• Hallo Holger,


    irgendwie will mir der Zusammenhang nicht so recht einleuchten. Ich wüsste nicht, wo von den RT-Gegnern, um es mal so zu nennen, gegen Striche argumentiert worden wäre. Ich denke, es besteht ein Unterschied zwischen Strichen, die gelegentlich sogar von den Komponisten sanktioniert worden sind, und willkürlichen Umstellungen oder sonstigen Eingriffen in die musikalische Substanz, wie sie in manchen Inszenierungen vorkommen. Striche hast es immer gegeben, im Gegenteil, eine Oper vollständig aufzuführen, ist m.W. erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts üblich geworden, von Wagner vielleicht mal abgesehen, und selbst da gibt es ja vom "Meister" sanktionierte Striche (Lohengrins Bericht nach der Gralserzählung.) Ich sehe aber doch einen Unterschied zwischen einem Stich und dem willkürlichen Umstellen musikalischer "Nummern", denn sie erfüllen ja an der vorgesehenen Stelle einen bestimmten dramaturgischen Zweck, der sich nicht ohne weiteres verschieben lässt.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • irgendwie will mir der Zusammenhang nicht so recht einleuchten. Ich wüsste nicht, wo von den RT-Gegnern, um es mal so zu nennen, gegen Striche argumentiert worden wäre. Ich denke, es besteht ein Unterschied zwischen Strichen, die gelegentlich sogar von den Komponisten sanktioniert worden sind, und willkürlichen Umstellungen oder sonstigen Eingriffen in die musikalische Substanz, wie sie in manchen Inszenierungen vorkommen.

    Liebe Mme. Cortese,


    aus vielen Beiträgen habe ich jedenfalls herausgehört, daß grundsätzlich die Regisseure für Striche und Umstellungen verantwortlich seien, was offenkundig nicht der Theaterpraxis entspricht. Das Zustandekommen solcher Veränderungen stellt sich wohl als ein komplizierter Prozeß zwischen den Beteiligten dar, den der Zuschauer im Grunde nicht wirklich durchschaut. Wenn zudem die "Striche" gängige Theaterpraxis sind, wird es schwer zu unterscheiden, was eine "legitime" und "willkürliche" Streichung ist. Wenn statt des Originals nur gestrichene Fassungen kursieren, wo bleibt dann der verläßliche Maßstab? Ich glaube auch, daß sich schwerlich ein Regisseur finden wird, der nicht zugibt, daß nach dem vernünftigen Sinn von Streichungen zu fragen ist.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Holger,


    ich denke immer noch, dass zwischen Strichen und willkürlichen Umstellungen ein qualitativer Unterschied besteht. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das Publikum reagieren würde, wenn ein Dirigent oder ein Kammermusikensemble einfach die Reihenfolge von Sätzen verändern würde, um mal "einen neuen Blick" auf das fragliche Werk zu ermöglichen. Zum "neuen Blick" hier noch ein bekanntes Zitat:


    Zitat von (Verdi an Giulio Ricordi, 1875)

    Wir brauchen keine Dirigenten und Sänger, die neue Wirkungen entdecken; aber jetzt ist es Mode geworden, auch die Dirigenten zu vergöttern. Einst musste man die Tyrannei der Primadonnen ertragen; jetzt muss man auch noch die Tyrannei der Dirigenten ertragen!


    Was Verdi wohl zur Tyrannei der modernen Regisseure gesagt hätte?



    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das Publikum reagieren würde, wenn ein Dirigent oder ein Kammermusikensemble einfach die Reihenfolge von Sätzen verändern würde, um mal "einen neuen Blick" auf das fragliche Werk zu ermöglichen.


    Ein Beispiel, welches ich hier schon des öfteren erwähnt habe:



    Der Dirigent Michael Gielen "vermischt" hier Schuberts Schauspielmusik zu "Rosamunde" D797 mit den Sechs Orchesterstücken op.9 Anton Weberns und das funktioniert m.E. hervorragend, obwohl man im Sinne der Diskussion vielleicht sogar von "Regiemusik" sprechen müsste!?


    Wer es selber einmal ausprobieren möchte, hier die genaue Abfolge der einzelnen Sätze:


    1. [Schubert] Entr'acte h-moll (Allegro molto moderato)
    2. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.1 (Langsam)
    3. [Schubert] Ballet G-Dur (Allegro moderato - Andante un poco assai)
    4. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.2 (Bewegt)
    5. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.3 (Mäßig)
    6. [Schubert] Ballet G-Dur (Andantino)
    7. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.4 (Sehr mäßig)
    8. [Schubert] Hirtenmelodien B-Dur (Andante)
    9. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.5 (Sehr langsam)
    10. [Webern] Orchesterstück op.6 Nr.6 (Langsam)
    11. [Schubert] Entr'acte B-Dur (Andantino)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ein weiteres Beispiel ist Colin Davis, der bei Bruckners 7. Sinfonie zuerst das Scherzo und dann das Adagio spielen ließ:


