir zwei Interpretinnen und Christian Elsner, um den es hier in diesem Thread geht. Die meisten Kompositionen (14) stammen von Alma Mahler-Werfel, fünf Lieder sind von Alexander Zemlinsky komponiert.
    Die noch unverheiratete Alma Maria Schindler (1879-1964) ist es vom Elternhaus her gewohnt, dass hier allerlei mehr oder weniger bekannte Künstler verkehren. Sie ist ein umworbenes Mädchen der Wiener Künstlersalons. Es ist allgemein bekannt, dass sie gut Klavier spielt und auch komponiert, vorzugsweise Lieder, weil es ihr möglich ist, literarische Interessen mit ihrem pianistischen Können zu kombinieren. Bei gesellschaftlichen Anlässen stellt sie dann schon mal ihre musikalischen Einfälle vor.
    Sie nimmt bei dem damals sehr bekannten Organisten Josef Labor Unterricht und möchte eine anerkannte Künstlerin werden, ja sogar eine »wirklich gute Oper componieren«, wie sie ihrem Tagebuch anvertraut.
    Als sie Alexander Zemlinsky kennen lernt, gerät die Verbindung zu Labor ins Abseits. Ab Herbst 1900 wird sie von Zemlinsky unterrichtet, der ihre künstlerische Produktion wesentlich kritischer beurteilt. als dies Labor tat; aber während der Unterrichtsstunden wurde auch geküsst und sie wollte ihn heiraten, aber das ist wieder eine andere Geschichte...


    Dies nur als Kurzerklärung zu den beiden Komponisten respektive Komponistin, dieser auf der CD vertretenen Lieder. Christian Elsner singt in diesem Programm fünf Lieder von Alma Mahler-Werfel:


    Ich wandle unter Blumen / Heinrich Heine (1:13)
    Ansturm / Richard Dehmel (1:48)
    Ekstase / Otto Julius Bierbaum (3:04)
    Der Erkennende / Franz Werfel (3:25)
    Lobgesang / Richard Dehmel (3:44)


    und zwei Lieder von Alexander Zemlinsky:


    Entbietung / Richard Dehmel (1:53)
    Irmelin Rose / Jens Peter Jacobsen (3:08)


    Christian Elsner singt hier relativ unbekannte Lieder, es soll eine kleine Erläuterung versucht werden - zunächst zu »Ich wandle unter Blumen«:


    Ich wandle unter Blumen
    Ich wandle unter Blumen
    Und blühe selber mit,
    Ich wandle wie im Traume
    Und schwanke bei jedem Schritt.

    O halt mich fest, Geliebte!
    Vor Liebestrunkenheit
    Fall' ich dir sonst zu Füßen
    Und der Garten ist voller Leut!


    Klavier und Singstimme setzen gemeinsam ein. Der Sänger beginnt verträumt und mit verhaltener Stimme und die Klavierbegleitung hält sich dezent im Hintergrund. Die Worte »O halt mich fest« werden dann mit forcierter Stimme fast gesprochen - »und der Garten ist voller Leut!« geht wieder in ein Flüstern über, dann beendet das Klavier in einer Art Windspielton rasch das kurze Liedchen.


    Zemlinskys Lieder op. 7 erschienen im Herbst 1901 mit der Widmung an Alma Maria Schindler. In Almas Tagebuch ist - bezogen auf einen Abend im Tonkünstlerverein, wo Zemlinsky spielt - zu lesen: » Er begleitete das eine Lied, Irmelin Rose, was mir gehört, ließ er 2 mal singen«


    Wenige Klavierspieltakte, dann beginnt auch die Singstimme mit der dezenten Erzählung; es ist ein insgesamt ruhig, ja schwärmerisch gehaltenes Liedchen. Erst als die freier scharenweise ihren Aufgalopp haben, wird das Klavier, dem Anlass entsprechend, etwas lebhafter und der Sänger passt sich entsprechend an, danach wird die Geschichte unspektakulär zu Ende erzählt.


