Morgen findet in Berlin im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck die Grundsteinlegung für das neue "alte Schloss" statt. Mit diesem Neubau erhält Berlin seine verlorengegangene Mitte und ein Stück seiner geschichtlichen Identität zurück - Und Berlin ist nur die Fortsetzung dieser Rückbesinnung auf traditionelle Werte, die geradezu einer Flucht in die Vergangenheit gleich kommt. Dresden hat seine Frauenkirche wieder. Wismar seine Georgenkriche, Frankfurt baut seine Altstadt neu auf, Braunschweig, Potsdam und jetzt Berlin erhalten ihre Schlösser zurück - die Sehnsucht nach den alten Werten ist allerorts ausgebrochen und zwar so stark, dass alle finanziellen Hürden überwunden werden. In diesen schwierigen Entscheidungen für die verlorengegangene Pracht äußert sich auch tiefes Misstrauen gegen die moderne Architektur. Die gesichtslosen und austauschbaren Glas-Beton-Würfel, die in unseren Städten entstanden sind, können nicht die Atmosphäre stiften, nach der sich auch oder gerade moderne Menschen sehnen. Barocke Bauten hingegen, mit ihren Säulen, Erkern und Prachtfassaden vermitteln ein Gefühl von Wärme, Geborgenheit, Frieden - eine beseelte Tradition, die in unserer schwieirigen, technokratischen, hektischen, seelenlosen Zeit zur Fluchtburg, zum Rettungsanker werden kann.
Diese Entwicklung hat frappierende Parallelen zu dem, was uns hier im Tamino-Klassik-Forum bewegt und eint. Suchen wir in der Oper nicht ebenfalls sehnsüchtig die verlorengegangene Tradition? Drehen sich unsere Diskussionen - egal von welchem Standpunkt aus sie geführt werden - nicht um die Frage, wie kann Oper die Erwartungen, Wünsche Sehnsüchte, Träume des modernen Menschen in unserer Zeit erfüllen. Ist wie in der modernen Architektur die Oper gesichts- und seelenlos geworden, durch immer neue Versuche ,sie zu modernisieren und zwanghaft dem Stil der Zeit anzupassen.
Brauchen wir auch im Musiktheater die Rückbesinnung auf die bewährten Werte? Die Sehnsucht nach der Tradition auf vielen Gebieten signalisiert diesen Trend. Die Zeit und die Entwicklung arbeitet also an der allenthalben erkennbaren Erneuerung der Oper. Wir als Tamino-Klassik-Forum sollten aktive Entwicklungshelfer sein. Ich glaube, wir sind in dieser Richtung auf einem guten Weg - gehen wir ihn gemeinsam konsequent weiter.
Herzlichst
Operus