    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler



  • Ich sage nur: die Zeit der Türschließer, Garderobefrauen und Kartenverkäufer in der Oper wird auch noch kommen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ein weiteres Beispiel ist Colin Davis, der bei Bruckners 7. Sinfonie zuerst das Scherzo und dann das Adagio spielen ließ:



    Ich kenne mich mit Bruckner gar nicht aus, also kann ich nichts dazu sagen und muss stattdessen fragen: Funktioniert das? Ist es sinnvoll? Und wie stehen du und die anderen Brucknerfreunde dazu?


    @ MSchenk


    Ich habe in Hannover auch mal vor Jahren ein Konzert gehört, in dem Mahlers Wunderhornlieder von Stücken aus "Rosamunde" eingerahmt waren, und auch das hat gut gepasst. Allerdings meine ich doch, dass zwischen einer Ballettmusik und einer Sinfonie oder einem Streichquartett Unterschiede bestehen. Ich bin zwar auf diesem Gebiet kein Fachmann, aber ich denke doch mal, dass bei den letztgenannten sowie auch einem Liederzyklus die einzelnen Stücke tonart- und tempomäßig aufeinander bezogen sind, was man wohl von einer Ballettmusik, die ja im Falle der "Rosamunde" immer wieder von der Handlung unterbrochen wird, nicht unbedingt behaupten kann. Wie es sich im Falle von Weberns Orchesterstücken verhält, weiß ich nicht, da kannst du mir sicherlich weiterhelfen.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich kenne mich mit Bruckner gar nicht aus, also kann ich nichts dazu sagen und muss stattdessen fragen: Funktioniert das? Ist es sinnvoll? Und wie stehen du und die anderen Brucknerfreunde dazu?


    Hallo Mme. Cortese,


    das sind gute Fragen.


    Ich nehme an, Davis hat die Satzreihenfolge verändert, weil Bruckner in seinen letzten beiden Sinfonien die Satzreihenfolge Scherzo-Adagio festgelegt hatte und Davis die drei letzten Sinfonien wohl als Einheit sah.


    Hätte Bruckner eine andere Satzreihenfolge als die ursprünglich vorgesehene gewollt, dann hätte er das so festgelegt, siehe bei der 2. Sinfonie, bei der in der Urfassung zuerst das Scherzo, dann das Adagio gespielt werden sollte, später das Andante, dann das Scherzo. Zwar hat Bruckner an fast allen Sinfonien immer wieder Änderungen vorgenommen, aber bis auf die 2. Sinfonie nie die Reihenfolge geändert.


    Bis auf Colin Davis ist mir kein anderer Dirigent bekannt, der bei irgendeiner Bruckner Sinfonie die Satzreihenfolge geändert hätte. Das, was Bruckner inhaltlich erreichen wollte, ist in sich so stimmig, dass es keiner Änderung bedarf.
    Ich denke, das beantwortet die Frage nach dem Sinn. ;)

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Striche, Umstellungen usw. sind in der Theaterpraxis das Normalste von der Welt. So gut wie kein klassisches Standardwerk des Sprechtheaters kommt heute ungekürzt auf die Bühne. Wie lange hat der komplette Faust in einem Projekt vor ein paar Jahren gedauert 10 Stunden, 12? Selbst Faust I würde 5 h dauern, Hamlet über 4 h.


    Bei Opern wird hier (heute!) i.d.R. sehr behutsam vorgegangen und nicht besonders viel gestrichen oder umgestellt.


    Es stimmt zwar m.E. nicht, was in dem oben verlinkten Text behauptet wird, dass Händel-Opern ungekürzt 5 Stunden dauern würden; meines Wissens dauert die längste, Giulio Cesare in Egitto, etwa 3,5 h (reine Spieldauer) und normal sind eher knapp 3 Stunden, also nicht länger als Wagner. Es war aber im 18. Jhd. selbstverständlich, Opern für neue Aufführungen zu überarbeiten, man sieht das ja noch an Mozarts Don Giovanni. Beim Don Giovanni wird normalerweise ein Zwitter aus den vorliegenden Fassungen gegeben (u.a., weil man nicht auf eine der Tenorarien verzichten will, kein dramaturgischer Grund). Und es war nicht immer der ursprüngliche Komponist derjenige, der für eine Neuaufführung arrangierte, umstellte, ggf. neue Arien einfügte.


