Werner Egk: Die Verlobung von San Domingo

  • Premiere war heute vor 50 Jahren zur Eröffnung des wieder aufgebauten Münchner Nationaltheaters.



    Die Verlobung in San Domingo,
    Oper in 2 Aufzügen, einem Vor- und einem Zwischenspiel
    von Werner Egk.
    Text vom Komponisten nach Heinrich von Kleists gleichnamiger Erzählung (1811).
    Uraufführung: 27.11.1963 München, Nationaltheater
    mit Evelyn Lear • Margarethe Bence • Hans Günter Nöcker • Fritz Wunderlich • Mino Yahia • Richard Holm • Karl- Christian Kohn,
    Dirig. Werner Egk,
    Regie: Günther Rennert.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Diese fabelhafte Oper ist wahrscheinlich für immer verloren. Damals traf sie nicht den Nerv der Zeit; dann geriet Egk wegen seiner NS-Liebedienerei aufs Abstellgleis - einerseits zurecht, denn er hatte sich seinen Lebenslauf wirklich fast schamlos zurechtgemogelt, andererseits: Wieviele Komponisten seines Kalibers hatte der deutschsprachige Raum?


    Heute könnte man mit etwas Abstand dieses Werk wieder ausprobieren, aber Textzeilen wie "ein fürchterlicher alter Neger" mögen noch so sehr bei Kleist stehen - Egk wird man sie ebenso ankreiden, wie man ihn oder die Produktion des Blackfacing beschuldigen würde.


    Dabei ist diese Oper mit ihrer thrillerhaften Handlung und der packenden Musik ein Knüller, wie ihn sonst eher die US-Amerikaner der Menotti-Richtung liefern. Ein später Nachfahre des Versimo mit aufgeputschter Harmonik, nervöser Rhythmik, in der sich die fiebrige Hitze auf Hispaniola spiegelt. Gleich zu Beginn zieht ein Blues in die Oper hinein, darauf folgt ein zunehmend gesteigertes und am tragischen Höhepunkt zutiefst erschütterndes Werk, wie es die Komponisten des deutschsprachigen Raums, zumal nach 1945, nur selten geschrieben haben. "Die Verlobung in San Domingo" ist konzentriert, kompakt und leidenschaftlich, sie lässt der Zuhörer mit zugeschnürter Kehle zurück und reißt ihm den Applaus aus den Händen - gerade das, was man von einer repertoirefähigen Oper erwartet.

    ...

  • Hallo Edwin,


    wir kennen uns noch nicht wirklich, weil ich erst hier Mitglied wurde, als du schon weg warst. Ich habe natürlich einige deiner früheren Beiträge gelesen, gerade auch die zu Egk, und bin daher überrascht über deinen jetzigen. An Egk und an seiner Oper "Peer Gynt", die ich sehr mag, obwohl ich einsehe, dass man ihr das eine oder andere zu Recht vorwerfen kann, aber finde, dass man sie auf diese Fragwürdigkeiten nicht reduzieren darf und sollte, hattest du ja kein gutes Haar gelassen udn ihr quasi die Aufführungsberechtigung für die Gegenwart abgesprochen. Wenn du jetzt "Die Verlobung in San Domingo" enpfiehlst, nehme ich das gerade deshalb sehr ernst, zumal ich zu Kleist durchaus eine Affinität habe.
    Ich habe diese Oper noch nie gehört und habe sie höchstwahrscheinlich (müsste nochmal alle Festplatten durchstöbern) auch nicht in meiner Sammlung.


    Bei Youtube finde ich nur diesen Schnipsel:



    Mal noch eine andere Frage: Wirst du als Wiener dir denn die Konwitschny-Neuinszenierung von "Peer Gynt" im Theater an der Wien ansehen? Wenn ich in Wien wäre, würde ich reingehen. Ich habe 2015 eine Inszenierung in Braunschweig gesehen, mit der ich freilich nicht ganz glücklich wurde (Einheitsbühnenbild, alles nur drinnen).
    Konwitschny ist ja in der DDR aufgewachsen, und da war Egk eine Hausnummer, wurde hofiert, geschätzt und gespielt. Martin Schüler, der als Jugendlicher "Peer Gynt" in Leipzig gesehen hat und damals begeistert war, hat vor ca. 3 Jahren "Peer Gynt" in Cottbus inszeniert, allen Widerständen zum Trotz und von der Presse durchaus gefeiert. Leider habe ich diese Inszenierung verpasst und fahre vorläufig auch nicht nach Wien, aber wenn ich dort wohnen würde, würde ich mir diese Inszenierung (Konwitschny hat als junger Mann vielelicht dieselbe Leipziger Inszenierung gesehen wie Martin Schüler) im Theater an der Wien auf alle Fälle ansehen. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • "Die Verlobung in San Domingo" ist konzentriert, kompakt und leidenschaftlich, sie lässt der Zuhörer mit zugeschnürter Kehle zurück und reißt ihm den Applaus aus den Händen - gerade das, was man von einer repertoirefähigen Oper erwartet.