    Irmelin Rose
    Seht, es war einmal ein König.
    Dem die Schätze reich gedieh´n.
    Und der beste, der ihm eigen.
    Hieß mit Namen Irmelin.
    Irmelin Rose,
    Irmelin Sonne,
    Irmelin alles, was schön war.


    Schier von jedem Ritterhelme
    Wehte ihrer Farben Schein,
    Und mit jedem Reim der Sprache
    Klang ihr Name überein:
    Irmelin Rose,
    Irmelin Sonne,
    Irmelin alles, was schön war.


    Freier kamen scharenweise
    Hergezogen zum Palast,
    Und mit zärtlichen Gebärden
    Klang ihr Schmeicheln ohne Rast:
    Irmelin Rose,
    Irmelin Sonne,
    Irmelin alles, was schön ist.


    Doch Prinzessin Stahlherz jagte
    All die Freier schnippisch fort,
    Fand an jedem was zu tadeln,
    Hier die Haltung, da das Wort
    Irmelin Rose,
    Irmelin Sonne
    Irmelin alles, was schön ist.


  • Im Juni1998 hat Christian Elsner diese 20 Lieder und Balladen im Sendesaal des Funkhauses Köln mit Cord Garben aufgenommen. Um den 200. Geburtstag von Carl Loewe herum war ein Anlass, sich des Komponisten zu erinnern, der uns mehr als 600 Lieder und Balladen hinterlassen hat.
    Es versteht sich bei der Menge dieser Produktion wohl von selbst, dass sich hier nicht nur erstrangige Kunstprodukte aneinanderreihen; da ist auch einiges an »Gebrauchsmusik« dabei, weil in dieser Zeit noch in der Breite der Gesellschaft musiziert und gesungen wurde, wie das heute kaum noch vorstellbar ist.


    Hier sind die auf dieser CD gesungenen Stücke:


    Treuröschen - Es war ein Jäger wohl keck und kühn (Theodor Körner)
    An die Geliebte - Wie der Tag mir schleicht (Friedrich Wilhelm Gotter)
    Das nussbraune Mädchen - Es kam zu ihr, leis an die Thür (Herder)
    Assad mit dem Salem - Geht nun, ihr Blüthen, meiner Fürstin Freude (Heinrich Stieglitz)
    Der Drachenfels - Sag an, was hinauf zur Drachenkluft (Arthur Lutze)
    Der Zauberlehrling - Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben (Johann Wolfgang von Goethe)
    Vogelgesang - Wir lustigen Bürger in grüner Stadt (Ludwig Tieck)
    Der Fernen - So viel Blumen allwärts blühen (von Gerstenberg)
    Lebewohl - Lebe wohl wenn je ein brünstig Flehen (Therese von Jacob)
    Minnelied - Der Holdseligen sonder Wank (Johann Heinrich Voss)
    Die Zufriedenen - Ich sass bei jener Linde (Ludwig Uhland)
    An die fleissige Spinnerin - Kleine Spinnerin hinter deinem Rädchen (Johann Chr. Krauseneck)
    Sie geht in Schönheit - Sie geht in Schönheit und entzücket (Friedrich Thermin)
    Liebesgedanken - Je höher die Glocke, je heller der Klang (Wilhelm Müller)
    Wenn du wärst mein eigen - Wenn du wärst mein eigen (L. Th. Kosegarten)
    Gute Nacht! - Sonst konnt´ ich dein nicht denken (unbekannter Autor)
    Nebo - Auf Jordan´s grünen Borden (Ferdinand Freiligrath)
    Jordan´s Ufer - Auf Jordan´s Ufer streifen wilde Horden (Friedrich Thermin)
    Der Apotheker als Nebenbuhler - ´s ist wahr, mit blanken Scheiben (Otto Friedrich Gruppe)
    Der Liebesscheue - Mag Thoren hienieden die Fesseln aus Gold (unbekannter Autor)


