Label sind unwichtig - oder doch nicht?

  • Meine Lieben.


    Ich habe immer die Wichtigkeit von Labeln und der dahinterstehenden Philosophie als wichtigen Faktor der Tonträgerszene gesehen - und stehe dazu offenbar in Opposition zu den meisten Klassikfreunden.
    Man kann den Standpunkt vertreten, das wichtigste sei der Komponist und sein Werk oder aber das wichtigste sei der interpretierende Künstler, in beiden Fällen spiele das Label nur eine untergeordnete Rolle. Ich betrachte diese Sichtweise als grundlegend falsch, denn Label haben ein Eigenleben. Dazu gehört zunächst die Philosophie oder strategische Ausrichtung des Labelinhabers oder der Spitze seines Teams. Hier wird über Programmschwerpunkte entschieden und über die Wahl der Künstler ( die natürlich auch budgetabhängig ist), über Werbung und angestrebte öffentliche Wahrnehmung, über Tontechnisches Equipment und Klangphilosophie.
    En neues Label bedeutet (meist) Aufbruch und Bereicherung, ein sterbendes indes Abschied und Zäsur.
    Da erscheinen oft Künstler auf der Bildfläche, von denen man nie zuvor etwas gehört hat, andere vertraut gewordene sin indes über Nacht Geschichte. Manche Künstler wechseln dann das Label und man wir feststellen müssen, dass sich der Klang verändert hat. (als Beispiel nenne ich hier DGG und DECCA - deren Klang sehr unterschiedlich war).
    Durch das Auftauchen zahlreicher Label innerhalb der letzten 35 Jahre hat sich auch die Interpretenlandschaft gravierend verändert - jene des Repertoires sowieso. Spontan fallen mir hier cpo, Naxos, Oehms, Chandos, Hyperion, Gramola, Brilliant auf der Haben-Seite sowie Collins Classics, Philips, EMI, Teldec, Telefunken, CBS auf der Soll-Seite ein. Weitere Label von Bdeutung können gern genannt werden....es gibt sie
    Wenn Interesse besteht können ja die Auswirkungen von Liquidierungen und Gründungen - sowohl in Hinsicht auf Repertoire, Tontechnik und Künstler im einzelnen erörtert werde - ein Mgathread auf Jahre (?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit dem Label auf einer CD verhält es sich meines Wissens genauso wie mit dem Label auf einer Jeans, wenn sie nicht richtig sitzt sieht sie billig bzw. verboten aus.
    Natürlich sitzt meist eine hochpreisige Jeans besser als eine aus dem low budget Bereich aber eben auch nicht immer.
    Eine schlechte Passform von mehreren Getragen kann dazuführen das diese Marke zukünftig gemieden wird.
    So ähnlich verhält es sich mit den sogenannten Major CD Labeln, genügend teure CDs auf denen nur ein hurtig heruntergespültes Repertoire angeboten wird( heute fast ausschließlich die Regel ), kann dafür sorgen, bei mir ist es mittlerweile auch soweit, das dieses Label zukünftig gemieden wird.
    Wohingegen manch ambitionierter low budget Verlag mit geschickt eingesetzten Sängern die vielleicht ein ähnlich weniger großen Renomé wie der Verlag haben, aber dennoch eine hervorragende Leistung erbringen, können hier wesentlich vorteilhafter ins Gewicht fallen und meistens ist es sogar auch der Fall.
    Nicht das Label zählt, sondern die künstlerische Qualität oder um beim Eingangsbeispiel zu bleiben, die Passform.
    Zumal lieber Alfred die von dir angepriesene Philosophie eh längst aus kommerziellen Gründen über Bord geworfen worden ist, da jene die diese einst begründet hatten entweder aus Alters- oder auch aus anderen Gründen aus dem Unternehmen ausgeschieden sind.

