Große SängerInnen - Große DirigentInnen: Früher hui und heute pfui! ...?

  • Zu später Stunde bin ich im Thread Wo liegt für Euch der Sinn von Tonaufnahmen klassischer Musik? über eine Aussage von Wolfgang gestoßen, die mich irgendwie ins Grübeln bringt und die es vielleicht Wert ist, eigens diskutiert zu werden:


    [...] Nur, wo sind heute Interpreten (mein Freund Operus überlese dies bitte), die einer Renata Tebaldi, einer Giulietta Simionato, einem Richard Tucker, Jussi Björling, Fritz Wunderlich, Leonard Warren, Ezio Pinza und Gottlob Frick das Wasser reichen können? Natürlich gibt es heute sehr gut geschulte Talente und auch international tätige junge Sänger und Sängerinnen. Aber die Art zu singen und des Dirigierens war früher eine andere. Und auf meine unwiederbringlichen, vorgenannten Interpreten und Dirigenten wie Furtwängler, Böhm, Knappertsbusch, v. Karajan u. A. möchte ich einfach nicht verzichten.


    Worum geht es? - Auf der einen Seite haben wir es heute (so scheint es jedenfalls vielen) mit einer Art "SängerInnen-Krise" zu tun: Der Glanz der guten, alten Zeit will sich trotz so illustrer Namen, wie Netrebko, Botha, Kaufmann, Garanca, Gheorghiu etc. einfach nicht einstellen. Besonders das Fehlen adäquater Leistungsträger im Wagner-Fach wird allenthalben beklagt. Ob dies wirklich den Tatsachen entspricht oder die guten SängerInnen einfach nur weniger auf CD, sondern mehr in den Häusern singen, wäre zu klären. Auch eventuelle Gründe, wie z.B. mangelnde Ausbildung, zu frühes "verbrennen" der Stimme und fehlende Ensemble-Arbeit wurden hier im Forum ja schon häufiger genannt.


    Aber was ist mit der anderen Seite, also den Dirigenten? - Hier vermag ich nach kurzen Überlegen beim besten Willen keinen Mangel festzustellen: Nelsons, P.Järvi, Young, Dudamel, Thielemann, Metzmacher, Salonen, Hengelbrock, Alsop, Petrenko, Welser-Möst, Weigle, Metzmacher usw. usf. Alle zwischen 40 und 60 Jahre alt, also mit Blick auf die "Großen Alten" wohl noch 30 bis 40 Jahre im Geschäft und - jetzt lehne ich mich aus dem Fenster - nicht wirklich schlechter, als diese! Auch ist nicht davon auszugehen, dass hier in den kommenden Jahrzehnten der Nachwuchs wegbricht; z.B. habe ich am vergangenen Donnerstag den jungen polnischen Dirigenten Krzysztof Urbański (Wikipedia, zuletzt aufgerufen am 16.09.2013) als "Einspringer" für Thomas Hengelbrock mit dem NDR-Sinfonieorchester erleben dürfen: Der "Junge" ist 31 Jahre alt, extrem erfolgreich, extrem gut und könnte also noch eine ziemliche Karriere vor sich haben.


    Also: Was geht bei den SängerInnen schief? (oder gucken bzw. hören wir nur schief ... ?)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Es mag viele Gründe geben - bei Sängern UND Dirigenten.
    Bei den Sängern ist es verhältnismäßig einfach. Sie sind ans Regietheater gefesselt, ja geradezu geknebelt. Persönlich entwickle ich einen Widerwillen, wenn ich sie in einer "modernen Inszenierung" sehe. Auch wenn mir klar ist, daß sie selbst nichts dafür können - allein das Mitwirken an solch einer Aufführunh macht sie mir unsympathisch. Ich konnte dieses Phänomen bei mir beobachten, wie unterschiedlich ich Anna Netrebko beurteilte wenn sie in konservativen (Liebestrank Wr. Staatsoper) oder in modernen (La Traviata , Salzburger Festspiele) mitwirkte. Auch für die Sänger selbst ist es oft schwierig, wenn sie in Aufführungen Dinge tun müssen, die ihnen zuwider sind. Eine Identifizierung mit der Rolle ist dann schwierig.
    Im Falle des Liedgesangs ist es einfach die Schallpatte, die heutige Sänger immer in Konkurrenz mit Fritz Wunderlich, Dietrich-Fischer-Dieskau und Hans Hotter stellt - und gegen diese Ausnahmeerscheinungen ist es eben schwierig anzukommen. Live dürfte das ohnedies kein Thema sein.
    Kommen wir zu den Dirigenten. Thielemann ist die einzige Person, der ich so etwas wie eine dominierende Persönlichkeit zugestehe - und diese ist eben wichtig, wenn ein Dirigent "angebetet" werden soll. Die heutigen Figuren eigenen sich in der Regel nicht als Personen die man vergöttert, wobei auch die Bereitschaft des heutigen Publikums nicht mehr gegeben ist irgendwelche unangreifbare Autoritäten anzuerkennen. Wir sehen es sogar am Beispiel des Papstes, wenn wir Franziscus 1. mit Pius XII vergleichen. Karajan, Szell, Solti - waren Diktatoren, unumschränkte Herrscher am Pult, Karl Böhm ein aristokratisch wirkender Herr mit entsprechendem Auftreten, letztlich aber auch autokratisch.
    Ist das von Bedeutung ? Scheinbar schon
    Ein herumhüpfender Lateinamerikaner, Frauen mit Männergesichtern am Pult eines von Männern dominierten Orchesters, und Dirigenten, deren Credo die Moderne ist sind eben als Lichtgestalten ungeeignet. Mir persönlich geht es so, daß ich eine Aufnahme mit ihnen nur dann kaufe, wenn es keine mit den "Großen Alten" gibt. Dann gibt es auch Dirigenten, von denen ich ohne weiteres Aufnahmen kaufe - aber sicher NICHT IHRETWEGEN, sondern weil mich das Werk interessiert.
    Aber auch der überrhytmische Stil mancher Dirigenten stösst Teile des Publikums ab, Klangschönkeit ist heute nicht mehr als dominierendes Kriterium gefragt.....


