Die Klassikkrise - eine selbsterfüllende Prophezeiung

  • Liebe Forianer,


    Rien ne va plus - Nichts geht mehr


    So in etwa könnte ds Motto der Klassikszene lauten. Unlängst konnte man lesen, die EMI hätte die letzte Opernproduktion im Studio produziert - das wäre zu teuer. In Hinkunft will man nur mehr Live -Mitschnitte veröffentlichen.


    Ehrlich gesagt, dafür gebe ich kein Geld aus - das kann ich im Radio billiger haben, bzw. mitschneiden.


    Mir hat die Qualität von Liveaufnahmen nie genügt - deshalb habe ich CDs gekauft.


    Gibt es eigentlich noch irgend etwas das nicht "zu teuer ist"


    Die großen Stars - sie sind zu teuer - man ersetzt sie durch Leute die gesten noch in der tiefsten Provinz oder in Honkong, Usbekistan oder anderen Kulturstätten dieses Erdballs aufgetreten sind.


    Ich würde sagen - wir haben derzeit keine charismatischen Klassikikonen wie einst Caruso, Furtwängler, Karajan, Callas, Wunderlich oder Fischer-Dieskau. Die Auswahl die ich da anbiete ist in der Tat recht bunt, aber das ist Absicht. Der Einzige lebende mir bekannte Künstler, der heutzutage noch gottähnliche Verehrung genießt ist Alfred Brendel.


    Kein Wunder, daß die Verkaufszahlen zurückgehen - aber - weil wir gerade beim Thema sind: Gehen die Klassik Verkaufszahlen WIRKLICH zurück ?
    Ist es niuch vielmehr so, daß die Erwartungen immer höher geschraubt werden ? Klassik hat angeblich weltweit einen Marktanzeil zwischen 3 und 4 Prozent. War der je höher ?


    Ich habe hier in Wien nicht den Eindruck, daß die Klassikszene am eintrocknen ist. Das mag vielleicht dort der Fall sein, wo man Programme GEGEN das Publikum macht und sich als "Volksbildner" sieht -etwas das das Publikum mit Boykott bestraft.


    Ich bin übrigens nicht der Meinung, daß das Interesse an klassischer Musik permanent nachlässt - es war immer schon gering.


    In erster Linie sind IMO Produzenten und Intendanten schuld, wenn das Publikum ausbleibt. Die Kluft zwischen "Produzenten" und "Verbraucher" scheint manchmal abgrundtief zu sein.


    Mit Zweitverwertungen von Konzerten (Livemitschnitte), dargeboten von der 2. Garnitur, klanglich lieblos eingefangen - verpackt in abschreckende Cover (Tristan - Deutsche Grammophon - das Cover ist eine Zumutung IMO). Damit wird man den Weg aus der IMO selbstverschuldeten Krise nicht meistern.


    Ich bin gespannt, welche Meinungen zu diesem Thema kommen


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ob die "Krise" wirklich eine ist, sei mal dahingestellt, das Wort wird, so scheint es, zunehmend inflationär gebraucht. Ich glaube weiterhin, dass es höchstens eine Krise des Tonträgermarkts gibt. Theater und Oper sind in derselben "Krise" wie Schwimmhallen und Sportplätze wegen aller möglicher allgemeiner politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Dazu daher erstmal nichts von meiner Seite
    Wie die meisten zeitgenössischen Krisen hat die Krise der klassischen Musik auf Tonträgern eine Vorgeschichte, die vermutlich Jahrzehnte zurückreicht, m.E. wurde folgendes schon vor Einführung der CD versäumt:


    -man hätte sich intensiver um nachwachsende Käufer kümmern sollen, und zwar z.B. dadurch, dass man Schulen gratis Platten zum Musikunterrricht zur Verfügung stellt. Damit hätte man eine allgemeine Entwicklung, durch die Musik nur noch als Konsum-, nicht mehr als Kulturgut gesehen wird, vielleicht puffern können. Natürlich wäre hier ein Gegensteuern zunächst Sache der (Bildungs)politk gewesen. Aber die will ja keine Platten verkaufen!


    -man hätte schon Anfang der 70er sehen könne, dass man mittelfristig als Hauptkonkurrenten den eigenen Backkatalog haben würde. Eine vernünftige Reaktion wäre dann gewesen, die Kosten für Neuproduktionen erst gar nicht so stark anwachsen zu lassen


    -man hätte (die majors) mehr auf Nischenrepertoire setzen sollen; ich weiß nicht, wie es in der LP-Zeit war; in den 90ern bestand offenbar eine Nische, die Hochpreislabel wie hyperion füllen konnten (allerdings haben die inwzischen auch massive Schiwerigkeiten)


    Richtig scheint das Kind aber erst in den Brunnen gefallen zu sein als Rettung aus einer vorübergehenden Krise in Sicht war: der CD-Boom. Hier scheinen sowohl die Gagen als auch die erhofften Gewinnspannen in völlig unrealistische Dimensionen gewachsen zu sein.


    Die oben aufgeführten Punkte hat man natürlich auch jetzt nicht beherzigt.
    Dabei braucht man kein Wirtschaftsdiplom, um einzusehen, dass so ein Boom bei der Einführung eines neuen Mediums nciht immer so weiter gehen kann


    Dazu kam eine Flut von Neuaufnahmen der damals gerade relevanten großen Namen, egal ob der Markt da war oder nicht, alles mußte nochmal digital gemacht werden usw. Das konnte nicht gut gehen
    Dazu kam eine gewisse Einebnung der Qualitätsunterschiede: digital war "perfect sound forever", keine miese Preßqualität preiswerterer Angebote war zu befürchten.
    Das führt dazu, besonders seit Naxos u.ä. (also auch schon seit ca. 10 Jahren), vielen Kunden überhaupt nicht mehr klar ist, worin der Mehrwert einer 3-4mal so teueren Vollpreis-CD bestehen soll.
    Hier bin ich nicht sicher, was man dagegen hätte machen können. Vielleicht wäre es klug gewesen, nicht (fast) von Anfang an, eine Spanne von damals (1988 ) ca. DM 10 bis DM 30-35 zu haben. Andererseits ist das Niedrigpreissegment sinnvoll zur Zweitverwertung älterer Aufnahmen und zur Erschließung neuer Käuferschichten


    Dazu kam offenbar zunehmend die Übernahme von Schlüsselpositionen durch BWLer, die keine Ahnung a) von Musik b) von dem Unterschied zwischen einem Massenmarkt und einem Nischenmarkt hatten und in unrealistisch kurzer Zeit unrealistisch hohe Gewinne erzielen wollten.


