Aufnahmen des 21. Jahrhunderts - Robert SCHUMANN: Sinfonie Nr. 1 in B-Dur op. 38 "Frühlingssinfonie"

  • Zumindest ein halbes Dutzend von Neuaufnahmen seit 2000 gibt es von Schumanns Sinfonie Nr 1 "Frühlingssinfonie" am Markt. Welche davon kann sich mit jenen der großen Dirigenten der Vergangenheit messen - welche übertrifft sie vielleicht sogar? Diese Frage ist es, die in diesem Thread beantwortet werden soll. Aber auch allgemeines Desinteresse an diesen Aufnahmen darf hier bekundet werden.


    Es wird ja stets kritisiert, daß wir den Interpreten der Vergangenheit nachtrauern und diejenigen der Gegenwart negieren.....


    mfg aus Wien
    Alfred




    Hier der "alte" Thread zu Schumanns 1. Sinfonie
    SCHUMANN Robert: Sinfonie Nr. 1 in B-Dur op. 38 "Frühlingssymphonie"


    SINFAU21J

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es fällt mir schwer, unter denen neuen Aufnahmen eine zu finden, die sich mit den Einspielungen aus der Vergangenheit messen lassen wird können. Obwohl an neuen Sichtweisen grundsätzlich interessiert, sehe ich mich in einem Dilemma. Mein stärkster Eindruck von dieser Sinfonie stammt aus einem Live-Konzert der Wiener Philharmoniker mit dem späten Bernstein. Allein der Beginn, dieser rasante Aufbruch im Blech und diese rauschhafte Entladung im ganzen Orchester. Wie werde ich das wohl vergessen können? Es ist immer da, wenn ich zu einer neuen Einspielung greife. Am liebsten höre ich das Stück also in der Erinnerung, wo es sich mit Bernstein so fest eingegraben hat. Da kommt nicht einmal die CD-Produktion gegen an, die frühe wie die späte. Dabei halte ich Bernstein nicht einmal für den besten und genauesten Interpreten. Mit den Details hatte er es manchmal nicht so. Er konnte aber mitreißen, dass zumindest mir der Eindruck entstand: So und nicht anders. Das ist sehr subjektiv und ungerecht gegen andere Dirigenten - ich weiß. Für mich ist also alles gesagt und gespielt zu Schumanns sinfonischem Erstling. Junge Menschen werden sich dem Werk gewiss nicht so belastet nähern. Denn ein sehr starker Eindruck kann sich wirklich belastend auswirken in dem Sinne, das der Zugang zu Neuem versperrt bleibt, wenigstens aber erschwert wird.


    Sehr bemerkenswert finde ich, dass Riccardo Chailly mit dem Gewandhausorchester zur Bearbeitung aller Schumann-Sinfonien durch Gustav Mahler gegriffen hat. Die Einspielungen entstanden zwischen 2006 und 2007, also im 21. Jahrhundert und wurden im Forum angekündigt, so dass ich sie mir gleich besorgte (Danke! :) ). Sie sind eine Bereicherung, wenngleich manches fremd klingt. Noch habe ich gerade mal die Erste flüchtig gehört. Der geliebte Beginn klingt etwas streng und gezügelt. Mahler ist sehr diskret in seiner Bearbeitung. Man spür den großen Respekt vor Schumann. Der Namen Chailly war ja auch schon im Parallel-Thread zur 1. Sinfonie von Brahms gefallen, teleton hat mich dort mit seinen Ausführungen sehr überzeugt. Das Andante der 3. Sinfonie wird von Chailly sogar in der Originalfassung geboten. Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Die Hinwendung zu den verschiedenen Fassungen und Bearbeitungen ist nach meinem Dafürhalten eine sehr notwendige und dankbare Aufgabe, um für das sinfonische Kernrepertoire neue Sichten zu finden. Das wäre auch bei Bruckner dringend geboten. Eine Aufgabe für das 21. Jahrhundert durch und durch.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    bezüglich Bernstein teile ich deine Begeisterung für Schumann Sinfonie Nr.1 (und auch Nr.2 - 4) voll.


    Die einzige Neuaufnahme aus dem 21.Jhd , die mir 2008 zu teil wurde, war auch mit zunächst grossem Interesse die Chailly-Aufnahme in der Mahler-Bearbeitung.
    Diese Aufnahmen haben mich aber in ihrer Unnatürlichkeit so verärgert, dass ich mich alsbald wieder von dieser "Mahler-Verstümmlung" getrennt habe - so etwas kann ich in meiner geschätzten Schumann-Sammlung nicht gebrauchen. Die Eingriffe empfinde ich als äusserst immens und kann Deine Worte von "Mahler ist sehr diskret in seiner Bearbeitung" überhaupt nicht teilen.


    Hier meine Verärgerung vom Februar 2008:


    8-) Damit hat sich das 21.Jhd in Bezug auf Schumann für mich erst einmal erledigt - es sei denn mir nenne jemand eine Neuaufnahme, die es in sich hat ( ;) aber bitte auch hier = Bitte kein HIP !).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kenne die Mahler-Bearbeitungen der Schumann-Symphonien ebenfalls in den Aufnahmen von Chailly und finde sie sehr gelungen. Man sollte betonen, dass sie ausdrücklich in der "Mahler-Edition" erschienen sind. Vergleiche mit den "normalen" Schumann-Symphonien sind insofern ungerecht. Zudem sollte man bedenken, dass auch andere Dirigenten eigenwillig an der Orchestrierung gefeilt haben (ich glaube sogar Szell). Wer die Mahler-Bearbeitungen kennenlernen will, ist mit Chailly sehr gut bedient. Das Orchesterspiel ist exzellent, die spätromantischen Veränderungen gefallen zumindest mir tlw. sogar außerordentlich gut.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich schließe mich denen an, die Mahlers Orchestrierung sehr gelungen finden. Mahler hat sich sehr bewußt überlegt, was er tat. Mit der Ästhetik, die dahinter steht, müßte man sich eingehender beschäftigen. Bei der 1. Symphonie ist zudem bemerkenswert, daß Mahler Schumanns ursprüngliche Intention wiederhergestellt hat, was die Hornpassage angeht (siehe Klappentext der CD, Aufnahme von Chailly). Weil diese so, wie Schumann es ursprünglich wollte, auf Naturhörnern nicht spielbar war, setzte sie Schumann auf Vorschlag Mendelssohns eine Terz höher. Mahler, der moderne Ventilhörner zur Verfügung hatte, setzte sie schließlich wieder zurück. Allein daran sieht man, daß es Mahler darum ging, Schumanns Intentionen sehr genau bzw. besser umzusetzen, als er es selber vermochte.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Reinhard

    Hat den Titel des Themas von „Aufnahmen des 21. Jahrhunderts - - Robert SCHUMANN: Sinfonie Nr. 1 in B-Dur op. 38 "Frühlingssinfonie"“ zu „Aufnahmen des 21. Jahrhunderts - Robert SCHUMANN: Sinfonie Nr. 1 in B-Dur op. 38 "Frühlingssinfonie"“ geändert.