    Ferner kaufe ich vorzugsweise "Nischenrepertoire" - der Dirigentenname ist hier egal. Ferdinand Ries gibt es nun mal nicht mit den Wiener Philharmonikern unter Karl Böhm. Interessant wäre, ob Ries bekannter wäre, wenn es sowas gäbe.


    Kommen wir zu den Pianisten - sie wurden zwar im Titel nicht erwähnt - sind aber ein gutes Beispiel, daß "Tastenlöwen" - welcher Art auch immer - durchaus noch faszinierend auf ein heutiges Publikum wirken können. Auch sie waren in einer "Krise" als man nämlich plötzlich lauter "Klavierspielmaschinen" produziert hat, welche zwar perfekt - aber ohne Eigencharakter spielten. Sie waren auf das Erringen von internationalen Wettbewebspreisen gedrillt, Individualität - die als Unart gesehen wurde - blieb auf der Strecke.
    Diese Phase scheint derzeit überwunden - es gibt einen gewissen Pool an "Klaviergiganten" und "Klavierpoeten"


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    Ein so wunderbarer Sänger wie Andreas Wolf hat doch heute kaum noch Gelegenheit, überhaupt eine Aufnahme zu machen. Viele Labels gibt es gar nicht mehr, und die wenigen, die es noch gibt, agieren nach Marketingsgesichtspunkten. Was ein Sänger wie Fischer-Dieskau in Laufe seiner langen Karriere an Aufnahmen machen konnte, heute undenkbar. Das ist für die jungen SängerInnen schon ein großes Problem und für uns als Hörer ein Verlust.

  • Zitat von Alfred

    Bei den Sängern ist es verhältnismäßig einfach. Sie sind ans Regietheater gefesselt, ja geradezu geknebelt.


    Ich glaube, Alfred hat hier den Punkt getroffen. Da ich mir keine modernen Regietheater-Inszenierungen antue, habe ich auch kaum Gelegenheit, junge Nachwuchs-Sänger und -Sängerinnen kennenzulernen. Außer beim alljährlichen Künstlertreffen in Ölbronn, wo unser sehr geschätzter Operus junge, aufstrebende Talente vorstellt und ich mir ein Bild von diesen machen kann. Außerdem gibt es, wie Sagitt auch schon anführte, kaum Neuaufnahmen von jungen Künstlern. Das wäre für mich die Gelegenheit, mich durch eine CD mit Arien dieser Sänger und Sängerinnen zu beschäftigen.

    W.S.

  • Der Glanz der guten, alten Zeit will sich trotz so illustrer Namen, wie Netrebko, Botha, Kaufmann, Garanca, Gheorghiu etc. einfach nicht einstellen.
    Was geht bei den SängerInnen schief? (oder gucken bzw. hören wir nur schief ... ?)

    Lieber Michael
    Du hast eine interessante Frage gestellt und Du hast recht - der Glanz der "guten, alten Zeit" will sich tatsächlich nicht einstellen. Ich habe darüber schon öfter nachgedacht, empfinde es auch so, kann es aber schlecht in Worte kleiden. Liegt es an unserer heutigen schnellebigen und immer mehr gefühlsmäßig kälter werdenden Zeit? Liegt es also letztlich an uns selbst? Die Namen, die Du aufführst, gehören ohne Zweifel zu den ganz großen der Gegenwart. Und da könnte man noch einige andere nennen. Dies trifft auch auf viele Dirigenten zu. Ihre Leistung ist großartig und bewundernswert. Und doch hinterlassen sie in uns keine Spuren, sie gehen nicht ins Herz. Man bewundert und verehrt sie, erkennt ihre Leistung mit Hochachtung an und doch "lieben und vergöttern wir sie nicht". Im Gegensatz zu den früheren Künstlern, egal ob Sänger /innen oder Dirigenten, sind sie irgenwie keine Persönlichkeit mehr.
    Wie gern und mit großer Freude habe ich diesbezüglich Beiträge hier im Forum von meinem hochgeschätzten Freund Milletre gelesen. Es ging mir immer richtig nahe, mit wieviel Herzblut und Leidenschaft er von früheren Aufführungen und Künstlern berichtet hat, von "seinem" di Stefano, Karajan, Freni und, und, und... Wieviel Liebe und grenzenlose Verehrung steckt da drin und welch persönlicher großer Aufwand, diese Künstler zu erleben. Würde er das heute noch für irgend jemanden machen? Parallelen zu einem selbst tun sich da auf. Was habe ich für einen Aufwand betrieben, um -zig mal die Künstler in Berlin zu erleben, die man nicht nur verehrt, bewundert und geschätzt hat, sondern die man regelrecht geliebt hat (Orofino, Tomowa- Sintow, Nawe, Tarres).
    Oder, nur wegen Pavarotti bin ich seinerzeit nach Wien gefahren, in der fast aussichtslosen ungewissen Hoffnung eine Karte zu ergattern, die ich dann mit viel Glück und stundenlangem Anstehen doch bekommen habe. Und heute? Auch heute gehe ich noch gerne ins Theater, bzw. die Oper. Und wenn ich Gelegenheit hätte, würde ich mir auch gern die heutigen großen Stars ansehen /anhören. Und doch muß ich bei aller Wertschätzung sagen, für keinen würde ich auch nur annähernd solch einen Aufwand betreiben wie früher. Es gibt keinen, für den ich extra nach Berlin oder Wien fahren würde.
    Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich machen konnte. Es ist schwierig, diese gefühlsmäßigen Dinge in Worte zu kleiden und verständlich rüberzubringen. Vielleicht äußern sich auch noch andere zu diesem interessanten Thema.
    Alfred hat in seinem Beitrag schon einige wesentliche Aspekte benannt.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Bei den Sängern ist es verhältnismäßig einfach. Sie sind ans Regietheater gefesselt, ja geradezu geknebelt.