    Dass man seit ein paar Jahren verlustfrei kopieren kann, schadet IMO dem Klassikmarkt kaum. Erstens habe (nicht nur) ich als Schüler auch auf Kassette überspielt (der Qualitätsverlust war mir egal, was sollte ich denn machen, konnte unmöglich soviel Musik kaufen, wie ich hören wollte), zweitens besteht in der Klassik häufig ein Mehrwert durch Booklet etc. bzw. dem Sammler ist eignetlich nur ein Original recht.
    Auch dürften in der Klassik hauptsächlich diejenigen brennen und downloaden, die ohnehin mehr als sie sich eigentlich leisten können für CDs u.ä. ausgeben.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zusätzlich möchte ich vielleicht noch anbringen, dass viele Labels in der Fixierung auf ihre "cash-cows" - und zwar selbst als diese schon tot waren - vergessen haben, zu zeigen, dass es immer wieder großartige und spannende neue Künstler gibt. Hier spielt vielleicht auch mit, dass sich bei einigen/vielen Meinungsbildnern der Klassikszene ein Hang zur Vegötterung des Vergangenen etabliert hat. "Gottgleiche Verehrung" zolle ich aber prinzipiell niemandem.


    Dass ich mit Alfreds apokalyptischen Visionen vom totalen Unterang der Kunst durch ahnungslose Intendanten und unfähige Interpreten nicht viel halte ist ja nichts neues; daher nur zwei Anmerkungen:


    Natürlich gibt es immer noch großartige junge/jüngere KünstlerInnen - und die Ikonen unterliegen mittlerweile einer Verklärung die wohl ein wenig die Wahrnehmung trübt. Beispiele:
    Callas - ein Phänomen, zweifellos; aber ebenso ein psychischer Krüppel (sorry für das unkorrekte Vokabel). Wenn das der Preis für diese Ausnahmestellung ist, verzichte ich als Humanist auf "echte" Nachfolgerinnen - wie ich mich auch als Barock-Fan mit countertenören statt Kastraten begnüge.
    Corelli - für mich ein vokaler Zirkusartist, aber halt alles nur Show (und manchmal hat man das Gefühl, er gehört in eine psychiatrische Abteilung).
    Wunderlich - eine beeindruckende Stimme; aber wenn er bei Harnoncourt, Jacobs oder Gardiner so anfängt Mozart zu singen landet er (zu Recht) auf der Straße.


    Die Aufnahmequalität dessen, was derzeit unter "live" läuft ist mitunter kaum von früheren Studioaufnahmen zu unterscheiden (und auch dort kann bei der abmischung gepfuscht werden) - insbesondere, wenn sich "live" nur auf die Aufnahmetechnik bezieht, aber kein Publikum anwesend ist. Beispiel: "LSO-live" mit einigen wirklich beeindruckenden Aufnahmen.

  • Ich bin sehr froh, dass sich die Herren Intendanten nicht immer nach dem Geschmack des Publikums richten. Sonst sähen nämlich die Spielpläne der Opernhäuser sehr eintönig aus, überspitzt gesagt immer abwechselnd Zauberflöte, Tristan, Fledermaus und Rigoletto. Gott sei dank ist dem NICHT so!


    Nach meinem Gusto ist, dass die Alte Musik zwar spärlichen aber doch kontinuierlichen Platz in den Spielplänen eingeräumt bekommt. (Das Gleich gestehe ich natürlich auch anderen Sparten zu, zeitgenössischem etwa.) Für viele ist die Alte Musik ja auch wie neue Musik. Sie enthält ungewohnte Stilmittel und Instrumente, ungewohnte Klänge und Formen. Das ewige Herumreiten auf dem Standardrepertoire trägt meiner Meinung auch dazu bei, dass der Nachwuchs in der Klassikszene mehr oder weniger ausbleibt. Bei der Alten Musik ist das nicht so, sehr viele der Ensembles bestehen aus jungen Leuten und es gab in den letzten Jahren sehr viele Neugründungen von Ensembles.


    Junge Menschen wollen Bewegung und Entwicklung, an der sie auch selbst Teil haben können. Das bekommen sie aber kaum bei dem Repertoire, bei dem schon alles gesagt ist, alle Interpretationsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Deshalb stehen viele junge Musiker dem ganz Alten, wie auch dem ganz Neuen aufgeschlossen gegenüber.


    Ich bin froh drum, dass ich nicht zwanzig Mal irgendeinen Sinfonien-Zyklus kaufen muß, um mein CD-Regal zu füllen. Ich bin dankbar für die Vielfalt, die der Tonträgermarkt bietet, auch und gerade beim sogenannten Nischenrepertoire. Von der Zentralisierung auf ein paar Majorlabel halte ich sowieso nichts (wie generell von Zentralisierung). Das geht immer zu Lasten der Vielfalt und das kann keiner ersthaft wollen.


    Ich bin gegenüber live-Aufnahmen, wie ich schon an anderer Stelle erwähnte, sehr positiv eingestellt, weil Studioproduktionen zwar technisch perfekt sein mögen, es aber häufig am letzten Quentchen Athmosphäre und Spannung fehlt, welche bei der Interaktion von Aufführenden und Publikum entstehen. Dafür nehme ich gerne mal ein kieksendes Horn in Kauf.


    In einem stimme ich aber absolut zu, und das sind die horrenden Preise. 20 Euro und mehr für eine einzelne CD sind eindeutig zu viel! Ich bin aber auch nicht für das Verschleudern unter Wert, als Obergrenze halte etwa 15 Euro für vernünftig. Damit wäre ich zufrieden und könnte mehr beim Händler kaufen als ich das bisher tue.


    Ich sehe die Zukunft für die klassische Musik also in deren Vielfalt, dass jeder auch geboten bekommt, was ihm angenehm die Ohren kitzelt. Ich finde, dass das im Moment gar nicht so schlecht umgesetzt wird.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Zitat

    Original von martello
    Zusätzlich möchte ich vielleicht noch anbringen, dass viele Labels in der Fixierung auf ihre "cash-cows" - und zwar selbst als diese schon tot waren - vergessen haben, zu zeigen, dass es immer wieder großartige und spannende neue Künstler gibt. Hier spielt vielleicht auch mit, dass sich bei einigen/vielen Meinungsbildnern der Klassikszene ein Hang zur Vegötterung des Vergangenen etabliert hat. "Gottgleiche Verehrung" zolle ich aber prinzipiell niemandem.


    Da wäre ja auch nochmal schön, gerade für einen "nur" nachschaffenden Künstler, Händel hatte schon recht, als er der Diva drohte, sie aus dem Fenster zu werfen. IMO wird das aber immer noch falsch gemacht, anstatt eine Alternative zum Starrummel des Pop zu bieten, äfft man ihn nach. D.h. es gab den Divenkult usw. ja in der Klassik schon vor dem Pop, aber natürlich nähern sich in einer völlig kommerzialisierten und massenmedialen Zeit die entsprechenden Images einander an, vgl. auch den "Sex sells" thread. Wenn der Erfolg der "Klassik" auf solchen Äußerlichkeiten basiert, hat sie ihre Krise durchaus verdient....


    Zitat


    Die Aufnahmequalität dessen, was derzeit unter "live" läuft ist mitunter kaum von früheren Studioaufnahmen zu unterscheiden (und auch dort kann bei der abmischung gepfuscht werden) - insbesondere, wenn sich "live" nur auf die Aufnahmetechnik bezieht, aber kein Publikum anwesend ist. Beispiel: "LSO-live" mit einigen wirklich beeindruckenden Aufnahmen.


