Deutsche Orchestermusik der Romantik jenseits von Mendelssohn, Schumann, Brahms, Bruckner, (Strauss und Mahler)

  • Analog zum Thread "Deutsche Kammermusik der Romantik" möchte ich hier einen Thread über Orchesterwerke der Romantik aus dem deutschen Raum starten. Ziel dieses Thread ist es ein besseres Bild über das Musikleben jener Zeit zu erhalten, denn leider haben sich außer Brahms und Bruckner sehr wenige Werke im Repertoire erhalten. Weshalb? An der geringen Zahl liegt es gewiss nicht. Liegt es an der Qualität? Gehen wir dieser Frage hier nach und stellen wir hier Orchesterwerke aus der deutschen Romantik vor!


    Weshalb nur die deutsche Romantik? Nun, in Deutschland/Österreich/Schweiz wird bekanntlich vor allem das deutsche Repertoire gepflegt, allerdings sehr selektiv. Ich hielte es deswegen für vernünftig einmal die eigenen verlorenen Schätze zu bergen. Weiters übte die deutsche Romantik eine starke Strahlkraft auf andere Länder aus, umgekehrt hingegen kaum, weshalb eine Besprechung der Werke Tschaikowskis, Borodins, Tanjejews oder Saint-Saens hier wenig bringen würde.


    Ich bitte um rege Teilnahme! Der Kammermusikthread hat nämlich mein Konto bereits stark belastet (das meine ich ernst! :pinch: ). Ich habe zahlreiche Werke bereits zuhause, die für diesen Thread relevant sind, aber alleine werde ich hier nicht weit vorankommen.



    Als Endziel schwebt mir vor, die eminente Stellung, die Brahms und Bruckner in einer fast 50-jährigen Periodeeinnehmen, besser bewerten und diskutieren zu können. Es kam letzter Zeit von verschiedenen Seiten die Anregung, einen Thread zu starten, in welchem Brahms' Werk einer kritische(er)en Betrachtung unterzogen werden soll. Ich denke, fundiert wird so eine Diskussion nur dann, wenn die Leistungen Brahms' Zeitgenossen auf den Tisch liegen. Zu diesem Zweck werden dann die Erkenntnisse aus diesem und dem Kammermusikthread zusammengelegt werden. Ein zusätzlicher Thread zu Klaviermusik der deutschen Romantik, wäre vielleicht auch sehr hilfreich.

  • Es kam letzter Zeit von verschiedenen Seiten die Anregung, einen Thread zu starten, in welchem Brahms' Werk einer kritische(er)en Betrachtung unterzogen werden sol


    Sollten wir uns wirklich anmaßen, das Brahms´sche Werk kritisch zu betrachten? Sollen wir uns wirklich auf eine Stufe stellen mit Eduard Hanslick?


    Mit Verlaub, das steht mir und sicher auch Dir nicht zu. Wir können unsere persönliche Meinung zu Brahms kundtun, aber seine Werke einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, das geht mir zu weit.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mit Verlaub, das steht mir und sicher auch Dir nicht zu. Wir können unsere persönliche Meinung zu Brahms kundtun, aber seine Werke einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, das geht mir zu weit.


    Ich glaube, Dir ist nicht ganz klar, was "kritisch" heißt. Vielleicht hättest Du Dich doch etwas mehr mit Geisteswissenschaften auseinandersetzen sollen :stumm:

  • Hast Du Liszt vergessen, oder siehst Du den separat, da "neudeutsch"?
    Und wie genau meinst Du 50 Jahre? Mir scheint, dass, wenn man die gesamte Romantik betrachtet, man eher von knapp 80 Jahren ausgehen sollte (ca. Beethovens und Schuberts 9./Freischütz/Sommernachtstraum bis Bruckners 9. oder die ersten Sinf. Dichtungen Strauss', also 1820er bis um 1900), wobei Brahms und Bruckner für die erste Hälfte dieses Zeitraums irrelevant sind. Oder man nimmt die Zeit, in der Brahms und Bruckner von manchen als "Konkurrenten" betrachtet wurden (was freilich wegen der relativen Erfolglosigkeit Bruckners auch kein ganz angemessenes Bild ist), das wären dann etwa die 25 Jahre von 1870-95.


    Schließlich finde ich es etwas unglücklich formuliert, um nicht zu sagen unfair, die Komponisten in diesem Thread quasi als "Hintergrund" für Brahms/Bruckner zu sehen. Die Rolle eines solchen Threads (so verstehe ich dich eigentlich auch) sollte doch eher darin bestehen, die weniger bekannten überhaupt mal ins Bewusstsein zu bringen.


    Die Kernbedeutung von "kritisch" kann man übrigens auch in den Naturwissenschaften lernen: kritische Masse, kritischer Gesundheitszustand... ;)

    Struck by the sounds before the sun,
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    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Vielleicht hättest Du Dich doch etwas mehr mit Geisteswissenschaften auseinandersetzen sollen


    Ich weiß wohl, warum ich das nicht tat! Mir hat die Naturwissenschaft gereicht, da kann ich wenigstens jede Aussage mit Gesetzen belegen. Wo nur Worte, Rede und Gegenrede zur Gesetzmäßigkeit oder zum Postulat befördert werden, ist für logisch denkende Mathematiker, Chemiker, Physiker oder Biologen kein Platz.