    Persönlich entwickle ich einen Widerwillen, wenn ich sie in einer "modernen Inszenierung" sehe. Auch wenn mir klar ist, daß sie selbst nichts dafür können [...]. Auch für die Sänger selbst ist es oft schwierig, wenn sie in Aufführungen Dinge tun müssen, die ihnen zuwider sind. Eine Identifizierung mit der Rolle ist dann schwierig.

    Aber meine Herren, der ewige Verweis auf das böse Regietheater kann doch an dieser Stelle kein Argument sein!? - Eine Sängerin oder ein Sänger singt doch nicht deshalb eine schlechte Verdi-Partie, weil dem "hochverehrten" Publikum die Inszenierung nicht gefällt. Im übrigen, auch wenn es nicht entsprechend ausreichend käuflich zu erwerbende Aufnahmen gibt, so besteht vielfach die Möglichkeit, sich via Radio und Internet (namentlich z.B. YouTube) ein Bild zu machen, wie es z.B. Mit-Tamino Sven Godenrath tut. Ich sehe zwar ein, dass man keine Henne sein muss um zu erkennen, dass ein Ei verdorben ist, aber davon zu sprechen/schreiben, dass früher ja viel besser gesungen wurde und dabei aktuelle Künstler zu ignorieren, weil sie in der falschen Inszenierung auftreten ...?



    Im Falle des Liedgesangs ist es einfach die Schallpatte, die heutige Sänger immer in Konkurrenz mit Fritz Wunderlich, Dietrich-Fischer-Dieskau und Hans Hotter stellt - und gegen diese Ausnahmeerscheinungen ist es eben schwierig anzukommen. Live dürfte das ohnedies kein Thema sein.

    Soll dies heißen, dass die genannten live um so vieles besser waren, als z.B. ein Goerne oder Gerhaher? Ich habe weder die einen noch die anderen live gesehen und kann mir da kein Urteil erlauben. Insofern wäre ich für entsprechende Belege ja dankbar.



    Kommen wir zu den Dirigenten. Thielemann ist die einzige Person, der ich so etwas wie eine dominierende Persönlichkeit zugestehe - und diese ist eben wichtig, wenn ein Dirigent "angebetet" werden soll. Die heutigen Figuren eigenen sich in der Regel nicht als Personen die man vergöttert, wobei auch die Bereitschaft des heutigen Publikums nicht mehr gegeben ist irgendwelche unangreifbare Autoritäten anzuerkennen. [...] Karajan, Szell, Solti - waren Diktatoren, unumschränkte Herrscher am Pult, Karl Böhm ein aristokratisch wirkender Herr mit entsprechendem Auftreten, letztlich aber auch autokratisch.
    Ist das von Bedeutung ? Scheinbar schon
    Ein herumhüpfender Lateinamerikaner, Frauen mit Männergesichtern am Pult eines von Männern dominierten Orchesters, und Dirigenten, deren Credo die Moderne ist sind eben als Lichtgestalten ungeeignet. Mir persönlich geht es so, daß ich eine Aufnahme mit ihnen nur dann kaufe, wenn es keine mit den "Großen Alten" gibt.

    Wie wäre es statt "dominierenden Persönlichkeiten" und "Lichtgestalten" mit musikalischer Qualität als Hauptkriterium?



    Aber auch der überrhytmische Stil mancher Dirigenten stösst Teile des Publikums ab, [...]

    Beispiele, statt Allgemeinplätze?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo chrissy,


    ich will nur einem Aspekt Deiner Antwort aufgreifen:


    Du hast eine interessante Frage gestellt und Du hast recht - der Glanz der "guten, alten Zeit" will sich tatsächlich nicht einstellen. Ich habe darüber schon öfter nachgedacht, empfinde es auch so, kann es aber schlecht in Worte kleiden. Liegt es an unserer heutigen schnellebigen und immer mehr gefühlsmäßig kälter werdenden Zeit? Liegt es also letztlich an uns selbst? Die Namen, die Du aufführst, gehören ohne Zweifel zu den ganz großen der Gegenwart. Und da könnte man noch einige andere nennen. Dies trifft auch auf viele Dirigenten zu. Ihre Leistung ist großartig und bewundernswert. Und doch hinterlassen sie in uns keine Spuren, sie gehen nicht ins Herz. Man bewundert und verehrt sie, erkennt ihre Leistung mit Hochachtung an und doch "lieben und vergöttern wir sie nicht". Im Gegensatz zu den früheren Künstlern, egal ob Sänger /innen oder Dirigenten, sind sie irgenwie keine Persönlichkeit mehr.


    Kann dies wirklich sein? - Ich behaupte einfach mal, dass vor allem ein Dirigent ohne Persönlichkeit kaum irgendwie erfolgreich sein kann; vielmehr gehört "Persönlichkeit" geradezu zum Berufsbild eines Dirigenten. Wohlgemerkt ist Persönlichkeit für mich dabei nicht gleichbedeutend mit dem autokratischen Pultdespoten, wie er hier ja auch häufiger angeführt wird. Ähnliches mag für SängerInnen gelten, die m.E. nur dann wirklich gut sein können, wenn sie über die gesanglichen Fähigkeiten hinaus eine Persönlichkeit besitzen.


    Wenn wir also davon ausgehen, dass die heutigen Künstler genausoviel oder -wenig Persönlichkeit haben, wie die vor 30 oder 50 Jahren (und es gibt. m.E. kein schlüssiges Argument, warum dies nicht so sein sollte), dann muss es an uns selbst liegen!? - Die Älteren unter uns neigen dazu, mit der Vergangenheit zu vergleichen und früher war bekanntlich alles besser. Dies ist kein Vorwurf, sondern vermutlich eine typisch menschliche Eigenart. Und die Jüngeren gehen vielleicht einfach in die Konzerte und Opernhäuser, statt hier mit uns zu disputieren.