    IMO sind live-Aufnahmen auch nicht wirklich neu, praktisch alle DG-Aufnahmen des späten Bernstein sind live (ab Ende der 70er), größtenteils zu Boomzeiten in den 80ern enststanden und zum Vollpreis angeboten, da dürften es kaum Sparsamkeitserwägungen gewesen sein, vielleicht hatte Lennie schlicht keine Lust auf zusätzlihce Studiositzungen; ebenso viele Aufnahmen Harnoncourts aus den 90ern.
    Ich weiß auch gar nicht, ob die so viel billiger sind als Studio-Aufnahmen, man schneidet ja nicht einfach ein Konzert mit, sondern meistens mehrere, es gibt Nachbearbeitung usw.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von martello
    "Gottgleiche Verehrung" zolle ich aber prinzipiell niemandem.


    Sollte auch kein Mensch mit etwas "Selbstachtung" machen! :wacky:

  • Da muss ich mich gleich mal selbst rügen; Alfred hat nur von "gottähnlicher Verehrung" gesprochen - ist mir aber auch noch viel zu extrem.


    Im Übrigen ist es mir in hohem Maße suspekt, wenn - vor allem junge - Menschen als Referenzaufnahmen ständig Künstler anführen, die sie selbst nur als Tonkonserve kennen (können).
    Wie zB Caruso live geklungen hat, weiß heute aus eigener Erfahrung kein Mensch mehr - und aus den Tonkonserven lässt es sich günstigstenfalls erahnen.


    Dazu kommt, dass auch das Singen in Technik und Stilistik Strömungen unterliegt und auch aus diesem Grund Stimmen heute oft ganz anders klingen als in den 30er, 40er oder 50er Jahren. Im Theater kann man diese Entwicklung noch viel deutlicher beobachten.

  • Zitat

    Original von salisburgensis
    In einem stimme ich aber absolut zu, und das sind die horrenden Preise. 20 Euro und mehr für eine einzelne CD sind eindeutig zu viel! Ich bin aber auch nicht für das Verschleudern unter Wert, als Obergrenze halte etwa 15 Euro für vernünftig. Damit wäre ich zufrieden und könnte mehr beim Händler kaufen als ich das bisher tue.


    möchte ich an der Stelle mal: Ach könnte ich doch heute abend noch ein wenig Wagner hören...


    20 Euro für eine CD ist gewiß nicht "billig", 20 Euro sind für viele viele Leute viel viel Geld.


    Vergleicht man den Preis mit einer Opern- oder Konzertkarte im mittleren Preissegment, relativiert sich die Sache schon etwas. Wenn man dann noch bedenkt, daß diese Opern- oder Konzertkarte mehr oder weniger hoch subventioniert ist (von wem, will ich jetzt nicht erörtern), relativiert sich die ganze Angelegenheit nochmal erheblich.


    Mit anderen Worten: Baudelaires Utopie können wir uns heute mit einem Griff ins CD-Regal erfüllen, jedenfalls prinzipiell. Die Massenproduktion machts möglich. Inwieweit diese anstrengungslose Reproduktion von 'Kultur' dieser bekommt, läßt sich u. a. an dem Empfinden ablesen, daß 20/50 Euro für einen akustischen/visuellen Opernabend auf der häuslichen Bühne zuviel sind...

  • Also ich glaube es gibt eine Klassikkrise. Nicht nur die geringeren Umsätze sprechen dafür, sondern vor allem der Umstand, dass die Produktions- und die Vertriebseinheiten für klassische Musik - vor allem die großen Labels - in den vergangenen Jahren beständig die Zahl ihrer Mitarbeiter und die Zahl ihrer Neuproduktionen reduziert haben.


    Im übrigen hat die Präsenz und Wertschätzung klassischer Musik im öffentlichen Raum abgenommen.


    Die Krise der großen Klassikfirmen ist nach meiner Meinung zu einem erheblichen Teil durch diese Firmen selbst produziert worden. Mit Erscheinen der CD als neuer Technik hat es zunächst eine erhebliche Belebung der Musikszene und des Umsatzes gegeben. In Deutschland kosteten CDs knapp unter 30 DM im Normalpreis. Mitte der Neunziger Jahre wurde der Preis der Neuerscheinungen dann bis auf knapp 40 DM angehoben. Ich glaube, diesen Preissprung hat das Publikum abgelehnt und nie wirklich mitgemacht. Es gibt so etwas wie absolute Schmerzgrenzen bei dem Preisniveau einer Ware. Wenn diese Grenzen überschritten werden, bricht die Akzeptanz eines Preisniveaus weg, es wird signifikant weniger gekauft oder gar nicht mehr. Für damals knapp 40 DM, heute 20 Euro, ist kaum mehr jemand bereit, sich eine Neuerscheinung zu kaufen.


    Letztlich wurden die Labels gezwungen, billigere Angebote zu machen, um überhaupt noch ausreichend Umsatz zu erreichen. Der Markt wurde aufgespalten in verschiedene Segmente, auch durch die Gründung von Billig-Labels. Ältere Produktionen wurden auf den Markt geworfen und schließlich wurden und werden nach einigen Jahren Hochpreis-Produktionen in günstigen Serien verkauft. Das waren weitere durchgreifende Gründe, die Hochpreis-Angebote letztlich nicht mehr in größerem Umfang durchsetzen zu können. Heute kommt noch die Preiskonkurrenz aus dem Internet hinzu und günstigere Einführungsangebote von hochpreisigen Neuerscheinungen für 15 Euro, z.B. bei JPC. Ergebnis war und ist nunmehr ein schwer überschaubarer Markt mit sehr unterschiedlichen Preissegmenten. Beim Käufer muß klar der Eindruck entstehen, auch hochklassige CDs immer irgendwie noch als Schnäppchen bekommen zu können. Die Labels und Konzerne haben durch ihre chaotische Preispolitik, die jetzt wahrscheinlich nur schwer umkehrbar ist, die Grundlagen für einen beständigen Markt mit angemessenen Preisen selbst zerstört und beklagen sich jetzt über schrumpfende Umsätze und Gewinne. Ein angemessener Preis von 15 Euro für die meisten CDs hätte das alles überflüssig gemacht.


    Ich meine, die Hochpreis-Politik von 20 Euro ist heute unrealistisch und sollte aufgegeben werden. Mit dauerhaften Preisen von 15 Euro ließen sich erheblich höhere Umsätze und Gewinne erzielen, die massiv vorangetriebene Marktsegmentierung wird eine solche Konsolidierung aber nicht leicht machen. Es sollte dazu übergegangen werden, Neuerscheinungen durchgängig für 15 Euro anzubieten und Billig- und Schnäppchenangebote von hochklassigen Spitzenaufnahmen mit mieser Ausgestaltung des Beiheftes langsam zu reduzieren.


    Von einer solchen Marktkonsolidierung hätten die Labels erhebliche Vorteile und die Käufer und Hörer auch, weil erstklassige Musiker endlich wieder eine Gelegenheit finden würden, neue interessante Aufnahmen zu machen. Das Verkaufen älterer Aufnahmen wird auch in absehbarer Zeit an Grenzen stoßen, wenn nichts Neues nachkommt, wird sich auch dadurch die Krise weiter verschärfen.


    Das wären aus meiner Sicht probate Mittel gegen die Krise. Eine Umorierierung bei der Preispolitik tut not und es muß wieder Neuproduktionen geben.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo


    Also ich seh das völlig anders , habe die Einführung der CD aus anders erlebt.


    Beginnen wir bei den Preisen in Österreich:


    Ein Langspielplatte kostete sein ich ca 15 Jahre alt war etwa


    ös 150,-- = DM 22 = Euro 11


    kurz vor Einführung der CD wurde dieser Preis erhöht auf


    öS 160,-- = DM 24 = Euro 12



    Als die CD eingeführ wurde kostete sie im Schnitt


    ös 339.- = DM 50 = Euro 25


    Nach einer kurzen Spitze


    öS 385 =DM 56 = Euro 28


    pendelte sich die CD aud


    ös 299 =DM 44 = Euro 22 ein



    Diesen Preis haben sie seit nunmehr 20 Jahren im Fachhandel.
    20 Jahre ohne Preissteigerung. Welcher Artikel kann das sonst noch von sich behaupten ?


    Was ich bemänglei ist jedoch folgendes.


    Die Schallplattenproduzenten klassischer Musik haben immer behauptet, Klassikplatten seien vor allem deshalb so teuer, weil auch Randrepertoire, welches Verluste einbrächte aufgenommen würde.
    Dies würden aus den Gewinnen der regulären Produktion ausgeglichen.


    Heute wird Nischenrepertoire jedoch kaum aufgenommen.


    Preissenkungen würden nichts erreichen, als daß Klassische Musik vom Luxusgut zum "Consumergut" würde - Ein Schreckgespenst.
    Ich sehe schon Klassik-Cds an jedem Zeitungskios, oder -noch cchlimmer Downloadbörsen via Internet - natürlich datenreduziert.


    Und ich höre im Geiste schon die Stimmen der nächsten Genertion
    "Auf den Klang kommts doch nicht an - Hauptsache ist die Musik.
    Wer das interpretiert, das ist doch gleichgültig - Wie das verpackt ist- ist auch gleichgültig"


    Eigentlich ist dann alles gleichgültig.


    Und die Masse würde auch bei 5 Euro noch murren, daß das zu teuer sei. Aber wie sagte ein berühmter bulgarischer Sänger dereinst ?


    "Dann ich nicht singe"



    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo,


    ein "Consumergut" ist die klassische Musik ohnehin schon geworden, wenn man sich ansieht, in welchen Preissegmenten der Hauptumsatz stattfindet (auch in unseren Kauf- und Hör-Threads dominieren doch eher die Budget und Super-Budget-Labels). Naxos hat in den 90er Jahren vorgemacht, wie man relativ billig (mehr oder minder unbekannte Künstler, später dann gezwungenermaßen auch etablierte Stars, wenige Aufnahmesitzungen, vergleichsweise geringe Entlohnung) zumindest befriedigende, teilweise auch sehr gute Aufnahmen in guter Tonqualität produziert - und das zu einer Zeit, da die selbstzufriedenen Majors noch glaubten, mit "Starpower" könne man auch die x-te "Traviata" und die y-te Aufnahme von Beethovens 9. Symphonie verkaufen, egal, ob die "Stars" interpretatorisch gesehen etwas zu sagen hatten oder nicht.


    Beim großen "Gelbetikett" etwa verging kaum ein Quartal, ohne daß Domingo, Pavarotti oder der damalige DG-Star Cheryl Studer entweder unter Levine oder Sinopoli (manchmal auch Abbado) Aufnahmen des Opern-Standardrepertoires produzierten. Solche Produktionen waren sehr teuer (bis zu 1 Mio. DM) und spielten ihre Produktionskosten bei weitem nicht ein, da die Aufnahmen meist wie Blei in den Regalen lagen. Derweil machte das Beispiel "Naxos" Schule, es gründeten sich kleine Labels, die sich auf das von den Majors vernachlässigte Nischenrepertoire spezialisierten und dennoch (oder gerade deshalb) ihr Publikum fanden. Zu spät erkannte man in den Konzernzentralen den neuen Zug der Zeit und hechelte den Entwicklungen fortan hinterher, indem den eigenen Backkatalog verramschte, sich auf vermeintlich populäre Crossover-Produktionen warf, dennoch immer weniger CDs verkaufte und schließlich die Neuproduktion fast völlig einstellte (und die vorher gehätschelten "Exklusiv"-Künstler dutzendweise feuerte).


    Wenn man sich heute einmal den Rezensionsteil klassischer Zeitschriften ansieht, so dominieren nicht die ehemals großen Labels, die mittlerweile fast alle unter das Dach der "Universal" geflüchtet sind, sondern neben dem mittlerweile starken "Naxos"-Konzern kleine und Kleinst-Labels mit wenig Standardrepertoire, dafür vielen Neuentdeckungen und Repertoire-Raritäten, vor allem im Barock- und Neue-Musik-Bereich. Die verkaufen teilweise auch im Hochpreis-Bereich (allerdings dann geringe Auflagen), das "Massengeschäft" bestreiten aber die Budget-Serien der ehemals "Großen", die von einer einstmals ruhmreichen Vergangenheit künden, und eben "Naxos". Eine Rückkehr zu den "goldenen alten Zeiten" ist nicht in Sicht. Der "Star" als alleiniges Verkaufsargument hat endgültig ausgespielt.



    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass es am Preis liegt; ich hatte in meinem ersten posting nur auf den Preis hingewiesen, um die Situation der Eigenkonkurrenz zu illustrieren. Seit ich CDs kaufe, gab es von den "majors" auf jeden Fall midprice-CDs, z.B. Decca Ovation, DG Galleria, die ca. DM 20 kosteten. Zwar war die Auswahl teils noch bescheiden, aber man bekam die Standardwerke auf jeden Fall.
    Natürlich sind CDs gemessen daran, was Platten vor 40 Jahren kosteten nicht zu teuer (aber auch ander Dinge sind billiger geworden, z.B. alles was mit Elektronik zu tun hat). Aber das ist wohl nicht der Punkt. Der Käufer sieht keinen Mehrwert in einer Vollpreis-CD, meist auch völlig zu recht. Er sieht ja die Vollpreis-CD von vor 3 Jahren nun für 4,99 oder 9,99 im Angebot als apex, elatus oder was weiß ich.


    Was den Kiosk betrifft: Als ich anfing Klassik zu hören (ca. 1986-88 ) gab es tatsächlich eine Reihe "Große Komponisten", die auch im Zeitschriftenhandel vertrieben wurde. Das waren MCs und LPs lizensiert von DG, Philips u.ä. (ältere Aufnahmen aus den 60ern, aber mit großen Namen wie Karajan, Brendel usw.) mit außerordentlich guten und ausführlichen DIN-A-4-großen Heften, die kulturhistorische Informationen und ausführliche Diskussionen der Werke enthielten. Ein Freund von mir hatte eine Menge davon, ich habe sie irgendwie verpaßt, weil es dann schon CDs gab und ich keine Kassetten mehr haben wollte. Ich denke, dass genau solche Reihen eigentlich der richtige Weg zur Verbreitung klassischer Musik sind. Sie sahen übrigens nicht "billig" aus, sondern meist waren zeitgenössische Gemälde passend zur Musik auf dem Cover; die Hefte habe ich als farbig in guter Qualität in Erinnerung.


    Klasissche CDs sind natürlich kein echtes Luxusgut. Sie unterscheiden sich darin nicht von Pop- oder Rock-CDs. Ein Galakonzert mit Domingo ist ein Luxusgut (weil nur 1000 Gäste geladen werden), aber nicht der Mitschnitt in zwanzigtausendfacher Ausführung auf CD.
    Das drohende Wegbrechen der Basis nachwachsender Käuferschichten kann auch keineswegs durch einen künstlichen Luxusnimbus verhindert werden, genausowenig wie durch Crossover. Beides ist der Musik "äußerlich". Sie muß für sich selbst sprechen, was "pädagogische" Maßnahmen allerdings erleichtern können. Abgesehen davon, dass ein gute musische Ausbildung an öffentliche Schulen wünschenswert ist, ist allerdings die Öffentlichkeit nciht dafür zuständig, die Unfähigkeit der Plattenfirmen auszugleichen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was mir noch eingefallen ist, während ich über Matthias' Bemerkung nachgrübelte, dass da irgendwo eine Schwelle sei (obwohl es natürlich nicht besonders rational ist, CDs für EUR 15 zu kaufen, für EUR 20 aber zu verweigern), weil es mir genauso geht:
    Ich habe 1996 in den USA studiert, damals stand der $ auf DM 1,50 und es war CD-Käufers Paradies: Vollpreis $15-17, einige Label (Importe) $20 (+ ca. 1 $ Steuer), midprice $10-12, budget price war damals noch nicht so viel, hauptsächlich Naxos, dei waren im Verhältnis teuer $7-8 oder so. Dazu gab es regelmäßige Sales, bei denen z.B. alle DG-Vollpreis-CDs statt 15,99 nur 13,99 oder so kosteten. (Kanada war noch billiger) Bei so geringen Unterschieden machte ich bei der Kaufentscheidung kaum einen Unterschied zwischen mid-price und full price.
    Dagegen zurück in Deutschland wieder Beschränkung auf Angebote oder budget- und midprice. Denn der Unterschied von ca. DM 20 zu DM 39,99 war dann einfach zu steil.
    Es scheint also was an der psychologischen Schwelle dran zu sein...

    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Was den Kiosk betrifft: Als ich anfing Klassik zu hören (ca. 1986-88 ) gab es tatsächlich eine Reihe "Große Komponisten", die auch im Zeitschriftenhandel vertrieben wurde. Das waren MCs und LPs lizensiert von DG, Philips u.ä. (ältere Aufnahmen aus den 60ern, aber mit großen Namen wie Karajan, Brendel usw.) mit außerordentlich guten und ausführlichen DIN-A-4-großen Heften, die kulturhistorische Informationen und ausführliche Diskussionen der Werke enthielten. Ein Freund von mir hatte eine Menge davon, ich habe sie irgendwie verpaßt, weil es dann schon CDs gab und ich keine Kassetten mehr haben wollte. Ich denke, dass genau solche Reihen eigentlich der richtige Weg zur Verbreitung klassischer Musik sind. Sie sahen übrigens nicht "billig" aus, sondern meist waren zeitgenössische Gemälde passend zur Musik auf dem Cover; die Hefte habe ich als farbig in guter Qualität in Erinnerung.


    Hallo Johannes,


    genau diese Reihe hatten meine Eltern damals (ich glaube ab 1983/84) für mich abonniert, um zu verhindern, daß ich in meiner Teenager-Zeit gänzlich in den Pop-Bereich abdriftete. Da waren teilweise wirklich tolle Aufnahmen darunter (etwa Brahms 2. Klavierkonzert Jochum/Gilels oder Tschaikowskys 6. mit Mrawinsky, der "Sacre" von Tilson Thomas oder Dvoraks Symphonie "Aus der neuen Welt" unter Kubelik). Es gab insgesamt an die 60 Folgen, so daß man einen ganz guten Überblick über das Standardrepertoire gewinnen konnte (beim Barock und der Moderne sah es dafür allerdings ziemlich mau aus).


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von GiselherHH


    genau diese Reihe hatten meine Eltern damals (ich glaube ab 1983/84) für mich abonniert, um zu verhindern, daß ich in meiner Teenager-Zeit gänzlich in den Pop-Bereich abdriftete. Da waren teilweise wirklich tolle Aufnahmen darunter (etwa Brahms 2. Klavierkonzert Jochum/Gilels oder Tschaikowskys 6. mit Mrawinsky, der "Sacre" von Tilson Thomas oder Dvoraks Symphonie "Aus der neuen Welt" unter Kubelik). Es gab insgesamt an die 60 Folgen, so daß man einen ganz guten Überblick über das Standardrepertoire gewinnen konnte (beim Barock und der Moderne sah es dafür allerdings ziemlich mau aus).


    Natürlich gab es Lücken, Kammermusik war, wenn ich mich recht erinnere, auch nicht viel dabei. Aber es wurden in jedem Heft auch weiter Werke empfohlen, z.B. bei Beethovens 5. natürlich andere Beethovensinfonien, insgesamt eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit.
    Weißt Du noch, wieviel eine MC/LP + Heft kostete?
    Ich muß diesen Kumpel, der eine wesentlichen Beitrag zu meinem Einstieg in die klassiche Musik geleistet hat, mal fragen, ob er die Hefte noch hat...


    Mein Vater hatte noch ein paar Platten einer englischen Reihe "Library of great composers" oder so, die waren aber viel schlechter. Teils obskure Aufnahmen, mindestens eine der Platten hatte einen abenteuerlichen Höhenschlag. Ich meine mich zu erinnern, dass ich in dieser Reihe zum ersten Mal Mozarts Konzert KV 595 (das war sogar eine frühe Brendel-Aufnahme von Vox o.ä.) und Beethovens 5. Klavierkonzert gehört habe (immerhin hat man noch ein bißchen Englisch bei der Lektüre der Kommentarhefte gelernt..)


    Aber diese Art musikalischer "Volksbildung" kam wohl entweder zu spät oder fruchtete nicht genug... :rolleyes:


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Morgen,


    eine Klassikkrise - "Ich krieg' die Krise!", überall hört man den Schreckensruf. Noch eine Krise in Krisenzeiten.


    Also, Krisenzeiten, darin Klassikkrise. - Klassikkrise ist, wenn Sir Simon Rattle, frisch lockig-flockig frisiert, am Festkonzert die "Eroica" zelebriert, ist, wenn im Großen Festspielhaus Maestro Ricardo Muti die "Schicksalssinfonie" wienerisch gefettet vorzeigt. Klassikkrise = die ewige unmotivierte Wiederkehr des Gleichen.


    Noch mehr von der unvermeidlichen Klassikkrise. Klassik im Berlin der so genannten "Goldenen Zwanziger Jahre" (Zwischenkriegszeit) versus Klassik heutzutage. Klassikkrise ist, wenn es keine präsente Grundkenntnis von Fundamenten der Musikästhetik im Publikum gibt. Einst hatte es das Vermögen im allgemeinen Publikum gegeben. Einst - und jetzt? Es gibt kein Begehren ohne Kenntnis.


    Klassikkrise, dazu rechnet auch, dass Künstler bis vor's deutsche Bundesverfassungsgericht ziehen müssen, um sich aus knebeligen Verträgen lösen zu können.


    Klassikkrise ist, wenn ein in Aussicht und unter Vertrag genommener Kaufmännischer Direktor einer Staatsoper erklärt, er ginge demnächst ein erstes Mal in die Oper.


    Krisenzeiten sind das: Regierungskrisen + Einkommenskrisen = Klassikkrisen.


    Mit freundlichen Grüßen!
    Albus

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Weißt Du noch, wieviel eine MC/LP + Heft kostete?


    Hallo,


    ich glaube, die erste Folge (Beethovens 5te mit Klemperer) gab es für 5 Mark, danach kosteten die LPs + Heft im Abo glaube ich 13-14 Mark pro Stück. Also durchaus ein angemessener Preis für die gelieferte Qualität und keine "Verramsche"!


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Ich weiss nicht, ob es überhaupt eine Klassikkrise gibt. Wenn ja, kann es sich eigentlich nur um die Folge des sinkenden allgemeinen Geschmackniveaus handeln.


    Was da von Banaroo, Chips oder ähnlichen verbrochen wird, erreicht nicht mal den Brennwert von "Hänschen klein". Auf den meisten Musik- Internetseiten existiert der Begriff "Klassik"nicht einmal. Aber war das nicht schon immer so, und es fiel früher wegen des allgemeinen Informationsmangels einfach nicht auf?


    Ich fühle mich auf jeden Fall wie im musikalischen Schlaraffenland. Es hat nie vorher eine Zeit gegeben in der man eine dermaßen große Auswahl an Musik aus allen Jahrhunderten hatte. Ein Leben reicht nicht aus, alles zu hören. Meinen ersten Vaughan Williams musste ich mir in der Jugend noch aus England mitbringen, Alfven und Atterberg bekam ich in Holland. Heute ist wirklich fast alles verfügbar, wenn noch nicht, macht’s CPO, BIS oder Naxos. Eigentlich vermisse ich ab und zu nur einige Zeitgenossen. So viele hervorragende Aufnahmen zu Schleuderpreisen gab’s auch noch nie. Ausserdem sind die Kölner Philharmonie und alle anderen Konzertveranstaltungen hier in der Stadt nicht leerer als vor 30 Jahren - gut damals war's der Gürzenich.


    Ich habe mir schon vor 10 Jahren gewünscht, dass irgendwann nicht mehr genug Geld da sein wird um Aufnahmen "totzuschrauben", daher freue ich mich, wenn einiges aus den Rundfunkarchiven auftauchen wird, denn dort lagern mit Sicherheit eine Menge Schätze, und mir liegen Live-Aufnahmen meistens mehr als Studioproduktionen. Vielleicht kommen dann auch nochmal DDR-Produktionen ohne Rauschfilter.


    Also alles in allem bin ich ausgesprochen zufrieden mit der Klassikkrise, falls es denn eine sein sollte.


    Grüsse
    Walter

  • Seit den letzten Einträgen sind beinahe 4 Jahre vergangen.
    "Klassikkrise" hat es allenfalls bei den Majors gegeben, die einfach nicht begreifen könne, daß Copyrightschut irgendwann einmal endet uind das daß permanente Umverpacken alter Aufnahmen allmählich von den Kunden als langweilig empfunden wird.


    Ich glaube es hat - sieht man von großen Operneinspielungen ab - noch nie so viele interessante Neuerscheinungen gegeben wie gerade heute...


    mfg aus Wien
    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zu dem Thema "Klassikkrise" empfehle ich das Buch "Ausgespielt - Aufstieg und Fall der Klassikindustrie" von Norman Lebrecht. In seiner finalen apokalyptischen Beschreibung (Kapitelüberschrift: "Kernschmelze") ist es sicher überzeichnet, ansonsten sehr lesenswert.


    Es wird in locker erzählender Form ein Überblick über die Geschichte der Tonaufzeichnung und deren Vermarktung gegeben. Ferner gibt es eine kommentierte Liste mit "100 Meilensteinen eines Jahrhunderts der Klassikindustrie" - sprich: 100 exemplarische Aufnahmen und eine Liste mit "20 Aufnahmen, die nie hätten gemacht werden sollen".

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Stellungnahmen zum Thema Klassikkrise sind auch heute noch erbeten. Ich könnte an dieser Stelle eine Menge schreiben - tu es aber aus Gründen der Beeinflussung im Moment nicht. Der Thread ist kurz und übersichtlich und kann daher ohne weiters fortgesetzt werden. Die Mitglieder von heute sind mehrheitlich andere als zur Laufzeit dieses Threads. Ich empfehle jenen, die hier mitmachen wollen, wenigstens den Einführungsbeitrag zu lesen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich meine, die Hochpreis-Politik von 20 Euro ist heute unrealistisch und sollte aufgegeben werden.


    Ich habe mich auch darüber gewundert, dass weiterhin dieser Richtpreis aktuell ist. Womöglich funktioniert er vor allem bei Käuferschichten, die äußerst selten mal eine Klassik-CD kaufen, und auf die die Majors ihre Produkte ja auch zurecht-stylen, da der eingefleischte Klassiksammler eine so spärlich vorhandene Spezies ist, dass er uninteressant geworden ist - für den macht man Boxen aus alten Aufnahmen, die zu produzieren fast nichts kostet. Durch das Ansprechen sonst eher klassikferner Käuferschichten will man die Klassikkrise ja auch abwenden.

  • Ich finde den Preis ja tendenziell auch zu hoch, aber andererseits muss man sagen, dass er seit Jahren nominal stabil geblieben ist. Selbst Hybrid-SACDs, die ja theoretisch einen Mehrwert darstellen, kosten nicht mehr.
    Mir leuchtet ein, dass jemand, der 5-10 CDs im Jahr kauft, wohl nicht groß achtet, ob die nun 15 oder 20 EUR kosten. Die Eigenkonkurrenz, die durch günstigere Reihen besteht, wurde in den letzten Jahren durch die superbilligen Boxen noch verschärft, daher zögert vermutlich ein gewisser Kundenkreis zunehmend beim Hochpreis. Wie ich schon (#13 oben) schrieb, ist bei mir persönlich dieser psychologische Mechanismus schon lange sehr deutlich: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sehe ich einfach nicht ein, warum man den zwei bis dreifachen Preis für Vollpreis gegenüber budget- oder midprice zahlen soll. Man hätte das nie so weit auffächern dürfen.
    Andererseits überlegen sich auch Vielkäufer vermutlich meist eine Mischkalkulation. Was man unbedingt haben will, kauft man auch zu einem höheren Preis und gleicht das eben durch Nutzung von Angeboten wieder aus u.ä.


    Obwohl ich auch nicht glaube, dass es den kleinen besonders gut geht, ist das bei den großen Labeln allerdings wohl auch nicht der Fall. Ich sehe das insgesamt aber relativ gelassen. Noch können (nicht nur) kleinere Labels ein ungeahnt großes Angebot unterschiedlichster Musik anbieten. In Zukunft werden dank download usw. manche Kosten vielleicht sogar geringer werden (kein Vertrieb mehr nötig usw.) Zu meinen, die Zukunft der klassischen Musik hinge an der Zukunft des Tonträgermarkts, ist verfehlt.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Zu meinen, die Zukunft der klassischen Musik hinge an der Zukunft des Tonträgermarkts, ist verfehlt.


    Das halte ich für eine Fehleinschätzung - der auch viele Plattenbosse sich hingeben. Derzeit KAUFT der Klassiksammler noch - weil er einlanglebiges haptisches Medium haben will. Wenn ich nur mehr virtuelle Daten bekomme - vielleicht noch in verminderter Qualität - dann genügt auch die "Kopie von einem guten Freund"
    Ich weiß wovon ich hier spreche - ich habe jahrelang einen Laden mit Computerspielen auf CD geführt. Der Kampf gegen die Raubkopierer war schon deshalb erfolglos, weil diejenigen die kopierten, solche Spezialisten warenl, daß sie über diverse Abwehrmaßnahmen nur höhnisch lächelten. Ega was es war - Dongle, Passwortabfrage,künstliche Lesefehler, etc. - all das wurde ausgetrickst. - Da wird dann Heulen und Zähneknirschen sein..........


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Das halte ich für eine Fehleinschätzung - der auch viele Plattenbosse sich hingeben. Derzeit KAUFT der Klassiksammler noch - weil er ein langlebiges haptisches Medium haben will.


    Es laden schon sehr viele jüngere (unter 50) bevorzugt Dateien (gegen Bezahlung) runter oder kopieren CDs sofort auf eine Festplatte/Ipod u.ä. Ich schätze das auch weniger, aber es ist bereits voll im Schwange. Die unter 25jährigen sind damit aufgewachsen. Es ist naiv zu glauben, dass das aufzuhalten wäre, nur weil ein paar hundert (oder tausend) alternde Sammler keine Freude daran haben. Wie neulich erwähnt, gibt inzwischen Downloadoptionen in höherer Qualität als übliche CDs und ein High-End-Hifi-Anbieter wie Linn setzt zunehmend auf tonträgerlose Abspielgeräte.


    Das ist aber gar nicht mein Punkt gewesen. Ich zähle Downloadangebote im weiteren Sinne zum Tonträgermarkt dazu und meinte etwas ganz anderes. Da selbst in den Zeiten, in denen man mit Klassikplatten richtig Geld verdienen konnte (schätze ca. 1960-95 oder so), nur relativ wenige Künstler davon erheblich profitiert haben, überschätzen einige die Relevanz von kommerziellen Tonträgern oder Downloads für die klassische Musik überhaupt.
    Der Konzert- und Opernbetrieb läuft (inzwischen) in vieler Hinsicht relativ unabhängig vom Medienmarkt. Downloadoption stärken dezentrales oder selbstorganisiertes Vermarkten, sofern man Konserven oder Aufzeichnungen bereit stellen will.


    Wenn es von heute auf morgen keine CDs mehr gäbe, gäben die Wiener Philharmoniker genauso Konzerte wie eh und je. Und das Orchester des Stadttheaters in der Provinz hatte eh nie was von Plattenaufnahmen und seine Arbeit und Finanzierung sind vollkommen unabhängig davon.


    Aufzeichnungen gibt es genügend in Archiven oder im Katalog und wenn es keine Plattenfirmen mehr gäbe, dann würden in Zukunft vermutlich Rundfunkanstalten "Radio on Demand" per Download/Streaming anbieten bzw. ihre Mitschnitte von Bayreuth usw. entsprechend archivieren und anbieten.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Der Konzert- und Opernbetrieb läuft (inzwischen) in vieler Hinsicht relativ unabhängig vom Medienmarkt.


    Lieber Johannes


    Das ist vermutlich der EINZIGE Punkt, wo ich Dir beipflichten kann. Etliche Künstler müssen sehr verwundert sein, wenn wir hier als "Künstler aus der 2. Reihe" von ihnen reden - nur weil sie wenige oder keine Aufnahmen bei den großen Labels gemacht haben. Denn ihre Terminkalender sind ausgebucht - und wo sie hinkommen jubelt man ihnen zu. - Gratulation


    Indes als SAMMLER interessieren mich diese Leute nicht wirklich. Die "Klassikkrise" ist ja eine "Krise" der Tonträger - nicht des Konzertalltags. Sie ist in meinen Augen zudem ein Phantom, das nicht real existiert. Lediglich die Allmacht der großen Plattenkonzerne ist (zumindest im Klassikbereich) gebrochen - und das auch nur weil man so gern von den Gesetzen des Marktes redet - aber sie nicht mal selber kennt - geschweige denn beachtet.
    Klassikproduktionen auf Tonträger waren immer eine Investition, die relativ sicher war, aber die Rendite erst LANGFRISTIG einbrachte - Caruso, Callas, Gigli, Furtwängler, Schnabel. Karajan, Böhm, Bernstein, Pavarotti etc etc. - all das sind Namen die sich noch heute verkaufen, obgleich viele dieser Aufnahmen zwischen 50 und 100 Jahren alt sind. Das würde PRINZIPIELL auch heute noch funktionieren, wenn man bei der Auswahl seiner Künstler kompetent zu Werke ginge. Aber nein - man nimmt irgendeine Modepuppe - weiblich oder männlich spielt da keine Rolle - und versucht sie als "Superstar" zu verkaufen. Wenn das nicht klappt - dann wirft man sie weg. Anschliessend jammert man über die Krise in der Klassik. Dabei hat man lediglich gegen die Spielregeln verstoßen. Wer die Regeln der Klassikvermarktung auf Tonträger nicht kennt - oder aber nicht akzeptieren will - der wird viel Geld damit verlieren.


    Und in Sachen Downloads bin ich nach wie vor der Überzeugung, daß er die Kopierszene zu ungeahnter Blüte treiben wird - was über kurz oder lang das Ende der "großen" Tonträgerverwertungsgesellschaften bedeuten könnte....
    WEil ich muß mir die berechtigte Frage stellen: "Welchen Vorteil bringt MIR der Kauf eines Downloads gegenüber der illegalen Kopie" - und da gibts kaum Argumente.


    Ein TEil der "Klassikkrise" (und auch jener der anderen Musik) ist ja, daß man die CD bei ihrer Markteinführung als unkopierbares Medium gefeiert hat -vor allem dann - wenn keine Verluste in Sachen Tonqualität hingenommen werden - weil wer akzeptiert scho die Reduzierung von CD-Klan auf Audiokassette ? - und dann zu gierig war diese Technik für sich zu behalten. Man wollte DOPPELT verdienen und hat den Konsumenten erstmals in die Lage versetzt verlustfreie Kopien anzufertigen. DÜMMER gehts wohl nicht mehr !!!