    Das hört sich ja sehr vielversprechend an und ist zumindest Anreiz, einmal in die einzige CD-Aufnahme dieser Oper hineinzuhören.


    Ein schneller Blick in operabase offenbart, dass seine Peer Gynt-Oper von 1938 gelegentlich aufgeführt wird (die ich ebensowenig kenne). Jetzt gerade sogar im Theater an der Wien (im fast wörtlichen Sinne, sie lief heute Abend)!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • "Peer Gynt" (gewöhnungsbedürftig, insgesamt aber vorzüglich im Theater an der Wien zu sehen) ist meiner Meinung nach tatsächlich NS-Propaganda. Egk hat die Nationalsozialisten mit antisemitischen Stereotypen ("Zaubergeige"), HJ-Marsch, Weihespiel ("Job, der Deutsche") und Kantate zur "Entartete Musik"-Ausstellung bedient, es wäre ein Wunder, wenn er bei "Peer Gynt" davon frei gewesen wäre. Zumal "Peer Gynt" Hitlers Lieblingsdrama war, und es Historiker gibt, die das Ibsen-Stück für Hitlers Ideologie für wichtiger erachten als die Wagner-Werke. Dementsprechend gibt Egk dem "Führer", was des "Führers" ist - samt NS-Vokabular in den Regieanweisungen.


    Um 1950 vollzieht sich bei Egk aber eine Entwicklung, die ich heute tiefgreifender sehe als vor ein paar Jahren. Dabei interessieren mich weniger die gelegentlichen Zwölftonfelder und Reihenbildungen, die meist Farbwerte bleiben, als die zunehmende Emotionalisierung und zugleich formale Bändigung der Sprache. Das ist in "Irische Legende" zu merken (diese Oper ist besser als ihr Ruf, und wenn man Egk vorwirft, für Engel und Dämonen die gleiche Musik zu schreiben, dann frage ich mich, ob das nicht Absicht gewesen sein könnte: Wie oben, so unten), im "Revisor" (der als brillant gilt, meiner Meinung nach aber mit seinem unspezifischen Dauer-Allegro und der nachdrücklichen Deklamation weniger geglückt ist), in "17 Tage und 4 Minuten" bis auf ein paar glänzende Momente gänzlich daneben gegangen - in "Verlobung in San Domingo" aber auf denkbar hohem Niveau gelungen. Ich stelle an Opern prinzipiell eine Forderung: Sie müssen mir etwas erzählen und mich mit dieser Erzählung so in ihren Bann schlagen, daß ich mich während der Aufführung nicht darum kümmere, wie das "gemacht" ist, wo es stilistisch steht. Das können im 20. Jahrhundert und zB Britten, Orff, Schostakowitsch, Messiaen oder Menotti - und Egk kann es in der "Verlobung" und in weiten Teilen der "Legende".


    Daß gute Komponisten nicht unbedingt noble Charaktere sind, wissen wir auch. Ist es zynisch zu fragen, ob ein guter Komponist mit miesem Charakter für die Musik mehr bringt, oder ein mieser Komponist mit gutem Charakter?

    ...

  • "Peer Gynt" (gewöhnungsbedürftig, insgesamt aber vorzüglich im Theater an der Wien zu sehen) ist meiner Meinung nach tatsächlich NS-Propaganda.