    Das ändet aber nichts daran, daß sowohl Geistes- als auch Naturwissenschftler, 70-jährige und Jüngere sich für klassische Musik interessieren können, sollen und dürfen. Nur wird ein Geisteswissenschaftler versuchen, Musik anders zu interpretieren oder nennen wir es deuten. Natürlich kann ich die Salome oder das Violinkonzert von Brahms nicht in Formeln stecken. Jetzt kommt die Emotion, positiv oder negativ ins Spiel. Und davon laß ich mich leiden, nicht von Musiktheoretikern.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Na, dann wollen wir mal beginnen. Ich möchte hier ein Stück für Orchester und Soloinstrument aus der Hochromantik in zwei nicht ganz unbekannten Einspielungen nennen:



    Gemeint ist natürlich das Violinkonzert von Max Bruch. Henri Vieuxtemps ist zwar auch Romantiker, aber nicht deutsch, und Felix Mendelssohn-Bartholdy darf ja nicht mitspielen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • "Ich würde nicht opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt" Dies Aussage von Reinecke selbst, sagt wie er sich selbst sah - mehr nicht. Seine Vorbilder waren Mendelssohn und Schumann. Mit letzterem war er übrigens befreundet, Mendelssohn hingegen förderte Reineckes Karierre als Konzertpianist. Auch Liszt und Berlioz gehörten zu seinen Förderern. Auch Brahms hat er in jungen Jahren kennengelernt. Wie wir aus diesen kurzen biographischen Notizen unschwer entnehmen können war Reinecke zu Lebzeiten sehr geschätzt und zwar als Pianist, Komponist und Lehrer.


    Liest man heute einen Lexikoneintrag über Reinecke, dann fehlt nur selten der Hinweis darauf, daß er ein konservativer Komponist - irgendwo zwischen Mendelssohn und Schumann angesiedelt ist, obwohl er beide um etliche Jahrzehnte überlebte.
    Die Worte "akademisch" und "trocken" habe ich in diesem Zusammenhang auch schon gelesen - kein Wort davon ist wahr.
    Viele Konzertführer leisten sich den Luxus auf die Erwähnung von Reinecke als Komponisten ganz zu verzichten, was aber eher etwas über die Qualität des Nachschlagewerkes aussagt als über jene von Reineckes Werken

    Reineckes 1. Sinfonie in A-dur op 79 wurde am 2. Dezember 1858 vom Leipziger Gewandhausorchester unter Julius Rietz uraufgeführt. Sie ist eigentlich Reineckes zweite Sinfonie, aber die erste gilt als verschollen. 1863 unterzog der Komponist das Werk einer Revision. Danach wurde das Werk erneut uraufgeführt und zwar ebenfalls im Leipziger Gewandhaus, diesmal jedoch unter der Leitung Reineckes.
    Ich gestehe, daß ich diese Sinfonie - obwohl ich sie seit Jahren im Archiv habe - heute erstmals bewusst gehört habe. - und ich wundere mich, wie ich deren Qualität einst verkennen konnte.
    Persönlich erinnert sie mich mehr an Mendelssohn als an Schumann - andere mögen das vielleicht anders empfinden.
    Aber natürlich gibt es eine "persönliche Note" Eher melancholisch, träumerisch und auch oft lebhaft als dramatisch-wuchtig, stets aber melodiös und eingängig.

    Peter Cossé schrieb 1988 in Bezug auf die hier vorgestellte Aufnahme - damals noch auf Marco Polo - im Fono Forum

    Zitat

    "Eine thematisch und in der Durchführung überzeugende Erste Sinfonie hat Carl Reinecke hinterlassen. Dies lehrt uns endlich Alfred Walter mit der "Rheinischen". Ein heißer Plattentip für romantische Spurensucher."


    Mein Tip: Selber hören .........
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schließlich finde ich es etwas unglücklich formuliert, um nicht zu sagen unfair, die Komponisten in diesem Thread quasi als "Hintergrund" für Brahms/Bruckner zu sehen. Die Rolle eines solchen Threads (so verstehe ich dich eigentlich auch) sollte doch eher darin bestehen, die weniger bekannten überhaupt mal ins Bewusstsein zu bringen.


    Das hatte ich schlecht ausgedrückt. Dieser Thread dient nur zur Vorstellung von Orchestermusik deutscher Komponisten aus der Romantik. Gleichzeitig soll er eine Art Materialsammlung" für einen weiteren Thread sein, in welchem Werke (Kammer- und Orchesterwerke) von den hier besprochenen Komponisten mit denen der "Großen" verglichen werden, um zu diskutieren, ob a. die Zurücksetzung qualitativ begründbar ist und b. was die Großen im Vergleich groß macht. Brahms sticht für mich besonders hervor, da es zu seinen Lebzeiten meiner Meinung nach mehr sehr gute Komponisten gab, die hochqualitative Werke schrieben, als zur Zeit Mendelssohns und Schumanns. Außer Spohr gibt es da nicht viel (der soll hier auch zu seinem Recht kommen) - Ries gehört für mich einer früheren Epoche an. Die "fünfzig Jahre" bezogen sich auf das "Interregnum" Brahms (und tlw. Bruckners) zwischen Schumann und Mahler/Strauss. Tatsächlich sind heute keine deutschen Symphonien im Konzertsaal zu finden, die zwischen der Rheinischen von Schumann und der Ersten von Brahms geschrieben wurden (Raff, Volkmann, Reinecke wären hier zu nennen). Diese Zeit verdient hier deshalb gesteigerte Aufmerksamkeit.


