Haydn, Joseph: Die Tageszeiten - Sinfonie Nr.6-8 "Le Matin" "Le Midi" "Le Soir"

  • Liebe Forianer


    Als ich diese Forum vor etwas über einem Jahr eröffnete war das Thema Haydn hier schwer unterzubringen. Das hat sich glücklicherweise inzwischen geändert. Ob es daran liegt, daß neue Foruianer dazukamen oder, daß es dem Häuflein der hier vertretenen Haydn-Bewunderer gelungen ist, die Flamme der Begeisterung weiterzugeben -ich weiß es nicht- und letztlich ist es auch belanglos.


    Hätte Haydn nur 5 oder sechs Sinfonien geschrieben - man würde diese wie Schätz hüten und täglich bedauern, daß er nicht mehr geschrieben hat. Bei 104 (105) Werken dieses Genres jedoch, neigen viele dazu, Haydn als "Vielschreiber" abzutun, als sympathischen, aber nicht mitreissenden Komponisten, den man ikennen sollte - aber nicht hören muß. Dazu mag vielleicht auch Robert Schumanns unqualifizierte Aussage aus dem Jahre 1841 beigetragen haben:


    Zitat

    "Man kann nichts neues mehr von ihm erfahren; er ist wie ein gewohnter Hausfreund, der gerne und achtungsvoll empfangen wird: tieferes Interesse aber hat er für die Jetztzeit nicht mehr."


    Welche Unkenntnis dich hinter dieser Aussage verbirgt, sollte jedem klar werden, der sich ernstlich mit Haydn auseinandersetzt.


    Heute habe ich die Sinfonien Nr 6- 8 Im Visier , eine Dreiergruppe aus Haydns Frühwerk (1761) , welche drei der der vier Tageszeiten (die Nacht fehlt) beschreiben sollen. Der Titel "Die Tageszeiten" ist nicht authorisiert, hat sich aber bis heut gehalten. Die Idee zu diesem
    (unvollendeten ?) Zaklus soll angeblich auf Füst Paul Esterhazy, Hadns Dienstherrn, persönlich zurückgehen.


    Die Einleitung der Nr 6 (Morgen) wird im allgemeinen als Sonnenaufgang gedeutet, aber das ist IMO nicht von Bedeutung. Bewundernswert das Wechselspiel von Flöten und Hörnern - oder die Solo Violine im 2. Satz: Ein Ohrwurm par excellence.


    Überhaupt zählt diese Sinfoniengruppe zu meinen Lieblingen: Abwechslungsreich, eingängige Themen, Soloeinlagen und Überraschungseffekte zeichnen diese Werke aus - mir bedeuten sie ebnsoviel wie die späten "Londoner Sinfonien"


    Ich kann jedem, der an Haydn auch nur das geringste Interesse zeigt und diese Sinfonien noch nicht in seiner Sammlung hat, nur raten sich diese Werke (stets auf einer CD zusammengefasst) zuzulegen.


    Spielfreude und Experimentierfreude pur - ein Haydsnpaß


    Nun- welche CDs sind da zu empfehlen ?
    Haydns Musik ist IMO nicht sehr robust was die Interpretation angeht:
    Routiniert, aber lieblos gespielt, verlieren Haydns Werke zumeist viel von ihrem Zauber, daher sollte man hier kritisch auswählen.
    Andereseits gibt es etliche gute Aufnahmen zur Auswahl - da gibt es kenen Mangel (solange man nicht auf einer Gesamtaufnahme besteht)


    Ach ja - Die Empfehlungen, da überlasse ich gerne anderen Haydn-Kennern den Vortritt, damit es hier kein Ein-Mann-Thread wird. :baeh01:


    Ich selbst werde mich hier bald wieder zu Wort melden


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Bei 104 (105)


    Salut,


    laut Hoboken 108, ich weiß allerdings nicht, wie aktuell dies ist und ob ggfs. concertanti, die m. M. nach eher zu den Konzerten gehören, bei dieser Zählung mitgezählt wurden.


    Ich kann mich Alfreds Empfehlung nur anschließen und bevorzuge selbst die Einspielungen von Antal Dorati.


    salutatio giocoso
    Ulrico

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    Hoboken verzeichnet nach 104:


    HobV 1:105 Sinfonia concertante B-dur für V, Vc, Ob, Fg, Orchester op.84
    HobV 1:106 D-dur Ouvertüre zu 28:4
    HobV 1:107 Sinfonie 'A' B-dur
    HobV 1:108 Sinfonie 'B' B-dur


    Nicht zu diesem Thema, aber trotzdem interessant ist, dass Hoboken Nr. 96 mit "ehemals 'Miracle'" tituliert.


    Demnächst läuft bei mir die Sinfonie Nr. 8 1/2 "La nuit"


    Müde Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Die sogenannten späten "Londoner" Sionfonien Haydns vermochten mich bis heute nicht so zu begeistern, wie etwa seine sogen. "Sturm-und Drang-Sinfonien" aus den 1770ger Jahren oder die noch früher entstandenen "Tageszeiten-Sinfonien", die durchaus schon die wesentlichen Elemente der Klassik einerseits aber andreseits auch noch genügend "Barockes" retrospektiv in sich vereinen:
    Also genau DAS ist Musik so recht nach meinem Geschmack.