    Ich teile ja absolut die Meinung, dass jede Oper auch ein Kind und Produkt ihrer Zeit ist und dass auch bei "Peer Gynt" (Trollhymne!) deutschnationale oder vielleicht sogar nationalsozialistisch Ideologie eingeflossen ist, aber sie darauf zu reduzieren, finde ich falsch. Ist individuelles Glück am Ende wirklich nationalsozialistische Propaganda. Ging es da nicht eher um DAS Volk und die Gemeinschaft? Am Ende von "Peer Gynt" sind zwei Leute auf der Bühne. Diesen Schluss bekomme ich mit NS-Propaganda nicht zusammen. Für mich ist sowohl das Ibsen-Stück als auch deren Vertonung durch Egk WEIT mehr.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Frau hat auf den Mann zu warten und keine Fragen zu stellen. Der Mann wiederum hat heimzukehren, weil es zu Hause ja doch am schönsten ist. Dazwischen liegen die Prüfungen. Das ist zwar schon bei Ibsen so angelegt, paßt aber so gut ins Gesellschaftsbild der NS-Ideologie, daß der Historiker Steven S. Sage Ibsen (allerdings schwerpunktmäßig mit "Kaiser und Galiläer" (1873), "Ein Volksfeind" (1882) und "Baumeister Solness" (1892). - derstandard.at/2465173/US-Forscher-Hitler-liess-sich-von-Ibsen-inspirieren"Kaiser und Galiläer" (1873), "Ein Volksfeind" (1882) und "Baumeister Solness" (1892). - derstandard.at/2465173/US-Forscher-Hitler-liess-sich-von-Ibsen-inspirieren"Volksfeind", "Kaiser und Galiläer" und "Baumeister Solness") als zentralen Einfluss für Hitlers Denken benennt. "Peer Gynt", der als Prototyp des "nordischen Faust" gilt, war also zweifellos keine zufällige Wahl Egks. Er wird das Stück sicher gemocht haben, aber es hat auch gepaßt.


    Problematisch sehe ich vor allem, daß Egk im "Peer Gynt" den Versuch macht, die vertriebenen, "entarteten" und verbotenen Komponisten zu "ersetzen" und dabei ihre Musik quasi-sprechend einzusetzen. Ich meine: Wenn Egk die Trolle in den Regieanweisungen als "erschreckende Verkörperungen menschlicher Minderwertigkeit" bezeichnet und ihnen dann Jazz-Rhythmen sowie Offenbach-Zitate zuweist, dann ist das kein Zufall. Wie es ja auch bemerkenswert ist, daß Egk, wenn er Peer als Geschäftsmann zeigt, seine Gegenüber genau nach den ideologischen Vorgaben anti-kapitalistisch = anti-amerikanisch ("Bankenjudentum") charakterisiert. Das Thema vom Juden als Kapitalisten hat Egk ja schon in der "Zaubergeige" hinreichend abgehandelt, wenn er, damit es auch ja jeder versteht, dem Geldverleiher Guldensack nachsagt, er sei "unchristlich". In der Zeit wurden die Anspielungen natürlich besser verstanden als aus der heutigen historischen Distanz.


    In den lyrischen Abschnitten bedient sich Egk wiederum der Stile von Korngold, Krenek (in der tonalen Schaffenszeit) und, seltener, Schreker. Somit ist "Peer Gynt" quasi ein nazifizierter Korngold+Krenek+Weill-Verschnitt.


    Daß man den "Peer Gynt" nicht auf die NS-Propaganda allein reduzieren kann, stimmt schon, entspricht aber meiner Meinung nach der These, man solle Beethovens "Wellingtons Sieg" nicht auf die Schlacht bei Waterloo begrenzen.

    ...

  • Die Frau hat auf den Mann zu warten und keine Fragen zu stellen.

    Wer verlangt das von ihr, dass sie warten soll? Niemand. Die große Überraschung fpr Peer ist, dass sie gewartet hat.



    Der Mann wiederum hat heimzukehren, weil es zu Hause ja doch am schönsten ist.

    Dass es zu Hause häufig am schönsten ist, ist auch keine nationalsozialistische Erfindung.



    Dazwischen liegen die Prüfungen.

    Wie so oft im Leben und in vielen Werken, etwa in der hier viel (mal mit mehr und mal mit weniger Niveau) diskutierten "Zauberflöte". Auch keine nationalsozialistische Erfindung.



    "Peer Gynt", der als Prototyp des "nordischen Faust" gilt, war also zweifellos keine zufällige Wahl Egks. Er wird das Stück sicher gemocht haben, aber es hat auch gepaßt.

    Sicher hat er es gemocht und sicher hat es für ihn gepasst. Die Frage ist, ob nur aus den von dir genannten Gründen, oder ob er nicht auch eine Literaturoper schaffen wollte wie so viele andere vor und neben ihm.
    Ibsen jetzt als einen der geistigen Väter Hitlers zu sehen und vielleicht sogar darauf zu reduzieren, das geht mir entschieden zu weit!



    Daß man den "Peer Gynt" nicht auf die NS-Propaganda allein reduzieren kann, stimmt schon, entspricht aber meiner Meinung nach der These, man solle Beethovens "Wellingtons Sieg" nicht auf die Schlacht bei Waterloo begrenzen.