    Über Liszt hatte ich natürlich nachgedacht. Ich habe mich dagegen entschieden ihn zu "sperren", weil fast alles seiner Orchestermusik wenig bis gar nicht bekannt ist. Natürlich wäre es hier nicht sehr spannend gerade die Klavierkonzerte oder Les Preludes zu diskutieren, aber andere symphonische Dichtungen wären schon interessant.

  • Die Worte "akademisch" und "trocken" habe ich in diesem Zusammenhang auch schon gelesen - kein Wort davon ist wahr.


    Ja, ein völlig absurder Vorwurf. Das, was ich von Reinecke bisher gehört habe (Kammermusik und eine Streicherserenade) war sehr farbig und - etwas seltenes - äußerst charmant.

  • Felix Mendelssohn-Bartholdy darf ja nicht mitspielen.


    Ich glaube das würde nichts bringen, denn selbst die unbekanntesten Orchesterwerke wie die Trompetenouvertüre sind öfters auf CD zu finden als die zentralen Werke vieler deutscher Komponisten.

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  • Robert Volkmann (1815 - 1883) wird gemeinhin als Konservativer gesehen, ganz in der Tradition Schumanns und Mendelssohns. Ich denke, dass ist eine unzulässige Verallgemeinerung, denn er hat sowohl Kammer- als auch Orchestermusik geschrieben, die völlig andere Wege geht. Ein Beispiel wäre die symphonische Dichtung Richard III., Op. 68. Dieses Orchesterstück ist Programmmusik in ihrer reinsten Form, das heißt die Handlung Shakespeare's Theaterstück wird "nacherzählt" und nicht nur innerhalb eines klassisch gebauten Stücks mit Sonatenhauptsatzform angedeutet (das wäre der mendelssohnsche Typus). Somit schreibt Volkmann hier ein neudeutsches Werk Marke Liszt. Dass dieses Stück nie aufgeführt wird und nur einmal eingespielt wurde (siehe unten) ist ein grotesker Umstand! Das Werk ist faszinierend, thematisch eingängig, brilliant instrumentiert und scheut nicht vor richtigem Schlachtgetöse zurück (Holsts "Mars" lässt grüßen). Schon das sinstre Eingangsthema, das Richard III. charakterisiert, ist ein blendender Einfall. Meiner Meinung nach kann Volkmanns Richard locker neben den meisten, wenn nicht allen, Lisztschen symphonischen Dichtungen bestehen. Ein "must-have" schon, weil Richard III. auf CD mit mehreren ebenso hervorragenden Werken gekoppelt ist, welche auch noch eine detaillierte Besprechung erhalten werden:


  • Ich habe mir lange die Frage gestellt ob der am 22. Mai 1827 in Lachen /Schweiz geborene Joachim Raff in diesen Thread hineinpasst – und ich bin zur Überzeugung gekommem: Ja
    Er wird ja auch in diverser Fachliteratur als Deutscher Komponist mit Schweizer Wurzeln beschrieben.
    Sein Stil ist kaum an einen anderen Komponisten „angelehnt“ so erspare ich mir jegliche Vergleiche, wengleich ich ihn zeitweise mit Mendelssohn verglichen habe. Ob ich diese Einschätzung heute noch aufrecht erhalten kann müsste ich längeren Hörsitzungen einer Überprüfung unterzogen werden, Zu Lebzeiten war RAFF hoch geschätzt und oft gespielt und von Zeitgenossen mit Brahms durchaus auf eine Stufe gestellt, meiner Meinung nach aber eher auf den Stellenwert bezogen, als auf die Ähnlichkeit.
    Kommentare sind jedoch stets ein Spiegel der Zeit und auch woher der Kommentator kommt, soll heissen welchen musikästhetischen Standpunkt er vertritt. Raff war in Zeiern, wo Komponisten eher ein paar wenige markante Werke in ihrem ganzen Leben schrieben – eher ein Vielscheiber – das haben ihm seine Gegner angekreidet.



    Allein elf Sinfonien hat er geschrieben, zudem noch weitere Orchesterwerke.Sie waren es, die ihm den Durchbruch beim Publikum verschafften. Schon die erste Sinfonie, op 96, welche er „An das Vaterland „ taufte wurde im Rahmen eines Preisausschreibens der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“ mit dem ersten Preis bedacht. In der Jury sassen unter anderem auch Volkmann und Reinecke , über die wir in den letzen Tagen schon einiges geschrieben haben.
    Heute ist ein Teil des Publikums schon ablehnend, wenn das Wort „Vaterland“ im Titel einer Sinfonie aufscheint. Dazu mehr im Raff-Spezialthread über seine Sinfonien,



    Hier sei noch in aller kürze erwähnt, dass im allgemeinen Raffs 3. „Im Walde“ und 5. Sinfonie „Leonore“ als die Bedeutendsten angesehen werden. Auch darüber kann im Raff-Sinfonien Thread geschrieben werden. Das wird vermutlich nicht von heute auf morgen geschehen , denn dazu sind eher Marathon-Hörsitzungen erforderlich…..


