Die Kunstform Oper – zum Scheitern verurteilt ?

  • Die Die zu diesem Thread kam mir in Zusammenhang mit Steins „Don Carlos“ Inszenierung, die ja sicher ein Markstein in der Bewegung „Regietheater nein danke“ ist.
    Ist – oder hätte sein können, denn statt des zu erwarteten Jubelschreies regnete es Kritik von vielen Seiten, offen oder verhalten.
    Es ist klar dass die Regietheaterlobby (wir wissen welches Wort hier für Lobby stehen sollte) nichts Gutes an dieser Inszenierung finden kann und darf. Aber es gab auch - natürlich abgemilderte - Kritik aus dem Lager der Konservativen, die Maßstäbe aus der Vergangenheit anlegten, denen KEINE heutige Inszenierung mehr standhalten kann. Ich selbst hatte Einwände gegen das Bühnenbild, andere bemängelten (zu unrecht wie ich meine) historische Fehler bei den Kostümen und auch solche des Verhaltens der Akteure. Dazu ist zu sagen, dass schon Schiller ein historischer Verfälscher ersten Grades ist, wenn er den sadistischen und leicht blöden Kretin Carlos (das ist die historische Wahrheit) zu einem Helden umfunktioniert und ihm zu seiner Unterstützung noch den frei erfundenen Helden Marquis de Posa zur Seite stellt, etc etc. – Genug davon
    Das Thema ist ja eigentlich, dass Oper ein Medium ist, wo das Scheitern quasi schon vorprogrammiert ist – quer durch die Jahrhunderte.
    Beginnen wir mit meinem Lieblingsfeind, dem Regietheater – Ein Großteil der Publikums mag es nicht. Würden sich nicht aus finanziellen Erwägungen und Existenzangst große Sänger dazu hergeben, würden nicht Subventionen fliessen, würde die Presse die Wahrheit über diese Aufführungen schreiben – dann wär längst schon Schluss mit lustig.


    Wie wir aber sehen können schaut es mit konventionellen Aufführungen auch nicht viel besser aus. Es muß gespart werden – also fällt das Bühnenbild (weitgehend) aus.
    Das bezieht sich nur indirekt auf die weiter oben genannte Salzburger Aufführung sondern auf so ziemlich alle heute gemachten Inszenierungen. Ohne Subventionen kann kein Theater auskommen – wobei das Publikum Subventionen eher akzeptiert, wenn der Spielplan und Inszenierung nach seinem Geschmack sind.


    Wie schaut das in der Vergangenheit aus? War da alles besser? Mitnichten.
    Der von mir sehr geschätzte Karl Böhm wollte als Operndirektor glanzvolle Aufführungen auf die Bühne bringen. Das tat er ja auch. Leider verbrauchte er in kurzer Zeit den gesamten Jahresetat….


    Karajan scheiterte in gewisser Weise ebenfalls an der Wiener Staatsoper.


    Und schon in der Vergangenheit gingen viele Operhäuser bankrott – weil sie zuviel Aufwand trieben.


    Wenig Aufwand bei der Ausstattung bedeutet leere Häuser.
    Wenig Aufwand bei der Inszenierung bedeutet leere Kassen.


    Ein Spagat, den Operdirektoren der Vergangenheit nie schafften…..
    Ist das Medium Oper vielleicht generell unfinanzierbar - und deshalb zum Scheitern verurteilt ?


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred Schmidt

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred!


    Schon wieder ein neuer Thread über die Oper!
    Und was genau ist die Frage, auf die in diesem Thread eine Antwort gegeben werden soll?
    Oder soll nur unter neuem Titel der alte Streit weitergeführt werden, den zu führen, viele hier im Forum nicht müde werden???


    Ich denke, man tut gut daran, sich endlich in der Diskussion über Oper wieder mehr auf die Musik und die Gesangsleistungen zu konzentrieren.
    Als Österreicher kennst Du sicher Grillparzes Diktum:

    Keine Oper soll vom Gesichtspunkt der Poesie betrachtet werden - von diesem aus ist jede dramatisch-musikalische Komposition Unsinn -, sondern vom Gesichtspunkt der Musik: Als ein musikalisches Bild mit darunter geschriebenem, erklärendem Text.


    Gute Nacht


    Caruso41
    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Zitat

    Und was genau ist die Frage, auf die in diesem Thread eine Antwort gegeben werden soll?