    Du siehst, ich bleibe selber unsicher und habe keine wirkliche Erklärung. Was ich aber tatsächlich nicht glaube bzw. mangels "Beweis" nicht glauben kann, dass früher im Allgemeinen alles und im Speziellen die SängerInnen und DirigentInnen so unglaublich viel besser gewesen sind. - Ich denke eher, dass wir tatsächlich nicht mehr genau und geduldig genug hinhören ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Spannendes Thema. Auch ich kann von mir sagen, dass ich – vor allem, was das weite Standard-Repertoire angeht - vorwiegend Aufnahmen aus vergangenen Zeiten sammle (und höre). Meine vorherrschenden Namen unter den Dirigenten sind Karajan, Svetlanov, Rosh…, Mravinskij, alle Tschechen der 1950er bis frühen 1980er Jahre, Ataulfo, Dorati, Furtwängler, Pinnock, Hogwood, Jochum, Celibidache und viele mehr; bei den Sängern Caballé, Scotto, Benackova, Callas, di Stefano, Pavarotti, Wunderlich … und auch hier sicher noch n paar mehr. Woran liegt das? Darüber hab ich mir oft Gedanken gemacht und ich kann es (für mich) nur mit Verklärung und/oder Nostalgie begründen.


    Viele Einspielungen der genannten Dirigenten sind einzigartig, jeder hatte ‚seinen‘ Stil (ein jeder hier könnte diese sofort benennen); die Stimmen der genannten Sänger sind jederzeit leicht zu identifizieren. Alle haben etwas unverwechselbares (speziell der Callas wurde ja – ich glaube Harnoncourt war es – viel ‚Schmutz‘ in der Stimme attestiert; aber was sie daraus mache, sei einzigartig). Können das heutige Künstler auch „bieten“? Ich kenne mich im Kulturbetrieb der heutigen Zeit (auch) nicht aus, aber was ich so mitbekomme ist, dass heute in der Ausbildung (vor allem was die Stimme angeht), sehr viel Wert auf Stimmtechnik gelegt wird. Vielleicht sogar erheblich mehr als früher (wie gesagt, nur eine Vermutung). Ich kann die heutigen Sänger und Sängerinnen nicht mehr auseinanderhalten. Auch mangels echtem Interesse hieran natürlich.


    Ich denke, heute ‚verklärt‘ dargestellte Dirigenten wie Karajan, Solti, Bernstein, Wand, Furtwängler, Toscanini und viele mehr wurden auch erst im Alter zu dem, wie sie heute gesehen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie bereits in jungen Jahren (also vergleichbar mit den heute anstehenden und bereits genannten Namen) auf dem Podest, wo wir sie heute sehen, standen. Sie waren sicher ebenso gut ausgebildet wie heute, wirbelten vielleicht ebenso die Szene auf und brachten die eine oder andere neue Sichtweise der Interpretation in die Konzertsäle (und auf die Schallplatte – ein neues Medium und ein neues, glänzendes Geschäft). Ich denke, die Leute sahen und beurteilten einen HvK (weil er sich hierfür grad so gut eignet) in den 1940er oder -50er Jahren anders als in den 70ern, gar den 80ern oder nicht zuletzt heute.

    Und wer, weiß, welche Namen in 10/20 Jahren „verklärt“ werden … Abbado? Chailly?, Muti? Jansons? Barenboim? Oder in 30 bis 40 Jahren … Thielemann, Dudamel, Järvi, Nelsons? Rattle? Who knows … Ich persönlich glaube nicht, dass sich solche Namen auf die gleiche ‚Ebene‘ heben werden. Herausragend sicher ja … aber nicht verklärt. Und das hat nichts mit ihrer objektiven Qualität zu tun. Sie werden immer mit den Großen der "Alten Zeit" gemessen werden. Jedenfalls wird die Zukunft spannend …

  • Im Falle des Wagner-, Verdi- und Puccinigesanges gibt es heute sicherliche mehr defizite bei vielen Sängern, die in der sogenannten Oberliga auftreten, als noch vor 50 Jahren oder noch weiter zurück.
    Der eine Grund ist sicherlich der, das viele Sänger mangels Masse zu früh zu diesen Rollen gedrängt werden.
    Der andere ist, singen sie erst einmal diese Rolle verliert die Stimme meist an Flexibilität.
    Es war damals einfach üblich neben Wagner, Verdi und Puccini auch noch einen stilistisch weniger angreifbaren Mozart zu singen.
    Wer heute einmal für das Wagnerfach gebucht worden ist, wird immer seltener eingeladen Mozart, Rossini oder Donizetti zu singen, das wirkt sich auf lange Sicht negtiv auf die Stimme aus.
    Auf der anderen Seite haben wir heute eine Fülle an gut ausgebildeten Händel-, Rossini-, Donizett-i und Bellinisängern ( ich weiß es gibt noch andere Komponisten die das gleiche Fach bedienen ), die es zur Hochzeit der LP Ära eben nicht in dieser Form gab.
    Es haben zwar viele dieses Fach gesungen, aber stilistisch eben nicht so gut ausgebildet und so gab statt einer ausgeformten Koloraturkette, gerade auf Seiten der Tenöre, eher ein weniger differenziertes gegurgelt.
    Auf der anderen Seite, warum sich eben viele noch gern an die Anfangszeit der LP Ära oder davor erinnern und über dieses Problem habe ich mich in San Francisco mit Patricia Craig unterhalten, die selber ausbildet, ist, daß viele Sänger heute hervoragend ausgebildet sind und technisch brilliant singen.
    Aber und das ist ein anderes großen Problem, vielleicht wurde früher in manchen Fälle nicht so 100 prozentig perfekt gesungen wie heute, nur dafür klangen viele Stimmen einzigartig, heute hingegen klingen etliche Sänger gleich, es gibt nur ganz wenige, die sich vom Stimmklang oder der Art ihrer Interpration von anderen Unterscheiden.
    Nur dieses Problem scheint vom heutigen Opernbetrieb gewollt zu sein, denn so kann man Gagen drücken, da man die Sänger einfacher austauschen kann.
    Warum soll ich für Herrn oder Frau X eine so hohe Gage bezahlen wenn Herr oder Frau Y vom stimmklang her genauso klingen und singen.