    Diesen Vergleich halte ich nun für völlig unsinnig, es geht wie gesagt um eine Literaturoper, um die Vertonung erstrangiger (oder wird das auch bestritten?) Literatur und um ein Egksches Hauptwerk. "Wellingtons Sieg" kann man nun wirklich nicht als ein Beethovensches Hauptwerk ansehen. Man kann getrost den Mantel des Schweigens oder des Vergessens darüber ausbreiten, ohne das dem Beethovenschen Gesamtwerk eine entscheidende Seite abhanden kommen würde, denn diese Ideenwelt findet sich ja - weit besser verwirklicht - auch in einigen Sinfonien wieder.


    Aber ich merke schon, bezüglich "Peer Gynt" kommen wir zwei auf keinen gemeinsamen Nenner mehr, da hast du deine vor Jahren hier geäßerte Meinung nicht wirklich geändert, auch nicht nach der gesehenen(?) Aufführung im Theater an der Wien. Wie viel großartige Musik (jenseits der von dir auch zu Recht kritisierten Stellen) hat diese Oper, wie eindrücklich ist dort die Zerrissenheit des Titelhelden in Töne gefasst. Du schriebst damals, die Oper enthalte überhaupt keine wertvolle Musik, was ich absolut anders sehe. Offenbar hat sich an unserer gegenteiligen Auffassung dazu nichts geändert. Das wollte ich nur wissen, weil ich das nach deinem Plädoyer für die "Verlobung" gestern abend für möglich hielt. Es ist aber nicht so. Egal...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Diesen Vergleich halte ich nun für völlig unsinnig, es geht wie gesagt um eine Literaturoper, um die Vertonung erstrangiger (oder wird das auch bestritten?) Literatur und um ein Egksches Hauptwerk. "Wellingtons Sieg" kann man nun wirklich nicht als ein Beethovensches Hauptwerk ansehen. Man kann getrost den Mantel des Schweigens oder des Vergessens darüber ausbreiten, ohne das dem Beethovenschen Gesamtwerk eine entscheidende Seite abhanden kommen würde, denn diese Ideenwelt findet sich ja - weit besser verwirklicht - auch in einigen Sinfonien wieder.

    Das finde jetzt ich spannend - da zu Beethovens Lebenszeiten Wellingtons Sieg als Hauptwerk galt und die mit-aufgeführte Sinfonie als Programmfüller. Nun ist Egk noch nicht so lange tot und es ist sehr ruhig um sein Werk geworden. Ich habe ja den Eindruck gehabt, dass als Hauptwerk nicht Peer Gynt sondern der Revisor gilt.

  • Das finde jetzt ich spannend - da zu Beethovens Lebenszeiten Wellingtons Sieg als Hauptwerk galt und die mit-aufgeführte Sinfonie als Programmfüller. Nun ist Egk noch nicht so lange tot und es ist sehr ruhig um sein Werk geworden. Ich habe ja den Eindruck gehabt, dass als Hauptwerk nicht Peer Gynt sondern der Revisor gilt.

    Und warum wird dann über alle (zumindest in Cottbus, Braunschweig und Wien) "Peer Gynt" und nicht "Revisor" gespielt? Und das, obwohl "Revisor" viel "unverfänglicher" ist? Woe wird denn überhauüt Egks "Revisor" gespielt?


    Ich glaube auch nicht, dass "Wellingtons Sieg" wirklich als ein Hauptwerk Beethovens betrachtet wurde, sondern als ein besonderer "Event" - der danach aber auc h relativ shcnell wieder vergessen war und heute kaum noch aufgeführt wird, im Gegensatz zu den Sinfonien, Klavierkonzerten etc.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Ob Hauptwerk oder nicht, ist egal. Der "Marsch der deutschen Jugend" ist ebensowenig ein Hauptwerk wie "Job, der Deutsche" - dennoch sind diese Werke Egks für seine Einstellung (Interpretation von NS-Karrierist bis überzeugter Vollnazi - findet man in der Literatur alles) bezeichnend.


    Daß die Frau auf den Mann warten soll, verlangt ihr "nordisches Wesen" - just so ist das Familienbild des NS-Regimes: Die Frau dient dem Mann und wartet auf ihn, während der Mann seiner Wege geht.


    Daß es zu Hause am schönsten ist, ist keine NS-Erfindung, gewiß nicht. Aber wenn man von den "Verkörperungen der menschlichen Minderwertigkeit" verführt wird, sich mit US-Kapitalisten einzulassen, hinter denen jeder Zeitgenosse das "jüdische Kapital" erkannt hat, und DIES als Prüfung verstanden wird (und nicht Verschwiegenheits, Standhaftigkeits- und sonstige Proben) kriegt das ein gewisses Geschmäckle.