  • Ein Label (mit Wiedererkennungswert, als Marke) macht nach meiner Ansicht nur Sinn, wenn die Labelpolitik (Veröffentlichungsphilosophie) konsequent durchgehalten wird. Mit bestimmten Label verbinde ich gleichbleibende Klang-/Aufnahmequalität, eine Rote Linie in Auswahl der Interpreten UND Werke. Sogar in der äußerlichen Aufmachung würde ich als Markenzeichen eine solche Linie erwarten, was ja für den Ladenverkauf durchaus auch sinnvoll ist.
    Für ein Kleinstlabel macht es weniger Sinn, bereits woanders mit international erfolgreichen Millionärsinterpreten dutzendmal veröffentlichte Werke nochmals mit Provinzorchestern aufzulegen. Zumal wegen der geringeren Verkaufszahlen oft der Endabgabepreis höher ausfallen muss. Die Chance der Kleinen, sich zu behaupten, liegt im Nischenprogramm. Wenn der Hörer erwarten kann, dass ein solches Nischenlabel für ihn immer wieder neue Werke genau seines Geschmackes ausgräbt, wird er immer wieder hier nachschauen und kaufen. Trotz noch unbekannter Interpreten. Allerdings entsteht hier auch eine Erwartungshaltung, die auch einschränkt. Gut gemeinte Experimente, eine breitere Aufstellung oder unverbindlichere Repertoireöffnung können dann schnell nach hinten losgehen und das Ende besiegeln.


    Zur Jeans: "Eine schlechte Passform von mehreren getragen kann dazu führen, dass die Marke künftig gemieden wird".
    Das ist sicher die Regel. Aber nicht zu vergessen sind die vielen Fälle, wo gerade hieraus ein Trend entsteht und um die ganze Welt geht und Erfolg hat.


    Wenn man erstmal seinen eigenen Geschmack "definiert" hat, weiß man nach kürzester Zeit, wo man nach seinem "Stoff" suchen muss. Und Neues, finde ich eher in den Nischen.

  • Ich stimme der These zu, daß ein klares Label-Profil in jeder Hinsicht von Vorteil ist, möchte man sich als Unternehmen in der Nische behaupten. Dies gilt umso mehr, als der Tonträgermarkt sicher auf kein übergroßes Wachstum mehr hoffen darf, wie er auch insbesondere im Bereich der Standard-Werke mehr als gesättigt ist.


    Wie sowieso meinem Eindruck nach mittlerweile fast alles Nische ist. Wer kann denn noch als 'großes' Label gelten? Sony vielleicht noch, wie es mit EMI weitergeht, weiß auch kein Mensch - alles andere ist doch mittlerweile großenteils Universal (Deutsche Grammophon, Decca, Philips, Telefunken, Teldec, Mercury etc.). Und inwieweit da überhaupt noch Unterschiede hörbar sind, wie es einmal war, beispielsweise im Vergleich DG <---> Philips, weiß ich nicht. Wie klingt denn z. b. ein Thielemann-DG-Beethoven im Vergleich zu einem Chailly-Decca-Beethoven:


  • Also ich würde schon sagen, daß es sowas wie eine Philosophie bzw Strategie von Labeln gibt, sowohl bei den Ruinen der Großen, den Independent- Labels, als auch bei den Kleinlabels. Philosophien können natürlich auch den Gegebenheiten angepasst werden.
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    JPC zum Beispiel hat einige interessante Grundsätze, man findet dort vorzugsweise Nischenrepertoire der Vergangenheit und alternativ dazu Werke des 20. Jahrhunderts. Die Aufnahmen bleiben - je nach Bedeutung und Verkäuflichkeit - einige Jahre zum Vollpreis im Programm - und werden dann - ohne Umverpackung - in den Budgetbereich verschoben. Das scheinbare Risiko, daß die potentiellen Kunden taktieren und auf den Abverkauf warten, halten sich in Grenzen, da kein wirklicher Musikfreund es auf sich nimmt, 3-8 Jahre zu warten bis für ihn interessante Aufnahmen in den Abverkaufsbereich verschoben werden. Dazu existiert das Risiko, daß die Aufnahme sich gut verkauft und gar nicht abverkauft wird. Ist die Auflage abverkauft verschwindet der Titel meist auf Nimmerwiedersehen aus dem Katalog. Eine weitere Strategie besteht in der Cooperation mit Rundfunkanstalten. Das ist zwar eine gute Möglichkeit kostenverträgkich an Produktionen heranzukommen, die ansonst unfinanzierbar wären - jedoch schwankt die Qualität in tontechnischer Hinsicht oft erheblich.
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    Naxos geht einen völlig anderen Weg. Man strebt an möglichst ein komplettes Kompendium der klassischen Musik zu bieten.
    Man holt bislang unbekannte Talente an Bord um sie dann allmählich bekannt zu machen. Der Preis ist sicher ein Argument auch sperriges Repertoire dem Sammler schmackhaft zu machen: Aufnahmen bleiben üblicherweise auf ewig im Katalog. Man schreckt auch vor Mainstream Repertoire nicht zurück. Klaus Heyman sagte einmal sinngemäß in einem Interview, er selbst glaube nicht an "unsterbliche Aufnahmen" die unwiederholbar seien.
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    Gramola hat vor allem in Wien einen guten Namen. Man produziert mit Größen die in den österreichischen Konzertsälen unverzichtbar sind, aber den Weg zu den großen Labeln nicht gefunden - oder aber auch gar nicht gesucht haben. So entsteht hier ein neuer Pool an Künstlern auf dem Plattenmarkt, der teilweise sehr interessant ist.
    Es gibt weltweit weitere Label mit ähnlicher Philosophie. Ich werde in einem meiner nächsten Beiträge einige davon vorstellen
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    Weitere Spezialthreads über Labels finden sich im entsprechendem Unterforum
    und in diesem Thread:


    Große Werke auf kleinen Labeln



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Wie klingt denn z. b. ein Thielemann-DG-Beethoven im Vergleich zu einem Chailly-Decca-Beethoven:


    DECCA hatte immer ein eigenes Aufnahmeteam und Aufnahme-Equiüment. Deca Aufnahmen waren durch die Bank fülliger im unteren Bereich und plastischer, räumlicher in der Tiefenstaffelung.


    Aber das ist es nicht allein , was ich hier meine. Klein- und Indepent-Labels haben meist ein sehr individuelles Profil.


    Wenn solch ein Label dichtmacht, dann ist es zumeist nicht nur so, daß zahlreiche Namen unbekannter Komponisten auf Jahre - wenn nicht für immer - in der Versenkung verschwinden, sondern auch etliche Künstler sind plötzlich wie vom Erdboden verschluckt.
    Und Felix Meritis hat vor einiger Zeit vermutlich zu recht darauf hingewiesen, daß manche der sogenannten "Wiederentdeckungen" auf tönernen Füßen stehen. Nach einiger Zeit, das kann ein Jahrzehnt sein oder 2 Jahre - verschwinden die Aufnahmen klammheimlich aus den Katalogen - meist auf "Nimmerwiedersehen" MAnchmal ist das verschmerzber - manchmal aber entdeckt man seine Liebe zu einem bislang unbekannten Komponisten 3 Jahre zu spät. Daher empfehle ich, stets ein wahres Auge auf die "Raritäten-Labels" zu haben und - bei Interesse - auch dort zu kaufen.


    Allerdings ist es mir in letzter Zeit so ergangen, daß Ich Aufnahmen des Labels STERLING nicht geliefert erhielt- obwohl STERLING sie noch im Katalog hat. Laut jpc hat STERLING nicht geliefert - ohne Kommentar. (?)
    Diese Aufnahmen, beispielsweise Sinfonien von Hans Huber sind jedoch nur dort im Programm - ein schlagender Beweis dafür wie wichtig es ist, welches Label dieses oder jenes Werk im Programm hat...


    Selbst "Brilliant Classics" hat in letzter Zeit einige Aufnahmen aus dem Programm genommen...


    Ich werde mich in nächster Zeit verstärkt der Präsentation von "Raritätenlabels" widmen


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Das interessiert mich! Die Unterschiede der Raritätenlabels sind mir nämlich auch immer unklarer.


    Nun - das sehe ich nicht so - Natürlich gibt es "Allgemeine Raritätenlabels" - man muß als Produzent oft nehmen was man bekommt. Aber MANCHE Label haben DENNOCH ein Konzept.