    Es gibt einen Thread zu Raff im Forum, der jedoch schon seit längerer Zeit brach liegt,
    wo er nicht besonders gut wegkommt, das ist aber eher ein Hinweis auf die Erwartungshaltung der Hörer, als auf die Qualität der Kompositionen.
    Dazu mehr in einem eigenen zukünftigen Thread.
    RAFFiniert instrumentiert - Die Sinfonien von Joachim Raff


    Franz Liszt war von Raffs Fähigkeiten überzeugt, er ließ ein nach seinen Vorgaben etliche seiner Werke orchrestrieren, aber auch von Raffs Fähigkeiten als Komponist war er überzeugt: „Wenn es wahr ist, dass die Kunstwerke durch ihren Stil leben, so dürften die Arbeiten Raffs einer ziemlichen Dauer sicher sein“.
    Meiner Meinung nach irrte Liszt hier – und zwar nicht in Bezug auf Raffs Qualitäten, sondern in der irrigen Annahme, dass Qualität sich stets durchsetze. „Kunstwerke“ unserer Zeit untermauern meine These in jeder Beziehung.
    Dennoch bin ich – auf lange Sicht - mit Liszt einer Meinung – Raff wird in Zukunft – ab jenem Moment wo eine „neue Phase der Romantik“ kommt – wieder jene Wertschätzung erfahren, die ihm eigentlich zukommt.
    Vielleicht noch ein Wort zu gegenwärtigen Verfügbarkeit von Raffs Sinfonien auf Tonträger.
    So schlimm ist es gar nicht. Lange vor den TUDOR Aufnahmen hat das "Entdeckerlabel" MARCO POLO sich mit Raffs Sinfonien auseinandergesetzt. Die meisten dieser Aufnahmen wurden ins Budgetpreis-Label NAXOS übertragen und sind nun günstib verfügbar. Ich verdanke diesen Aufnahmen, daß ich Raff recht gut kenne. Von TUDOR gibt es eine Gesamtaufnahme , die auch einzeln erhältlich ist (dann allerdings erheblich teurer) Einige andere Label haben jeweils einzelne Sinfonien von RAFF veröffentlicht - Die Lage ist also nicht hoffnungslos.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hugo Staehle


    ist ein deutscher Romantiker, dessen erste und einzige Sinfonie ich neulich eher zufällig als 'Beigabe' zu einer Burgmüller-Sinfonie kennenlernen durfte. Jung gestorben (* 1826 - † 1848), nur ein entsprechend schmales Œuvre hinterlassend und offenbar nie wirklich über seinen eigenen Kirchturm hinaus in die Welt gekommen scheint er bis heute weitgehend unbekannt. Sein Werk umfasst "Liederzyklen, Klavierstücke, ein Klavierquartett, eine Sinfonie in c-Moll (1844 durch die Kasseler Hofkapelle uraufgeführt), eine Konzertouvertüre, eine Oper (Arria, Uraufführung 1847 in Kassel) sowie Psalmen für Gesang und Orchester." [Quelle: Wikipedia]


    Aus dem, was ich für 'deutsch-romantisch' halte, ragt er stilistisch nicht wirklich heraus. Das tut dem großen Hörvergnügen an seiner Sinfonie (wie gesagt bisher einzige Werk, das ich von ihm kenne) aber ganz und gar keinen Abbruch. Ich würde ihn mal ganz grob in der Nachfolge Beethovens (im Adagio meine ich deutliche Anklänge an dessen 9. zu hören) mit einigem an Mendelssohn'schem Einfluß verorten, was seine Tonsprache angeht.

  • Von Paul Hindemith soll der Satz stammen: "Max Reger war der letzte Riese in der Musik. Ich bin ohne ihn gar nicht zu denken." Nun gut, da fallen mir andere Riesen ein, aber bei der Nennung von romantischen Komponisten jenseits des Mainstreams darf Max Reger gewiss nicht fehlen. Regers Kompositionen sind aus dem Geiste der Harmonik, hierin folgte er Richard Wagner, heraus zu verstehen. Die Melodik ist ihr untergeordnet, auch Rhythmik und Dynamik sind aus ihr zu erklären. Es gibt teilweise einen Widerspruch zwischen Klarheit und Prägnanz der Aussage und üppigem kontrapunktischem wie harmonischem Pomp. Auf jeden Fall aber gibt es sehr hörenswerte Werke, die sich teilweise erst beim zweiten Mal erschließen:



    Beide Konzerte haben ihre spieltechnischen Schwierigkeiten und sind reich an melodischen Gedanken. Reger wollte z.B. mit dem Violinkonzert an Beethoven und Brahms anknüpfen, deshalb strebte er eine "durchsichtige" Instrumentierung und eindringliche Melodik an. Ob ihm das so ganz gelungen ist, da habe ich Zweifel. In beiden Konzerten gibt es sehr wohl ansprechende Themen, die sich aber in der melodischen Vielfalt nur schwer behaupten können. Der Stil ist natürlich hochromantisch.