  • Die Älteren unter uns neigen dazu, mit der Vergangenheit zu vergleichen und früher war bekanntlich alles besser. Dies ist kein Vorwurf, sondern vermutlich eine typisch menschliche Eigenart.


    Das dürfte genau der Punkt sein. Die Diskussion hat Ähnlichkeiten mit der hypothetischen Aussage eines 80-jährigen, der Stock und Bein schwört, dass das Eis früher viel weniger rutschig war, weil er bei Glatteis viel seltener hingefallen sei.

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  • Zitat von M. Schenk

    Aber meine Herren, der ewige Verweis auf das böse Regietheater kann doch an dieser Stelle kein Argument sein!? - Eine Sängerin oder ein Sänger singt doch nicht deshalb eine schlechte Verdi-Partie, weil dem "hochverehrten" Publikum die Inszenierung nicht gefällt. Im übrigen, auch wenn es nicht entsprechend ausreichend käuflich zu erwerbende Aufnahmen gibt, so besteht vielfach die Möglichkeit, sich via Radio und Internet (namentlich z.B. YouTube) ein Bild zu machen, wie es z.B. Mit-Tamino Sven Godenrath tut.

    Hallo, Michael!


    Natürlich ist das Regietheater ein Grund, da ich früher regelmäßig in der Oper war und mir ein Bild von den Künstlern machen konnte. Jetzt meide ich die Bühnen. Aber Du hast Recht, wenn ich schon nicht die Möglichkeit habe mir eine CD mit Arien der Sänger anzuschaffen, müßte ich dies bei YouTube oder im Radio tun. Nur, in YouTube sehe fast garnicht rein und das Radio schalte ich nur für Nachrichten an oder Unterhaltungsmusik im Auto. Da liegt bei mir der Hund begraben. Aber ich werde mich bessern und, wenn ich die Gelegenheit habe, mal öfter bei YouTube einklinken. :thumbup:




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Ich behaupte einfach mal, dass vor allem ein Dirigent ohne Persönlichkeit kaum irgendwie erfolgreich sein kann; vielmehr gehört "Persönlichkeit" geradezu zum Berufsbild eines Dirigenten.

    Hallo, Michael
    Eigentlich volle Zustimmung. Selbstverständlich haben und sind auch heutige Dirigenten, neben dem handwerklichen und fachlichen Können, eine "Persönlichkeit" in Form von Autorität, Selbstbewußtsein, Durchsetzungsvermögen, Dominanz. Ohne dies geht es auch gar nicht. Dazu sind sie ja Chef und Leiter eines mehr oder weniger großen Ensembles.
    Was ich meinte, was aber schwer auszudrücken und rüberzubringen ist, ein Karajan z. B., hatte zu diesen Attributen noch zusätzlich ein besonderes Charisma, eine fast mystische Ausstrahlung. So etwas hörte man auch von früheren Sängern in Interviews, die mit ihm zusammen gearbeitet haben. Und das trifft auch noch auf manche andere zu. Auch auf Sänger /innen. Lassen wir mal die gesanglichen Leistungen als Vergleich mit heutigen großen Stars völlig außer acht - wer ist heute eine "Persönlichkeit" wie seinerzeit eine Callas, eine Freni, ein Pavarotti, ein Domingo?

    Die Älteren unter uns neigen dazu, mit der Vergangenheit zu vergleichen.
    Dies ist kein Vorwurf, sondern vermutlich eine typisch menschliche Eigenart.

    Dies ist nur bedingt richtig. Richtig insofern, daß man Vergangenes mit Gegenwärtlichem vergleicht. Das ist eine menschliche Eigenart und liegt in der Natur der Sache. Nicht richtig ist, wenn unterstellt wird, daß man alles dann positiv verklärt sieht. Sondern aus eigenem Erleben war eben z. B. der Rigoletto, wie ich ihn früher in Berlin inszeniert sah, für mich besser, weil authentischer und glaubwürdiger, wie die unlängst gesehene Zirkusverunstaltung. Da ich ein paar Jährchen älter bin als Du, habe ich die Vergleichsmöglichkeit, die Dir und anderen Jüngeren fehlt.

    Die Älteren unter uns neigen dazu, mit der Vergangenheit zu vergleichen und früher war bekanntlich alles besser.

    Dieses immer wieder gern gebrauchte und abgenutzte Argument wird durch ständiges Wiederholen nicht wahrer.
    Ganz sicher war früher nicht alles besser. Ich weiß, ein unpassendes Beispiel - aber mein jetziges Auto ist bestimmt in allem besser, als fast alle, die ich vorher und früher hatte.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • ich werde versuchen auf EINIGE Argumente einzugehen und bitte um Vergebung, daß ich nicht auf ALLE eingehen kann - vielleicht ergibt sich das dann im weiteren Verlauf des Threads....



    Zitat

    Aber meine Herren, der ewige Verweis auf das böse Regietheater kann doch an dieser Stelle kein Argument sein!? - Eine Sängerin oder ein Sänger singt doch nicht deshalb eine schlechte Verdi-Partie, weil dem "hochverehrten" Publikum die Inszenierung nicht gefällt

