Im Regietheaterthread tauchte als Beispiel in letzter Zeit wiederholt Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal auf, da hier in den letzten Jahren sehr unterschiedliche und kontroverse Inszenierungsansätze (Herheim, Bieito etc.) zu sehen waren. Unmittelbar verknüpft damit war auch die Frage, was Parsifal eigentlich darstellt, spezifisch was von der Textvorlage zu halten sei. Davon direkt abhängig ist natürlich auch das Inszenierungskonzept. Nachfolgend ein paar Zitate:
Diskussionen um Wagners "Parsifal" sind generell schwierig, weil es sich bei diesem Werk aus meiner Sicht in Ideologie, Musik, Handlung und Deutung um das grandioseste Mysterium der Operngeschichte handelt.
Ulrich Schreiber in seinem "Opernführer für Fortgeschrittene" Zitat: "Dieses Bühnenweihfestspiel ist ein zutiefst un-menschliches, weil sinnenfeindliches, frauenfeindliches, eine sterile Männerwelt und ihre militärisch-mönchischen Ideale verklärendes Spektakel. Die größte Sünde im Parsifal ist die Sexualität, ihr gegenüber sind aller anderen läßlich: leicht vergebbar."
Der ganze erhabene 3. Parsifal Akt ist eine Apotheose der Erlösung durch geläuterte Liebe. Liebe, die weit über allein dominierende Triebhaftigkeit hinausgewachen ist.
Schwer, wenn nicht gar kaum möglich ist es, ein so mystisches Werk wie "Parsifal" zu verstehen, zu analysieren und zu deuten. Vielleicht ist gerade diese Vieldeutigkeit die Faszination des Parsifal-Stoffes und der Auftrag an uns, darüber nachzudenken und zu diskutieren.
Der Parsifal steckt voller sexueller Metaphern und phallischer Symbole, und dies kann man nur um den Preis selbstgewählter Unmündigkeit leugnen.
Alle handelnden Figuren im Parsifal sind in irgendeiner Form pervertiert, und dieser Erkenntnis kann man auch nicht entgehen, wenn man wie Wieland Wagner die Szene vorsichtshalber "entrümpelt". Da war die sakrosankte Inszenierung seines Großvaters im Grunde ehrlicher, da hier die schwül-byzantinistische Atmosphäre des Sujets schön ausgemalt wurde.
Ich bitte schom im Voraus um Entschuldigung, aber nur wenn diese Aspekte in der Inszenierung Berücksichtigung finden, kann der Parsifal in unserer Zeit noch relevant sein.
Ich finde, es sind hier manche interessante Gedanken zur Interpretation des Parsifal genannt worden, die sich je nach Betrachter aus Wagners Werk ergeben. Deshalb komme ich immer weniger um die Frage herum: Sind diese Interpretationen etwa nicht möglich, wenn man die Handlung so belässt, wie Wagner sie konzipiert hat?
Dass man sich mit der im Parsifal vorgegebenen ablehnenden Haltung zur Sexualität auseinandersetzen muss, unterliegt keinem Zweifel. Keineswegs aber sollte jemand seine eigenen Traumata mit Hilfe einer Inszenierung zu verarbeiten suchen.
Wer bitteschön kann denn diesen ideologisch verquasten Stoff aus dem 19. Jhd. so wie er ist noch Ernst nehmen? Nach Wagner soll sich der Zuschauer mit seiner Oper rückhaltlos identifizieren. Bieito tut das als Mensch nicht mehr des 19., sondern des 21. Jhd. auf seine Weise, indem er eben die Konsequenzen dieser Ideologie vor Augen führt, die selbstzerstörerisch sind.
Was, bitteschön, soll am bearbeiteten Parsifal-Stoff derart "verquast" (Zitat H.K.) sein?
Was spricht gegen die psychologische Deutung, die uns Wieland Wagner vorgelegt hat, dass die Probleme des Männerbundes der Gralsritterschaft durch die Negierung des weiblichen Elements, bzw. der Sexualität enstanden sind. Erst dadurch, dass das männliche Element (Speer) und das weibliche (Gral) wieder vereinigt sind, ist die Erlösung möglich. Zumindest für mich ist das eine logische Konklusion und ein schöner Gedanke.
Vielleicht können wir die Frage - was der Parsifal UNS heute bedeutet, hier noch ein wenig vertiefen. Ich selbst habe noch keine fertige Antwort auf diese Frage, ich weiß nur, dass die MUSIK des Parsifal für mich eine der grandiosesten, mich am meisten bewegenden Musiken überhaupt ist. Wenn ich Stücke des Parsifals höre, klingt sie tagelang in meinem Kopf nach.