    Niemand REDUZIERT Ibsen auf den geistigen Vater Hitlers. Steven S. Sage sieht allerdings Parallelen - und daß Ibsen sehr hoch im Kurs stand, ist unbestreitbar. Egks Stoffwahlen waren immer historisch instinktsicher: die antisemitische "Zaubergeige" und der propagandistische "Peer Gynt" für die NS-Zeit, das Himmel-Hölle-Spiel der "Irischen Legende" für "Jedermann"-Salzburg, der russische "Revisor" für die Tauwetter-Periode, die "Verlobung" für die Zeit der Rassenunruhen.


    Natürlich kann man die Details des Egk-"Peer Gynt" solange mit anderen, unverdächtigen Werken vergleichen, aber der Zusammenhang macht die Propaganda aus. Hitler verstand und gratulierte Egk mit Handschlag. Goebbels notierte in seinem Tagebuch: "Ich bin ganz begeistert und der Führer auch. Eine Neuentdeckung für uns beide."


    "Der Revisor" taucht durchaus ab und zu auf, nur sagt das nichts aus. Theoretisch kann ein Hauptwerk unerkannt bleiben oder wenig gespielt werden (etwa Hindemiths "Harmonie der Welt" oder Henzes "König Hirsch") - nur hat ja den "Revisor" ohnedies niemand als Hauptwerk Egks bezeichnet. Seine Hauptwerke für die Bühne sind für mich "Legende", "Verlobung" und das "Abraxas"-Ballett - aber das sind natürlich subjektive Wertungen.


    Der Thread läuft allerdings unter "Verlobung in San Domingo" - sollte man den "Peer Gynt" nicht lieber gesondert diskutieren?

    ...

  • Ist er ja schon. Nur hat das weitere Diskutieren ja keinen Sinn, weil du deine strikte Meinung dazu in keinster Weise geändert hast und auch nicht ändern wirst. ALLES läuft bei dir auf die NS-Ideologie hinaus, und das finde ich grundfalsch. Ibsen ist weit wichtiger als nur als Anknüpfungspunkt für Hitler, wenn es diesen denn wirklich so gegeben hat (Bei Wagner, wo dieser weit deutlicher war, pflegt man doch darauf hinzuweisen, dass sich der Tote nicht mehr gegen seine Vereinnahmung durch Hitler wehren konnte.)
    Dass Egks Veroperung des bekannten Ibsen-Stückes natürlich auch zeitspezifisch ist, ist doch völlig klar, aber alles auf eine Anbiederung an Hitler zu deuten und die lobenden Reaktionen der NS-Granden über eine offenbar durchaus gelungene zeitgenössische Oper (wäre sie völlig missraten, würde sie heute nicht mehr aufgeführt werden, und das wird sie in Moment relativ häufig) nun auch noch als Keule gegen das Werk zu missbrauchen, finde ich eigentlich unsäglich und breche die Diskussion darüber an dieser Stelle ab, weil ich merke, dass das keinen Sinn hat.


    (Zur Wiener Aufführung hast du dich ja nicht wirklich geäußert, auch nicht dazu, ob du sie überhaupt gesehen hast oder nicht.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Dass Egks Veroperung des bekannten Ibsen-Stückes natürlich auch zeitspezifisch ist, ist doch völlig klar, aber alles auf eine Anbiederung an Hitler zu deuten und die lobenden Reaktionen der NS-Granden über eine offenbar durchaus gelungene zeitgenössische Oper (wäre sie völlig missraten, würde sie heute nicht mehr aufgeführt werden, und das wird sie in Moment relativ häufig) nun auch noch als Keule gegen das Werk zu missbrauchen, finde ich eigentlich unsäglich und breche die Diskussion darüber an dieser Stelle ab, weil ich merke, dass das keinen Sinn hat.


    Lieber Stimmenliebhaber, lieber Edwin Baumgartner!


    Die Musik dieser Oper ist ja ein bunter Stil- und Modenmix, der eigentlich so gar nicht nach Hitlers Geschmack sein konnte: sie ist doch ganz heterogen: da ist vieles jazzig angehaucht, manches klingt nach Revue gar schrill und oberflächlich, es werden Tänze wie Charleston und Tango gespielt, gelegentlich klingt es gar nach Kurt Weill und nach nüchterner Sachlichkeit, sogar expressionistische Anklänge gibt es - und der Schluß ist dann wieder unsäglich sentimental. Ob das die Musik war, die "alle Volksgenossen als innere Erhebung, Beglückung und Bereicherung" empfinden sollten, scheint mir fraglich. Das Werk ist zwar durchkomponiert aber letztlich doch ein Kaleidoskop grundverschiedener Nummern. Sollte das eine Anbiederung an Hitlers Ideal sein?
    Schwer zu entscheiden.