    Naturlich ist es ein Argument - aber natürlich nur ein Teilaspekt.
    Ich behaupte, daß ein Sänger die Partie vielleicht mit weniger Feuer singt, wenn er selber meint, die Inszenierung sei ein "elender Dreck" - sich aber das nicht zu sagen getraut - aus Angst um seine Karriere.
    Auch wenn man "hochverehrt" bei Publikum unter Apostroph zu setzen für nötig erachtet - so ist dennoch das Publikum der "Auftraggeber oder Kunde" das Maß aller Dinge. "Kunst" die von niemandem als solche akzeptiert wird ist einfach nicht existent.
    Das Publikum entscheidet in letzter Konsequenz über Wohl und Wehe der Kunst - mittels Stimmzettel auch über die subventionierte, wie sich am Beispiel Ungarns gut sehen lässt.
    Werden moderne Aufführungen also nicht besucht, so sind die Sänger nicht so präsent - ihre Aufnahmen - so es denn welche gibt - werden nicht wahrgenommen und nicht gekauft.
    Dazu kommt, daß ich (*1949) Angst habe, daß einige Aufnahmen meiner Lieblingssänger (und auch anderer Interpreten) bald nicht mehr zu haben sein werden - Da wird nachgekauft was das Zeug hält. Dazu kommt noch Nischenrepertoire (mir egal wer das singt oder spielt) welches permanent von Streichung bedroht ist. Für "neue Künstler" mit unsicherer Zukunft ist da nur wenig Platz. Dennoch gibt es einen bestimmten - wenn auch kleinen - Teil meines Budget, der für "Entdeckungen" reserviert ist.
    Juan Diego Florez beispielsweise war SOFORT ein Fixstarter in meiner Sammlung...



    Zitat

    Die Älteren unter uns neigen dazu, mit der Vergangenheit zu vergleichen und früher war bekanntlich alles besser. Dies ist kein Vorwurf, sondern vermutlich eine typisch menschliche Eigenart.

    Das stimmt nur teilweise - ich bin sogar geneigt zu sagen - nur ganz selten.
    Es wäre ein Leichtes, mich davon zu überzeugen, daß dies zutrifft, wären da nicht Tonaufzeichnungen die alles belegen können.
    Man kann sehr gut hören, daß in der Frühzeit der Schallplatte Perfektion kein Thema war, grobe Patzer waren akzeptiert etc etc.
    Irgendwann um 1955 herum waren Aufnahmetechnik und Künstler perfekt (Das gilt auch für Inszenierungen) Alles war machbar -Geld spielte keine Rolle. Aufnahmen waren für die Ewigkeit konzipiert - und das merkte man auch.
    Heute ist alles amerikanisiert, der Standard leicht angehoben, aber wirkliche Elite gibt es keine mehr.
    "Diktatoren" als Dirigenten, Sänger die bis zur Selbstaufgabe agierten - das alles gibt es heute nicht mehr - und das hört man.
    Ein Orchester ist das Instrument des Dirigenten - und es hat zu funktionieren. Niemand fragt einen Konzertflügel, welche Meinung er zur Auffassung des Pianisten hat. Das gleiche galt auch jahrzehntelang für jedes Orchester: Ein Klangkörper der zu funktionieren hat und sich dem Dirigenten unterordnet. Was der einzelne Orchestermusiker hier sagt ist eher unbedeutend.
    Heute wird aber diskutiert- und das Ergebnis ist dann meist ein Kompromiss. Ein Kompromiss ist in meinen Augen immer eine Lösung, die letztlich NIEMANDEN zufriedenstellt.....
    Vielleicht wäre es eine passable - aber sicher nicht perfekte Erklärung des gegenwärtigen Zustandes, wenn man sagte:


    Die "ältere" Generation hat "ihre" Stars schon gefunden - und hält ihnen posthum die Treue (viele leben ja noch, singen aber nicht mehr) Neue Interpreten interessieren sie nur am Rande


    Die "jüngere" Generation sucht gar nicht erst nach Stars. "Anbetungen" aller Art sind ihr fremd , und wenn der Sänger X aus irgendwelchen Gründen nicht singt - dann singt eben der Sänger Y...



    Zitat

    Soll dies heißen, dass die genannten live um so vieles besser waren, als z.B. ein Goerne oder Gerhaher? Ich habe weder die einen noch die anderen live gesehen und kann mir da kein Urteil erlauben. Insofern wäre ich für entsprechende Belege ja dankbar.

    Hier lag ein Mißverständnis vor. Ich hatte Wunderlich, Fischer Dieskau etc als nicht topbare Sänger dargestellt - und wollte sagen, daß diese Konkurrenz zu den heutigen Sängern lediglich Tonaufzeichnungen betrifft, nicht aber aktuelle Liederabende - aus naheliegenden Gründen...


    Wie wäre es statt "dominierenden Persönlichkeiten" und "Lichtgestalten" mit musikalischer Qualität als Hauptkriterium?
    ES ist eben die Frage ob heutige Aufführungen vom Publikum als "qualitativ überzeugend" eingestuft werden.
    Zumindest im Bereich der Tonaufzeichnung scheint dies nicht zuzutreffen, denn es sind offenbar nicht nur die "Alten", die den Künstlern der Vergangenheit im Zweifelsfalle den Vorzug geben....


    In Bezug auf Akzeptanz der "rhythmisch überbetonten" Aufführungen



    Zitat

    Beispiele, statt Allgemeinplätze?

    Das lässt sich natürlich nur schwer belegen - weil das Klassikpublikum nicht laut schreit was es denkt sondern subversiv jene Künstler zerstört, die es nicht mag.
    Auch wenn ich die genannten Aufnahmen nicht mag, so kaufe ich in unregelmäßigen Abständen etwas davon. Zumeist ist es in den Wiener Geschäften nicht lagernd "weil keine Nachfrage da ist" - Aber auch via Versand beim Werbepartner muß vieles erst bestellt werden. Irgendwann werden sie dann als "nicht mehr lieferbar" gelistet....


    mir freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die "jüngere" Generation sucht gar nicht erst nach Stars. "Anbetungen" aller Art sind ihr fremd , und wenn der Sänger X aus irgendwelchen Gründen nicht singt - dann singt eben der Sänger Y...


    Da hast du allerdings völlig recht, das ist bei mir auch so. Für mich ist der Star immer der Komponist und nicht der ausführende Musiker. Deswegen ist mir Interpretenverehrung fast immer suspekt.

  • wenn der Sänger X aus irgendwelchen Gründen nicht singt - dann singt eben der Sänger Y...
    das ist bei mir auch so. Für mich ist der Star immer der Komponist und nicht der ausführende Musiker. Deswegen ist mir Interpretenverehrung fast immer suspekt.