    Meine Aufnahme der Werke mit "The English Concert" unter Trevor Pinnock aus den 80gern wurd offenbar schon vor Ewigkeiten aus dem Katalog entsorgt. Schade drum, denn es handelt sich hierbei um eine Referenzeinspielung, die bisheute nichts von ihrer Qualität eingebüsst hat: brilliantes Spiel und ein wundervoller Klang - das ist einfach Freude pur ! Meine 2. Einspielung der Werke mit dem "Freiburger Barockorchester" hat auch ihre Meriten und sie ist (im Gegensatz zur Rferenzeinspielung!) lieferbar. Also um die schönen Werke kennenzulernen, würde ich zu dieser Einspielung raten !


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich höre gerade diese ungemein spannende und packende Einspielung von Haydns Tagzeiten-Sinfonien mit dem Concentus musicus unter Leitung von Nikolaus Harnoncourt. Besonders schön kommt IMO ein gewisser konzertanter Charakter dieser Sinfonien zum Ausdruck.



    Mit freundlichen Grüßen, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

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  • Ist euch eigentlich auch aufgefallen, dass es in allen 3 "Tageszeiten-Sinfonien" im jeweils 3. Satz im Trio ein Kontrabass-Solo gibt?


    (Ich hoffe jetzt mal, dass es wirklich der Kontrabass ist.)


    Das macht für mich einer der Reize aus...



    Thomas Deck

  • Zitat

    Original von thdeck
    Ist euch eigentlich auch aufgefallen, dass es in allen 3 "Tageszeiten-Sinfonien" im jeweils 3. Satz im Trio ein Kontrabass-Solo gibt?


    (Ich hoffe jetzt mal, dass es wirklich der Kontrabass ist.)


    Das macht für mich einen der Reize aus...


    Gerade die Nr. 7 (Le Midi) gehört. Interessant auch der 2. Satz im Stil eines "Rezitativ und Arie". Daraus hätte Haydn glatt eine echte Arie machen können...


    Im Trio des Menuettes hat in der Tat der Kontrabass ein Solo. Das kommt in der klassischen Musik (auch sonst bei Haydn) eher selten vor, oder?



    Thomas Deck

  • Zitat

    Original von thdeck


    Im Trio des Menuettes hat in der Tat der Kontrabass ein Solo. Das kommt in der klassischen Musik (auch sonst bei Haydn) eher selten vor, oder?


    Gewiß eher selten (ist halt kein so geeignetes Instrument...), aber wenn ich es jetzt nicht mit einer der Tageszeiten verwechsle, kommt irgendwo in der "Hornsignal" (vermutl. in den Variationen) ebenfalls eins vor. Und im "Abschiedsteil" der gleichnamigen Sinfonie #45.
    Weiter berühmte Bass-Stellen: das "Rezitativ" im Finale von Beethovnes 9. und eine wohl dran anlehnende Passage im langsamen Satz der Sinfonie Fantastique.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • In der Sinfonie Nr. 31 "Mit dem Hornsignal" ist die siebte und letzte Variation des Finales ein Solo für den Kontrabaß. Haydn hat diese eher ungewöhnliche Variation für den sehr begabten Musiker Johann Georg Schwanda geschrieben. Diese Sinfonie stammt aus dem Jahr 1765.


    ?(Vielleicht war Schwanda auch schon vier Jahre vorher in Haydns Orchester, als die Tageszeiten-Sinfonien geschrieben wurden. Hier könnte ein Haydn-Kenner aus dem Kris der Taminos und Paminas sicher für Aufklärung sorgen.


    Freundliche Grüße von der südlichen Nordsee, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Als eingefleischter Harnoncourt-Fan muss ich auch mal dies in den Raum stellen:


    Harnoncourt und C0. haben mich auch mitunter für anhörenswerte Non-HIP-Aufnahmen verdorben.


    Ich habe diese schönen Sinfonien von Haydn in der Einspielung mit dem Concentus musicus kennen und lieben gelernt.


    Heute habe ich die Aufnahme dieser Sinfonien mit der Academy of St.Martin in the Fields unter Leitung von Neville Marriner gehört.



    Man kann diese beiden Einspielungen vielleicht nicht so recht vergleichen, weil der Ansatz unterschiedlich ist. Während die Harnoncourt-Aufnahme einen drive und einen ruppigen Charme hat, der diesen Sinfonien auch einen gewissen Tiefgang gibt, wird bei Marriner stärker ein klangschöner, eleganter und harmonischer, aber auch lebendiger und frischer Haydn musiziert. Müsste ich zwischen zwei Aufnahmen entscheiden, würde ich eher Harnoncourt wählen. Glücklicherweise darf ich aber beide hören.


    In den siebziger und achtziger Jahren wurde im Radio sehr viel Marriner gespielt. Vielleicht ein bisschen zu viel. Heute, im Abstand von zwanzig bis dreißig Jahren, fange ich wieder an, mich für seine Aufnahmen zu interessieren. Ich habe in den vergangen Monaten seine Einspielung der Orchesterwerke von Händel, aber auch von Bachs Brandenburgischen Konzerten und Ouvertüren mit der Academy ge-ebayt und höre sie auch als überzeugter HIP-Konfessionalist mit großer Freude.


    Ein Hoch auf Sir Neville :hello:


    Grüße von Andrew

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  • Hallo,


    inspiriert von den vielen tollen Haydnbesprechungen hier habe ich mir diese CD zugelegt und höre sie nun immer wieder mit wachsender Freude.



    Bisher kannte ich Haydns ganz frühe Sinfonien nicht: Was für eine Entdeckung!
    Und das Freiburger Barockorchester ist nicht nur bei dieser Aufnahme ein vorzüglicher Haydn-Interpret.
    Vor Jahren sah ich es live in Berlin mit einer Aufführung der Jahreszeiten, auch das vorzüglich!


    Grüße


    tukan