    Die Idee eines verbindlich festgelegten Rezepts, dem eine Aufführung sklavisch zu folgen hat (also das, was die Regietheatergegner für den unwiderlegbaren Normalfall halten), war zumindest den ersten gut 200 Jahren Opern (und 2500 Theater-)geschichte fremd. Wie genau das im 19. Jhd. war, weiß ich nicht genau. Aber ich vermute stark, dass die gesamte Belcanto-Epoche bis in die 1830er noch so pragmatisch und aufführungsbezogen wie das 18. Jhd. vorging und auch aus der Zeit danach kennen wir von etlichen Opern unterschiedliche Fassungen aufgrund unterschiedlicher Aufführungsbedingungen (Hoffmanns Erzählungen, Tannhäuser, Don Carlo(s) u.a.).


    Selten werden heute Instrumentalwerke gekürzt, aber auch das gab es, wenn auch eher in Ausnahmefällen. Tschaikowskys Violinkonzert wurde früher oft leicht gekürzt (Heifetz), es gibt sicher noch weitere Beispiele.
    Längere Oratorien wie die Matthäuspassion oder Messia wurden noch in den 1950ern brutalst zusammengekürzt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Beim Don Giovanni wird normalerweise ein Zwitter aus den vorliegenden Fassungen gegeben (u.a., weil man nicht auf eine der Tenorarien verzichten will, kein dramaturgischer Grund). Und es war nicht immer der ursprüngliche Komponist derjenige, der für eine Neuaufführung arrangierte, umstellte, ggf. neue Arien einfügte.


    Die Idee eines verbindlich festgelegten Rezepts, dem eine Aufführung sklavisch zu folgen hat (also das, was die Regietheatergegner für den unwiderlegbaren Normalfall halten)...


    Beim Don Giovanni kommt noch dazu, daß sich als zweites Finale die Wiener Fassung eingebürgert hat.


    Was deine Bemerkung in Klammern betrifft, handelt es sich hier für mich um ein fundamentales Mißverständnis: Die Handlung und ihre vorgegebene Epoche dürfen nicht einer schwadronierenden Willkür ausgeliefert werden - das ist das Problem! (Daß die Bühne meist nur noch ein häßlicher Kubus mit ebensolchem Interieur ist, kommt noch strafverschärfend hinzu.)

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Mir kommt bei diesem Thema als erstes in den Sinn, dass bei einigen Verdi-Opern verschiedene Arien- bzw. -teile in der Vergangenheit (und manchmal auch noch heute) nie, oder sagen wir, fast nie aufgeführt wurden. Das kann nicht nur dramaturgische Gründe haben!


    Es ist für mich nicht einsichtig, dass z.B. im "Rigoletto" im zweiten Akt "Possente amor mi chiama" erstmals 1954 von Mario del Monaco auf Tonträger gesungen wurde und angeblich vorher dem Publikum unbekannt war.


    Ebenso wird in der "Fledermaus" der Czardas der Rosalinde immer nur mit einem Strich gesungen. (Das aber dürfte nur an den Sängerinnen liegen :stumm: )


    Erich

  • ich denke immer noch, dass zwischen Strichen und willkürlichen Umstellungen ein qualitativer Unterschied besteht.

    Woran erkennt man das aber nur? Als Georges Bizet höchstpersönlich bei den Proben zur Uraufführung von "Carmen" 366 Takte gestrichen hat, war das nun willkürlich oder nicht?


    Es gibt die klassische Definition des fertigen Werks, wonach man bei ihm keinen Teil wegnehmen oder hinzufügen kann, ohne das Ganze zu zerstören. Daran gemessen sind alle Kürzungen "willkürlich". Deshalb ist die entscheidende Frage für mich eine ganz andere: Was ist das für ein Werkverständnis überhaupt, wenn Autoren Werke komponieren, die per se (z.B. wegen Überlänge wie beim Faust z.B.) gar nicht so aufführbar sind, wie sie geschrieben stehen? D.h. ja, daß die Notwendigkeit von Strichen im Grunde von vornherein schon eingeräumt wird. Und warum hat der Autor/Komponist nicht im Werk bereits die möglichen Striche verbindlich notiert, sondern das konkrete Verfahren offenbar der jeweiligen Inszenierung freigestellt? Wenn dem so ist, dann sagt dies im Grunde, daß die allermeisten Autoren von Theaterstücken die vermeintliche Willkürlichkeit von Streichungen gar nicht so gefürchtet haben, wie das manche Zuschauer heute tun. Kritik an dieser Streichungspraxis hat es natürlich auch immer gegeben. Aber da ging es letztlich nicht darum, die Notwendigkeit von Strichen zu bestreiten (das tut auch Verdi nicht), sondern um die Frage, wie sie sinnvoll vorgenommen werden können. Diese ganze Diskussion um sinnvolle oder sinnlose Streichungen entsteht aber letztlich nur, muß man dann wieder sagen, weil Striche im Grunde nicht wirkliche Bestandteile des Werks sind, aber trotzdem als notwendig erachtet werden vom Werk her, so daß ihre konkrete Handhabung ganz pragmatisch der Aufführungspraxis überlassen wird. Woher gewinnen sie also letztlich ihre Verbindlichkeit, wenn sie das Werk selber gar nicht fest und eindeutig vorschreibt? Diese Frage kann ja wiederum nicht einfach willkürlich beantwortet werden.