    Ob es überhaupt möglich ist - und je war - Oper zu machen, die NICHT defizitär ODER minderwertig ist.
    KEINE Lösung war je kaufmännisch befriedigend. Privates Sponsering wird teilweise recht kritisch betrachtet.
    Im Prinzip läuft die Kernaussage darauf hin, daß die (organisatorische oder kommerzielle) Beschäftigung mit Oper kaum je ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten hervorgebracht hat - egal wie man es anpackt....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ist das Medium Oper vielleicht generell unfinanzierbar

    Ja! Das ist aber nun wirklich keine überraschende oder gar neue Erkenntnis.



    - und deshalb zum Scheitern verurteilt?

    Nein! Sonst wäre dies in den vergangenen 400 Jahren bereits geschehen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zu der Kritik aus den Lager der Regietheaterbefürworter vielleicht folgende kleine Anekdote (ich weiß allerdings nicht, von wem sie ist):
    "In der Oper Carmen wird die Michaela von einer Sängerin gesungen, die zwar nicht besonders talentiert, aber die Freundin des Zeitungsverlegers ist. Der strenge, unbestechliche Kritiker des Blattes erhält deshalb die Weisung der Herausgebers: "Die Dame müssen Sie loben". Und so schreibt der Kritiker über die Aufführung: "Als Michaela gastierte Fräulein S. Ich muss sie loben."
    So ähnlich darf man sich auch die Seilschaften in der Regietheatermafia vorstellen. Wenn nur diejenigen, die nicht bestechlich sind, ihre Worte immer so verständlich wie dieser Kritiker formulieren könnten.
    Was die verdeckten Kritiken der Anhänger des konservativen Theaters betrifft, so verstehe ich sie auch nicht. Ich erwarte nicht, dass wir heute Oper noch einmal in den überladenen Kulissen und Kostümen zu sehen bekommen, wie sie im 19. Jahrhundert üblich waren. Meines Erachtens zeigt die Don Carlo-Aufführung durchaus einen künftigen Weg für die Oper auf, bei der Ort und Zeit der Handlung erkennbar blieben und die Handlung nicht, wie leider im Regietheater üblich, völlig auf den Kopf gestellt wurde. Ich wäre glücklich, wenn die Oper wenigstens in dieser Art weiterleben würde.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Gerhard,


    ich stimme Dir zu. Inhalt, Zeitepoche, Handlungsort sollten immer dem Original entsprechen. Was ist Neues entstanden, wenn Lohengrin von Ratten gespielt wird, der Tannhäuser in einem Kraftwerk spielt, der Lohengrin wie in Mailand ein kranker klappriger Held ist oder die Frau ohne Schatten im Tonstudio angesiedelt wird? Nichts!! Deshalb braucht ein zahlender Opernbesucher so etwas nicht und bleibt lieber zu Hause! Es sei denn, sein Opernverstand versteht die Beibehaltung der Tradition nicht.


    Dazu folgendes: Während meines Urlaubes in Bad Reichenhall letzte Woche macht ich die Bekanntschaft einer operninteressierten Dame. Sie kam gerade aus Salzburg vom Don Carlo, und sie fand diese Inszenierung altmodisch, langweilig. Wir hatten ein freundschaftliches Streitgespräch, und jeder hielt an seinen Überzeugungen fest. Ich weiß aber nun auch, warum sie dem Modernisieren gegenüber so aufgeschlossen war. Sie war Grafik-Designerin aus Nürnberg, und da kann sie ja nichts designen, was schon mal da war! Auch ne Ansicht! Wie wärs denn mal mit Stöckelschuhen mit Absatz nach innen? Das wäre doch mal was Neues, aber ohne Nutzen - eben Regietheater!


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mein lieber La Roche!


    Da wären wir uns ja bald begegnet. Vor 2 Wochen war ich da noch einen Freund besuchen, mit dem ich viele Bergtouren in der Region unternommen habe. Schade!



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Zitat

    Zitat von LaRoche: Ich weiß aber nun auch, warum sie dem Modernisieren gegenüber so aufgeschlossen war. Sie war Grafik-Designerin aus Nürnberg, und da kann sie ja nichts designen, was schon mal da war!