    Aber darüber nachzudenken, warum heute das Werk wieder ausgegraben wird, wäre schon interessant. Vielleicht solltet Ihr die Diskussion doch noch nicht abbrechen!


    Ich habe in den 50er und frühen 60er Jahren in der Städtischen Oper Berlin und in der Bayrischen Staatsoper München reichlich Egk-Opern und Ballette gehört: Zaubergeige, Abraxas, Irische Legende, Revisor, Joan von Zarissa, Verlobung in San Domingo und eben auch Peer Gynt.
    Als die Werke von den Bühnen nicht mehr so häufig gespielt wurden, hat mir eigentlich nichts gefehlt. Als Sawallisch Anfang der 80er Jahre Peer Gynt wieder auf die Bühne brachte, bin ich nicht mal reingegangen. (Lag vielleicht auch an der Besetzung!). Zu der Zeit hatte ich gerade begonnen, Schrecker und Zemlinsky zu entdecken, die ich entschieden lohnender fand. Aber - wie gesagt - es wäre interessant zu diskutieren, warum jetzt ein Werk wie Egks Peer Gynt wieder an verschiedenen Bühnen gespielt wird.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • (Zur Wiener Aufführung hast du dich ja nicht wirklich geäußert, auch nicht dazu, ob du sie überhaupt gesehen hast oder nicht.)


    Zwar richtete sich das an Edwin, trotzdem will ich mich kurz äußern, weil ich die Neuproduktion des Theaters an der Wien gesehen habe.


    Kurzum: grandioser Gesamteindruck. Wäre ich böse, würde ich jetzt schreiben: trotz Peter Konwitschny. Aber ganz ehrlich: großartige Inszenierung (das ich sowas hier nochmal über P. K. schreiben würde?). Konwitschny ist der NS-Bezug zu billig, er lässt das alles außen vor und dringt m. E. zurecht zum eigentlichen Kern der Oper vor: der Kritik am Kapitalismus. Das ist heute so aktuell wie in den 30er Jahren. Die Produktion lebt von den zwei (oder besser: drei) Hauptprotagonisten: Bo Skovhus in der Titelrolle und Maria Bengtsson in der Doppelrolle als Solveig und Rothaarige. Sie lassen sogar die eigentlich sehr adäquate Besetzung der von Werner Egk noch selbst autorisierten einzigen erhältlichen Gesamtaufnahme unter Wallberg (Orfeo, 1981) hinter sich.


    Zum Werk kurz: Gefiel mir schon in der alten Einspielung, live sogar noch besser. Keine Längen, jedes Bild für sich eine Einheit. Eigentlich eine Oper, die öfter gespielt werden sollte. Vielleicht bewirkt die Wiener Inszenierung ja den Dammbruch. Die Zukunft wird's zeigen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II.,


    herzlichen Dank für deine Schilderung!

    Kurzum: grandioser Gesamteindruck.

    Das lese ich gerne!

    und dringt m. E. zurecht zum eigentlichen Kern der Oper vor: der Kritik am Kapitalismus.

    Ganz meine Meinung! Das ist der Kern schon bei Ibsen und dem wird Egk auch gerecht. Und wer Egk und sogar Ibsen auch Nationalismus oder gar Nationalsozialismus reduzieren möchte, möchte meines Erachtens genau von diesem Kern ablenken!

    Maria Bengtsson in der Doppelrolle als Solveig und Rothaarige.

    Wirklich? Interessant! Hat es eine solche Doppelbesetzung schon einmal gegeben? Ich denke nicht. Ist ja wie Elisabeth und Venus...

    Zum Werk kurz: Gefiel mir schon in der alten Einspielung, live sogar noch besser.

    Mir gefällt das Werk auch sehr. Nicht durchgängig, die Kritik an der ersten Trollszene kann ich schon gut verstehen, die erste Hälfte wirkt für mich weit heterogener als die zweite, aber eigentlich alles ab den drei schwarzen Vögel ist doch traumhaft, die zweite Trollszene ungemein bezwingend eingebettet zwischen dem grandiosen Nachspiel nach der Szene mit dem Herrn und der Finalszene, großartige Musik!

    Keine Längen, jedes Bild für sich eine Einheit.