    Bis auf Colin Davis ist mir kein anderer Dirigent bekannt, der bei irgendeiner Bruckner Sinfonie die Satzreihenfolge geändert hätte. Das, was Bruckner inhaltlich erreichen wollte, ist in sich so stimmig, dass es keiner Änderung bedarf.

    Mahler z.B. hat die Reihenfolge der Mittelsätze Scherzo und langsamer Satz bei verschiedenen seiner Symphonien immer wieder geändert. Dafür gibt es auch einen Grund. Mit der Verschiebung des Mittelpunktes der Symphonie vom eröffnenden Allegro auf das Finale werden die Mittelsätze zu solchen im Prinzip vertauschbaren Intermezzi.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat von »Mme. Cortese« ich denke immer noch, dass zwischen Strichen und willkürlichen Umstellungen ein qualitativer Unterschied besteht.


    Woran erkennt man das aber nur? Als Georges Bizet höchstpersönlich bei den Proben zur Uraufführung von "Carmen" 366 Takte gestrichen hat, war das nun willkürlich oder nicht?

    Mir scheint, du willst mich absichtlich missverstehen. Kein Mensch hat sich gegen Striche ausgelassen (sofern sie vom Werk noch etwas übrig lassen). Etwas anderes sind willkürliche Umstellungen, wenn also beispielsweise die Ouvertüre mitten im Werk erscheint oder andere Musikstücke irgendwo anders hin verschoben werden.

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  • Mahler z.B. hat die Reihenfolge der Mittelsätze Scherzo und langsamer Satz bei verschiedenen seiner Symphonien immer wieder geändert. Dafür gibt es auch einen Grund. Mit der Verschiebung des Mittelpunktes der Symphonie vom eröffnenden Allegro auf das Finale werden die Mittelsätze zu solchen im Prinzip vertauschbaren Intermezzi.


    Lieber Holger,


    aus dem Gedächtnis heraus ist mir nur die 6. Sinfonie bekannt, bei der sich Mahlers Intention bei der Satzreihenfolge geändert hätte. Bei welchen Sinfonien ist das denn noch der Fall gewesen?


    [Zur allgemeinen Information: Die ursprüngliche Satzreihenfolge bei der 6. Sinfonie lautete in den Binnensätzen "Scherzo-Andante". Kurz vor der Uraufführung entschied sich Mahler, die Reihenfolge zu ändern. Er selbst dirigierte die Sinfonie immer in der Reihenfolge "Andante-Scherzo". Bis heute wird die Sinfonie in beiden Varianten aufgeführt. Näheres im Gustav Mahler: 6. Sinfonie a-Moll - die Tragische - Thread.]


    "Im Prinzip vertauschbar" sind die Binnensätze durchaus, die psychologische Wirkung auf den Hörer ist allerdings eine komplett andere. Bei Abbados "positivistischer", klangschöner Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern macht die Satzreihenfolge Andante-Scherzo durchaus Sinn, während bei Rafael Kubelik (Audite) der "Ruhepunkt" Andante an dritter Stelle unbedingt benötigt wird, um die Rasanz und das "getrieben sein", die Kubelik in den ersten beiden Sätzen exemplarisch aufzeigt, "verarbeiten" zu können.


    Eine eventuell entstehende Diskussion darüber sollten wir im oben genannten Thread weiterführen. Entscheidend ist, daß Mahler sich selbst uneins war in der Satzreihenfolge, während es bei Bruckner bei der 7. Sinfonie keinen Zweifel darüber gibt, daß er zuerst das Adagio und dann das Scherzo hören wollte.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Was ist denn der Unterschied zwischen einem "willkürlichen" Strich/Umstellung und einem gut begründeten Strich/Umstellung? Da wird es wohl häufig unterschiedliche Ansichten geben? Manchem ist es wichtiger, eine schöne Tenorarie zu hören, ein anderer findet, dass dadurch der 2. Akt des Don Giovanni zu lang und dramatisch lahm gerät usw.


    Wenn man meint, dass der gedruckte Text von Faust oder von einer Oper das "Werk" ist trivialerweise jeder Strich/Umstellung ein Eingriff. Wenn man meint, dass erst eine Aufführung eines Theaterstücks/einer Oper das "Werk" ist, dann sind Striche und Umstellungen keine Eingriffe, sondern Elemente dieser Aufführung (dieses Werks).