    Ich lehn mich mal etwas weit aus dem Fenster und behaupte, dass diese hier angebotenen Lieder so gut wie unbekannt sind. Eine Ausnahme muss man bei dieser Aussage wohl machen - das ist Goethes »Der Zauberlehrling«. Gerade hier hätte ich mir gewünscht, dass Elsner das so brillant gestaltet, wie er das bei Uhlands fluchendem Sänger tut (siehe Eingangsbeitrag zu diesem Thread). Nur Fischer-Dieskau hatte wohl die Gabe, die Dramatik des Geschehens so zum Ausdruck zu bringen, dass der Hörer mit fiebert, was passiert...


    Ansonsten sind hier auf dieser CD durchaus schön gesungene Passagen zu finden, die Lieder »Gute Nacht!« und »Lebewohl« seien als Beispiele genannt. Bei Freiligraths »Nebo« ist die Länge des Stückes (10:11) hervorzuheben, eine Legende, die den Tod Moses am Berg Nebo zum Thema hat.


    In der buntgemischten Autorenliste fällt der Name Wilhelm Müller ins Auge. »Liebesgedanken«, heißt das Stück, und dem Schubert-Kenner fällt sogleich die Ähnlichkeit mit Müllers Berghirt auf, Erinnerungen an »Der Hirt auf dem Felsen« werden wach...


    Liebesgedanken
    Je höher die Glocke,
    je heller der Klang:
    je ferner das Mädchen
    je lieber der Gang.


    Der Frühling will kommen,
    o Frühling, meine Freud
    nun mach ich meine Schuhe
    zum Wandern bereit.


    Wohlauf durch die Wälder,
    wo die Nachtigall singt,
    wohlauf durch die Berge,
    wo's Hifthorn erklingt !


    Zwei schneeweisse Täubchen
    die fliegen voraus
    und setzen sich schnäbelnd
    auf der Hirtin ihr Haus.


    Ei bist du schon munter
    und bist schon so blank ?
    Gott grüss dich, schön's Dirnchen !
    Ach der Winter war lang !


    Zwei Augen wie Kirschkern,
    die Zähne schneeweiss,
    die Wangen wie Röslein
    betracht ich mit Fleiss.


    Ein Mieder von Scharlach,
    ganz funkelnagelneu,
    und unter dem Mieder
    ein Herzchen so treu !


    Und ihr Lippen, ihr Lippen,
    wie preis' ich denn euch ?
    So wie ich will sprechen,
    so küsst ihr mich gleich !


    Ei Winter, ei Winter
    bist immer noch hier ?
    So darf ich doch wandern
    in Gedanken zu ihr.


    Auf Siebenmeilenstiefeln
    geht's flink von der Stell;
    auf Liebesgedanken
    geht's siebenmal so schnell.

    Wilhelm Müller

  • Deutschlandradio Kultur, Berlin, 06.04.2014, 20:03 Uhr


    Aus der Philharmonie Berlin
    Aufzeichnung vom 05.04.2014


    Johannes Brahms
    Ungarische Tänze für Orchester


    Johannes Brahms/Detlef Glanert
    "Vier ernste Gesänge", bearbeitet für Mezzosopran und Orchester


    ca. 20:40 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
    Forum neuer Musik 2014 – Die jungen Wilden
    Festivalnachlese von Leonie Reineke


    Gustav Mahler
    "Das Lied von der Erde"


    Sinfonie für Tenor, Mezzosopran und Orchester
    Ann Hallenberg, Mezzosopran
    Christian Elsner, Tenor
    Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
    Leitung: Kent Nagano


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Besten Dank, lieber Harald, für Deinen Tipp!
    Ich "muss" aber erst noch zu einem Liederabend nach Heidelberg - Maximilian Schmitt & Gerold Huber 17:00 Uhr


  • Harald Krals letzter Beitrag hat die Anregung dazu gegeben zwei Elsner-CDs mit »Das Lied von der Erde« hier einzustellen, die im Abstand von 16 Jahren entstanden sind - zunächst einmal die ältere Aufnahme mit dem jüngeren Tenor.