    Das für mich überzeugendste Werk, in wirklich eingängiger musikalischer Sprache und mit brillianter Technik ausgestattet, sind die "Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart" op. 132. Sicher hat die Mozartsche Vorlage daran ihren Anteil, aber was Reger daraus macht, ist überaus kunst-und wirkungsvoll. Ebenfalls hübsch in der Anlage und Verarbeitung sind die Hiller-Variationen.



    Man wirft Reger z.T. harmonische Übersättigung vor. Vielleicht deshalb findet man ihn relativ selten auf den Konzertspielplänen. Wer romantische Musik mag, wird aber nicht um Reger herumkommen.


    Mit besten Grüßen


    :hello:


    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Als Ergänzung zu Alfreds Beitrag Nr. 12, möchte ich noch auf Raffs vier Shakespeareouvertüren verweisen, die ich für ganz ausgezeichnet instrumentiert halte. Besonders gut gefallen mir "Der Sturm" und "Macbeth" - vor allem erste verdiente es, mal im Konzertsaal zu erklingen. Offensichtlich hatte bereits Raff Schwierigkeiten, diese Werke publiziert zu bekommen, denn nicht einmal die Unterstützung Bülows und sogar Brahms konnte einen Verleger davon überzeugen, die Werke zu drucken. Sie haben deshalb auch keine Opuszahl und wurden teilweise erst nach dem Tod Raffs uraufgeführt. Allerdings muss man hinzufügen, dass es sich um Spätwerke Raffs handelt und auch andere Komponisten, z.B. Dvorák, massive Probleme hatten, Orchesterwerke verlegen zu lassen, da diese wenig Geld abwarfen. Mir liegt folgende Aufnahme vor:



    Es gibt auch eine Zweitaufnahme unter Neeme Järvi, die ich allerdings nicht kenne:


  • Zu Reger würde ich gerne noch folgende Ergänzung bringen:



    Auf dieser CD findet sich das einzige "symphonische" Werk Regers, der "Symphonische Prolog zu einer Tragödie" Op. 108. Wie immer bei Reger nicht leicht verdaulich, aber mir gefällt das Werk sehr gut.

  • "Schon wieder Volkmann!" werden hier wohl einige ausrufen. Andererseits, man sollte das Eisen schmieden, solange es heiß ist, und da Volkmann gerade jetzt im Forum so viel Aufmerksamkeit bekommt, sollte man auch ein paar Werkbesrechungen ins Forum stellen. Diesmal von seiner ersten Symphonie, Op. 44, in d-Moll.


    Das Werk legt gleich mächtig los, und zwar mit einem Eingangsthema, das - wie von Tamino Spradow richtig angemerkt - seeeeehr stark an Borodins zweite Symphonie in h-Moll erinnert (da Volkmanns Symphonie in Russland ein Riesenerfolg war, kann man sich wohl einiges zusammenreimen...). Anders als Borodin pflegt Volkmann aber einen traditionell deutschen Kompositionsstil, was heißt, dass das Thema nicht 1000x hintereinander dem Hörer ins Ohr gehämmert wird ;) . Der Kopfsatz ist für Volkmannsche Verhältnisse sehr ausgedehnt (13 Minuten) und mit der Angabe "Allegro patetico" überschrieben. Tatsächlich ist der Titel Programm, allerdings nicht durchgängig. Ich fühlte mich streckenweise ein wenig an Beethoens Neunte erinnert (ach ja, auch in d-Moll...), ohne dass aber von Epigonalität die Rede sein kann. Ein wirklich beeindruckender Satz.
    Das Andante beginnt zart und traurig, legt episodenweise an Vehemenz zu, verklingt aber zum Schluss wieder leise - ergreifend und streckenweise fast spätromantisch im Ausdruck. Das Scherzo ist dafür umso energetischer. Freunde der Pauke werden hier reichlich bedient, jedenfalls mehr als bei Mendelssohn oder Schumann. In diesem Satz vermeine ich trotzdem ab und an Anklänge an Schumann'sche Symphonik zu hören, ohne aber den Finger darauf legen zu können. Erstaunlich sind die grotesken Dissonanzen in den Bläsern im Trio. Das Werk schließt mit einem meisterhaft fugierten Schlusssatz.


    Weshalb diese Symphonie nicht im Konzertsaal zu hören ist und nur einmal eingespielt wurde, ist ähnlich wie bei der symphonischen Dichtung Volkmanns, Richard III., für mich völlig unerklärlich. Wirkungsvoller kann eine Symphonie kaum sein. Qualitativ erreicht hier Volkmann eindeutig das Niveau Schumanns und Mendelssohns.


    Die einzige Aufnahme (Nordwestdeutsche Philharmonie unter Werner Andreas Albert :


  • Zu Reger würde ich gerne noch folgende Ergänzung bringen:



    Auf dieser CD findet sich das einzige "symphonische" Werk Regers, der "Symphonische Prolog zu einer Tragödie" Op. 108. Wie immer bei Reger nicht leicht verdaulich, aber mir gefällt das Werk sehr gut.