    Ich habe mal eine Fidelio-Aufführung gesehen, die meiner Erinnerung nach anstelle der Fidelio-Ouverture eine der Leonoren gebracht hat, die aber nicht komplett und es gab dann einen seltsamen Übergang zum ersten Gesangsstück und von den Gesangstücken fehlte meiner Erinnerung ebenfalls das Duett oder die Arie der Marzelline. Es ist über 10 Jahre her und ich fand das ärgerlich, weil unplausibel und zusammengestückelt.
    Nun gibt es aber von Fidelio zwar eine eindeutige letzte Fassung, aber eben auch mehrere "Leonoren", inkl. der drei früheren Ouverturen. Es besteht wohl seit dem späten 19. Jhd. eine Tradition, die 12-15-minütige Leonore III vor dem letzten Bild (Heil sei dem Tag) zu spielen. Offensichtlich ein riesiges "Loch" und dramaturgisch, abgesehen von der grandiosen Musik, unsinnig. Der Vorhang ist dann wohl geschlossen (eine Motivation war wohl auch der Umbau von Kerker zu Hof für die Schlussszene, aber das braucht bei moderner Technik kaum 15 min.) Oder was sollen die Sänger in der Zeit anstellen? Anscheinend fanden aber viele Dirigenten/Regisseure die Musik so grandios, dass sich diese auf den ersten Blick bizarre Vorgehensweise etablieren konnte.
    Wenn jemand nun aus dem Leonore/Fidelio-Material auswählt und umstellt und damit insgesamt (also auf der Bühne, nicht bloß von der musikalischen Abfolge) eine spannende und plausible Aufführung erreicht, warum nicht? Natürlich hätte ich wohl Einwände, wenn ein wichtiges Stück fehlt. Aber eine der alternativen Ouverturen, ggf. auch andere ältere Arien (die ich nicht kenne) statt "kleineren" Stücken der Endfassung (im wesentlichen Anfangsduett, Arien von Marzelline und Rocco) oder zusätzlich dazu könnte vielleicht interessant sein.

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  • Mir scheint, du willst mich absichtlich missverstehen. Kein Mensch hat sich gegen Striche ausgelassen(sofern sie vom Werk noch etwas übrig lassen). Etwas anderes sind willkürliche Umstellungen, wenn also beispielsweise die Ouvertüre mitten im Werk erscheint oder andere Musikstücke irgendwo anders hin verschoben werden.

    Liebe Mme. Cortese,


    die Frage ist doch (Johannes hat das in seinem Beitrag schon angedeutet) - wann man was als willkürlich empfindet. Ist es die Umstellung an sich oder nur eine bestimmte Art der Umstellung? Es ist wohl so, daß es in der Vergangenheit sehr häufig Meinungsverschiedenheiten zwischen Dirigenten und Regisseuren was Umstellungen und Streichungen angeht gegeben hat. (Streng genommen ist jede Streichung eine Umstellung, weil sie nämlich die Sukzession verändert: Ob ich nun abcd umwandle in acd oder acdb - die Sukzession ist in jedem Fall umgestellt.) Solcherlei ist durchaus normal - und in den meisten Fällen einigt man sich einvernehmlich, wie die Beteiligten berichten können. Da vorschnell von "Willkür" zu sprechen, finde ich etwas gewagt. Man sollte keine Mythen erfinden, meine ich, so als seien die Leute im Theater alle kopflos und würden einfach nach Belieben draufloswurschteln. Wenn es um einen Kompromiß geht, den viele Beteiligten mitzutragen haben, dann muß jeder der Beteiligten für seinen Vorschlag eine irgendwie vernünftige Bergründung parat haben. Dann kann es natürlich passieren, daß der Zuschauer trotz alledem keinen Sinn in der Zusammenstellung erkennen kann und das "willkürlich" nennt. Zunächst einmal heißt das nur: der betreffende Opernbesucher hat einen Sinn nicht erkannt. Da wird die andere Seite - die ausübenden Künstler, die um einen Kompromiß gerungen haben - aber durchaus eine andere Sicht haben und behalten. Das ist wie bei einem Koalitionsvertrag - Regierung und Opposition werden das Ergebnis selbstverständlich ganz unterschiedlich bewerten.



    aus dem Gedächtnis heraus ist mir nur die 6. Sinfonie bekannt, bei der sich Mahlers Intention bei der Satzreihenfolge geändert hätte. Bei welchen Sinfonien ist das denn noch der Fall gewesen?

    Lieber Norbert,


    bei der 2. hat er in den Entwürfen hin- und hergeschwankt und bei der 3. und 4. geht es wirklich toll zu. Da gibt es verschiedenste Entwürfe, weil die Planung beider Symphonien miteinander verzahnt war.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ob ich nun abcd umwandle in acd oder acdb - die Sukzession ist in jedem Fall umgestellt.)