    Laut Eingangsbeitrag sollte in diesem Thread der Lieder- und Balladensänger Christian Elsner vorgestellt werden. Mit diesen beiden Aufnahmen, die im Folgenden gezeigt werden, haben wir es mit einem Sonderfall zu tun, weil die Frage auftaucht:
    Handelt es sich hier um einen Liederzyklus oder doch um eine Sinfonie?


    Es wird darauf hingewiesen, dass Mahler diesen sechsteiligen Liederzyklus nur im Untertitel auf dem Manuskript als "Symphonie für eine Alt- und eine Tenorstimme und großes Orchester" bezeichnet hat - apropos Altstimme: Dietrich Fischer-Dieskau erklärt, dass dieses Stück zunächst für Tenor und Bariton entworfen war und erst auf Anraten der Sängerin Anna Bahr-Mildenburg (1872-1947) aus Kontrastgründen zum Mezzosopran gewandelt wurde.


    Noch nie wurde »Das Lied von der Erde« von einem Orchesterleiter aufgeführt, der so viel von Gesang versteht, wie das hier der Fall ist. Umso beachtlicher, dass der junge Christian Elsner ausgewählt wurde, er war zum Zeitpunkt der Aufnahme 30 Jahre alt. Auch wenn die Hauptlast des Gesangsparts bei der Altistin liegt, ist vom Tenor stimmlich einiges zu leisten. Fischer-Dieskau äußerte sich dazu so:
    »Beträchtlich sind die Schwierigkeiten, die Mahler für die Sänger bereithält: die breite Tessitura verlangt dem Tenor zweifaches Timbre ab, das des Heldentenors und das sublimer Lyrik; schnelle Textpassagen in tiefer Lage werden von kompakter Orchesterbegleitung verdeckt.«


    Diese Aufnahme entstand am 22. Juni 1996, anlässlich der Schubertiade in Feldkirch mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart.
    Beim Hören bemerkt man das Publikum kaum - praktisch erst beim einsetzenden Schlussapplaus, der natürlich auch der hervorragenden Yvi Jänicke gilt.


    Die Liedfolge:
    1. Das Trinklied vom Jammer der Erde (8:31) / Elsner
    2. Der einsame Herbst (9:53) / Jänicke
    3. Von der Jugend (3:15) / Elsner
    4. Von der Schönheit (7:24) / Jänicke
    5. Der Trunkene im Frühling (4:41) / Elsner
    6. Abschied / (30:00) / Jänicke


  • Hier haben wir nun eine weitere Aufnahme von »Das Lied von der Erde« mit Christian Elsner, die im November 2012 mit dem Tonhalle Orchestra Zürich unter David Zinman entstand.
    Man hört die um sechzehn Jahre älter und erfahrener gewordene Stimme Elsners, einen Heldentenor, der jedoch durchaus auch zu lyrischen Passagen fähig ist.
    Insbesondere beim Eingangslied muss Elsner schon teilweise im Stile eines Opernsängers agieren, wobei es dann beim dritten Stück ruhiger zugeht.
    Wenn sich Elsner mit »Der Trunkene im Frühling« aus dem Zyklus verabschiedet, liegen, dem Text entsprechend, dezente Passagen neben expressiver Darstellung mit lautem Ende. Umso wirkungsvoller dann der lange Abschied, der hier von Susan Graham schön gestaltet wird.