    Manchen ist gar nicht mehr bewusst, dass beispielsweise cpo ein "Raritätenlabel" ist - so groß ist die Auswahl bereits.
    Cpo hat sein Konzept beibehalten, welches es zu Beginn schon hatte:
    Einerseits unbekannte Werke von Vorklassik und Klassik - andrerseits wenig beachtete Komponisten des 20. Jahrhunderts.
    Im Laufe der Jahre wurde die Palette etwas breiter, aber der Grundidee ist man treu geblieben, keine Mainstream Veröffentlichungen, die andere Labels bereits mit weltberühmten Interpreten aufgenommen haben.
    Im Gegensatz zu sonstigen Nischenlabels ist man durchaus imstande - und auch willens - großorchestrale Werke herauszubringen. Das schafft man unter anderem durch Zusammenarbeit mit diversen Rundfunkanstalten. Leider ist deren Tontechnik nicht immer audiophil - meist aber durchaus anständig.
    Aber schließlich kann man nicht alles haben.
    Wie man vielleicht schon bemerkt hat, so halte ich Label, bzw ihre Programmgestalter für einen wichtigen Faktor im Bereich der Klassik-Tonträgerszene. Jedes Label, das aus der Szene verschwindet - oder aber neu erscheint - verändert den Klassikmarkt - und das oft in erheblichem Ausmaße. Man bedenke welche Komponisten heutzutage überhaupt nicht wahrgenommen würden, wenn es das Label cpo nicht gäbe!!!


    Bitte alle Gedanken zu dessen Programmpolitik etc im entsprechenden Thread, der seit 2008!!! nicht fortgeführt wurde.
    Man könnte fast annehmen, seit 6 Jahre wäre dort nichts produziert worden....... :stumm:;)
    Labelvorstellung: CPO - Classic Production Osnabrück


    Ich selbst werde mich bemühen- hier in diesem Thread - das Typische einiger Nischenlabels hier herauszuarbeiten - pro Beitrag lediglich EIN Label - und immer mit Link zum entsprechenden Spezialthread.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe viele Aufnahmen auf CD von Opera Rara und auf VHS von Dynamic, wenn man diese als Nischenlabels bezeichnen kann. Bei Dynamic ist natürlich die miserable Bild und Tonqualität zu bemängeln und das es kein Begleitheft in der VHS gab, dafür waren die Kassetten unheimlich preiswert. Dynamic hatte ein sehr großes Repertoire im Opernbereich , hauptsächlich mit Aufnahmen aus italienischen Opernhäusern. Meine zwei Lieblings Kassetten sind Hoffmanns Erzählungen und Rigoletto , beide mit Alfredo Kraus . Da war Opera Rara vom ganz anderen Kaliber. Die Cd`s waren klanglich hervorragend und es gab immer ein ausführliches Booklet. Dafür waren sie ziemlich teuer und man musste schon mal um die 50 Euro hinblättern. Dank Opera Rara habe ich die nicht so bekannten Opern von Donezetti und Rossini kennen und lieben gelernt.

  • Da bin ich gestern beim schreiben doch etwas durcheinander gekommen. Das Label mit den preisgünstigen VHS Kassetten war von Hardy Classics und nicht von Dynamic.

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  • Zum Nischenlabel cpo:

    Einerseits unbekannte Werke von Vorklassik und Klassik - andrerseits wenig beachtete Komponisten des 20. Jahrhunderts.


    Ist das Dein Ernst? Eine Einschränkung auf Vorklassik/Klassik und 20. Jahrhundert habe ich bei cpo nie gesehen. Es ist einfach ein breites Interesse an der ganzen Musikgeschichte da, wobei das Mittelalter wohl kaum vorkommt und die Renaissance auch recht schwach vertreten ist, aber das unterscheidet cpo kaum von naxos.
    :hello:

  • Zitat

    Ist das Dein Ernst? Eine Einschränkung auf Vorklassik/Klassik und 20. Jahrhundert habe ich bei cpo nie gesehen.


    Ja- es ist mein Ernst - aber ich habe wohl übersehen, daß sich seit Gründung des Labels einiges getan hat. Ich erinnere mich an ein Statement von mir, das singemäß etwa den Inhalt wiedergab, daß sie von mir aus die ganzen modernen Werke rausbringen sollen, wenn sie damit MEINEN Lieblingszeitraum in Sachen "klassischer" Musik finanzieren könnten. Gestört hat mich damals jedoch - ich habe es nicht vergessen, daß auch die die CDs mit Werken vergangener Jahrhunderte mit "modernen" Covern verunziert waren. Das muß indes viele gestört haben, den schon nach 1 oder 2 Jahren war das kein Thema mehr, die Cover waren dem Zeitpunkt der Komposition der entsprechenden Kompositionen angepasst......
    weitere Nischenlabels werden in Kürze von mir hier vorgestellt - bzw bietet sich dieser Thread dazu an, jene Nischenlabels hier vorzustellen, die man zwar schätzt, die man aber auf Grund der Spielregeln im Voting-Thread nicht nominierten durfte.
    Aber auch hier gilt: Bitte nur EIN Label pro Beitrag - und bitte einige typische Veröffentlichungen mit Kurzkommentar....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "The recording-world is changing so much"....