    Das ist natürlich nicht das einzige "symphonische" Werk Regers. Zwar gibt es keine Sinfonie, aber außer den sehr symphonischen Konzerten und Variationen ja noch ein paar Beinahe-Sinfonien wie die Sinfonietta, die "romantische Suite", die Böcklin-Suite usw.


    Zu Regers Orchestermusik gibt es noch kaum etwas, aber einen threadzum Komponisten.

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  • Das ist natürlich nicht das einzige "symphonische" Werk Regers.


    Im CD-Booklet steht, dass der "Prolog" ursprünglich als Kopfsatz für eine Symphonie gedacht war. Vielleicht war die "Tragödie", dass er das Werk nicht vollenden konnte.... ?(

  • 1817 in Breslau geboren studierte er 1834-1838 als Privatschüler von Mendelssohn mit dem er in Folge gelegentlich auch gemeinsam auftrat. Robert Schumann und Willam Sterndale Bennet zählten zu seinen Freunden.
    Mendelssohn schätzte und förderte seinen Schüler sowohl als Komponisten als auch als Pianisten, dessen Stil in seinen Frühwerken von seinem Lehrer beeinflusst war.
    Bedauerlicherweise sind nur 2 seiner vorzüglichen Sinfonien erhalten, mindestens 3 sind indes verschollen. Glücklicherweise stehen uns von den beiden erhaltenen Aufnahmen zur Verfügung, sowie auch vom Violinkonzert op- 57. welches sich so ziemlich mit allem messen kann was in dieser Zeit geschrieben wurde.



    Ich habe – um mich auf den Beitrag einzustimmen - soeben sie Sinfonie op. 52 gehört, welche sich durch Wärme, Durchsichtigkeit und eine positiver Grundstimmung auszeichnet, oftmals äußerst wirkungsvoll von Hörnerklang und Fanfaren durchzogen. Die Musik wirkt sofort vertraut und natürlich, niemals aufgesetzt oder verstörend..
    Irgendwie ist mir unverständlich, warum sie nicht bekannter ist.
    Vielen Dank an das Label audite, welches sich durch seine Aufnahmen große Verdienste um Eduard Francks Werke erworben hat


    Über die ebenfalls existierende Kammermusik des Komponsten demnächst im entsprechenden Thread...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Wahrscheinlich ist August KLUGHART nur wenigen ein Begriff, denn es gibt nur wenige Aufnahmen mit Werken von ihm.
    Seine Sinfonie Nr 3 - entstanden und uraufgeführt 1879 - ist ein eher positives, sonniges Werk. Es ist bei unbekannten Musikwerken der Brauch, sie mit irgendjemandem zu vergleichen, im Booklet werden Franz Lachner. Mendelssohn und Franz Schubert genannt. Beim ersten Hören konnte ich dem nicht beipflichten. Aber desto mehr man sich mit der Materie befasst, desto stärker kommt die Ähnlichkeit (insbesondere mit der Großen C-Dur Sinfonie zum Vorschein. Aber es gibt auch Parallelen zu Joachim Raff. Vor allem der oft strahlende, von Fanfarentönen und Pauken geprägte Grundton ist hier auffällig, ebenso wie die Vorliebe für liebliche Bläserstellen. Der dritte Satz klingt wie eine feierliche Zeremonie an irgendeinem Hof. Von Klughardts nachweisbarer Bewunderung Richard Wagners ist in diesem Werk nichts zu bemerken.
    Die Sinfonie war ein Riesenerfolg und wurde in verschiedenen Städten immer wieder auf den Spielplan gesetzt. Und wer sie gehört hat, der wird mir vielleicht beipflichten, daß das gut verständlich ist. Aber das ist natürlich auch eine Geschmackssache. Klassisches Ebenmaß und betörende Themen sind eher ihre Stärke als dramatische Ausbrüche und konfliktbeladene Gegensätze. Das ebenfalls auf dieser CD befindliche Violinkonzert wird bei Gelegenheit in einem hierfür passenden Thread vorgestellt.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da mir Alfred mit Klughardt 1-2 Tage zuvorgekommen ist (die CD landete heute in meinem Briefkasten), gibt es hier mein Ersatzprogramm, nämlich die 1. Symphonie von Felix Draeseke. Draeseke (1835- 1913) war ein ziemlicher Außenseiter, da er zu Beginn seiner Komponistenkarriere ein bedingungsloser Neudeutscher war, der zahlreiche giftige Essays gegen die "Traditionalisten" schrieb, später aber selbst in konservativeres Fahrwasser geriet. Somit saß er mehr zwischen den Stühlen als irgendein anderer Musiker in dieser Zeit. Zusammen mit seinem ausgeprägten Selbstmitleid (das zieht sich durch alle Werkbeschreibungen, die ich bisher las) legte dies das Fundament zu einem recht unglücklichen Künstlerdasein - also nix mit "Felix" (tatsächlich benannte ihn seine Mutter nach Mendelssohn, einem Freund der Familie). Die Charakterisierungen von Draesekes Musik sind auf den ersten Blick recht widersprüchlich, denn einerseits galt er noch zu Lebzeiten als trocken und akademisch, andererseits aber soll ihn Brahms als einzigen wirklichen Konkurrenten betrachtet haben. Nach Durchhören der ersten Symphonie erscheinen mir beide Sichtweisen als schlüssig, denn Draeseke schreibt tatsächlich extrem dichte, handwerklich superbe Musik, die den Vergleich mit Brahms nicht zu scheuen braucht - allerdings sind seine Themen noch viel schroffer und trockener als die abweisendsten von Brahms, ja geradezu "eckig" und "stachelig". Es handelt sich also um harte Kost, aber doch sehr interessante, weil originelle. Mein Eindruck ist daher äußerst zwiespältig. Das prägende Vorbild für diese Symphonie ist eindeutig Beethoven, was fast in jedem Takt zu hören ist. Gleichzeitig geht aber Draeseke in Sachen Harmonie und Rhytmik phasenweise (manchmal sind es nur Sekunden) weit ins 20. Jahrhundert hinein - irgendwie kurios. Am gelungensten erscheint mir fast der langsame Satz, der mir wie ein Amalgam aus Beethoven und Wagner vorkommt, aber auch das Scherzo ist sehr interessant. Sinnlichkeit hat diese Musik fast keine, dafür reichlich Hirnschmalz. Die anderen Werke auf der CD, die ein andermal besprochen werden sollen, hinterlassen einen ähnlichen Eindruck (4.te Symphonie und Gudrun-Ouvertüre). Deshalb wundert es mich nicht, dass Draesekes Zeitgenossen, aber auch die Nachwelt, Probleme mit dieser Musik hatten. Trotzdem verdient sie Aufmerksamkeit!