    1. Das Trinklied vom Jammer der Erde (8:38) / Elsner
    2. Der einsame Herbst (9:58) / Graham
    3. Von der Jugend (3:06) / Elsner
    4. Von der Schönheit (7:13) / Graham
    5. Der Trunkene im Frühling (4:12) / Elsner
    6. Abschied / (29:48) / Graham


    In einem Interview hat man dem Dirigenten die Frage gestellt: Betrachten Sie das Werk eher als Liedzyklus oder als Sinfonie?
    David Zimans Antwort:
    »Weder noch. Es handelt sich hier um eine ganz einmalige Mischung oder Verbindung dieser beiden Gattungen. Sicher ist es kein Liederzyklus, aber auch keine eigentliche Sinfonie; sicher ist es keine Opernmusik, auch keine Kantate. Allenfalls kann man von einer sinfonischen Technik sprechen, weil die sechs Sätze motivisch untereinander verbunden sind...
    Ich weiß nicht, ob ich ein Werk nennen könnte, das für mich so wichtig ist wie das Lied von der Erde. Wäre das Werk nicht geschrieben worden, die Welt wäre um vieles ärmer. Mehr kann ich in Worten nicht sagen.«


  • Auf dieser CD haben sich vier exzellente Stimmen versammelt, die von Gerold Huber am Klavier begleitet werden. Hier lebt die Liedertafel-Kultur wieder auf, eine Kunstgattung, die erstmals 1809 in Berlin in Erscheinung trat.
    Ein umtriebiger Maurer, dessen eigentliche Stärken auf musikalischem Gebiet lagen, nämlich Carl Friedrich Zelter, ein Freund Goethes, war der Spiritus Rector dieser ersten Liedertafel. Zelter war Professor geworden und gründete den ersten Männerchor in Deutschland.
    Ursprünglich genügte es bei solchen Vereinigungen nicht, dass man nur eine gute Stimme mitbrachte, sondern es waren auch eigene musikalische und dichterische Schöpfungen gefragt.


    In dieser Aufnahme, die am 27. Juli 2002 auf Schloss Johannisberg entstand, haben wir hochrangige Solisten, die inzwischen auf erstrangigen Opernbühnen ihren Mann gestanden haben. Es ist ein pures Vergnügen ihnen zuzuhören. Erstrangig sind auch die Komponisten, von denen Franz Schubert mit 13 Stücken am meisten vertreten ist, wobei hinter »Abendfrieden« ein Fragezeichen angebracht ist, weil man es Schubert nur zuschreibt, sich dessen aber wohl nicht ganz sicher ist. Franz Schubert hatte mit solchen Vokalensembles einigen Erfolg in der Öffentlichkeit und man bekommt in etwa eine Vorstellung davon, wie die »Schubertiaden« im Freundeskreis gestaltet wurden.
    Neben Mendelssohn und Schumann ist auf dieser CD auch Friedrich Silcher mit fünf Liedern vertreten, es wäre ja auch schlimm, wenn die »Loreley« in diesem volkstümlichen Konzert fehlen würde. Zu dem Lied »Untreue« sollte man noch anmerken, dass auf dem Notenblatt steht: »Melodie Friedrich Glück / Satz Friedrich Silcher.


    Auf dieser CD werden die folgenden Stücke in dieser Reihenfolge gesungen:


    Franz Schubert
    Die Nachtigall D 724 / Johann Karl Unger
    Der Entfernten D 331 / Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Sewis
    Widerspruch D 865 / Johann Gabriel Seidl


    Felix Mendelssohn
    Wasserfahrt: Am fernen Horizonte op. 50/4 / Heinrich Heine
    Sommerlied op. 50/3 Heinrich Heine
    Abendständchen op. 75 Joseph von Eichendorff


    Franz Schubert
    Trinklied D 148 / Ignaz Franz Castelli
    Edit Nonna, edit clerus D 847 / Franz Graeffer
    Trinklied D 75 / Friedrich Schäffer


    Robert Schumann
    Der träumende See op. 33/1 / Julius Mosen
    Die Minnesänger op. 33/2 / Heinrich Heine
    Die Lotosblume op. 33/3 / Heinrich Heine


    Franz Schubert
    Im Gegenwärtigen Vergangenes D 710 / Johann Wolfgang von Goethe
    Grab und Mond D 893 / Johann Gabriel Seidl