    Mit diesen Worten äussert sich Sir Simon Rattle zu dem Thema Label und begründet in dem unten stehenden Youtube-Film, warum die Berliner Philharmoniker ein eigenes neues Label aufgelegt haben. Zwar setzt das Orchester auch weiterhin auf das erfolgreiche Modell der Digital Concert Hall, aber bietet mit dem Label nun auch dem geneigten Publikum die Möglichkeit, die Musikproduktionen als CD oder Blue-ray zu erwerben.
    Ich begrüsse diesen Schritt ausserordentlich. Nun haben die Berliner Philharmoniker mit der in der Philharmonie installierten Aufnahmetechnik etc. beste Möglichkeiten, dies auch in Top-Qualität zu realisieren. Aber ich denke auch für andere Orchester sollte dies eine Überlegung wert sein, in Zukunft eher auf eigene Veröffentlichungen zu setzen. Von den Wiener Philharmonikern habe ich eine ältere, selbst herausgegebene CD mit Schubert-Symphonien....ich denke also, dass es dort auch so etwas in der Art geben wird.


    Das erste Produkt des neuen Labels http://www.berliner-philharmoniker-recordings.com sind die vier Symphonien Robert Schumanns. Diese gelten nach Meinung der Major-Labels nicht als todsicherer Verkaufsschlager (siehe Rattle-Video). Nun meinen aber die Musiker und der Dirigent, dass sie ihre dazu neu gewonnenen Einsichten zu dem Werk gerne veröffentlichen wollen. Man darf optimistisch sein, dass dieses Orchester Leute finden wird, die das auch so sehen und die Tonträger bestellen. Das eigene Label scheint mir der richtige Schritt zu sein, ohne Bevormundung durch Companies die eigene Kunst auch an den Mann und an die Frau zu bringen.


    Besonders gut finde ich natürlich, dass man von dem einseitigen Setzen auf die Internet-Verbreitung etwas wegkommt. Ich z.B. werde wohl niemals auf Streaming oder dergleichen setzen, weil man z.B. die Bild und Tonqualität einer Blue-ray durch Internetstreams momentan nicht bekommen kann. Ich rechne nicht damit, dass das in den nächsten Jahren so sein wird, schon gar nicht flächendeckend für alle. Zudem kommt es immer wieder vor, dass der Provider ausfällt, oder Speichermedien wie Festplatten einen Crash hinlegen etc.... Viel besser finde ich da, eine Datenträger mit Booklet und Hülle in der Hand halten zu können. Um das machen zu können, braucht man ja ein Label, wie es die Berliner Philharmoniker nun haben.



    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Labels sind dann sehr wichtig, wenn sie künstlerische und kulturpolitische Ziele anstreben und realisieren. So hat sich der große, legendäre Walter Legge - der einstige EMI-Gottvater - immer durch höchsten persönlichen Einsatz und eigenes finanzielles Engagement dafür eingesetzt, dass richtungweisende Operproduktionen in Bestbesetzungen geschaffen werden konnten. Aber auch kleine Labels können von enormer Wichtigkeit sein. So produzieren die drei Opernenthusiasten Joachim Leufgen, Kurt Ulrich Spiegel und Thorsten Schneider mit beträchtlichem Risiko in ihrem Hamburger Archiv für Gesangskunst historische Sänger- und Opernaufnahmen=Raritäten, die es wahrscheinlich ohne den Idealismus dieses Dreigestirns nicht gäbe. Ähnliches ist von den Luxuseditionen von Hänssler zu sagen.
    Damit ein Label wichtig wird, muss es also Besonderheiten bieten, anders und besser sein als andere und sich an einer künstlerischen Konzeption orientieren und nicht nur reines Margendenken und Profitstreben anstreben..


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber operus,


    ich bin mit allem einverstanden, was Du sagst. Wichtig ist m.E. aber auch zu erkennen, wohin der Trend sich entwickelt.


    Damit ein Label wichtig wird, muss es also Besonderheiten bieten, anders und besser sein als andere und sich an einer künstlerischen Konzeption orientieren und nicht nur reines Margendenken und Profitstreben anstreben..


    Ja, sehr richtig. Es fragt sich, ob der Trend sein wird, dass die künstlerische Konzeption eines Labels in Zukunft die Selbstvermarktung von Musikern sein wird...
    Wenn ein Traditionsorchester wie die Berliner Philharmoniker, die ja auch eine gewaltige Tonträgergeschichte mit Major-Labels mit sich herumtragen (man denke nur an alle die DG und EMI-Aufnahmen) sich mehr oder weniger genötigt sehen, auf die Veränderungen im Tonträgermarkt mit der Gründung eines eigenen Labels zu reagieren, dann finde ich das schon sehr bemerkenswert. Leider gibt es nicht so viel Hintergrundinformationen zu Abläufen, die zu diesen Label-Gründungen führ(t)en.


    Aus der Welt der Alten Musik ist ja von Koopman und Herreweghe bekannt, dass sie diesen Schritt gingen, wohl auch mit Erfolg. Bei Koopman weiss man über die -wie ich finde schon recht schlimmen- Hintergründe ja so einiges.
    Herreweghe hat sich ja auch von einem ehemals alternativen Label, also von Harmonia mundi wegbewegt.
    Es scheint wohl so zu sein, dass die Musiker heutzutage vor allem selbst bereit sein müssen, an eine finanziell tragbare Verbreitung ihrer Musik zu glauben. Wenn es z.B. der EMI oder der DG zu riskant erscheint, Schumann-Symphonien mit dem BPO und Rattle herauszubringen, dann frage ich mich, was für eine Chance in der klassischen Welt denn unbekanntere Namen hätten...


    Es liegen vermutlich Vor- und Nachteile darin, wenn Musiker mehr oder weniger gezwungen sind, zunehmend auch Geschäftsleute in eigener Sache zu werden. Wir werden sehen, wohin das noch führt. Die alten Zeiten im Stile der wackeren EMI und Walter Legge etc. sind aus meiner begrenzten Sicht jedenfalls vorbei, und das nicht erst seit gestern.



    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Zitat

    Leider gibt es nicht so viel Hintergrundinformationen zu Abläufen, die zu diesen Label-Gründungen führ(t)en.


    Eigenartig. - Ich finde, es liegt fast auf der Hand. So wie der Glanz der allherrschenden Maestri am Verblassen ist, jener von Elitemarken etc, ist es auch jener von renommierten Orchestern. Die Gesellschaft ist mittelmäßig geworden und begnügt sich auch mit Mittelmaß. Das gilt in allen Bereichen des Lebens. Eine Plattengesellschaft leistet sich heute nicht mehr den Luxus, aus Prestigegründen Künstler von Weltrang zu engagieren, wenn die Einnahmen geringer sind als die Kosten. Man meidet solche "Marken" und ersetzt sie durch minderes, was aber von der Mehrzahl der Konsumenten nicht wahrgenommen wird.
    Ich habe mich oft gefragt, wenn mein Lieblingsprodukt aus den Regalen verschwunden ist, warum der Hersteller nicht auf Eingevermarktung und Eigenvertrieb umsteigt. Genau das machen die führenden Orchester derzeit. Sie vermarkten sich selbst - solange sie noch einen zugkräftigen Namen haben. Die Produktionskosten sind wesentlich geringer, wenn man eigene Tonstudios betreibt und nicht einen gewaltigen Verwaltungsapparat mit hohen und höchsten Gehältern miterhalten muß und zudem jene Projekte selbst produziert, wo man überzeugt ist, dass sie dem Ansehen des Orchesters mittel- bis langfristig nützen werden.
    Früher war es ja so, daß die Großlabels über eine gewaltige Werbemaschinerie verfügten, welche natürlich auch den berühmten Orchestern nützen, indem sie sie noch berühmter machte. HEUTE indes werden billige Newcomer als "Spitzenklasse" verkauft - etwas, das den alteingesessenen Institutionen naturgemäß ein Dorn im Auge sein muß. Ob die Eigenmarken von Orchestern tatsächlich die Strategie von morgen sein wird - oder ob sie nur die temporäre Rute im Fenster ist , das wissen vermutlich nur wenige in den Führungspositionen der Orchester....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !