Manuel de Falla Atlantida

  • Liebe Musikfreunde,


    Atlántida ist eine Mischung aus Oper und Oratorium, an der de Falla die letzten achtzehn Jahre seines Lebens (also bis 1946) arbeitete und die er nicht mehr vollenden konnte.
    Die Textvorlage ist ein Gedicht des katalanischen Priesters Jacint Verdaguer (1845 - 1902) aus dem Jahre 1877, der als eine Gallionsfigur der Renaixença gilt, einer Bewegung, die eine Renaissance der katalanischen Kultur herbeiführen wollte. Seit 1876 arbeitete Verdaguer als Schiffsgeistlicher und bereiste die Strecke Cádiz – Havanna; diese Erfahrungen stellen eine wichtige Inspiration für Atlántida dar. Ein weiterer wichtiger Anstoß war für Verdaguer Platon, der in den Dialogen Timaios und Kritias über Atlantis schreibt.
    Das epische Gedicht besteht aus einer Einleitung, zehn Gesängen und einem Finale.
    Inhaltlich geht es um den Untergang von Atlantis, wodurch die meditarrane Küstenlandschaft erst entsteht, in der das Erbe von Atlantis fortlebt. Der Bogen spannt sich von den Taten des Herkules aus grauer Vorzeit, die ein alter Eremit einem gestrandeten jungen Mann erzählt, bis zum Jahr 1492, als jener Schiffbrüchige, der niemand anders als Christoph Kolumbus ist, sich aufmacht, um Amerika zu entdecken.
    Es werden also vorchristliche, römische, griechische Elemente als Vorgeschichte Kataloniens aufgegriffen, die dann in der Verbreitung des christlichen Glaubens durch Kolumbus in der Neuen Welt gipfeln.
    Die rätselhafte Geschichte von Atlantis hat de Falla von Kind an fasziniert. Zudem reizte ihn, dass die Textvorlage katalanisch war, zumal de Falla in dieser Region familiäre Wurzeln hatte.
    Manuel de Falla unterteilt den Text in einen Prolog und drei Teile. Eine hervorragende, witzige, ausführliche Inhaltsangabe liefert Engelbert Hellen (http://www.musirony.de.tl/Atlantis.htm ):



    PROLOG


    DAS VERSUNKENE ATLANTIS


    HYMNUS HISPANICUS


    ERSTER TEIL:


    DER BRAND DER PYRENÄEN


    DER TOD DER PIRENE


    HYMNE AN BARCELONA


    HERAKLES UND DER DREIKÖPFIGE GERYON


    CÁNTICA A L’ATLÀNTIDA


    ZWEITER TEIL:

    DER GARTEN DER HESPERIDEN


    DIE SPIELE DER PLEJADEN


    HERAKLES UND DER DRACHE


    KLAGE UND TOD DER PLEJADEN


    DIE ANKUNFT DES HERAKLES IN GADES


    DIE STIMME DES HIMMELSBOTEN


    DIE GÖTTLICHE STIMME


    DIE MEERENGE VON GIBRALTAR


    DIE ERSCHEINUNG DES ERZENGELS



    DRITTER TEIL:



    DER TRAUM DER ISABELLA


    KOLUMBUS UND SEINE GEFÄHRTEN – DIE CARAVELLEN – DAS GEBET AUF DEM MEER – NACHT DER ERFÜLLUNG



    Da die Partitur nicht vollendet werden konnte, wurde Ernesto Halffter mit der Vervollständigung betraut; er erhielt ein Konvolut von ca. dreihundet Seiten. Der Prolog stammt komplett von de Falla, auch der dritte Teil ist überwiegend fertig und instrumentiert. Die größten Probleme wirft der zweite Teil auf, der teilweise mehrere Versionen für manche Passagen enthält sowie Skizzen, Entwürfe, Ideen.
    Engen Freunden hat de Falla zwar Atlántida ganz auf dem Klavier vorgespielt, jedoch spiegelt sich in diesem Steinbruch des Notenmaterials noch keineswegs eine endgültige, einheitliche Fassung wider. De Falla sagte, er habe zwanzig Minuten vollständig fertig komponiert, so dass man diesen Teil direkt aufführen könnte, weitere zwanzig Minuten könne er, wenn es seine Gesundheit zuließe, in kurzer Frist vollenden. Der Rest des Materials ist jedoch, wie erwähnt, nur bruchstückhaft vorhanden.
    Daher fragte de Fallas Arzt auch besorgt, ob es denn nicht eine undurchführbare Aufgabe sein müsse für denjenigen, der nach de Fallas Tod das Ganze fertigstellen sollte. Der Komponist entgegnete, natürlich sei dies sehr schwierig, aber er sagte auch: "Ernesto Halffter wird es verstehen." Sechs Jahre schlummerte das Material im Nachlass, bis Manuel de Fallas Bruder Germán und seine Schwester María del Carmen die Seiten Ernesto Halffter zukommen ließen.
    Dieser Schüler und Komponist de Fallas brauchte wiederum acht Jahre, bis er das Werk vollendet hatte, und schuf in den Folgejahren nach der Uraufführung 1961 mehrere abgeänderte Versionen, zuletzt 1976 (Luzerner Version). Fallas Vermächtnis wird somit auch zu seinem Meisterwerk.
    Musikalisch bricht de Falla (ähnlich wie Kolumbus) zu neuen Welten auf. Er hat eine neue Klangsprache entwickelt, die modern anmutet, teilweiser sogar sperrig, dennoch von großer Schönheit und Sinnlichkeit ist, herb und rauh, allerdings auch betörende Klänge kennt, träumerisch sein kann, primitiv, roh und ungeschliffen, aber auch religiöse, hymnische Komponenten hat.
    Fokloristische Elemente findet man kaum noch, volksliedartige Wurzeln sehr wohl (so ist das Lied der “Traum der Isabella” teils aus andalusischen, teils aus katalanischen Melodien komponiert.)
    Besondere Bedeutung haben hier vor allem die Chorszenen, die in vielerlei Hinsicht an die Chöre der griechischen Tragödie erinnern.
    Große, wuchtige Elemente wechseln mit innerlichen, zarten Passagen ab. Ein Werk von gewaltigen Dimensionen entsteht, dass in seiner Plastizität und seinem Farbreichtum eines untergegangenen Kontinentes würdig ist. Leider wird Atlántida selten aufgeführt, die Einspielungen sind kaum noch erhältlich.


    Lasst uns Atlántida immer wieder hören – damit dieser Kontinent nicht erneut untergeht und im Ozean des Vergessens versinkt!


    Folgende Einspielungen existieren:




    Sowie ein jüngst erschienener Mitschnitt des katalonischen Rundfunks vom 27.11.2013 unter Leitung von Josep Pons aus dem Liceu. Es musizieren:
    Angel Òdena, Ofèlia Sala, Gemma Coma-Alabert, David Alegret, Francisco Vas, Àlex Sanmartí, Elena Copons i Anna Tobella, entre d'altres, el Cor Vivaldi-Petits Cantors de Catalunya, el Cor Amics de l'Òpera de Girona i el Cor i l'Orquestra Simfònica del Gran Teatre del Liceu, dirigits per Josep Pons.


    Einen Eindruck der Colomer - Einspielung kann man sich dank youtube bzw archive.org verschaffen:



    Welche Einspielungen kennt ihr? Welche Kenntnis, welche Eindrücke habt ihr von de Fallas letztem Werk?