    Philipp Friedrich Silcher
    Loreley / Heinrich Heine
    Frisch gesungen / Adelbert von Chamisso
    Entschuldigung / Ludwig Bowitsch
    Der lustigen Doktoren Leibliedlein / Unbekannt
    Untreue / Joseph von Eichendorff


    Franz Schubert
    Der Gondelfahrer D 809 / Johann Baptist Mayrhofer
    Die Nacht D 983c / Friedrich Wilhelm Krummacher
    Abendfrieden (Schubert zugeschrieben) / Jochen Gärtner
    La pastorella al prato D 513 / Carlo Goldoni
    Zur guten Nacht D 903 / Johann Friedrich Rochlitz


    Der Musikkritiker Professor Clemens Höslinger stuft diese CD folgendermaßen ein:
    »Die Herren Elsner, Taylor, Selig und Volle sowie der vorzügliche Klavierbegleiter Gerold Huber bringen die Gesänge in feiner Abstimmung, hochmusikalisch, bald beschwingt und bald verinnerlicht zu Gehör. Ein musikalisches Pläsier der feinsten Art.«


    Diesem Vorredner schließe ich mich vollinhaltlich an und bemerke dazu, dass nach meinem Kenntnisstand dieses Quartett nicht nur auf dieser CD zu hören ist, sondern immer noch Konzerte dieser Art gibt, wobei die Stelle von James Taylor inzwischen von Markus Schäfer eingenommen wird.


  • Elsner ist auf dieser Naxos-CD nur drei Mal zu hören, nämlich in den Stücken:


    Szene aus Goethes Faust D 126 - Hier singt Elsner den Großteil des Textes (5:35)
    An Mignon op. 19 Nr. 2 D 161 - Hier singt Elsner das Lied alleine (2:59)
    Gesang aus Wilhelm Meister D 877 - Mignon und der Harfner (2:54) Duett mit Ruth Ziesak


    Diese CD ist in der Naxos-Gesamtausgabe »Deutsche Schubert-Lied-Edition« die Nr. 5
    Nur nebenbei sei bemerkt, dass auf dieser CD das Mignon-Lied »Nur wer die Sehnsucht kennt« in sechs Versionen von Ruth Ziesak gesungen wird.
    Was Elsners Part auf dieser CD angeht, ist wohl das 7. Stück - D 126 - das Wichtigste. Das Notenblatt ist Eingangs mit »Sehr langsam« überschrieben und der Text lautet so:


    Böser Geist: Wie anders, Gretchen, war dir’s,
    Als du noch voll Unschuld
    Hier zum Altar trat’st,
    Aus dem vergriffenen Büchelchen
    Gebete lalltest,
    Halb Kinderspiele,
    Halb Gott im Herzen!
    Gretchen! Wo steht dein Kopf?
    In deinem Herzen, welche Missethat?
    Bet’st du für deiner Mutter Seele,
    Die durch dich zur langen,
    Langen Pein hinüberschlief?
    Auf deiner Schwelle wessen Blut?
    – Und unter deinem Herzen
    Regt sich’s nicht quillend schon,
    Und ängstigt dich und sich
    Mit ahnungsvoller Gegenwart?
    Gretchen: Weh! Weh!
    Wär’ ich der Gedanken los,
    Die mir herüber und hinüber gehen
    Wider mich!
    Chor: Dies irae, dies illa,
    Solvet saeclum in favilla.
    Böser Geist: Grimm fasst dich!
    Die Posaune tönt!
    Die Gräber beben!
    Und dein Herz, aus Aschenruh
    Zu Flammenqualen wieder aufgeschaffen,
    Bebt auf!
    Gretchen: Wär’ ich hier weg!
    Mir ist als ob die Orgel mir
    Den Athem versetzte,
    Gesang mein Herz
    Im Tiefsten lös’te.
    Chor : Judex ergo cum sedebit,
    Quidquid latet adparebit:
    Nil inultum remanebit.
    Gretchen: Mir wird so eng!
    Die Mauern-Pfeiler befangen mich!
    Das Gewölbe drängt mich! – Luft!
    Böser Geist: Verbirg dich! Sünd’ und Schande
    Bleibt nicht verborgen.
    Luft? Licht? Wehe dir!
    Chor: Quid sum miser tunc dicturus?
    Quem patronum rogaturus?
    Cum vix justus sit securus.
    Böser Geist: Ihr Antlitz wenden
    Verklärte von dir ab.
    Die Hände dir zu reichen,
    Schauert’s den Reinen.
    Weh!
    Chor: Quid sum miser tunc dicturus?
    Quem patronum rogaturus?


    Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)


  • Im Beitrag Nr. 12 wurde auf die vier Brahms-Lieder: »Ich schell mein Horn » / »Das Lied vom Herrn von Falkenstein« / »Versunken« und »Verrat« hingewiesen, die von Elsner auf dieser CD gesungen werden.
    Wer von Elsner mehr Brahms hören möchte, kann in dieser CD-Box fündig werden, die 13 Einzel-CDs enthält. Neben Christian Elsner sind noch ein Dutzend andere Vokalisten tätig, nämlich:
    Antonia Bourve / Ingeborg Danz / Franziska Gottwald / Stefanie Iranyi / Robert Morvai / Michael Nagy / Simone Nold / Lenneke Ruiten / Daniel Saus / Letizia Scherrer / Rebekka Stohr und Michael Volle.
    Christian Elsner ist in dieser Box insgesamt 17 Mal zu hören und zwar auf den CDs VOL. 01 und VOL. 02.
    Ein Booklet steht hier nicht zur Verfügung, diese Funktion wurde einer CD anvertraut, und zwar in den Sprachen: Englisch, Spanisch und Französisch - und alle Liedtexte in Deutsch.


    Schon wenn man die Liederlisten der beiden CDs kurz überfliegt, bemerkt man, dass es auf der ersten Scheibe weit ernster zugeht als auf der zweiten Platte, wo alles viel netter, heller und volksliedhafter klingt. Auf der Eingangs-CD ist Elsner in 22 Stücken zu hören; auf der Platte Vol. 02 dann auch mit der lyrischen Sopranistin Simone Nold.
    Elsner singt auf "seiner" CD überwiegend die ganz bekannten Brahms-Lieder wie zum Beispiel »Auf dem Kirchhofe« oder Heines »Der Tod, das ist die kühle Nacht«. Das nachdenkliche »Heimweh II« und das schöne, stille »Feldeinsamkeit« - um nur auf wenige aufmerksam zu machen, was sollte man da auch hervorheben? Mit dem kurzen (1:47) und leichten »Sonntag« von Ludwig Uhland beschließt Christian Elsner seinen Solovortrag.


    Elsner/Brahms CD VOL. 01
    Christian Elsner - Tenor
    Burkhard Kehring - Piano
    Aufnahmedatum: Januar 2007


    Von ewiger Liebe (Wenzig)
    Alte Liebe (Candidus)
    Heimweh II (Groth)
    Über die Heide (Storm)
    Der Tod, das ist die kühle Nacht (Heine)
    Verzagen (Lemcke)
    O kühler Wald (Brentano)
    Du sprichst, daß ich mich täuschte
    Auf dem Kirchhofe (Liliencron)
    Die Mainacht (Hölty)
    Wie Melodien zieht es mir (Groth)
    Feldeinsamkeit (Almers)
    Komm bald
    Sonntag (Uhland)


    Zigeunerlieder Op. 103
    He, Zigeuner
    Hochgetürmte Rimaflut
    Wisst ihr, warum mein Kindchen
    Lieber Gott, du weißt
    Brauner Bursche
    Röslein dreie in der Reihe
    Kommt dir manchmal in den Sinn
    Rote Abendwolken zieh´n


    Anmerkung: Zu VOL. 02 wird etwas später auch noch etwas gesagt.