    Gehe ich wie gesagt nicht ganz mit, aber im Großen udn ganzen, insbesondere Teil II der Oper, schon.


    Hoffen wir, dass uns diese Oper mit ihrer teilweise wirklich so wunderbaren Musik trotz ihres (nicht zu Unrecht den Entstehungsumständen geschuldeten) schlechten Rufs erhalten bleibt. Die Aufführungen in Cottbus, Braunschweig und jetz tin Wien sind da in der Tat ermutigend. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die Musik dieser Oper ist ja ein bunter Stil- und Modenmix, der eigentlich so gar nicht nach Hitlers Geschmack sein konnte: sie ist doch ganz heterogen: da ist vieles jazzig angehaucht, manches klingt nach Revue gar schrill und oberflächlich, es werden Tänze wie Charleston und Tango gespielt, gelegentlich klingt es gar nach Kurt Weill und nach nüchterner Sachlichkeit, sogar expressionistische Anklänge gibt es - und der Schluß ist dann wieder unsäglich sentimental. Ob das die Musik war, die "alle Volksgenossen als innere Erhebung, Beglückung und Bereicherung" empfinden sollten, scheint mir fraglich.


    Ganz ehrlich: Solche Diskussionen sind mühsam, und wenn die Argumente ausgehen, dann wird ad personam diskutiert statt über das Werk - nicht bei Dir, sondern zB beim "Stimmenliebhaber".
    Tatsache ist, ich weiß nicht, wie oft ich das noch schreiben muß, daß Hitler höchstpersönlich Egk mit Handschlag gratulierte (nachgewiesen und von Egk selbst in "Die Zeit wartet nicht" berichtet), und in Goebbels' Tagebuch kann man nachlesen, wie begeistert "Führer" und Propagandaminister von dem Werk waren.
    Nun: Warum wird wohl der (weder dumme noch ungebildete) PROPAGANDAminister von einem Werk begeistert sein? Weil er es für nützlich im Sinne der Ideologie halten könnte?
    Ebenso nochmals: Wenn "Verkörperungen menschlicher Minderwertigkeit" (Egks Regieanweisung) von einem Komponisten, der für die "Entartete Musik"-Schau eine Festkantate geschrieben hat, genau die Musik zugewiesen wird, die in besagter Ausstellung angeprangert wird, dann weiß zumindest ich, was ich ideologisch davon zu halten habe.
    Daß diese Oper in weiten Teilen gut komponiert ist, leugne ich gar nicht. Es gibt auch hervorragend komponierte Lenin-Kantaten von Sowjetkomponisten. Aber sowenig, wie ich bei den sowjetischen Propagandawerken die sowjetische Propaganda weglassen kann, kann ich bei einer Oper, die zumindest in einzelnen Szenen NS-Propaganda betreibt, die NS-Propaganda weglassen.


    ---


    Zitat

    Stimmenliebhaber
    weil du deine strikte Meinung dazu in keinster Weise geändert hast und auch nicht ändern wirst.


    Richtig. Ich ändere meine Meinung, wenn man mir überzeugend erklären kann, daß es nichts mit Nationalsozialismus zu tun hat, wenn "Verkörperungen menschlicher Minderwertigkeit" "verjudete" und "entartete Musik" zugewiesen wird.


    Zitat

    Stimmenliebhaber
    breche die Diskussion darüber an dieser Stelle ab.


    Wie schade. :angel:

    ...

  • Als Sawallisch Anfang der 80er Jahre Peer Gynt wieder auf die Bühne brachte, bin ich nicht mal reingegangen.


    Ich schon - ich bin sogar von Wien nach München gefahren und hatte das Glück, die Aufführung zweimal sehen zu können. Die Regie besorgte damals Kurt Horres. Ich erinnere mich gut an einzelne Szenen - Haupteindruck: Glänzendes Schwarz auf der Bühne. Das Werk beeindruckte mich beide Male sehr - und einzelne Bilder halte ich nach wie vor für außerordentlich gut gelungen, etwa die beiden letzten Bilder, aber auch Einzelheiten wie der Peer-Monolog im ersten Bild des Ersten Aktes.
    Dennoch halte ich den "Peer Gynt" insgesamt für weniger geschlossen als die "Irische Legende" oder eben die "Verlobung in San Domingo", der wir uns langsam wieder zuwenden könnte.
    Apropos: Von der "Verlobung" gibt es eine Fernsehverfilmung, die ich ein einziges Mal gesehen habe, und die mir einen extrem starken Eindruck hinterließ. Weiß jemand zufällig, ob und wo die aufzutreiben ist?

