Ludwig van Beethoven, Klaviersonate Nr. 30 E-dur op. 109
Beethoven komponierte diese erste der sogenannten „Schlusstrias“ genannten letzten drei Klavier-sonaten nach der großen Hammerklavier-Sonate.
Was auf den ersten Blick wie ein Rückschritt aussehen konnte, war dies doch höchstens vom Umfang aus. In der Entwicklung schritt Beethoven doch weiter voran, näherte sich langsam dem Ende dessen, was er in dieser Instrumentalform ausdrücken konnte und wollte. Sein Umgang mit der Sonatensatzform wurde immer freier.
Bezeichnend ist dafür m. E. auch, dass der Höhepunkt dieser Sonate wiederum ein Variationensatz, hier das Finale ist. Schon in seiner frühen As-dur-Sonate Nr. 12 op. 26 hatte er als Kopfsatz ein Andante mit Variationen gewählt, und die Krönung aller Variationssätze in der Klavierliteratur überhaupt war dann wohl die Arietta in seiner letzten Sonate Nr. 32 c-moll op. 111.
Schon der erste Satz hat eine ungewöhnliche Form. Man könnte sagen, dass er aus fünf Teilen besteht, die entweder im „Vivace, ma non troppo“ oder im "Adagio espressivo“ stehen. Sie sind wie folgt über den Satz verteilt:
1. (A). : (2/4): Takt 01 – 08: Vivace, ma non troppo,
2. (B). : (3/4) : Takt 09 – 15 : Adagio espressivo,
3. (A’): (2/4) : Takt 16 – 57 : Vivace ma non troppo,
4. (B‘) : (3/4) : Takt 58 – 65 : Adagio espressivo,
5. (A‘‘): (2/4) : Takt 66 – 99 : Vivace man non troppo.
Diese fünf Teile gehen jedoch nahtlos ineinander über, bilden trotz aller Gegensätzlichkeit ein Ganzes. Vom Charakter her meine ich, dass die luciden Passagen überwiegen, und formal: wenngleich man dem dritten Abschnitt (Takt 16 – 57)einen durchführungsartigen Charakter zusprechen kann, so scheint mir doch der erste Teil (Takt 1 – für eine Exposition sehr kurz und der letzte Teil auch nicht wirklich eine Reprise zu sein.
Das Prestissimo (e-moll) ist eng mit dem Kopfsatz verknüpft , so dass man inhaltlich auch vielleicht von einer zweigeteilten Sonate sprechen kann: Teil 1 Kopfsatz und Prestissimo, Teil 2: Variationenfinale. Das Prestissimo wird nicht so schnell gespielt, wie die Satzbezeichnung e vermuten lassen würde . Es steht im 6/8-Takt, beginnt mit einem Fortissimo und hat trotz aller expressiven Züge doch viele Legato-Bögen und von daher auch gesanglichen Charakter und verfügt auch über etliche Passagen im p (Takt 9 – 30) mit eingeschlossenen kurzen Crescendi/Decrescendi) sowie Takt 32/33, 43 – 52 (mit einem Crescendo), dann pp (Takt 53/54 und Takt 70 - 96; weiter pp von Takt 97 – 104, wobei die letzten beiden Abschnitte mit er Durchführung gleichzusetzen sind.
Im ff setzt dann die Reprise ein, wo es schon ab Takt 120 im p weitergeht, die im Wesentlichen der Exposition entspricht und im f-Staccato endet.
Der Höhepunkt der Sonate ist der Schlusssatz, der aus dem Thema „Gesangvoll, mit innigster Empfindung“ (Andante molto cantabile ed espressivo) besteht mit einer der herausragenden Melodien Beethovens, sowie 6 Variationen.
Das Thema wird in zwei Teilen in Takt 1 – 8 und 9 – 16 vorgestellt, die jeweils wiederholt werden. Dabei wird das Thema im zweiten Teil in einer höheren Lage gespielt.
In der ersten Variation „Molto espressivo „ wird, wie es die Satzbezeichnung schon andeutet bewegter, auch durch die vielen Vorschlagnoten. Temporal und formal bleibt es wie im Thema, auch hier sind zwei achttaktige Abschnitte, die jeweils wiederholt werden. Die Melodie wird nach oben oktaviert.
Die zweite Variation „Leggiermente“ ist rascher und ebenfalls in verschiedene Abschnitte eingeteilt, die aber nicht jeder direkt wiederholt werden und sich abwechseln, zuerst Takt 1 – 8 in Sechzehnteln, , dann ein kurzer Abschnitt von Takt 9 – 12 in Achteln, dann der dritte Abschnitt wieder nach Art des ersten, aber dieses Mal 12 Takte, wobei ab Takt 17 die Lage noch einmal erhöht wird. Dann folgt der vierte Abschnitt wieder kurz in Achteln von Takt 25 bis 28, bevor der ebenfalls 4-taktige 5. Abschnitt die Variation abschließt.
Die dritte Variation ist in Allegro vivace und hier wechselt zum ersten Mal die Taktart (2/4-Takt) in diesem Satz und ist in Achteln und Sechzehnteln ausgeführt, die häufig die Hand wechseln und das Thema wird hier pausenlos fortgeführt und begleitet, fast nach Art eines Perpetuum mobile.
Die vierte Variation geht temporal in Richtung Adagio und steht im 9/8-Takt. Hier werden wieder Abschnitt direkt wiederholt, und zwar Takt 2 – 9 und Takt 10 – 17. Diese Variation hat dynamisch einen wesentlich größeren Umfang und geht in Takt 13 bis zum ff.
Die fünfte Variation (4/4-Takt) steht im Allegro ma non troppo und klingt strenger als ihre Vorgängerinnen, hat Fugenelemente und ist von Takt 1 bis 32 durchgehend im Forte notiert, erst ab Takt 33 – 40, also im letzten Achtel, im Piano. Sie geht ebenfalls nahtlos über in
Die sechste Variation „Tempo I del tema“ ist in den ersten vier Takten wieder im ¾-Takt und im Andante-Tempo des Themas.
Man kann diese Variation in mancherlei Hinsicht auch als Höhepunkt des ganzen Variationensatzes bezeichnen, zumal hier z.B. eine ständige Verkürzung der Notenwerte ab Takt 5 (9/8-Takt) stattfindet. Treten zunächst nur Viertel auf (Takt 1 – 2, kommen ab Takt 3 Achtel hinzu, ab Takt 6 Sechzehntel und ab Takt 8 Zweiunddreißigstel. Das geht dann auch auf sehr hohem pianistischen Niveau sehr bewegt und dynamisch bis Takt 35, bis sich der Kreis mit der Rückkehr des Themas schließt mit dem unvergleichlichen Decrescendo-Ritartando-Schluss.
Ich habe diese Ausführungen angefertigt, weil ich im Themenverzeichnis keinen eigenen Thread für diese Sonate gefunden habe und wir letztendlich doch einen für unser Sonaten-Projekt brauchen.
Empfehlungen möchte ich noch nicht aussprechen .
Wer aber von euch schon Empfehlungen aussprechen will, weil er diese Sonate und ihre Interpreten besonders gut kennt, kann dies gerne tun.
Liebe Grüße
Willi