  • »Schon wenn man die Liederlisten der beiden CDs kurz überfliegt, bemerkt man, dass es auf der ersten Scheibe weit ernster zugeht als auf der zweiten Platte, wo alles viel netter, heller und volksliedhafter klingt.«
    Wie leicht zu erkennen ist, zitiere ich eigene Formulierungen aus dem vorigen Beitrag. Auch wenn ich die Platte zwischenzeitlich nochmal gehört habe, muss ich meinen Text nicht korrigieren; es sind schöne, volksliedhafte Gesänge - in der Aufnahmeliste wurde kenntlich gemacht, welche Texte im Duett gesungen werden und wo Sopran und Tenor als Solisten agieren.
    Es ist kaum möglich auf alle diese Lieder einzugehen, aber zu diesem Text sollte man etwas sagen, auch weil er in dieser Box nochmals unter dem Titel »Trennung« (CD VOL. 10), von der Mezzosopranistin Lenneke Ruiten in anderer Version angeboten wird.
    Dieses alte schwäbische Volkslied habe ich von vielen Interpreten, aber stets wird es als Sololied gesungen - nun wechseln sich in dieser Aufnahme Sopran und Tenor ab.


    Es wurde ja schon viel darüber geschrieben, mit welcher Begeisterung Brahms sich dem Volkslied, dem Volkston widmete, aber bei diesem Lied ist darauf hinzuweisen, dass Brahms eigentlich bei der Vertonung - er tat dies gleich drei Mal - etwas vom "Volksbrauch" abgewichen ist, indem er es eigentlich ernster komponierte als es Volkes Brauch war, es zu singen; die Schwaben sangen diesen Text eigentlich eher mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen, wie man in einer Musiksendung des Stuttgarter Senders (SWR) erfahren konnte - und die müssen das natürlich ganz genau wissen! Brahms hat also so gesehen eine "unzulässige" Ernsthaftigkeit eingebracht.


    Er:


    Da unten im Tale
    Läuft's Wasser so trüb,
    Und i kann dir's net sagen,
    I hab' di so lieb.


    Sie:


    Sprichst allweil von Liebe,
    Sprichst allweil von Treu',
    Und a bissele Falschheit
    Is auch wohl dabei.


    Er:


    Und wenn i dir's zehnmal sag,
    Daß i di lieb und mag,
    Und du willst nit verstehn,
    Muß i halt weitergehn.


    Sie:


    Für die Zeit, wo du gliebt mi hast,
    Da dank i dir schön,
    Und i wünsch, daß dir's anderswo
    Besser mag gehn.


    CD VOL. 02
    Vergebliches Ständchen (Nold, Elsner)
    Des Abends kann ich nicht schlafen gehn (Nold, Elsner)
    Erlaube mir, feins Mädchen (Elsner)
    Dort in den Weiden steht ein Haus (Nold)
    Ich weiß mir´n Maidlein (Elsner)
    Feinsliebchen (Nold, Elsner)
    Mein Mädel hat einen Rosenmund (Elsner)
    Jungfräulein, soll ich mit euch gehn (Nold, Elsner)
    All mein Gedanken (Nold)
    Wach auf meins Herzensschöne ((Elsner)
    Wie komm ich denn zur Tür herein (Nold, Elsner)
    So wünsch ich ihr ein gute Nacht (Nold, Elsner)
    Soll sich der Mond nicht heller scheinen (Nold, Elsner)
    Die Sonne scheint nicht mehr (Nold)
    Schwesterlein (Nold, Elsner)
    Der Gang zum Liebchen - Volksweise (Elsner)
    Es steht ein Lind (Nold)
    Da unten im Tale (Nold, Elsner)
    Es ging ein Maidlein zarte (Nold)
    Vom verwundeten Knaben (Nold, Elsner)
    Ach, Gott, wie weh tut Scheiden (Nold, Elsner)
    In stiller Nacht (Elsner)

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