    ...

  • Tatsache ist, ich weiß nicht, wie oft ich das noch schreiben muß, daß Hitler höchstpersönlich Egk mit Handschlag gratulierte (nachgewiesen und von Egk selbst in "Die Zeit wartet nicht" berichtet), und in Goebbels' Tagebuch kann man nachlesen, wie begeistert "Führer" und Propagandaminister von dem Werk waren.

    Es bringt ja nichts, das immer und immer wieder zu wiederholen, weil das über die Qualität des Werks rein gar nichts aussagt, ebenso wenig, ob irgendein König, Kaiser oder Zar Verdi nach der Aufführung einer seiner Opern gratuliert hat oder nicht, mit Handschlag oder ohne. Dass das Werk ihm nicht ungelegen kam, ist ja unbestritten, aber auch das allein reicht nicht aus, um es wirklich erschöpfend beurteilen zu können.



    Nun: Warum wird wohl der (weder dumme noch ungebildete) PROPAGANDAminister von einem Werk begeistert sein? Weil er es für nützlich im Sinne der Ideologie halten könnte?

    Vielleicht. Vielleicht aber auch, weil er - als weder dumm noch ungebildet - einfach erkannte, was für eine gelungene Oper da unter all den zeitgenössischen Werken, die eben nicht mehr als nur Propagandawerke waren, dabei war?



    Daß diese Oper in weiten Teilen gut komponiert ist, leugne ich gar nicht.

    Ach?! Na, immerhin! Da lese ich zwar zum ersten Mal von dir (bzw. das las sich in deinen hiesigen Beiträgen vor einigen Jahren noch ganz anders: kein einziger Takt sei wertvoll oder originell usw.), aber ich lese es gerne, dann sind wir hier ja meinungsmäßig gar nicht so weit auseinander. ;)



    Es gibt auch hervorragend komponierte Lenin-Kantaten von Sowjetkomponisten. Aber sowenig, wie ich bei den sowjetischen Propagandawerken die sowjetische Propaganda weglassen kann, kann ich bei einer Oper, die zumindest in einzelnen Szenen NS-Propaganda betreibt, die NS-Propaganda weglassen.

    Dann müsste man mal generell über Propaganda einerseits und über (beauftragte) Musik und ihre Funktion andererseits diskutieren. Wie viel "Propaganda" steckt in Werken von Beethoven, von Wagner, von Verdi? Wie sieht es mit geistlicher "Propaganda" in geistlichen Werken aus?




    Ich finde es problematisch und gefährlich, mit welcher Unerbittlichkeit du hier Werke pauschal verdammst, die deinem Weltbild nicht entsprechen. Das haben die Nazis nämlich auch gemacht und Werke, die ihnen nicht in den Kram passten, mit Aufführungsverboten belegt.
    Ich leugne nicht, dass Egks "Peer Gynt" ein problematisches Werk ist und ein Propagandafaktor darin vorkommt, und doch empfinde ich die Oper gleichzeitig(!) auch als eine bemerkenswert gelungene Vertonug des Ibsen-Dramas - das schließt sich in meinen Augen und Ohren eben nicht aus, und man sollte meines Erachtens beim Umgang mit dem kulturellen Erbe eine solche gleichzeitigkeit von Gelungenem und Problematischem auch aushalten und nicht das Gelungene zusammen mit dem Probematischen in den Giftschrank sperren. Insofern finde ich es ganz wunderbar, dass sich Martin Schüler in Cottbus, Dietrich Hilsdorf in Braunschweig und Peter Konwitschny jetzt in Wien nicht an deine Empfehlung halten, das Stück nicht mehr zu spielen, sondern es aufführen und somit zur Diskussion stellen- und dann kann und soll man ja auch gerne über die problematischen Seiten dieses Werkes diskutieren. Aber von einer Generalverdammnis halte ich in diesem Falle gar nichts, dafür ist das Stück viel zu gut - oder glaubst du ernsthaft, "Joseph II." wäre von der erlebten Aufführung so begeistert gewesen, wenn die Oper nur ein künstlerisch wertloses NS-Propagandawerk wäre? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Man sollte sich eben hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten, selbst wenn das Wasser verunreinigt ist!


    P.S.: Meine Frage, ob du die Konwitschny-Inszenierung gesehen hast, hast du ürbigens immer noch nicht beantwortet. Ich weise nur noch einmal darauf hin, weil du mir in deinem letzten Beitrag ja "Unredlichkeit" in der Diskussion unterstellt hast...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"