    Nun, dieser Don Carlos hatte ja eine Ausstattung (Design), die sicherlich neu war. Ich konnte nichts erkennen, was ich irgendwo schon einmal gesehen hätte. Oder denken Designer andersherum, eben, wie du schon sehr schön feststellst, Stöckelschuhe mit dem Absatz nach innen. Das Publikum war begeistert. Sollte also nicht mehr für das Publikum inszeniert werden, sondern nur noch, damit sich ein paar Wirrköpfe an der Oper austoben können und Dinge hervorbringen, die eben genauso nutzlos sind wie die genannten Stöckelschuhe oder ein Kropf?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich werfe ja immer wieder gerne einen Parallelblick auf das Sprechtheater, wobei ich schon seit Jahrzehnten dort nicht mehr war. Heute gab es eine Notiz in der Zeitung, dass es jetzt eine neue, ultimative Georg-Büchner-Gesamtausgabe gibt. Der Leiter Burghard Dedner sagte (angesichts der verschiedenen Fassungen): "Man kann nun sagen, welcher Text auf den Bühnen gespielt werden sollte!" Ich habe mich vor Lachen fast verschluckt, denn die Antwort heißt doch wohl: "Die entstellende Fassung, die sich der Regisseur gerade abgequält hat!"

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Dr.Pingel,


    mit "abgequält" hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn viele Inszenierungen, die wir die letzten Jahre ertragen mussten, wirkten so verkrampft, dass die Qual, die sich der Regisseur antat, auch für die meisten Zuschauer zur Qual wurde, wie es wohl auch Damenschuhe mit den Stöckeln nach innen tun würden. Beides, finde ich, trifft für dieses Gewürge voll ins Schwarze.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Da wären wir uns ja bald begegnet. Vor 2 Wochen war ich da noch einen Freund besuchen, mit dem ich viele Bergtouren in der Region unternommen habe. Schade!


    Hallo, lieber Wolfgang,


    echt schade! Wir hatten ein tolles Hotel in Bad Reichenhall Nonn (Neu Meran). Wenn wir da unsere geballte Kraft auf die Designerin (die übrigens durchaus normal war, nur eben den für mich abartigen Geschmack hatte) losgelassen hätten, wäre das sicher lustig geworden. Im persönlichen Gespräch ist man vielleicht doch in seiner Ausdrucksweise zurückhaltender als evtl. im Internet. Wir haben uns jedenfalls sehr sachlich unterhalten können, und sie mußte mir auch eingestehen, daß sie mit Rattengrin und Biogastannhäuser nichts anfangen kann. Trotz der Nähe zu Bayreuth hat sie die letzten Jahre keine Veranstaltung dort besucht, das war ihr dann nun wieder zu abgehoben. Eigentlich war sie Anhängerin des gemäßigten Regietheaters, hat aber mit den von vielen Taminos bevorzugten "klassischen" Inszenierungen ihre Probleme.


    Schade, daß wir uns nicht kennenlernen konnten! Ist überhaupt eine tolle Ecke in D.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Unsere große Liebe - die Oper - ist seit ihren Anfängen nur durch kräftige finanzielle Zuwendungen aufgepäppelt und zur Blüte gebracht worden. Die diversen Herrscherhäuser haben nicht unbeträchtliche Summen dafür ausgegeben. Heute sind die Steuerzahler dran, die Dame Oper am Leben zu erhalten. Und so exclusive Damen haben natürlich einen gewissen Geldbedarf, um sich zu schmücken und jugendlich zu erhalten. Aber in den heutigen Zeiten habe viele unserer Flüsse Überschwemmungen, aber leider nicht die Geldflüsse (vielleicht ausgenommen in Richtung diverser Länder) und so ist aus dem Geldfluss ein Rinnsal geworden - und das tröpfelt so dahin .....

  • Die diversen Herrscherhäuser haben aber die Geldflüsse nicht zum Wohle der Allgemeinheit fliessen klassen - sondern vorzugsweise weil ihnen diese Kunstform selbst besonders gefielt und schmeichelte. Man konnte im schlimmsten Falle (wenn man selbst unmusikalisch war) sein Image als kunstsinniger Mäzen pflegen und aufpolieren. Meist aber waren die Adeligern und Regierenden selbst kunstsinnig und süchtig nach Oper.
    Heute ist ein seltsamer Konsens zwischen Regierung und Volk zu verzeichnen: Beide haben keine Liebe zur Oper und wollen kein Geld dafür ausgeben. Allenfalls formt man mittels Regietheater Opern so um, daß sie gewünschte politische und weltanschauliche Inhalte vermitteln. Aber ein Interesse an Oper gibt es eigentlich nur mehr bei einer kleinen Minderheit....


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: Aber ein Interesse an Oper gibt es eigentlich nur mehr bei einer kleinen Minderheit....

    Und das Interesse wird durch die grauenhafte Verunstaltung der Oper weiter geschmälert, weil ein Großteil der wirklich Interessierten dadurch aus den Opernhäusern vertrieben wird und die Jugend für diesen abstrusen Sch... kaum mehr zu begeistern ist. Wenn es also so weitergeht, ist wirklich ein Scheitern dieser Kunstform zu befürchten.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)