    Lieber Felix
    Vermutlich warst Du noch nie für einen Gesangsstar leidenschaftlich erglüht, sonst würdest Du so eine Aussage nicht treffen.
    Wenn ich mir vorstelle, als ich seinerzeit extra nach Wien gefahren bin in der Hoffnung und dem Wunsch Pavarotti in der Tosca zu erleben und es hätte statt seiner "Sänger X,Y" gesungen... Die Enttäuschung- nicht auszudenken.
    Und ich hatte überhaupt auch diesbezüglich riesiges Glück. Denn vier Tage vorher stand auch die Tosca auf dem Spielplan. Auch da sollte Pavarotti singen. Und da hatte er kurzfristig abgesagt und es sang X, Y! Diese Enttäuschung blieb mir zum Glück erspart.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Vermutlich warst Du noch nie für einen Gesangsstar leidenschaftlich erglüht, sonst würdest Du so eine Aussage nicht treffen.


    Da hast Du natürlich recht! Allerdings, was Dir die Sänger sind, sind mir diverse Kammermusikensembles. Trotzdem würde ich mir solche Mühen, wie Du bei Pavarotti, sicher nicht auf mich nehmen. Wahrscheinlich bin ich dafür ein zu nüchterner Charakter - was natürlich auch gravierende Nachteile hat.

  • Alles war machbar - Geld spielte keine Rolle. Aufnahmen waren für die Ewigkeit konzipiert - und das merkte man auch.


    Diese immer wieder von dir gebrachte Falschaussage wird durch ständiges Wiederholen nicht wahrer. Geld hat immer eine wichtige Rolle gespielt (vielleicht von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen). Die Beispiele sind Legion, wo die Auswirkungen ganz klar nachgewiesen werden können.


    Das seltsame an der Sache ist, dass es nicht einfach ist, eine hohe Korrelation zwischen hohem Budget und künstlerische Wertigkeit herzustellen. Natürlich kann man in Details ein hohes Budget einer Produktion erkennen, aber es ist kein Garant für ein überdurchschnittliches Gesamtergebnis. Wieso sind denn viele Readers-Digest-Billigproduktionen gesuchte Sammlerstücke? Und wie können die Lyrita-Billigstproduktionen heute Höchstpreise erzielen? (Wobei sich das "billig" nur auf die Umstände bei der Aufnahme beziehen - die Produktion der Hardware war natürlich untadelig.) Auf der anderen Seite gibt es heute gut beleumundete Aufnahmen, die nach der Produktion eigentlich als vergeigt oder zumindest suboptimal angesehen wurden...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Allerdings, was Dir die Sänger sind, sind mir diverse Kammermusikensembles.


    Ja, und um bei Deinem Beispiel zu bleiben. Wenn Du da ein von Dir favorisiertes, besonders bevorzugtes Ensemble hast, und davon sagen ein paar ab und es spielen dafür X, Y... Wärst Du da nicht enttäuscht? Oder wäre es Dir egal nach dem Motto, der Komponist und das Stück ist wichtig. Die Ersatzleute spielen doch auch genauso gut.
    Das kommt mir vor, etwas scherzhaft gesagt, wie jemand, der auf seine "große Liebe" wartet, mit der er sich sehnsüchtig verabredet hat. Sie hat aber keine Zeit und schickt eine "Vertretung". Macht nichts, nehme ich halt die, an der ist ja auch soweit alles dran...
    Und ganz nebenbei, die Mühe seinerzeit für Pavarotti, die hat sich gelohnt. Ein unvergeßlicher, grandioser Höhepunkt, den ich unendlich dankbar in Erinnerung behalten habe.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Das kommt mir vor, etwas scherzhaft gesagt, wie jemand, der auf seine "große Liebe" wartet, mit der er sich sehnsüchtig verabredet hat. Sie hat aber keine Zeit und schickt eine "Vertretung". Macht nichts, nehme ich halt die, an der ist ja auch soweit alles dran...


    Meine große Liebe ist eben der Komponist ;) . Mir kommt es umgekehrt bei Dir so vor, als wären Dir in einem Liebsbrief nicht die Worte wichtig, sondern auf welchem Papier er geschrieben ist und welche Tinte verwendet wurde :P


    Aber um realistisch zu bleiben: manche Hörer haben einen interpretenzentrierten Zugang, andere einen komponistenzentrierten. Bei mir ist sehr stark das zweite der Fall, allerdings gibt es auch bei mir Grautöne. Ich mag z.B. Glenn Gould sehr und habe viel von ihm, aber hätte er das dritte Klavierkonzert von Tschaikowski eingespielt, würde ich die Platte trotzdem nicht kaufen.

  • Mir kommt es umgekehrt bei Dir so vor, als wären Dir in einem Liebesbrief nicht die Worte wichtig, sondern auf welchem Papier er geschrieben ist

    Doch, die Worte wären und sind vordergründig schon wichtig. Aber auch ein dazu passendes Papier gehört dazu. Es gibt dem Ganzen den entsprechenden Rahmen. Genau wie man einen guten und teuren Wein nicht aus einem Papp- oder Plastebecher trinken würde. Da gehört auch ein gewisses gehobenes Ambiente dazu.



    manche Hörer haben einen interpretenzentrierten Zugang, andere einen komponistenzentrierten.

    Das eine schließt bei mir das andere nicht aus und bedingt sich eigentlich gegenseitig.
    Beispiel: So wunderschön, emotional und herzergreifend Puccinis Komposition "La Boheme" ist, die Oper ist und wird erst wirkungsvoll und gut und entfaltet ihre musikalische und emotionale Schönheit, wenn auch die "richtigen Interpreten" agieren.

    Jegliches hat seine Zeit...