    Finde ich nicht. Wenn ich abcd in acd umwandle, fehlt zwar etwas, aber die Sukzession bleibt erhalten. Das ist bei acdb eben nicht der Fall und somit willkürlich.


    Zitat: " Dann kann es natürlich passieren, daß der Zuschauer trotz alledem keinen Sinn in der Zusammenstellung erkennen kann."


    Dann haben die Herrschaften offensichtlich das Thema verfehlt.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Finde ich nicht. Wenn ich abcd in acd umwandle, fehlt zwar etwas, aber die Sukzession bleibt erhalten. Das ist bei acdb eben nicht der Fall und somit willkürlich.

    Werktheoretiker sagen ja, daß die Sukzession immer eine individualisierte ist. Sonst handelt es sich bei der Sukzession nur um eine sehr allgemeine Typologie, die gar nicht werkspezifisch ist. (Der Schlußsatz von Beethovens Waldsteinsonate ist ein Sonatenrondo und der von Schumanns 1. Klaviersonate auch. Aber das heißt nicht, daß damit getroffen ist, was sie zu ganz verschiedenen individuellen Werken macht.) Insofern ist eben auch die Verkürzung eine Umstellung. Eine ganz andere Frage ist außerdem, ob es der Sinn einer Oper überhaupt ist, eine Sukzession festzulegen in sehr bestimmter Weise. Das ist nämlich gar nicht so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Dafür müßte man aber tiefer in die Dramentheorie einsteigen. Daß es eine Sukzession gibt, heißt noch lange nicht, daß sie in dieser Form auch notwendig ist. Dieses grundsätzliche Problem veranschaulichte sehr schön das Beispiel der Vertauschbarkeit der Mittelsätze in einer romantischen Symphonie - s.o.!



    Zitat: " Dann kann es natürlich passieren, daß der Zuschauer trotz alledem keinen Sinn in der Zusammenstellung erkennen kann."


    Dann haben die Herrschaften offensichtlich das Thema verfehlt.

    Erst einmal ist das ein Konflikt. Zwischen dem Komponisten und Dirigenten gibt es einen möglichen und auch tatsächlichen Konflikt, zwischen dem Dirigenten und Regisseur, dem Dirigenten sowie dem Regisseur gegenüber den handelnden Akteuren, den Sängern, und letztlich auch zwischen den ausübenden Künstlern und dem Publikum. Jeder fühlt sich durch den anderen eingeschränkt und möchte seine Vorstellungen gerne durchsetzen. Ich finde, da hilft nur: Solche Konflikte austragen und sie Ernst nehmen, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen. Alles andere führt zu "Kampagnen" oder Propaganda, aber nicht zu gegenseitigem Verständnis und einem vernünftigen Umgang mit Interessen. In der Wirtschaft hat man schließlich auch gelernt, vernünftig miteinander zu reden - Gewerkschaften und Arbeitgeber - Interessen so geltend zu machen, daß sie miteinander verträglich sind und auch mal die eigenen Ansprüche zurückzunehmen, wenn es um des Friedens willen geschieht.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Willkür ist für mich wenn z.B. Christoph Loy in seiner Frankfurter Fledermaus die Szenen einfach umstellt. Ich glaube dort wurde der zweite Akt zuerst gespielt und danach kam erst die Overtüre. Oder bei Verdis Macht des Schicksals ist es ja auch modern geworden erst die erste Szene des ersten Aktes zu spielen und dann erklingt erst die Overtüre. Im Barbiere di Siviglia singt Rosina eigentlich auch drei Arien , wovon die letzte fast immer gestrichen wird. Oder in Mozarts Hochzeit des Figaros wird ja auch fast immer die Arie der Marzeline oder des Don Curzio im letzten Akt gestrichen Mir stellt sich immer die Frage warum ? Wenn es an der Länge liegen sollte spielen die 10 Minuten Mehr z.B. bei der Hochzeit des Figaros auch keine Rolle mehr. Auch das bei Verdi meistens die Balletmusik gestrichen wird verstehe ich nicht. Warum hat Verdi denn die Balletmusik eingefügt ? Um damit das Publi Dafür muss ja nicht unbedingt ein Ballet auf der Bühne sein. Eher verstehe ich es in der Barockoper wenn dort gekürzt wird, weil sich dort vor allem die Rezetative wiederholen. Oder bei Wagners Rienzi die Oper hat ohne Striche eine reine Laufzeit von fast fünf Stunden.

  • Kleiner Nachtrag. Ich denke mal das die Striche in erster Linie Sache des Dirigenten sind, da der Regisseur wahrscheinlich nicht soviel Verständnis für die komplexe Partitur haben wird.

  • Ich finde, da hilft nur: Solche Konflikte austragen und sie Ernst nehmen, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen.


    Das klingt ja alles sehr schön, aber wo bitte sehr nimmt man denn den konservativeren Teil des Publikums ernst oder lässt ihn zu zu Wort kommen??? Der hat doch, so der schon wiederholt zitierte Herr Bachler in München, gefälligst das zu schlucken, was man ihm vorsetzt.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Warum hat Verdi denn die Balletmusik eingefügt ?


    Hallo Rodolfo,


    natürlich, um den Wünschen des Publikums nachzukommen. (Es soll doch tatsächlich mal Zeiten gegeben haben, wo so etwas üblich war). Bekanntermaßen wurde an der der Opéra in Paris ein Werk ohne Balletteinlage zu Verdis Zeit nicht akzeptiert. Von daher war es anderswo gängige Praxis, die (häufig für Paris extra nachkomponierte) Ballettmusik zu streichen. Übrigens soll ja der anfängliche Misserfolg von Wagners Tannhäuser in Paris unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass das Ballett gleich zu Anfang kam und die Freunde der Ballettratten, die meistens erst im Lauf der Vorstellung einzutreffen pflegten, sich um ihr Vergnügen gebracht sahen.


    LG


    Mme. Cortese

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  • Für mich sind Striche und Umstellungen jedweder Art ein Ausdruck des schöpferischen Umgangs mit einem musikalischen Werk. Viele Komponisten sind gar nicht zögerlich gewesen im Umgang mit den eigenen Schöpfungen. Ich möchte Verdi, nennen, der seinen "Don Carlos" schon vor der Uraufführung selbst gekürzt hat, ganz praktisch, durch und durch Theatermann. Ein Stück, das er herausnahm, nämlich die Klage des Königs an der Bahre von Posa, fand sich als Lacrymosa im "Requien" wieder. Carlos ist heute fast nie komplett zu hören. Viele Opernbesucher, die meinen, das Werk zu kennen, würden die echte Gesamtdarbietung gar nicht wiedererkennen. Und wer hat schon im "Rigoletto" die Arie der Maddalena parat, die es tatsächlich gibt? Es gibt bei Verdi Striche ohne Ende. Offenbach mit seinem "Hoffmann" ist ein weiteres Beispiel. Er strich sich die Barkarole höchst selbst aus seinen frühen "Rheinnixen" heraus, um sie erneut - und das noch wirkungsvoller - zu verwenden. Selbst Wagner hat viele musikalische Gedanken und Passagen aus dem "Liebesverbot" in seinen "Tannhäuser" übernommen. Striche von fremder Hand haben sich als Tradition eingebürgert. Im "Tristan" ist der so genannte Tag-und-Nacht-Strich gnädig akzeptiert. "Rienzi" ist strichlos so gut wie nie gegeben worden. im "Tannhäuser" wird gern im Venusberg gekürzt. Der Meister ging für Paris auch dem Sängerkrieg ans Zeug, um schneller dem dramatischen Höhepunkt zuzueilen. Sogar Wieland Wagner wollte Georges London mit großen Strichen in den Wotan-Monologen des zweiten Walküre-Aufzuges nach Bayreuth locken, wie sie lange Jahre an der Met üblich waren - die diversen Mitschnitte belegen das. Richard Strauss hat Striche sanktioniert, wenn sie einem Werk besser zum Durchbruch helfen konnten - siehe "Elektra" und "Die Frau ohne Schatten". Einen weiterer Kandidat meiner Liste wäre Weber mit seinem Opern "Oberon" und "Euryanthe". Händels Opern sind ihrer Gesamtlänge für mich nur schwer auszuhalten, weil sie an ein ganz anderes strukturiertes Publikum gerichtet waren, das nicht sechs Stunden lang oder noch länger auf einem Stuhl saß. Felsenstein hat gestrichen und umgestellt, was das Zeug hielt, der Figaro-Basilio muss fast immer ohne seine große Arie auskommen. "Fidelio" ist bereits ins Spiel gebracht worden. An diesem Werk und seinen im wesentlich drei Fassungen wird exemplarisch klar, wie durch Umarbeitung und Veränderung um höchste Form gerungen wurde.


    Bruckner war auch schon genannt. Die Fassungen, die auch mit Strichen und Umstellungen zu tun haben, sind Legende und eine großes wissenschaftliches Feld, das noch nicht vollständig beackert ist.


    Theater und Konzertbetrieb sind für mich etwas Lebendiges. Da gehören Striche fast zwangläufig dazu. Ich kenne übrigens keine willkürlichen Striche. Manche Striche, die einst üblich waren, mögen uns heute merkwürdig vorkommen. Dann macht man sie eben auf.


    LG Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Kleiner Nachtrag. Ich denke mal das die Striche in erster Linie Sache des Dirigenten sind, da der Regisseur wahrscheinlich nicht soviel Verständnis für die komplexe Partitur haben wird.