  • Albert Dietrich (1829 - 1908) war ein Freund und Schüler Schumanns und später ein guter Freund Brahms. Er ist der Nachwelt, wenn überhaupt, als der Komponist des ersten Satzes der FAE-Sonate für Violine und Klavier, einer Gemeinschaftsarbeit von Schumann, Brahms und eben Dietrich, im Gedächtnis geblieben. Die meiste Zeit als in seinem Musikerleben verbrachte er in Oldenburg als Leiter der dortigen Hofmusikkapelle, wobei er als Komponist relativ wenig produktiv war. Mit "wenig" ist allerdings nur die Quantität gemeint, denn die Qualität seiner Werke, so mir bekannt, kann sich wirklich sehen lassen. Ein wirklicher "Reißer" ist seine d-Moll Symphonie, Op. 20, aus dem Jahre 1869. Dieses Werk würde ich als sehr bedeutend einschätzen, deutlich bedeutender als die - an sich guten -Symphonien Gades oder Reineckes. Der erste Satz klingt wie eine Kreuzung aus Schumannscher d-Moll-Symphonie und Brahmsens Erster. Dietrich bedient sich einiger Elemente der Schumannschen Tonsprache, z.B. die für Schumann so typischen Aufwärtsskalen in den Streichern aus doppelt gespielten Noten, hat aber eine ganz eigene Art zu instrumentieren, nämlich eine sehr warme. Sehr wichtig scheint Dietrich das Horn gewesen zu sein, das während der ganzen Symphonie immer wieder an prominenter Stelle zu hören ist. Nicht nur ist das Thema des ersten Satzes sehr eingängig, nein, es wird auf sehr raffinierte Weise den ganzen Satz hindurch verabeitet. Tatsächlich gibt es kaum einen Takt, in welchem das Thema nicht irgendwo erklingt. Eine Meisterleistung, die sicher nicht völlig an Brahms verlorengegangen ist. Das relativ rasche Andante beeindruckt durch sehr dichten aber flüssigen Satz. Auch hier ist die Instrumentierung vorbildlich. Bedeutend ist auch das sehr lange - aber nicht langwierige - Scherzo, das nach Schumannscher Manier zwei verschiedene Trios hat. Einziger Wermutstropfen ist leider das Finale, das das Niveau der drei vorherigen Sätze nicht hält und nie wirklich in Schwung kommt. Trotzdem, diese Symphonie verdiente es regelmäßig gespielt zu werden. Ich kann hier eine ganz eindeutige Kaufempfehlung aussprechen.


    Die einzige verfügbare Aufnahme, an der ich aber nichts zu mäkeln habe:



  • Der gebürtige Liechtensteiner Josef Rheinberger (1839 - 1901) verbrachte die meiste Zeit seiner Laufbahn als Komponist und Musikpädagoge in München. Zu seinen Schülern zählten Berühmtheiten wie Humperdinck, Wolf-Ferrari und Furtwängler. Der Nachwelt ist er natürlich vor allem mit seiner Sakraklmusik und seinem Werk für Orgel in Erinnerung geblieben, wobei sein Schaffen in gewisser als eine Verbindungslinie zwischen Mendelssohn und Max Reger gesehen werden kann. Trotzdem schrieb er auch sehr viel Musik für andere Besetzungen, d.h. haufenweise Kammermusik, acht musikdramatische Werke und zahlreiche Orchesterwerke. Eines der letztgenannten machte Rheinberger in Deutschland bekannt: die Programmsinfonie "Wallenstein" Op. 10, die von Hans von Bülow gerne ins Programm genommen wurde. Eine Sinfonie ist das Werk deshalb, weil es vier Sätze hat, die sich im wesentlichen dem herkömmlichen Schema zuweisen lassen, allerdings hat jeder Satz eine Bezeichnung: I. Vorspiel, II. Thekla, III. Wallensteins Lager, IV. Wallensteins Tod. Formal ist "Wallenstein" also dem Raff'schen Symphonietypus recht ähnlich, allerdings kann "Wallensteins Lager" auch als eigenständige symphonische Dichtung gesehen werden. Mir erschloss sich sofort, weshalb das Werk im 19.ten Jahrhundert populär war: es ist verdammt gut! Die Themen sind ganz hervorragend erfunden und die Instrumentierung sehr gelungen, allerdings praktisch zu 100% mendelssohnisch (Streicherteppiche, lang gehaltene Töne in der Klarinette an neuralgischen Stellen, usw.). Gleich der erste Satz ist in jeder Hinsicht erfreulich, da mächtig und kraftvoll. Der langsame Satz "Thekla" besticht ebenfalls durch eingängige Motive und gute Instrumentierung. Der dritte Satz, das als Scherzo fungierende "Wallensteins Lager", mündet in einer regelrechten Janitscharenmusik, während der Finalsatz wieder die Stimmung des Vorspiels aufnimmt. Dass dieses Werk praktisch völlig der Vergessenheit anheim gefallen ist, lässt sich mit qualitativen Maßstäben nicht erklären.


    Die meines Wissens einzige Aufnahme erschien beim Raritätenlabel "Christophorus" in einer Einspielung vom Symphonieorchester aus Frankfurt a.d. Oder.




    Die Qualität würde ich als solide bezeichnen, wobei mir der Klarinettist nicht bei allen Soli wirklich auf der Höhe zu sein scheint. Trotzdem: wo keine Alternative, dort keine Klage.

  • Auch wenn Louis Spohr in anderen Threads relativ gut vertreten ist - und unabhängig davon ob ich ihn persönlich schätze - er gehört unbedingt hierher. Ich habe langen darum gerungen seine Sinfonien zu mögen - insbesondere, da er ja zu Lebzeiten als der bedeutendste Komponist seiner Zeit gesehen wurde, und zudem noch ein wenig in der Klassik verwurzelt ist. Lange Zeit schien dieses Ringen erfolglos zu sein - aber nun, da ich, gleichzeitig, während ich diesen Beitrag schreibe, seine erste Sinfonie höre, scheinen meine Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sein. Die Sinfonie entfaltet nun bei mir ihre Wirkung, sie wird nun als klangschön und kunstfertig wahrgenommen.



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    clck 566

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, mit dem Spohr ist es ein Kreuz! Einerseits ist er wirklich ein Könner und definitiv kein Epigone, andererseits ist seine Musik vor lauter "Gentlemanness" und fehlender Intensität kaum konsumierbar. Ich bilde mir schon ein, eine gewisse Antenne für subtil gearbeitete frühromantische Musik zu haben, aber bei Spohr, und zwar vor allem bei seiner Orchestermusik, tue ich mir echt schwer. Eine Symphonie, die mir aber wirklich gut gefällt, ist die in 1828 komponierte dritte in c-Moll, Op. 78. Sie erinnert schon stark an Schumann, was einem zu denken geben sollte, wie einflussreich doch Spohr tatsächlich war. So dürften viele Details seiner Instrumentierungskunst von Mendelssohn übernommen worden sein. Auch Schumann war bekanntermaßen ein Anhänger Spohrs, und zumindest im Scherzo dieser Symphonie höre ich deutlich Anklänge an Schumann (bzw. natürlich umgekehrt). Ich kenne nur sechs der zehn Symphonien, aber wie gesagt, diese ist die einzige, die ich empfehlen würde.


  • Ja, mit dem Spohr ist es ein Kreuz! Einerseits ist er wirklich ein Könner und definitiv kein Epigone, andererseits ist seine Musik vor lauter "Gentlemanness" und fehlender Intensität kaum konsumierbar.


    Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Seine 6. habe ich früher sehr oft gehört und ich habe sie immer gut im Ohr. Die Weihe der Töne wartet darauf, endlich ausgepackt zu werden (wenn ich mal wieder Musik der Zeit schwerpunktmäßig mir vornehme).

  • Ich kann das wirklich nicht nachvollziehen. Seine 6. habe ich früher sehr oft gehört und ich habe sie immer gut im Ohr. Die Weihe der Töne wartet darauf, endlich ausgepackt zu werden (wenn ich mal wieder Musik der Zeit schwerpunktmäßig mir vornehme).


    Die "Weihe der Töne" habe ich nicht - tatsächlich fehlen mir die Symphonien 4,5, 7 und 9. Die 6. aber habe und kenne ich, weshalb ich Deinen Enthusiasmus nicht ganz nachvollziehen kann. Zudem höre ich außer im ersten Satz (Händel-Periode), keinerlei wirkliche Anklänge an die angeblichen historischen Modelle. Weder an Mozart noch an Beethoven fühle ich mich erinnert - klingt für mich wie der reinste Spohr. Angeblich war die 6. auch bei den Zeitgenossen relativ unbeliebt. Am erfolgreichsten waren angeblich 2., 3. und 4. Bei der dritten kann ich das wie gesagt nachvollziehen, aber die zweite finde ich langweilig.

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