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  • Da gehört auch ein gewisses gehobenes Ambiente dazu

    Wilde Leidenschaft, durchwachte Nächte und Selbstmordgedanken im "gehobenen Ambiente"? Jetzt weiß ich nicht mehr, wer von uns beiden der "Nüchterne" ist ;) . Wenn ich verliebt war, war schon eine e-mail im Hotmail-Fenster das Höchste der Gefühle....



    zum Thema: ich gebe gerne zu, dass es beim Gesang etwas anders aussieht. Bei einem Streichquartettensemble erwartet man nicht, dass sie mit kratzigen Geigen spielen, während bei einem Sänger neben seinem interpretatorischen Zugang auch sein "Instrument" von entscheidender Bedeutung ist. Das wertet seine Rolle gegenüber dem Instrumentalisten sicherlich auf.

  • Wilde Leidenschaft, durchwachte Nächte und Selbstmordgedanken im "gehobenen Ambiente"?


    Häh...??? Wo hast Du denn das gelesen? Bei mir ganz sicher nicht. Ich sprach von gutem und teuren Wein genießen in gehobenem Ambiente. Irgendwas scheint bei Dir hier durcheinander zu geraten.

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Häh...??? Wo hast Du denn das gelesen? Bei mir ganz sicher nicht. Ich sprach von gutem und teuren Wein genießen in gehobenem Ambiente. Irgendwas scheint bei Dir hier durcheinander zu geraten.

    Vielleicht in Deinem vorletzten Post?


    Zitat

    Es gibt dem Ganzen den entsprechenden Rahmen. Genau wie man einen guten und teuren Wein nicht aus einem Papp- oder Plastebecher trinken würde. Da gehört auch ein gewisses gehobenes Ambiente dazu.

  • manche Hörer haben einen interpretenzentrierten Zugang, andere einen komponistenzentrierten. Bei mir ist sehr stark das zweite der Fall


    Also ist es Dir egal, ob "Nessun dorma" von Paul Potts oder von Pavarotti gesungen wird? Komischer Geschmack, das muß ich schon sagen!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Also ist es Dir egal, ob "Nessun dorma" von Paul Potts oder von Pavarotti gesungen wird? Komischer Geschmack, das muß ich schon sagen!


    La Roche


    Die direkte Antowort ist: ja, ist mir egal, weil ich mir Puccini prinzipiell nicht anhöre. Aber ich vertstehe, was Du meinst: es wäre mir nicht egal ob Potts oder Pavarotti singt, aber es wäre mir egal, ob Pavarotti oder Domingo singt.

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  • Vielleicht in Deinem vorletzten Post?


    Und wo steht da was von...

    Wilde Leidenschaft, durchwachte Nächte und Selbstmordgedanken


    ???????????

    Also ist es Dir egal, ob "Nessun dorma" von Paul Potts oder von Pavarotti gesungen wird?


    Mein lieber La Roche
    Um mich hier mal einzuschalten. Mir wäre das nicht egal. Das weißt Du. Hier sind wir, wie so oft, wieder mal auf einer Wellenlänge. Mir ist es auch garantiert nicht egal, wer in der "Boheme" singt.
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • es wäre mir nicht egal ob Potts oder Pavarotti singt, aber es wäre mir egal, ob Pavarotti oder Domingo singt.


    Damit kann ich leben. Es gibt also doch interpretatorisch große Unterschiede. Die will ich auch live erkennen. Ich bin noch bereit, für bestimmte Sänger größere Ausflüge zu unternehmen (ich möchte aber wieder in meinem Bettchen schlafen), und für Kaufmann oder die Gheorghiu würde ich mich schon ins Auto setzen und bis nach Berlin oder Dresden fahren. Auch wenn mir Kaufmann nicht immer gefällt.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Und wo steht da was von...


    Es ging nur darum, dass Du bei etwas, das einen so völlig durcheinanderbringt wie Verliebtsein, auf das Briefpapier schaust. Aber wir reden hier aneinander vorbei. Für mich ist die Komposition wichtiger als der Interpret, solange er (wie Potts) nicht wirklich schlecht ist. Natürlich ist die interpretatorische Qualität wichtig, aber deswegen werde ich nicht zu einem Fan, der alles stehen und liegen lässt. Im Vergleich zur Leistung des Komponisten, empfinde ich die des Interpreten grundsätzlich als sekundär.

  • Es gibt also doch interpretatorisch große Unterschiede


    Natürlich gibt es die. Trotzdem ist Beethovens Fünfte auf jeden Fall ein mitreißendes Werk, egal ob es von Böhm, Karajan, Alsop oder Zinman dirigiert wird. Die Interpretation kann da in Wahrheit nur einen geringen Teil der Wirkung ausmachen - solange sie technisch sauber ist natürlich.

  • Auch wenn wir hier ein wenig vom eigentlichen Thema abweichen, will ich das nicht so unkommentiert stehen lassen:

    Für mich ist die Komposition wichtiger als der Interpret

    Ich finde, das kann man so nicht sagen. Natürlich ist die Komposition wichtig. Wichtig und Voraussetzung schon deshalb, damit dann überhaupt etwas "interpretiert" werden kann. Aber was nützt die schönste Komposition, wenn es nicht Interpreten gäbe, die diese auch hervorragend umsetzen und wiedergeben! Beethovens einmalig schönes 5. Klavierkonzert entfaltet doch erst diese Schönheit, wenn es durch hervorragende Solisten wiedergegeben wird. Was nützt da einer, der mit Ach und Krach die Noten spielt, aber das Werk nicht erfaßt, nicht mit Herz und Seele dabei ist? Deshalb ist der Interpret als dienender Vollender einer wirklich schönen und guten Komposition genauso wichtig. Erst dann wird doch das Ganze zu einer Einheit. Dies gilt natürlich auch in der Oper für den Dirigenten, das Orchester, die Sänger bis hin zu den Regisseuren. Wie und was moderne Regisseure aus einem an sich wunderschönen Werk stümperhaft machen, wie sie es oftmals verunstalten, mißbrauchen, entfremden und es somit uninteressant wird, haben wir im Forum schon an anderer Stelle leider oft erörtern müssen.
    Fazit: Ohne Komposition gibt es keine Interpretation. Ohne (gute) Interpreten ist auch die beste Komposition nutzlos. Nur zusammen, als untrennbare Einheit, ergibt es einen Sinn.
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

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