    Das genau betont der von mir verlinkte Beitrag in meinem Eingangsposting! :hello:


    Das klingt ja alles sehr schön, aber wo bitte sehr nimmt man denn den konservativeren Teil des Publikums ernst oder lässt ihn zu zu Wort kommen???

    Vielleicht sieht es ja so aus, daß viele Häuser und Intendanten das Gefühl haben, viel zu lange ausschließlich dem "konservativen Teil des Publikums" und seinem Geschmack gefolgt zu sein, und ganz bewußt neue Wege zu gehen, um ein anderes Publikum zu gewinnen, um die Oper auf Dauer lebens- und überlebensfähig zu halten. Daß das für die Betreffenden durchaus schmerzhaft ist, kann ich ja verstehen. Es ist gibt aber nicht nur schwarz und weiß, sondern jede Menge Graustufen. So ist dann doch für jeden etwas dabei. Das finde ich wird immer wieder allzu leicht vergessen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Rheingold,


    dass ein Komponist in seinem eigenen Werk streichen oder nach Belieben umstellen kann, ist ja wohl selbstverständlich, genauso wie er auch Stücke aus früheren Werken verändern oder in neuen Werken verwenden kann. Das war bei Händel, Rossini und deren Zeitgenossen bis hin zu Verdi und Offenbach gängige Praxis. Wieweit aber Interpreten mit einem musikalischen Werk schöpferisch umgehen dürfen, ist ja eben genau die Frage, um die es hier geht. Für mich ist ein Schöpfer jemand, der etwas Eigenes erschafft, aber nicht jemand, der in den Werken anderer herumpfuscht, wobei ich, wie ober schon gesagt, mit Strichen leben kann, soweit sie die Substanz des Werkes nicht verändern. Anders verhält es sich mit den von Rodolfo am Anfang seines Beitrags genannten Beispielen. Ich möchte auch nochmal das von mir vor längerer Zeit eingestellte Verdi-Zitat zurückkommen, auf das merkwürdigerweise noch keiner eingegangen ist:


    "Wir brauchen keine Dirigenten und Sänger, die neue Wirkungen entdecken; aber jetzt ist es Mode geworden, auch die Dirigenten zu vergöttern. Einst musste man die Tyrannei der Primadonnen ertragen; jetzt muss man auch noch die Tyrannei der Dirigenten ertragen!" -


    Es ist schon eine merkwürdige Entwicklung - einst sprach man Verdis Otello, dann kam Toscaninis oder Karajans Otello, und jetzt ist es der Otello von Regisseur XYZ. Wäre das schön, wenn man wieder Verdis Otello zu sehen und hören bekäme!


    LG


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • . Für mich ist ein Schöpfer jemand, der etwas Eigenes erschafft, aber nicht jemand, der in den Werken anderer herumpfuscht, wobei ich, wie ober schon gesagt, mit Strichen leben kann, soweit sie die Substanz des Werkes nicht verändern.


    Es wäre nicht das erste Mal, dass hier Interpreten mit Schöpfern gleichgesetzt und die Dreistigkeiten der ersteren mit den absolut opportunen Freiheiten der letzteren auf eine Stufe gestellt werden.

    "Tatsachen sind die wilden Bestien im intellektuellen Gelände." (Oliver Wendell Holmes, 1809-94)

  • Hallo Mme. Cortese, ich wollte mit meinen Aufzählungen, die ich bewusst gewählt habe, lediglich deutlich machen, dass viele Komponisten selbst ein Beispiel dafür gegeben haben, wie man in der Praxis schöpferisch bei der Umsetzungen von musikalischen Werken handeln kann. Schade, dass das nicht deutlich wurde. :(


    Das berühmte Verdi-Zitat würde ich so nicht auf die Gegenwart übertragen. Ich finde, Verdi irrt und widerspricht sich selbst.


    Mehr habe ich zum Thema aber nicht zu sagen, denn ich spüre, dass ein neues Gewitter aufzieht, vor dem ich mich gern in Sicherheit bringen möchte. ;)


    Dir zum Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zit: "...ich spüre, dass ein neues Gewitter aufzieht, vor dem ich mich gern in Sicherheit bringen möchte."

    Wohl hin zu der Katze, - diese da im Avatar, "schwarz mit weißem Schwänzchen"? Ach wie so tief schön und menschlich liest sich eine solch beiläufige Bemerkung in dem ach so sehr ernsten Streit um ein Thema, das einen solchen doch eigentlich gar nicht wert ist.


    Findet ein eifrig mitlesender und interessierter "Besucher" dieses Forums, der - gleichsam ein Relikt aus vergangenen Zeiten - noch über die "Lizenz zum Schreiben" in demselben verfügt und um Nachsicht für diesen belanglosen Kommentar bittet.

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