    Als ich etwa im Jahr 2001 meinen alten CD Player gegen einen neuen eintauschen musste, stand ich vor der Frage, ob sich Die CD gegen einige neu am Markt befindlichen Systeme werde halten können. Ich setzte auf die CD und behielt recht damit. inzwischen habe ich schon einen weiteren CD -Player nachgekauft - und ich gehe davon aus , daß die CD sich ZUMINDEST noch 10 Jahre am Markt wird behaupten können - dann bin ich (so ich es erlebe) 73 - hinter mir die Sintflut !! :baeh01:


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat von Alfred Schmidt: daß die CD sich ZUMINDEST noch 10 Jahre am Markt wird behaupten können - dann bin ich (so ich es erlebe) 73 - hinter mir die Sintflut !! :baeh01:

    Lieber Alfred,


    so schnell würde ich es nicht aufgeben. Ich bin jetzt 76 und bin noch immer an Neuem interessiert und lege mir immer noch - allerdings zur Zeit mehr auf dem Sektor DVD - zu. Und ich hoffe, dass sich das in den nächsten 10 Jahren noch nicht ändert. Warum sollst du das nicht auch erleben?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • noch 10 Jahre - dann bin ich (so ich es erlebe) 73

    Wer morgens nüchtern dreimal schmunzelt,
    wenn’s regnet, nicht die Stirne runzelt,
    und Abends lacht, dass alles schallt,
    wird über 100 Jahre alt!


    Also dann frohgemut, auf geht´s. Mit den besten Wünschen
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Kommen wir zurück zum Thema - in leicht abgewandelter Form.
    Wenn ich den Download begünstige, dann säge ich als Produzent an dem Ast auf dem ich sitze.
    Es gibt nämlich dann keinen qualitativen Unterschied mehr zwischen Original und Raubkopie, in tontechnischer Hinsicht schon lange nicht, und nun auch nicht in Sachen Haltbarkeit und Aufmachung.
    Man hat schon einmal eine derartige Entscheidung getroffen, nämlich als man die CD einführte. Damals meinte man, eine Technik gefunden zu haben, die sich einerseits nur die "Majors" leisten könnten - andrerseits auch für den User undurchschaubar wäre. Man hob den Preis einer Normalpreis Langspielplatte von öS 160.--(= ca 12 Euro) auf öS 339 (=ca 25 Euro) an und versuchte ca 18 Monate später bis zu öS 385 .--(=ca 28 Euro) zu verlangen. Das hat aber nicht funktioniert - aktuell kostet im Wiener Fachhandel heute eine Hochpreis-CD 22.-- Euro (öS 299.--) und das seit mehr als 15 Jahren.
    Begründet wurde der damalige Preissprung mit den hohen Fertigungskosten einer CD. Die Fertigungskosten sind inzwischen merklich gesungen - die Preise indes im Hochpreisbereich jedoch nicht.


    Ungeachtet dessen rechnete mir gestern Theophilus vor, daß sich Studioproduktionen von Opern für Video .- in der von mir geförderten Güte nicht rentierten. Darüber kann in diesem Thread trefflich gestritten werden.
    Man kann sich die Frage stellen, warum man in den 60er und 70er Jahren unter schlechteren Bedingungen solche Produktionen finanzieren konnte - und warum das heute nicht mehr funktionieren sollte....


    Oder aber: Wenn wir akzeptieren, daß es eine "Klassikkrise" gibt - und zwar eine der Tonträgerindustrie, nicht des Konzertbetriebs. (Opernhäuser vergraulen ja völlig eigenständig das Stammpublikum) - dann muß man sich fragen.
    Wo liegen die Ursachen?


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn ich den Download begünstige, dann säge ich als Produzent an dem Ast auf dem ich sitze.

    Diese Überlegung klingt logisch und ganz offensichtlich haben viele Plattenproduzenten lange Zeit ähnliche Befürchtungen gehegt. Allerdings hat die Wirklichkeit beginnend mit iTunes das Gegenteil bewiesen. Wir wissen nun, dass neue Medien-Zeiten auch neue Vertriebsmodelle ermöglichen - ja vielleicht sogar fordern.



    Man hob den Preis einer Normalpreis Langspielplatte von öS 160.--(= ca 12 Euro) auf öS 339 (=ca 25 Euro) an und versuchte ca 18 Monate später bis zu öS 385 .--(=ca 28 Euro) zu verlangen. Das hat aber nicht funktioniert - aktuell kostet im Wiener Fachhandel heute eine Hochpreis-CD 22.-- Euro (öS 299.--) und das seit mehr als 15 Jahren.
    Begründet wurde der damalige Preissprung mit den hohen Fertigungskosten einer CD. Die Fertigungskosten sind inzwischen merklich gesungen - die Preise indes im Hochpreisbereich jedoch nicht.

    Jetzt hast du dich elegant selbst widersprochen. 25€ 1985 sind indexbereinigt heute wenigstens 35€ (wenn nicht sogar 40€), daher sind die aktuellen Preise drastisch niedriger - viel niedriger als durch die billigere Produktion zu begründen wäre.



    Man kann sich die Frage stellen, warum man in den 60er und 70er Jahren unter schlechteren Bedingungen solche Produktionen finanzieren konnte - und warum das heute nicht mehr funktionieren sollte....

    Weil du meine Begründung nicht nachvollziehen willst. Ich habe nie behauptet, dass man solche Produktionen nicht auch heute durchziehen kann, sondern dass niemand seine Finanzierung so aufbaut, dass das Geld in 20 Jahren wieder hereinkommt. Das wäre nämlich kaufmännischer Unfug.
    Man benötigt hingegen Geldgeber, die für das geplante Produkt sofort viel Geld zur Verfügung stellen. Und die gibt es! Das sind in erster Linie die Fernsehgesellschaften. Die kalkulieren nämlich völlig anders als ein Videoverkäufer. Für sie kostet eine Sendeminute zur Wochenend-Primetime einen ziemlich konstanten Fixpreis - wem sie das Geld geben ist dabei nicht groß von Belang. ORF1 z.B. sendet am Sonntag Abend immer einen relativ aktuellen und erfolgreichen Hollywood-Blockbuster (und beim armen ORF heißt "aktuell" drei Jahre alt). Und für die Senderechte dieses einen Films berappt er einen sechsstelligen €-Betrag! Manchmal sogar einen hohen sechsstelligen Betrag! Jetzt kann man sich ausrechnen, dass ARD oder ZDF für ähnliches siebenstellig blechen. Und das für 90 bis 120 Minuten Sendezeit. Plane ich jetzt eine Opernverfilmung mit publikumswirksamen Größen wie Anna Netrebko, Elina Granca oder Placido Domingo, brauche ich "nur" ein Dutzend oder mehr Fernsehanstalten, die beim Projekt einsteigen und ich habe ein paar Millionen Euro in der Kriegskasse. Damit kann man etwas auf die Beine stellen. Die Video-Einnahmen der ersten ein, zwei Jahre wird man auch abschätzen und in die Kalkulation aufnehmen, aber was in zehn oder zwanzig Jahren noch verkauft wird, ist völlig blunzen (wie der Wiener sagt). Schön, wenn es dann noch zusätzliches Körberlgeld gibt, aber für die Finanzplanung vollkommen unerheblich. Die Finanzierung muss mit Produktionsbeginn stehen - ansonsten gibt es keine Produktion.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose